Kategorie: SocJus

Steife Brise aus Süd-Südwest

UPDATE: Vor kurzem haben die Organisatoren von SXSW verkündet, dass es ein einziges, „neutrales“ Podium zu „Cybergewalt“ geben soll. Neben Namen wie Brianna Wu und Wendy Davis (siehe Artikel) findet sich leider außer den ursprünglichen Teilnehmern von „SavePoint“ niemand, den ich auch nur entfernt als #GamerGate-Unterstützer sehen würde. „Neutral“. Wie gehabt. Sehr entmutigend, SXSW. Und wie es ausgeht, wenn #GamerGate-Vertreter zu Konferenzen eingeladen sind, an denen auch Menschen wie Wu oder Harper teilnehmen kann sich jeder ausmalen: Irgendjemand wird schon besorgt genug um seine Sicherheit sein, um genau dieses eine Panel zu „sprengen“.

 

Ursprünglicher Artikel: Heute mal was über Windrichtungen. Scherz beiseite, wer #GamerGate auch nur ansatzweise verfolgt, hat mitbekommen, dass es im Moment großen Wirbel um die Absage von zwei Panels bei der SXSW (South by Southwest) Interactive Konferenz gibt, die 2016 in Austin/Texas stattfinden wird. Die internationalen sowie die deutschen Medien haben die Streichung der beiden Veranstaltungen zu Anlass genommen, wieder einmal die altbekannten Vorurteile und Lügen aus der Schublade zu holen. In den zwei Tagen seit Bekanntgabe der Absage erschienen bereits mehr als zwanzig Artikel, die Unterstützer des Hashtags #GamerGate als potentielle Verantwortliche für die Verhinderung eines Vortrags über Internet-Belästigung nennen, ohne das die Organisatoren Details über die Drohungen bekannt gegeben hätten, die einen solchen Schluss zuließen. Aber was ist wirklich passiert?

In der Euphorie nach der SPJAirplay-Konferenz im August 2015 in Miami erschien auf dem Blog der Open Gaming Society ein Artikel mit dem Titel „Save Point SXSW Panel“. Darin erklärt der Organisator, Perry Jones, dass er die Planung und Koordination eines Panels zur Einreichung beim SXSW 2016 übernommen hat. Die für das Panel geplanten Themen fasste er so zusammen:

Das momentan in der Gaming-Community herrschende sozialpolitische Klima.

Die Bedeutung der journalistischen Integrität für die Videospiel-Medien.

Die Zukunft der der Gaming-Community und der Spiele-Industrie.

Am 20. Oktober konnte Jones an gleicher Stelle verkünden, dass sein Panel-Vorschlag von den Organisatoren der Konferenz angenommen wurde und präsentierte später neben sich (in seiner Eigenschaft als Spieleentwickler) noch Mercedes Carrera (#GamerGate-Unterstützerin und Erwachsenenfilmdarstellerin) und Lynn Walsh (Ethikbeauftragte der Society of Professional Journalists) als weitere Teilnehmer. Die Unterstützer der Konsumentenrevolte feierten eine weitere Möglichkeit, ihre Ansichten ungefiltert der Öffentlichkeit präsentieren zu können.

Kurz nachdem die konkrete Planung eines Panels einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, gab es Bestrebungen, die Veranstaltung zu verhindern und es blieb Randy Harper, der „Vorsitzenden und Gründerin der OAPI“ (einer nur aus ihr selbst bestehenden, Patreon-gestützten „Wohltätigkeitsorganisation“) vorbehalten, ein „Gegen-Panel“ einzureichen: “Level Up: Overcoming Harassment in Games” fand seinen Weg auf die Abstimmungsliste des SXSW und durchlief den Prüfungsprozess ebenso erfolgreich wie „SavePoint“. Die geplanten Diskussionspunkte waren:

Wie sehen die Voraussetzungen für Online Kommunikation aus und wie nutzt man Design um einen Raum für kontroverse Konversation un bewahrt gleichzeitig eine robuste Privatsphäre?

Wie schaffen wir ein Ökosystem für Online-Spiele und den Raum, in dem sie stattfinden, dass Sicherheit gibt, aber auch offene Kommunikation erlaubt?

