Es ist mal wieder nötig, diesen Blog aus seinem Winterschlaf zu erwecken. Auf der Website der Initiative „Keinen Pixel den Faschisten“ ist der erste Teil einer Serie über #GamerGate erschienen und wie zu erwarten strotzt der Artikel nur so von Lügen. Leider ist kein Autor angegeben, aber ich würde anhand des Stils und der schon öfter von ihr geäußerten Unwahrheiten auf Aurelia Brandenburg als Urheberin der Hetze tippen.
Dem Artikel vorangestellt ist folgende „interessante“ Aussage:
Hinweis: Aufgrund rechtsextremer Inhalte ist es vielfach nicht möglich auf Originalquellen zu verlinken.
Das macht es natürlich auf der einen Seite einfacher, Lügen unwidersprochen zu verbreiten und zeigt auf der anderen, dass hier keine Diskussion stattfinden soll, sondern das Andersdenkende gezielt diffamiert und in eine Ecke gestellt werden sollen. Dabei ist es dem Autor offensichtlich egal, dass die einzige empirische Untersuchung der Konsumentenrevolte #GamerGate ganz klar zu dem Schluss kommt, dass die Unterstützer des Hashtags deutlich liberaler sind, als der gesellschaftliche Durchschnitt.
Es wird im Anschluss eine reichlich verzerrte Geschichte des „Zoepost“ zum Besten gegeben. In diesem Posting hatte Eron Gjoni, der Ex-Freund der „Spieleentwicklerin“ Zoe Quinn ein ziemlich düsteres Bild ihrer Beziehung gemalt, in der Manipulation, Untreue und Lügen an der Tagesordnung waren. Er hat diesen Post nicht verfasst, um seiner Ex zu schaden, sondern um den Rest der Videospielbranche darauf hinzuweisen, wie Quinn manipuliert, um ihre Ziele zu erreichen. Diese Branche war gerade dabei, Quinn zu einer Art Säulenheiligen der Indie-Bewegung zu machen und Gjoni wollte nicht, dass noch weitere Menschen den Machenschaften seiner Ex auf den Leim gehen.
Zentral ist dabei die Behauptung, Quinn habe Eron G. mit Journalisten von diversen Videospiele-Publikationen betrogen, um damit positive Bewertungen oder Berichte für sich und Quinns Spiel “Depression Quest” zu erhalten.
Diese Behauptung ist falsch. Im „Zoepost“ ist die Behauptung, Quinn habe für „positive Bewertungen“ für ihr Spiel mit Journalisten geschlafen, nicht zu finden. Auch in dem im Zitat von „Keinen Pixel“ verlinkten Screenshot eines chan-Posts wird das nicht behauptet.
Die Moderatoren und Administratoren der Foren fackeln nicht lange: Sie bannen Eron G. und löschen alle seine Links, da “The Zoe Post” Doxx enthält, das heißt persönliche Informationen, die es ermöglichen Zoe Quinn online und offline zu identifizieren und zu belästigen.
Der „Zoepost“ enthält keine Informationen, die man als „Dox“, also die Verbreitung von bisher unbekannten persönlichen Informationen wie Adressen oder Telefonnummern, bezeichnen könnte. Das hat sich der Autor von „Keinen Pixel“ wohl einfach ausgedacht.
Wenn jemand bereits bei den grundlegenden Fakten den Drang verspürt, die Ereignisse durch Lügen zu dramatisieren, wie authentisch kann dann der Rest des Artikels sein?
Dass diese positiven Bewertungen nicht zu finden sind, dass die von Eron G. behaupteten zeitlichen Abläufe nicht zusammenpassen und dass es für die angebliche Untreue nicht mehr als G.s Aussage gibt, spielt dabei keine Rolle für die Teilnehmer des sich bildenden Mobs.
Für die Untreue – die ohne die Verbindung zu Journalisten überhaupt nicht von Interesse wäre – gibt es schon im „Zoepost“ Belege in Form von Chatlogs zwischen Gjoni und Quinn. Auch der Chefredakteur von Kotaku streitet nicht ab, dass es zwischen Quinn und seinem Redakteur Nathan Grayson eine Beziehung gegeben hat. Warum tut der Autor von „Keinen Pixel“ so, als gäbe es diese Belege nicht? Bildet euch selbst ein Urteil.
Eron G. hatte bereits umfänglich die privaten Informationen, wie auch Passwörter von Zoe Quinn zur Verfügung gestellt.
