Teil 1 – ‚Rassist‘
Ringen um Deutungshohheit
In dieser Artikelserie werde ich Begriffe behandeln, die in der Diskussion rund um #GamerGate ihre Bedeutung zu verlieren drohen. Sollten die Neudefinitionen der progressiven Cliquen in San Francisco und anderswo in unserer Sprache Fuß fassen, sehe ich schwarz für den offenen Diskurs. Nicht nur im Netz sondern auch in akademischen Zirkeln und den Medien.
In einer Weise hat sich die Weltsicht der Partei am erfolgreichsten bei den Menschen verfestigt, die nicht in der Lage sind, sie zu verstehen.
George Orwell, 1984
Es bedeutet nicht das, was du denkst Schatz!
Rassist. Ein schönes Schimpfwort, es beleidigt nicht nur den Empfänger, sondern gibt dem Sender die Genugtuung, ein besserer Mensch als sein Gegenüber zu sein. In meiner Jugend waren Rassisten entweder alte Männer mit unveränderlichen Vorurteilen oder kahl rasierte Idioten in Bomberjacken. Die Gegner der Ideen, für die #GamerGate steht, haben leider nicht die gleichen Definitionen wie ich oder auch der geneigte Leser vor Augen, wenn sie von Rassisten sprechen.
Ihre Definition ähnelt eher dieser hier, festgelegt in einem Papier des ‚Büros für die Unterweisung der vor Ort wohnenden Studenten zum Zwecke der Förderung der Diversität im Uni-Leben‘ an der Walter Ulbricht Univer… Universität von Delaware von 2007.
RASSIST: Ein Rassist ist jeder der auf Grund seiner Rasse durch ein (rassistisches) System weißer Überlegenheit sowohl privilegiert als auch sozialsiert wird. Dieser Ausdruck lässt sich auf alle weißen Menschen (also Menschen europäischer Herkunft) in den Vereinigten Staaten anwenden, weder Klasse, Gender, Religion, Kultur noch Sexualität spielen dabei eine Rolle. Nach dieser Definition können also Menschen anderer Hautfarbe keine Rassisten sein, denn ihnen fehlt als Bürger innerhalb des Systems der USA die Macht um ihren Vorurteilen, Feindseligkeiten oder ihren Akten der Diskriminierung Nachdruck zu verleihen (Dies steht nicht der Tatsache entgegen, dass solche Vorurteile, Feindseligkeiten oder Akte der Wut oder Diskriminierung existieren.)
NICHT-RASSIST: Ein Unwort. Der Begriff wurde von Weißen geschaffen um ihre Verantwortung für den systemischen Rassismus zu ignorieren, um im Angesicht rassistisch motivierter Unterdrückung eine Aura der Unschuld zu erhalten und um die Verantwortung für diese Unterdrückung den Menschen anderer Hautfarbe zuzuschieben (man nennt das ‚dem Opfer die Schuld geben‘). Die Verantwortung für die Weiterführung und Legitimierung eines rassistischen Systems liegt bei jenen, die es aktiv am Laufen halten und bei denen, die sich weigern es herauszufordern. Schweigen ist Zustimmung.
Wie soll bei so extrem abweichenden Definitionen ein Dialog möglich sein? Ein Großteil meiner Leser dürfte weiß sein, weil er oder sie nicht nur ein ‚Mensch europäischer Herkunft‘ ist sondern meist sogar dort leben dürfte. Ergo wäre mein geneigter Leser also mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Rassist, folgte ich dieser kruden Theorie. Ein wenig kafkaesk ist das schon – nur auf Grund meiner Hautfarbe und der Umstände meiner Geburt bin ich also ein Rassist? Was ist wenn ich einfach sage: ‚Ich gehöre keiner Rasse an, ich bin über 10.000 Jahre alt, meine Name ist Mensch?
Haben Sie jemals eine wohlmeinende weiße Person sagen hören: ‚Ich gehöre keiner Rasse an, nur der menschlichen Rasse‘? Normalerweise möchte sie damit ausdrücken, das sie rassistischen Kategorisierungen nicht fördern will, indem sie ihr ‚Weiß-sein‘ nicht zur Kenntnis nimmt. Damit versucht sie der Verantwortung zu entkommen, die sie durch ihre Beteiligung an einem System auf sich geladen hat, welches auf weißer Überlegenheit basiert.
(alle Beispiele auf Seite 3 des Dokuments)
Ach so. Na dann. Dann halt nicht. Ich werde dann aber in Zukunft auch jedes ‚Rassist‘ aus dieser Ecke ignorieren und das sollten Sie, lieber Leser, auch tun. Es bedeutet für diese Menschen etwas ganz anderes, als für uns Unwissende „auf der falschen Seite der Geschichte“. Wenn Sie also in Zukunft jemand Progressives mit bunten Haaren einen ‚Rassisten‘ nennt, will derjenige damit eigentlich nur ausdrücken, dass sie von verdächtig weißer Hautfarbe sind und nicht etwa das sie rückständige, dumme, ausländerfeindliche Gedanken hegen.
Die deutschen Journalisten, welche die Rassismus-Vorwürfe gegen #GamerGate ungefiltert und ungeprüft aus den englischsprachigen Medien (die zu nicht unerheblichen Teil wegen ethischer Verfehlungen ins Visier von #GG geraten sind) übernehmen, sollten in Zukunft einen kritischeren Blick auf ihre Quellen richten. Einer nordkoreanischen Zeitung glaubt doch auch niemand, wenn sie von ‚Systemschädlingen‘ schreibt, warum also werden die Definitionen in diesem Fall nicht hinterfragt? Faulheit? Stillschweigende Befürwortung des Neusprech?
Ich erinnere mich da an eine ganze Gruppe Journalisten, die mir das Motto ‚Wenn alle Menschen Gamer sind, ist es keiner‘ wie sauer Bier verkaufen wollten. Jetzt würde ich es nehmen, ich tausche es gegen ein ‚Wenn alle Weißen Rassisten sind, ist es keiner‘, das hab ich doppelt.
Link zur Bildlizenz (Titelbild George Orwell)