Wie können wir das Narrativ rund um die „Gaming-Spaces“ neu ausrichten um Inklusivität und Diversität unter Gamern zu schaffen?

Also eine faire Situation in Austin: Unterstützer von #GamerGate, Gegner von #GamerGate und Neutrale Beobachter diskutieren – leider auf getrennten Panels – über Themen, die sie in der Gaming-Community für wichtig halten. Wer will, kann sich nur eines der Panels ansehen.  Oder beide. Oder keins.

Dann folgte die große Ernüchterung: Nur eine Woche nach Bekanntgabe, dass „SavePoint“ stattfinden würde, sagten die Organisatoren von SXSW Interactive sowohl dieses Panel als auch „Level Up“ ab. In der dazu veröffentlichten Meldung werden anonyme Drohungen gegen die Veranstaltung als Grund genannt.

„Am Montag, dem 26. Oktober hat sich SXSW Interactive entschlossen, zwei Vorträge aus dem Programm der Veranstaltung 2016 abzusagen: „SavePoint: Eine Diskussion über die Gaming-Community“ und „LevelUp: Belästigung in Games überwinden“. Wir hatten gehofft, die Aufnahme der beiden Veranstaltungen in das Programm für Austin im März 2016 würde zu einem wertvollen Ideenaustausch über dieses wichtige Thema führen. 

Wie dem auch sei, in den sieben Tagen seit der Ankündigung der beiden Veranstaltungen hat SXSW diverse Androhungen von Gewalt am Ort der Veranstaltung erhalten.

Wenn Menschen an einem, vor online und offline-Belästigungen geschützten, sicheren Ort nicht verschiedener Meinung sein können und sich nicht auf neue Ideen einlassen wollen, dann wird dieser Marktplatz der Ideen unausweichlich in Mitleidenschaft gezogen.“

Hugh Forrest, SXSW Interactive Director

 

Die Reaktion der Presse war erwartbar, was mich persönlich verwundert hat war der Aufwand, den die #GamerGate-Gegner investierten, um diese Entscheidung öffentlich und in den Medien ihrer Freunde als von „Drohungen von #GamerGate“ motiviert darzustellen. SXSW Interactive hat meines Wissens bisher keine der betreffenden Drohungen veröffentlicht und nach den Bombendrohungen gegen #GamerGate in Miami und Washington wäre das auch nicht das erste Szenario, das mir einfiele. Trotzdem sah die Medienlandschaft kurz danach so aus:

Mainstream Media Blitz II - Electric Boogaloo

Mainstream Media Blitz II – Electric Boogaloo

 

Anita Sarkeesian meldete sich auf Twitter mit der Forderung an die Organisatoren der Veranstaltung, nur das „LeveUp“-Panel wieder einzusetzen und sich für die Ansetzung von „SavePoint“ zu entschuldigen. Soviel zu „Wir wollen niemandem irgendetwas weg nehmen“ – schon wieder beim Lügen erwischt Anita.

Auch die Politik meldete sich zu Wort: Texas State Representative Wendy Davis, ehemalige Gouverneurskandidatin der Demokraten, gab folgende, von der inzwischen gewohnten Ahnungslosigkeit ihres Berufsstands gezeichnete Stellungnahme ab:

„Das Problem begann als SXSW versucht hat, „beiden Seiten“ gleichberechtigt nebeneinander zu stellen. Jedesmal wenn GamerGate erfolgreich jemanden davon überzeugt, dass sie über eine Angelegenheit mit zwei Seiten streiten, die sich in ihrer Würde nicht unterscheiden, gewinnt er. Denn es gibt keine zwei Seiten.

