Kurze Beine II – Electric Boogaloo

Ich bin es ja gar nicht mehr gewohnt, mehrere Artikel für diesen Blog in einem Monat zu schreiben. Aber da wir in interessanten Zeiten leben, werde ich mich der Herausforderung stellen. Letzte Woche haben wir uns dem ersten Teil der Artikelserie über #GamerGate auf der Website der Initiative „Keinen Pixel den Faschisten“ gewidmet, heute beginnen wir gemeinsam, den zweiten Teil mit dem Titel: „Die Allianz der Anti-Feministen“ zu sezieren. Der abschließende Teil dieser Kritik erscheint in den kommenden Tagen.

Der Artikel eröffnet mit einem Zitat von Zoe Quinn:

Noch einmal, ich werde nicht mit Terroristen verhandeln. Die Vorstellung, dass ich ein Manifest über mein Sexleben, geschrieben von einem rachsüchtigen Ex, widerlegen muss, um weiterhin ein Teil der Videospieleindustrie zu bleiben ist widerlich, und ich werde es nicht tun.”

Allerdings war es auch gar nicht möglich oder nötig, den „Zoepost“ zu widerlegen. Die in diesem Post geteilten Informationen waren nicht nur mit entsprechenden Originalquellen untermauert, auch die Reaktionen der Betroffenen oder ihrer Arbeitgeber unternahmen meist nicht einmal den Versuch, die Vorwürfe zu entkräften. Es wurde stattdessen versucht, z.B. die journalistischen Verfehlungen von Nathan Grayson klein zu reden.

Es folgt eine Liste von angeblichen Opfern der Konsumentenrevolte #GamerGate:

Felicia Day – Die Schauspielerin wird nach einem kritischen Kommentar zu #GamerGate angeblich gedoxt. Als Beweisstück für die Schuld der Gamer wird das Twitterhandle des Doxers angeführt: @gaimerg8. Abgesehen davon, dass es sich offensichtlich um eine Verballhornung des Hashtags handelt, gibt es auch in diesem Fall keine handfesten Beweise, dass es sich bei dem Poster nicht um einen Troll oder sogar um eine „False Flag“-Operation handelt. Die Reaktion in den Unterstützerkreisen fällt laut diesem Artikelausschnitt ganz anders aus:

„Aber auf r/KotakuinAction, einem zentralen #GamerGate-Hangout, scheinen die Mitglieder genauso angewidert und zornig zu sein, wie alle anderen. Ein von dem User „rhoark“ gestarteter Thread mit dem Titel „GamerGate verurteilt den Dox gegen Felicia Day“ sammelt mehr als 200 Kommentare, die meisten unterstützen Day und verurteilen die Vorkommnisse.“

AJA ROMANO AUF DAILYDOT.COM

Tim Schafer – Der Spieleentwickler („Monkey Island“) hat sich von Anfang an mit provozierenden Kommentaren hervorgetan. Er hat keine Gelegenheit ausgelassen, sich über #GamerGate lustig zu machen und seine Twitter-Gefolgschaft gegen die Konsumentenrevolte aufzuhetzen. Höhepunkt der traurigen Veranstaltung war ein Auftritt bei der „Game Developers Conference“, bei dem er #GamerGate vorwarf, nichts weiter als eine kleine Gruppe zu sein, die den Rest der Online-Welt mit „Sockenpuppen-Accounts“ terrorisiere. Das sind sicherlich keine Gründe, um jemandem zu drohen oder ihn zu beleidigen, aber Schafer ist auch kein Unschuldslamm. Wie so oft gilt hier: „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“.

Nathan Grayson posiert in einem Shirt mit der Aufschrift „cuties killing video games“ Design und Vertrieb: Maya Kramer und Zoe Quinn.