Entweder es handelt sich bei der Quelle für diese Behauptung um eine der ominösen „rechtsextremen Quellen“, auf die man nicht verlinken kann, oder der Autor des Artikels hat sie sich einfach ausgedacht, um Gjioni zu dämonisieren. Bildet euch selbst ein Urteil.
Nacktbilder von Quinn, die G. zur Verfügung gestellt hat, werden öffentlich verbreitet.
Langsam aber sicher geraten die Behauptungen des Autors in den justiziablen Bereich. Wäre ich Eron Gjoni, müsste sich der Verfasser auf Post vom Gericht einstellen. Die besagten Bilder stammen aus einer Nacktfoto-Serie, die Quinn schon vor ihrer Beziehung zu Gjoni auf einer einschlägigen Website zum Verkauf angeboten hat. Jeder Interessierte konnte sich die Bilder gegen einen Obolus herunterladen, es ist zu vermuten, dass Quinn dafür Geld erhalten hat. Auch wenn die Nutzung der Bilder, um Quinn zu schaden sicher nicht die feine englische Art ist, hat sie doch selber dafür gesorgt, die Bilder öffentlich zu machen. Gjoni hatte allerdings mit der Verbreitung der Bilder nichts zu tun. Warum behauptet der Autor dann so etwas? Bildet euch selbst ein Urteil.
Zugleich bemüht sich die Community darum, ihre Kampagne weiter zu verbreiten und fokussiert ihre Aufmerksamkeit auf einen Akteur: Den (im Jahr 2018 verstorbenen) Youtuber John Bain, besser bekannt unter dem Namen “Total Biscuit”. Dieser zeigt sich zuerst skeptisch, ändert aber noch am selben Tag seine Meinung und veröffentlicht seine mit Einschränkungen verknüpfte Interpretation des Zoe-Posts an seine über 350.000 Twitter-Follower. Während Bain behauptet, kein Werturteil über die Richtigkeit von Eron G.s Behauptungen treffen zu wollen, erreicht er dennoch eines: Die falschen Anschuldigungen gegen Zoe Quinn verlassen die 4chan-Filterblase und gelangen in den Mainstream.
Wer den Post von Total Biscuit wirklich liest – ich nehme an, der Autor hat das unterlassen – findet etwas ganz anderes: Eine vorsichtige Annäherung an ein Ereignis, dass die Gaming-Szene in ihren Grundfesten erschüttert, ein Versuch, sich einen Weg durch die sich teilweise widersprechenden Informationen zu bahnen und einen Aufruf, Ruhe zu bewahren und Behauptungen zu überprüfen.
Schnell wird diese Interpretation zu einer Narrative umgeformt: Jede Plattform, die nicht bereit ist, die ungefilterten Behauptungen und die intimen Details aus Quinns Leben zu veröffentlichen, sei Teil einer großen Verschwörung von Zoe Quinns Unterstützern, die große Teile der Gaming-Szene und Social Media unter ihrer Kontrolle haben. Die Teilnehmer wiederum inszenieren sich als Saubermänner, die sich um die Parole “Ethics in Videogames Journalism” herum sammeln, obwohl selbst das von den Teilnehmern erstellte Propagandamaterial eine andere Sprache spricht.
Auch hier wendet der Autor wieder einen der ältesten Propaganda-Tricks der Welt an: Er macht aus der umfassenden Zensur jeglicher Diskussion über Quinn, das Fehlverhalten des „Journalisten“ Nathan Grayson und die Auswirkungen auf die Videospielszene eine Zensur, die nur darauf abzielt, „Dox“ und „intime Details“ zu unterdrücken. Das ist falsch. Auf diversen Websites wurde jede Diskussion des Themas unterdrückt. Und aus den später aufgetauchten Chatlogs der geheimen „Game Journo Pros“-Gruppe, in der sich ein Großteil der beteiligten „Journalisten“ organisiert hatte, kann man herauslesen, dass es eben jene „Unterstützer, die große Teile der Gaming-Szene unter ihrer Kontrolle haben“, wirklich gab. Das Detail fehlt allerdings im Artikel von „Keinen Pixel“. Warum? Bildet euch selbst ein Urteil.
Während Zoe Quinn sich zeitweise von Social Media zurückzieht,
Das prominenteste Opfer wird zu diesem Zeitpunkt der streitbare Spieleentwickler Phil Fish (“Fez”)
Auch das nächstes Ziel, die feministische Youtuberin Anita Sarkeesian, ist keine Journalistin. Sarkeesian war durch ihre feministische Videoessays über Videospiele bereits seit langem das Ziel von Anfeindungen gewesen. […] werden die Angriffe auf sie später von John “Total Biscuit” Bain damit gerechtfertigt, dass sie sich mit der bloßen Veröffentlichung ihres Videos selbst in die “Diskussion eingeführt” hätte (“inserted herself into the discussion”).