Es gibt jene Menschen, die Sexismus und den Mangel an Inklusivität in Spielen und Tech  beseitigen wollen und es gibt die anderen, welche glauben, man müsse die Ersteren daran hindern und das Drohungen und Beleidigungen der richtige Weg sind, um dieses Ziel zu erreichen.“

Quelle: Facebook

Auch Zoe Quinn, die offiziell mit #GamerGate ja weder etwas zu tun hat noch zu tun haben will, äußerte sich und offenbarte neben den erwarteten Vorurteilen auch, dass sie hinter den Kulissen versucht hatte, „SavePoint“ zu verhindern:

"Ich habe ihnen gemailt, wegen meiner Bedenken, dass sie ein GamerGate-Panel hosten"

„Ich habe ihnen gemailt, wegen meiner Bedenken, dass sie ein GamerGate-Panel hosten“

In Deutschland fühlte sich die GameStar genötigt in einem Artikel von Anhängern der „GamerGate-Bewegung“ zu schwadronieren, die SXSW bedroht hätten, obwohl es keine öffentlich zugänglichen Beweise für diese These gibt. Die Redaktion hat auf meine Anfrage zu dieser unbelegten Behauptung bisher nicht Stellung genommen. Hier macht GameStar einfach so nebenbei mit beim Stigmatisieren, das macht mich als ehemaligen Leser echt betroffen.

„Die GamerGate-Kontroverse wurde in diesem Zusammenhang zwar nicht explizit genannt, galt jedoch hinter vorgehaltener Hand als zu behandelndes Thema. Offensichtlich Grund genug für einige Anhänger der Bewegung, die Veranstalter mit Drohungen zu bombardieren.“

Tobias Ritter, GameStar

Es gab allerdings auch Ausnahmen, die ein bisschen Hoffnung machen: Sowohl der Lokalsender KVUE aus Austin, als auch der Journalist Brady Dale vom Observer haben überraschend ausgewogene Beiträge gedreht bzw. geschrieben.

Wenn man jetzt noch weiß, dass sich „SavePoint“ zu keiner Zeit selbst als #GamerGate-Panel bezeichnet hat und das die Organisatoren und die Claqueure von Harper und Konsorten einem schwarzen Game-Designer, einer Hispano-Filmschaffenden und einer Journalistin, die auf dem besten Weg ist, die nächste Präsidentin der Society of Professional Journalists zu werden, die Plattform nehmen wollen – wie kommt die Presse darauf, dass eben die Unterstützer dieser drei Personen deren Auftritt verhinder haben?

Ockhams Rasierklinge macht in diesem Fall eine klaren Schnitt: Ich glaube eher an voreingenommene Journalisten, die voneinander abschreiben, als an #GamerGate-Unterstützer, die eine ihnen wohlwollend gegenüber stehende Veranstaltung torpedieren. Die in diesem Blog schon diverse Male angesprochenen Bombendrohungen mit folgender Evakuierung durch die Polizei bei GamerGate Veranstaltungen lassen mich nicht an die Version glauben, das #GamerGate sich selbst das wegnimmt, was seine Unterstützer verzweifelt anstreben: Eine Möglichkeit, der Gesellschaft ohne den Zerrspiegel befangener Journalisten zu zeigen, wer wir sind und was uns die Freiheit der Kunst und die Regeln eines ethischen Journalismus bedeuten.

SXSW Interactive hat für die kommenden Tage eine Neubewertung der Vorgänge in Aussicht gestellt.Es bleibt spannend.

 

#NichtEureMunition

Gastbeitrag

Der folgende Beitrag stammt von einer Bloggerin, die unter dem Pseudonym Transye West schreibt und wird hier mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

Liebe Gegner von GamerGate, ich bin #NichtEureMunition

Ich bin Mann-zu-Frau Transgender und wie viele von uns unterstütze ich GamerGate. Ich glaube daran, dass Meinungsfreiheit wichtiger als alles andere ist und würde das Recht auf Genderübergang und rechtliche Anerkennung meines neuen Geschlechts aufgeben, um dieses universelle Menschenrecht zu schützen. Ich glaube dran, das andere mich beleidigen dürfen und das ich sie beleidigen darf ohne Angst vor einer Einmischung der Behörden haben zu müssen und das „Cybergewalt“, wie sie von Anti-GamerGate beschrieben wird, nicht existiert. Ich glaube fest daran das Meinungen, unabhängig vom Medium, in dem sie ausgedrückt werden, nie unter Strafe gestellt werden sollten – solange sie keinen physischen Schaden für Andere verursachen.