Jenn Frank – Die Journalistin beendet ihre Karriere öffentlich und gibt #GamerGate die Schuld an ihrem Rückzug aus der Branche. Wer sich näher mit dem Fall befasst, findet früher oder später heraus, dass Jenn Frank nicht nur Zoe Quinn via Patreon finaziell unterstützte, während sie gleichzeitig eine glühende Verteidigung der „Depression Quest“-Entwicklerin schrieb, sondern dass sie zur gleichen Zeit auch von Maya Kramer, Quinns Freundin und Partnerin („cuties killing videogames“) finanziell unterstützt wurde. Eine unvollständige Offenlegung dieser Verbindungen wurde später zu ihrem Artikel im „Guardian“ hinzugefügt. Jenn Frank war also nicht, wie oft behauptet, wegen ihres Geschlechts Ziel der Kritik durch #GamerGate-Unterstützer, sondern weil sie Teil des Indie-Circlejerks war, wo Journalisten Entwickler unterstützten über die sie schrieben, oder Entwickler Journalisten alimentierten, die über ihre Produktionen berichteten.

Chris Kluwe – Der ehemalige, mittelmäßig erfolgreiche Profi-Football Spieler („Minnesota Vikings“) tat sich während #GamerGate vor allem durch seine provokante Rhetorik hervor. Er wurde nicht müde, die Unterstützer des Hashtags zu beleidigen und herauszufordern.

„Als wären sie [die Unterstützer von #GamerGate, Red.] alle kleine Anne Franks, die sich in ihren Kellern vor den politisch korrekten Nazis und den „Social Justice Warrior“-Brigaden verstecken und verzweifelt die letzten Fetzen des „Core Gaming“ beschützten, indem sie unironisch schreckliche Blogeinträge schreiben, voll mit offensichtlichen weißen Privilegien und schlecht verstecktem Frauenhass. „Erst kamen sie, um Halo 2 abzuholen, aber ich habe nichts gesagt“.“

CHRIS KLUWE AuF CAULDRON.COM

Wie abartig dieser Vergleich mit Anne Frank ist, kann ein amerikanischer Footballer, der eventuell einmal zu oft einen Schlag auf den Kopf bekommen hat, wahrscheinlich gar nicht ermessen. Mich, als deutschen Unterstützer von #GamerGate widert so ein geschichtsvergessenes Geschmiere dafür doppelt an. Das man für solche Aussagen Kritik und Gegenwind erntet sollte sich von selbst verstehen.

Jimmy Wales – Was genau dem Gründer von Wikipedia widerfahren ist, kann ich weder dem Artikel noch dem verlinkten Screenshot entnehmen. Wenn ich letzteren richtig interpretiere, geht es darum das Wales seine Stellung innerhalb des Wikipedia-Systems ausgenutzt hat, um Menschen zu protegieren oder ihnen zu schaden. Beides wäre ein gerechtfertigter Anlass, ihn zu kritisieren. Die heftigste „Drohung“ die ich finden konnte, war ein reddit-User, der Wales vor die Wahl stellte, einen neutralen Wikipedia-Eintrag zu #GamerGate zuzulassen oder auf seine Spende an die Wikipedia-Stiftung zu verzichten.

Nach der Parade der angeblichen Opfer fährt der Artikel mit seiner Betrachtung der Entwicklungen im August und September 2014 fort.

„Die Journalistin Leigh Alexander veröffentlicht einen Kommentar auf dem professionellen Videospieleportal Gamasutra unter dem Titel “Gamers’ don’t have to be your audience. ‚Gamers’ are over.”

Unter dem anhaltenden Eindruck der Kampagne gegen Zoe Quinn und andere stößt der Artikel auf einige Resonanz in der Fachpresse: Websites wie KotakuPolygon oder Ars Technica greifen Alexanders Kommentar auf und veröffentlichen ihre eigene Interpretation der Ereignisse und was sie für die Zukunft der Videospielebranche bedeuten könnten.

