Alles Nazis, außer Mutti
Der Vorwurf, Unterstützer des Hashtags seien ‚klar‘ dem rechten Spektrum zuzuordnen findet sich zuhauf im Netz. Im Guardian schreibt Jon Stone:
Was GamerGater und Männerrechtsaktivisten gemeinsam haben ist der verzweifelte, egoistische Wunsch, sowohl das Problem mit passivem als auch mit aggressivem Sexismus in der Spieleindustrie zur Nebensache zu erklären anstatt die Verantwortung zu übernehmen. Sie wollen eine Debatte in der sie die missverstandenen Helden und unschuldigen Opfer spielen können.
Dies ist der wahre Grund, warum sie die Sache als apolitische Konsumentenrevolte darstellen wollen und nicht als eine Flut bösartiger Stimmungsmache vom rechten Flügel. Und dazu gibt es keine neutrale Haltung – wir sind entweder für sie oder gegen sie.
Nicht nur der pathetische Schlusssatz ist zum Fremdschämen. Der PC Blog PCAuthority macht es sich noch einfacher:
Außerdem [ist GamerGate] eine exzellente Tarnung für rechte, rassistische und zutiefst frauenfeindliche Gruppen.
Den Höhepunkt setzt schließlich Ex-Gawker-Autor Max Read, er titelt:
Wie uns die verlogenen Faschisten von GamerGate abgezockt haben.
Die Presse scheint sich also einig zu sein. Ein Haufen rechter Idioten, die Sorte mit der man nicht reden muss. Man kann sie einfach so verachten.
Wie ist dieser Eindruck entstanden?
Einen der Gründe für diese Wahrnehmung stellen sicher exponierte Personen wie der Schauspieler Adam Baldwin (Jayne in ‚Firefly‘) oder der Journalist Milo Yiannoupoulos (breitbart.com) dar, die aus ihrer konservativen Haltung keinen Hehl machen. So hat sich Baldwin ablehnend zur Schwulenehe geäußert, Yiannopoulos legt sich regelmäßig im britischen Fernsehen mit Vertretern des linken Spektrums an und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Beides gesellschaftliche Todesurteile in der schönen neuen Welt der Progressiven.
Warum gibt sich GamerGate überhaupt mit Menschen ab, die solch rückständige Ideen vertreten? Weil diese Menschen bereit waren, in den Anfangstagen des Hashtags hinter die Kulissen der Zensur zu schauen. Yiannopoulos hat kurz vor dem Beginn der Revolte in seinen Artikeln noch die gleichen Klischees über Gamer benutzt, die auch der Rest der Medien all zu gern verbreitet.
Als er gesehen hat, dass die Gamer bereit waren, sich gegen die Invasion der Bedenkenträger zu wehren, hat er einfach mal genauer hingeschaut. Und eine Gemeinschaft von Menschen gefunden, die von ihrer Liebe zu ihrem Hobby angetrieben, bereit waren, die gleiche gesellschaftliche Ächtung in Kauf zu nehmen, welche er als homosexueller konservativer Journalist in einem eher links-liberalen Medienumfeld schon kannte. Adam Baldwin war so freundlich, die Reichweite der Debatte in den Anfangstagen durch seinen Bekanntheitsgrad und sein Netzwerk erheblich zu erhöhen und beteiligt sich auch nach einem Jahr noch immer wieder an Diskussionen auf Twitter.
Aus der Tatsache, das viele Unterstützer des Hashtags diesen beiden Personen dankbar sind, leiten Journalisten und Aktivisten ab, dass es sich bei GamerGate um einen monolithischen, rechtskonservativen Block handelt. Das ist nicht nur faul, sondern verlogen. Vor allem von den deutschen Medien, die Vorwürfe einfach übernehmen, statt nachzufragen. Das die Menschen Yiannopoulos Artikel auf breitbart.com, einer deutlich rechts der Mitte stehenden Plattform, lesen, bedeutet nicht, dass sie seine politische Einstellung teilen. Das ich Adam Baldwin für seine ‚Öffentlichkeitsarbeit‘ dankbar bin, ändert nichts daran, dass ich einige seiner Positionen für falsch halte. Die Gegner des Hashtags sind oft nicht in der Lage, Personen und Inhalte zu trennen. Ein Fehltritt und man ist in diesen Kreisen für alle Zeiten als Quelle oder Gesprächspartner erledigt.
Entspricht er der Wahrheit?
Ich streite nicht ab, das unter den Unterstützern des Hashtags auch Personen sind, die sich selbst als ‚rechts‘ bezeichnen würden. Die finden sich dort genauso wie in jedem Turnverein. Diese Tatsache zu verleugnen wäre fatal, zumal es Beweise gibt. Als Antwort auf die Vorwürfe, eine ‚rechte Hassgruppe‘ zu sein, haben findige Leute aus dem GamerGate-Umfeld eine Umfrage organisiert. Sie entspricht natürlich keinen wissenschaftlichen Kriterien, beschreibt die Verhältnisse aber nach meiner persönlichen Erfahrung und der vieler anderer #GG-Unterstützer recht treffend:
Die Frontlinie verläuft nicht an der Grenze zwischen rechts und links. Aus dem Schaubild ist klar zu entnehmen, dass es vor allem um den Gegensatz ‚freiheitlich‘ und ‚autoritär‘ geht. Die Gamer sehen sich als Wächter ihres Hobbys, bereit es gegen Reglementierung und Missbrauch zu Propagandazwecken zu verteidigen. Auf der anderen Seite haben wir Menschen, deren proklamiertes Ziel es ist, die Gamer und ihre Spiele ‚loszuwerden‘, wahrscheinlich um danach eine ’neue‘, ‚bessere‘, ‚erwachsenere‘ Spieleindustrie gleich einer Inquisitionsbehörde zu kontrollieren. Sie benutzen den ‚#GamerGate ist rechts‘ Mythos, um von ihren eigenen Verfehlungen abzulenken. Wer darüber bestimmt, welche Inhalte oder sogar Menschen ‚problematisch‘ oder ‚toxisch‘ sind, hat Macht in einer Multi-Milliarden-Dollar-Industrie. Und Macht bedeutet Geld. Wer einen Vorgeschmack möchte, sehe sich die Verflechtungen zwischen Spielepresse und Entwicklern auf deepfreeze.it an (englisch).