Ich bin jetzt seit sechs oder sieben Monaten an GamerGate beteiligt und habe sowohl unter den Gegnern als auch den Befürwortern von GamerGate unglaubliche Freunde gefunden und würde keinen von ihnen verändern wollen. Obwohl ich heftige Meinungsverschiedenheiten mit Vertretern beider Gruppen hatte, habe ich doch mit den meisten von ihnen eine Verbindung gespürt. Wie auch immer, echte Negativität habe ich nur von einer Gruppe von gleich denkenden Menschen gespürt.

Jene, die mich transphob genannt haben obwohl ich selber Transgender bin, jene die mich als „diejenige, die hilft, Transleute weiter klein zu halten“ bezeichnet haben, sind die Gleichen, die kritisch zu abweichenden Gedanken und freier Meinungsäußerung stehen. Sie sind diejenigen, die einer nicht diskutierbaren Doktrin der sozialen Gerechtigkeit folgen und andere, die offen ihre Meinung sagen mit Doxxing und Swatting bedrohen. Eigentlich hat diese Gruppe großen Respekt vor Transgender-Personen, zwei ihrer lautstärksten Mitglieder sind selbst Transgender, doch dieser Respekt wird nur gezollt, solange man dem Narrativ folgt.

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Durchbrechen Transgender-Personen, z.B. durch die Unterstützung von GamerGate, das Narrativ, ist es auch für sie vorbei mit der Position auf dem Podest. Sie scheuen keine Mühen um uns lächerlich zu machen und uns abzuwerten indem sie unsere Twitterkonnten sperren lassen, weil wir keine unterwürfige Tranny sind oder sie ordnen uns absichtlich dem falschen Geschlecht zu, weil wir nicht die „genehmigte“ Liste an Pronomen benutzen. Dieser Lebensstil, der erscheint als käme er direkt aus „Animal Farm“, lockt Transgender-Personen unter dem Vorwand von Feminismus und Gleichheit an, aber nichts davon ist echt: Wenn eine Transperson auch nur ein kleines bisschen vom Gruppendenken abweicht, ändert sich ihr Kriegsruf auf einmal in: „Nur eine tote TransgenderPerson ist eine gute Transgender-Person“.

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Die meisten Angriffe auf mich beziehen sich auf meinen laxen Umgang mit dem Wort Tranny, das ich regelmäßig benutze, um mich selbst zu beschreiben. Ich habe mich immer auf die gleiche Art und Weise als „Tranny“ bezeichnet, wie Lesben sich selbst „Dykes“ nennen  oder Schwule sich selbst als „queer“ bezeichnen, eine humorvolle und verspielte Art mit einem Begriff umzugehen, der negative Untertöne hat und der von manchem als Schimpfwort gesehen wird. Ich benutze das Wort „Tranny“ nicht aus einem sinnlosen Gefühl der Rückeroberung heraus, sondern weil es mir gut tut und weil es Anderen die Möglichkeit gibt, über den Humor eine Verbindung zu mir herzustellen.  Ich glaube, dass Worte vollkommen abhängig vom Zusammenhang des Satzes sind, in dem sie stehen, vom Sprechenden selbst und das diejenigen, die glauben, man könne Worte zurückerobern einfach nur postulieren, dass ein weißer, heterosexueller, cis-gender Teufel ihr Wörterbuch beherrscht, was eine ziemlich lächerliche Theorie ist.

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Die Website feministing.com hat Tweets von mir in ihrem Artikel zur „Samus Atrans“-Kontroverse als Beweis für Transphobie zitiert. Diese Kontroverse wurde durch Brianna Wu und Ellen McGrody, zwei Transgender-Frauen, ausgelöst, die einen Artikel für die berüchtigte Website themarysue.com geschrieben haben. Der Artikel bezeichnete GamerGate-Unterstützer als „weiße dudebros“ und nannte meine Twitter-Gespräche mit @remmarssa, in denen ich mich erkundigte, warum es an christlichen Rollenvorbildern für Transgender mangelt, „zutiefest transphob“. Ich habe sowohl feministing.com als auch den Autor auf Twitter kritisiert und kurz darauf wurde der Artikel zurückgezogen. Darauf angesprochen informierte mich der Executive Director Jos Truitt, dass der fragliche Artikel zurückgezogen worden sei, weil er eine Transperson, in diesem Fall Brianna Wu, geoutet habe. Wu hat nie öffentlich bestätigt, dass sie eine Transgender-Frau ist.