Für die GamerGater bedeutet dies vor allem eins: Alle diese Artikel, die unter dem bewusst irreführenden Titel “Gamers are dead” zusammengefasst werden, sowie die Websites auf denen sie veröffentlicht wurden, sind Teil der Verschwörung gegen die alle “Gamer” ankämpfen, deren wahre Vertreter #GamerGate ist. [sic!]“

„Der bewusst irreführende Titel“. Aha. Wenn also binnen weniger Tage (in manchen Fällen nur Stunden) fast zwanzig Artikel erscheinen, die mehr oder weniger den gleichen Inhalt haben und Titel wie „Der Tod der ‚Gamer‘ und die Frauen, die sie getötet haben“ oder „Eine Anleitung, wie man ‚Gamer‘ beendet“ ist die Bezeichnung „Gamer sind tot“-Artikel also bewusst irreführend.

Das es sich hierbei um eine zufällige Konzentration hasserfüllter Angriffe auf Menschen, die eine Leidenschaft für Videospiele hegen, gehandelt hat, mag glauben wer will. Die Legende, dass andere Redaktionen einfach nur als Reaktion auf Leigh Alexanders „‚Gamer‘ müssen nicht euer Publikum sein, ‚Gamer‘ sind vorbei“ (ein scheußliches Schmierstück voller persönlicher Angriffe) eigene Artikel geschrieben haben, kann ob der Tatsache, dass die Hälfte der Artikel am gleichen Tag wie Alexanders Machwerk erschienen sind, getrost ignoriert werden. Auch wenn eine Koordination zwischen den Redaktionen bisher nicht bewiesen werden konnte, sprechen die Fakten doch eine klare Sprache.

Vor allem der Artikel „Eine Anleitung, wie man ‚Gamer‘ beendet“ von Devin Wilson zeigt, wohin die Reise gehen soll. In seinem hasserfüllten Pamphlet finden sich Perlen wie „Wir sollten aufhören ‚Spaß‘ als universelles, ultimatives Kriterium für die Relevanz eines Spiels zu sehen.“ oder „Wir geben der Idee, dass Spiele ‚einfach Spaß machen sollen‘ keine Glaubwürdigkeit. Spiele sind nicht neutral.“

Liste der „Gamers are dead“ Artikel mit Veröffentlichungsdatum des jeweiligen Artikels.

Sein Fazit, „Wir alle werden erwachsen (und fangen damit in diesem Moment an) und wir nehmen die Spiele auf diesem Weg mit. Das bedeutet nicht, das wir ‚fiese‘ oder ‚düstere‘ Spiele machen. Eher, das wir Spiele machen und spielen, wegen derer wir uns nicht schämen müssen und, noch wichtiger, dass wir ehrlich darüber sprechen, weswegen man sich bei Videospielen schämen muss fasst dann noch einmal zusammen, wogegen #GamerGate wirklich kämpft: Den Einfluss einer kleinen, aber durch ihre Medienpräsenz mächtigen Gruppe von Ideologen, die Videospiele zum Vehikel ihrer Propaganda machen wollen.

„Nach der Logik der GamerGater war jeder Widerstand gegen GamerGate Rechtfertigung für weitere Angriffe und Eskalation.“

Das, lieber Autor, ist nicht die Logik von #GamerGate, dass ist die Logik von Ideologen. Und jetzt ist es Zeit für den Auftritt des großen Buhmanns. Bühne frei für Milo Yiannopoulos.

„Dieser Interpretation leistet vor allem ein neuer Akteur Vorschub: Milo Yiannopoulos, Tech-Journalist für die rechtsextreme Website Breitbart.com. Yiannopoulos sollte sich sogleich bei GamerGate beliebt machen, indem er eine angebliche Verschwörung von Videospielejournalisten “enttarnte”. Ohne jede konkrete Beweise behauptet Yiannopoulos, dass die Google-Gruppe “GameJournoPros” hinter den angeblich koordinierten “Gamers are dead”-Artikeln steckt.“

Und auch in diesen Aspekt des Themas steigt der Autor wieder mit eine Lüge ein. Wenn man die entsprechenden Quellen liest, findet man an keiner Stelle die Behauptung, die „Gamers are dead“-Artikel seien in der geheimen Gruppe „Game Journo Pros“ koordiniert worden.