[…] bis schließlich sogar das FBI involviert wird. Dessen Untersuchungen sind von Zuständigkeitsquerelen und der Schwierigkeit der Strafverfolgung im digitalen Raum geplagt. Der 2017 veröffentlichte ‚über 150 Seiten starke Bericht des FBIs dokumentiert den Umfang des Mord‑, Vergewaltigungs‑, Bomben- und sonstigen Bedrohungen, denen die Opfer von GamerGate 2014 ausgesetzt sind.
Der Bericht des FBI dokumentiert eine Menge Fälle von Bedrohung, allerdings gelingt es laut eigener Aussage nicht, eine handfeste Verbindung zwischen #GamerGate und den Taten herzustellen, zumindest gibt es keine Verhaftungen, Anklagen oder Urteile. Was hier nonchalant unter den Tisch gekehrt wird, ist die andere Seite der Diskussion („Anti-#GamerGate“ bzw. „AGGros“): Gegner der Konsumentenrevolte drohen, beleidigen und doxen Unterstützer des Hashtags und jeden, der nicht sofort auf ihre Sicht der Dinge einschwenkt. Auch die Untersuchung der Initiative „Women Action Media“ kann keine Beweise für einen direkten Zusammenhang zwischen #GamerGate und den Angriffen auf Quinn, Sarkeesian, Fish sowie andere feststellen. Das ist den fanatischen Unterstützern dieser Personen allerdings genauso egal, wie dem Verfasser des „Keinen Pixel“-Artikels. Warum? Bildet euch selbst ein Urteil.
Für einige Wochen werden Gamingforen (Steam, NeoGaf, etc.), Wikipedia und Social Media (Twitter, Reddit, Youtube, etc.) mit GamerGate-Inhalten überflutet, die als Kampagnenziele von den Führungsfiguren ausgegeben werden. Selbst Pornoseiten wie Youporn sind davon nicht ausgenommen.
Pure Fantasie des Autors. Es gab eine Aktion namens „Disrespectful Nod“, die sich an Unternehmen richtete, die Werbung auf Seiten schalteten, die sich selbst als Feinde des Begriffs „Gamer“ und der dazugehörigen Subkultur geoutet haben. Das ist ein vollkommen legitimes Vorgehen und die Ziele dieser Aktionen sind mit großer Sorgfalt ausgesucht worden. Es ist schon fast witzig, dass Menschen wie der Autor, die heute selber Teil der „Cancel Culture“ sind, anderen diese Aktionsform verbieten wollen bzw. sie als „Harassment“ klassifizieren.
Was die Youporn-Bemerkung soll erschließt sich mir nicht, vor dem „Keinen Pixel“-Artikel habe ich noch nie von dieser Verbindung gehört. Der als Beleg angefügte Screenshot von irgendeinem Chat-Kanal verwirrt mich durch seine Beliebigkeit nur noch mehr. Ich nehme an, der Screenshot stammt aus einem von Zoe Quinn verbreiteten Konvolut von Chat-Log-Screenshots, bei dem nicht klärbar ist, ob es sich um „echte“ Logs handelt und ob sie bearbeitet wurden oder durch Weglassungen manipuliert sind. Dafür spricht auch der folgende Satz:
Derweil präsentiert sich GamerGate nach außen immer noch als führerlose “Revolte der Konsumenten”. Erst viel später sollte deutlich werden, wie sehr die Kampagne geplant und durch Akteure im Hintergrund, etwa im Chatraum “Burgers and Fries” gesteuert wurde.
Sicher, eine weltweite Gruppe von Menschen, die eigentlich nur in Ruhe ihre Videospiele spielen wollten, ordnet sich komplett den Mitgliedern eines ominösen Chatraums unter und befolgt jeden „Befehl“, den sie von dort erhalten. Ist das die Wahrheit, oder haben wir uns das nur ausgedacht? Bleiben Sie dran, nach der Werbung kommt die Auflösung.
In Teil 2:
Wie sich aus sogenannten Skeptikern, Verschwörungsideologen und Neonazis eine Allianz um GamerGate bildet, die die Aufmerksamkeit einer rechtsradikalen Nachrichtenplattform auf sich zieht.
Ich bin ja so gespannt. Wir sehen uns bald wieder!