Mir ist zwar klar, das Tanya Cohen (die Autorin des Artikels) eine Deckidentität des kürzlich verhafteten Internet-Trolls Joshua Goldberg und der Feministing-Artikel damit praktisch gegenstandslos ist, aber trotzdem habe ich ein Problem damit, dass feministing.com den Artikel in dem Glauben publiziert hat, es handele sich um die Warheit, denn auf diese Weise haben sie mich als transphob abgestempelt.

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Die Gegner von GamerGate haben ebenfalls versucht, meine Identität als Transperson in Frage zu stellen, indem sie mich mit dem falschen Geschlecht ansprachen oder mich als „Er, Sie, was auch immer“ bezeichnteten. Als Antwort darauf habe ich die Kopien von Briefen auf Twitter veröffentlicht, welche meinen Status als Kandidatin auf der Warteliste für eine Hormonersatztherapie bestätigen, die ich ab April 2016 in einer NHS-Gender-Klinik erhalten soll. Diese Briefe sind aus dem Januar 2015, zwei bis drei Monate bevor ich überhaupt mit GamerGate-Befürwortern oder Gegnern zu tun hatte. Ich möchte nachdrücklich darauf hinweisen, das mein gewähltes Geschlecht und die dazugehörigen Pronomen in den sechs bis sieben Monaten, in denen ich mit GamerGate zu tun hatte, nie von einem Unterstützer des Hashtags in Frage gestellt oder nicht respektiert worden sind.

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Ich glaube, dass das Recht auf Meinungs- und Redefreiheit alles andere überragt und dass meine eigenen Rechte als Transgender-Person zweitrangig sind. Ich würde das Recht zum Genderübergang, zur rechtsgültigen Änderung meines Namens oder Geschlechts und das Recht auf Heirat aufgeben, um diese Rechte für jede einzelne Person und jedes zur Verfügung stehende Medium zu schützen. Ich akzeptiere zum Beispiel, das nicht jeder mit meinen gewählten Pronomen oder der Art, in der ich über meine Identität spreche, einverstanden sein wird. Diese Leute haben das Recht auf ihre eigene Meinung, genau wie ich das Recht habe, ihre Meinung nicht zu teilen, ohne dafür Verfolgung befürchten zu müssen.

 

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In der Gründerzeit von #GamerGate war der Hashtag #NotYourShield populär, er entstand aus einer Diskussion auf dem /v/ Board auf 4Chan und war eine Antwort auf die Behauptung von Anti-GamerGate, sie würden die Rechte von Frauen und Minderheiten verteidigen – solange diese sich dem Narrativ unterordneten. Ich schlage vor, der Welt den abstoßenden Hass zu zeigen, dem GamerGate-Unterstützer regelmäßig durch ihre Gegner ausgesetzt sind. Diese Gegner benutzen Minderheiten nicht nur als Schild, um unsere Kritik abzuwehren, sondern auch als Waffe zum Angriff auf unsere Freiheit. Sexualität, Gender, Religion und Hautfarbe spielen keine Rolle, denn wir sind #NichtEureMunition, Anti-GamerGate!


 

Dieser Blogpost erschien zuerst in englischer Sprache hier.

gamergateblog.de dankt Transye West (@senpaidesune) für die freundliche Genehmigung zur Übersetzung und Veröffentlichung.

 

Mythologie – ‚#GG ist rechts‘

Alles Nazis, außer Mutti

Der Vorwurf, Unterstützer des Hashtags seien ‚klar‘ dem rechten Spektrum zuzuordnen findet sich zuhauf im Netz. Im Guardian schreibt Jon Stone:

Was GamerGater und Männerrechtsaktivisten gemeinsam haben ist der verzweifelte, egoistische Wunsch, sowohl das Problem mit passivem als auch mit aggressivem Sexismus in der Spieleindustrie zur Nebensache zu erklären anstatt die Verantwortung zu übernehmen. Sie wollen eine Debatte in der sie die missverstandenen Helden und unschuldigen Opfer spielen können.

Dies ist der wahre Grund, warum sie die Sache als apolitische Konsumentenrevolte darstellen wollen und nicht als eine Flut bösartiger Stimmungsmache vom rechten Flügel. Und dazu gibt es keine neutrale Haltung – wir sind entweder für sie oder gegen sie.

Nicht nur der pathetische Schlusssatz ist zum Fremdschämen. Der PC Blog PCAuthority macht es sich noch einfacher:

Außerdem [ist GamerGate] eine exzellente Tarnung für rechte, rassistische und zutiefst frauenfeindliche Gruppen.

Den Höhepunkt setzt schließlich Ex-Gawker-Autor Max Read, er titelt:

Wie uns die verlogenen Faschisten von GamerGate abgezockt haben.

Die Presse scheint sich also einig zu sein. Ein Haufen rechter Idioten, die Sorte mit der man nicht reden muss. Man kann sie einfach so verachten.

Wie ist dieser Eindruck entstanden?

Einen der Gründe für diese Wahrnehmung stellen sicher exponierte Personen wie der Schauspieler Adam Baldwin (Jayne in ‚Firefly‘) oder der Journalist Milo Yiannoupoulos (breitbart.com)  dar, die aus ihrer konservativen Haltung keinen Hehl machen. So hat sich Baldwin ablehnend zur Schwulenehe geäußert, Yiannopoulos legt sich regelmäßig im britischen Fernsehen mit Vertretern des linken Spektrums an und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Beides gesellschaftliche Todesurteile in der schönen neuen Welt der Progressiven.

Warum gibt sich GamerGate überhaupt mit Menschen ab, die solch rückständige Ideen vertreten? Weil diese Menschen bereit waren, in den Anfangstagen des Hashtags hinter die Kulissen der Zensur zu schauen. Yiannopoulos hat kurz vor dem Beginn der Revolte in seinen Artikeln noch die gleichen Klischees über Gamer benutzt, die auch der Rest der Medien all zu gern verbreitet.

Rechte 'Kunst' / Foto: gamergateblog.de

Rechte ‚Kunst‘ / Foto: gamergateblog.de

Als er gesehen hat, dass die Gamer bereit waren, sich gegen die Invasion der Bedenkenträger zu wehren, hat er einfach mal genauer hingeschaut. Und eine Gemeinschaft von Menschen gefunden, die von ihrer Liebe zu ihrem Hobby angetrieben, bereit waren, die gleiche gesellschaftliche Ächtung in Kauf zu nehmen, welche er als homosexueller konservativer Journalist in einem eher links-liberalen Medienumfeld schon kannte. Adam Baldwin war so freundlich, die Reichweite der Debatte in den Anfangstagen durch seinen Bekanntheitsgrad und sein Netzwerk erheblich zu erhöhen und beteiligt sich auch nach einem Jahr noch immer wieder an Diskussionen auf Twitter.

Aus der Tatsache, das viele Unterstützer des Hashtags diesen beiden Personen dankbar sind, leiten Journalisten und Aktivisten ab, dass es sich bei GamerGate um einen monolithischen, rechtskonservativen Block handelt. Das ist nicht nur faul, sondern verlogen. Vor allem von den deutschen Medien, die Vorwürfe einfach übernehmen, statt nachzufragen. Das die Menschen Yiannopoulos Artikel auf breitbart.com, einer deutlich rechts der Mitte stehenden Plattform, lesen, bedeutet nicht, dass sie seine politische Einstellung teilen. Das ich Adam Baldwin für seine ‚Öffentlichkeitsarbeit‘ dankbar bin, ändert nichts daran, dass ich einige seiner Positionen für falsch halte. Die Gegner des Hashtags sind oft nicht in der Lage, Personen und Inhalte zu trennen. Ein Fehltritt und man ist in diesen Kreisen für alle Zeiten als Quelle oder Gesprächspartner erledigt.

Entspricht er der Wahrheit?

Ich streite nicht ab, das unter den Unterstützern des Hashtags auch Personen sind, die sich selbst als ‚rechts‘ bezeichnen würden. Die finden sich dort genauso wie in jedem Turnverein. Diese Tatsache zu verleugnen wäre fatal, zumal es Beweise gibt. Als Antwort auf die Vorwürfe, eine ‚rechte Hassgruppe‘ zu sein, haben findige Leute aus dem GamerGate-Umfeld eine Umfrage organisiert. Sie entspricht natürlich keinen wissenschaftlichen Kriterien, beschreibt die Verhältnisse aber nach meiner persönlichen Erfahrung und der vieler anderer #GG-Unterstützer recht treffend:

 

Im Uhrzeigersinn: Autoritär, Rechts, Libertär, Links.

Im Uhrzeigersinn: Autoritär, Rechts, Libertär, Links.

Die Frontlinie verläuft nicht an der Grenze zwischen rechts und links. Aus dem Schaubild ist klar zu entnehmen, dass es vor allem um den Gegensatz ‚freiheitlich‘ und ‚autoritär‘ geht. Die Gamer sehen sich als Wächter ihres Hobbys, bereit es gegen Reglementierung und Missbrauch zu Propagandazwecken zu verteidigen. Auf der anderen Seite haben wir Menschen, deren proklamiertes Ziel es ist, die Gamer und ihre Spiele ‚loszuwerden‘, wahrscheinlich um danach eine ’neue‘, ‚bessere‘, ‚erwachsenere‘ Spieleindustrie gleich einer Inquisitionsbehörde zu kontrollieren. Sie benutzen den ‚#GamerGate ist rechts‘ Mythos, um von ihren eigenen Verfehlungen abzulenken. Wer darüber bestimmt, welche Inhalte oder sogar Menschen ‚problematisch‘ oder ‚toxisch‘ sind, hat Macht in einer Multi-Milliarden-Dollar-Industrie. Und Macht bedeutet Geld. Wer einen Vorgeschmack möchte, sehe sich die Verflechtungen zwischen Spielepresse und Entwicklern auf deepfreeze.it an (englisch).

Rechte Propaganda ? / Bild: Twitter

Rechte Propaganda ? / Bild: Twitter

Worte verlieren ihre Bedeutung

Teil 1 – ‚Rassist‘

Ringen um Deutungshohheit

In dieser Artikelserie werde ich Begriffe behandeln, die in der Diskussion rund um #GamerGate  ihre Bedeutung zu verlieren drohen. Sollten die Neudefinitionen der progressiven Cliquen in San Francisco und anderswo in unserer Sprache Fuß fassen, sehe ich schwarz für den offenen Diskurs. Nicht nur im Netz sondern auch in akademischen Zirkeln und den Medien.

In einer Weise hat sich die Weltsicht der Partei am erfolgreichsten bei den Menschen verfestigt, die nicht in der Lage sind, sie zu verstehen.

George Orwell, 1984

Es bedeutet nicht das, was du denkst Schatz!

Rassist. Ein schönes Schimpfwort, es beleidigt nicht nur den Empfänger, sondern gibt dem Sender die Genugtuung, ein besserer Mensch als sein Gegenüber zu sein. In meiner Jugend waren Rassisten entweder alte Männer mit unveränderlichen Vorurteilen oder kahl rasierte Idioten in Bomberjacken. Die Gegner der Ideen, für die #GamerGate steht, haben leider nicht die gleichen Definitionen wie ich oder auch der geneigte Leser vor Augen, wenn sie von Rassisten sprechen.

Ihre Definition ähnelt eher dieser hier, festgelegt in einem Papier des ‚Büros für die Unterweisung der vor Ort wohnenden Studenten zum Zwecke der Förderung der Diversität im Uni-Leben‘ an der Walter Ulbricht Univer… Universität von Delaware von 2007.

RASSIST: Ein Rassist ist jeder der auf Grund seiner Rasse durch ein (rassistisches) System weißer Überlegenheit sowohl privilegiert als auch sozialsiert wird. Dieser Ausdruck lässt sich auf alle weißen Menschen (also Menschen europäischer Herkunft) in den Vereinigten Staaten anwenden, weder Klasse, Gender, Religion, Kultur noch Sexualität spielen dabei eine Rolle. Nach dieser Definition können also Menschen anderer Hautfarbe keine Rassisten sein, denn ihnen fehlt als Bürger innerhalb des Systems der USA die Macht um ihren Vorurteilen, Feindseligkeiten oder ihren Akten der Diskriminierung Nachdruck zu verleihen (Dies steht nicht der Tatsache entgegen, dass solche Vorurteile, Feindseligkeiten oder Akte der Wut oder Diskriminierung existieren.)

NICHT-RASSIST: Ein Unwort. Der Begriff wurde von Weißen geschaffen um ihre Verantwortung für den systemischen Rassismus zu ignorieren, um im Angesicht rassistisch motivierter Unterdrückung eine Aura der Unschuld zu erhalten und um die Verantwortung für diese Unterdrückung den Menschen anderer Hautfarbe zuzuschieben (man nennt das ‚dem Opfer die Schuld geben‘). Die Verantwortung für die Weiterführung und Legitimierung eines rassistischen Systems liegt bei jenen, die es aktiv am Laufen halten und bei denen, die sich weigern es herauszufordern. Schweigen ist Zustimmung.

Wie soll bei so extrem abweichenden Definitionen ein Dialog möglich sein? Ein Großteil meiner Leser dürfte weiß sein, weil er oder sie nicht nur ein ‚Mensch europäischer Herkunft‘ ist sondern meist sogar dort leben dürfte. Ergo wäre mein geneigter Leser also mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Rassist, folgte ich dieser kruden Theorie.  Ein wenig kafkaesk ist das schon – nur auf Grund meiner Hautfarbe und der Umstände meiner Geburt bin ich also ein Rassist? Was ist wenn ich einfach sage: ‚Ich gehöre keiner Rasse an, ich bin über 10.000 Jahre alt, meine Name ist Mensch?

Haben Sie jemals eine wohlmeinende weiße Person sagen hören: ‚Ich gehöre keiner Rasse an, nur der menschlichen Rasse‘? Normalerweise möchte sie damit ausdrücken, das sie rassistischen Kategorisierungen nicht fördern will, indem sie ihr ‚Weiß-sein‘ nicht zur Kenntnis nimmt. Damit versucht sie der Verantwortung zu entkommen, die sie durch ihre Beteiligung an einem System auf sich geladen hat, welches auf weißer Überlegenheit basiert.

(alle Beispiele auf Seite 3 des Dokuments)

Ach so. Na dann. Dann halt nicht. Ich werde dann aber in Zukunft auch jedes ‚Rassist‘ aus dieser Ecke ignorieren und das sollten Sie, lieber Leser, auch tun. Es bedeutet für diese Menschen etwas ganz anderes, als für uns Unwissende „auf der falschen Seite der Geschichte“. Wenn Sie also in Zukunft jemand Progressives mit bunten Haaren einen ‚Rassisten‘ nennt, will derjenige damit eigentlich nur ausdrücken, dass sie von verdächtig weißer Hautfarbe sind und nicht etwa das sie rückständige, dumme, ausländerfeindliche Gedanken hegen.

Die deutschen Journalisten, welche die Rassismus-Vorwürfe gegen #GamerGate ungefiltert und ungeprüft aus den englischsprachigen Medien (die zu nicht unerheblichen Teil wegen ethischer Verfehlungen ins Visier von #GG geraten sind) übernehmen, sollten in Zukunft einen kritischeren Blick auf ihre Quellen richten. Einer nordkoreanischen Zeitung glaubt doch auch niemand, wenn sie von ‚Systemschädlingen‘ schreibt, warum also werden die Definitionen in diesem Fall nicht hinterfragt? Faulheit? Stillschweigende Befürwortung des Neusprech?

Ich erinnere mich da an eine ganze Gruppe Journalisten, die mir das Motto ‚Wenn alle Menschen Gamer sind, ist es keiner‘ wie sauer Bier verkaufen wollten. Jetzt würde ich es nehmen, ich tausche es gegen ein ‚Wenn alle Weißen Rassisten sind, ist es keiner‘, das hab ich doppelt.

Link zur Bildlizenz (Titelbild George Orwell)

 

 

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