Es scheint, als ob die Emails aus der GameJournoPro-Gruppe den von vielen geäußerten Verdacht bestätigen, dass Videospiel-Journalisten mit einer Stimme sprechen und bei wichtigen Themen kollaborieren, um die Berichterstattung über ethische Verfehlungen zu stören und Persönlichkeiten zu unterstützen, mit denen sie politisch sympathisieren.

Milo Yiannpoulos auf Breitbart

In der Mailingliste, in die man nur durch Einladung aufgenommen werden konnte, fanden sich neben Journalisten übrigens auch PR-Mitarbeiter großer Publisher, wie Ubisoft oder Activision. Warum Spiele-Journalisten und PR-Leute hinter verschlossenen Türen darüber diskutieren sollten, wie man die Branche in der Öffentlichkeit darstellt? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Und auch der Zusammenhang zwischen den „GameJournoPros“ (eine Anspielung auf die einige Jahre vorher aufgeflogene „JournoList“) und #GamerGate ist zweifelsfrei beweisbar. Der damalige Gaming Redakteur bei Ars Technica, Kyle Orland, wollte z.B. eine Solidaritätsaktion für Zoe Quinn starten:

„Vielleicht sollten wir eine öffentliche Solidaritätserklärung zirkulieren lassen, welche diese persönlichen Attacken verurteilt, unterzeichnet von so vielen Journalisten/Entwicklern wie möglich. Vielleicht sollten wir das als Ausrede benutzen, um ihrem Werk mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Ich wollte seit der Veröffentlichung eine Kritik zu „Depression Quest“ schreiben.“

Kyle Orland, Ars Technica

Ja, die Unterstützer von #GamerGate haben sich gefreut, als sich endlich ein Journalist auch für ihre Sicht der Dinge interessiert hat. Wir hätten zu diesem Zeitpunkt – zensiert, diffamiert und öffentlicher Diskussionsplattformen beraubt – wahrscheinlich jeden Journalisten mit offenen Armen empfangen, der bereit war, ohne von vorneherein feststehenden Standpunkt mit und über #GamerGate zu sprechen. Dass es von allen Journalisten ausgerechnet Milo „enfant terrible“ Yiannopoulos war, der sich um die Belange der Gamer gekümmert hat, liegt wohl vor allem daran, dass kein anderer Autor bereit war, sich dem unausweichlichen Hass der selbsternannten „GameJournoPros“ auszusetzen, falls er sich nicht hasserfüllt genug über die „stumpfen Kackschleudern“ (Leigh Alexander über ‚Gamer‘) geäußert hätte.

„Diese stumpfen Kackschleudern, diese heulenden Hyperkonsumenten, diese kindischen Internet-Streihähne – sie sind nicht mein Publikum und sie müssen auch nicht das Eure sein. Es gibt hier keine ‚Seite‘ auf der man stehen könnte, es gibt keine ‚Debatte‘, die zu führen wäre.“

Leigh Alexander auf gamasutra.com

Schalten Sie auch in den kommenden Tagen wieder ein, wenn ich mich mit dem Rest von Teil zwei des Machwerks von „Keinen Pixel den Faschisten“ beschäftige.

4 Kommentare

  1. Weltraumaffe

    Teil 3 und 4 sind mittlerweile raus auf deren Seite fyi.

  2. Anonymous

    „Ich will keine Journalisten mit Agenda.
    Aber ich retweete gerne Andy Ngo, Tim
    Pool, Don Alphonso usw. Hab auch ein Sprüchlein von Milo gepinnt.
    Deren Agenda mag ich, deswegen macht mir der Wiederspruch meiner Heuchelei nix aus.“

  3. Anonymous

    Na, wann erleuchtest Du denn uns mit
    dem was damals auf 4chan und später 8chan so alles diskutiert wurde?

    Wann kommt denn Die Auseinandersetzung damit, was Gamergate seinen miserablen Ruf eingetragen hat?

    Kommt bei Dir nicht mehr, stimmts?
    Das es Teile der Netzkuktur gibt, die lange vor GG schon rechte Scheiße waren u. die sich bei GG pudelwohl
    gefühlt haben?

    Mit Games oder Gaming hat GG letztlich gar nix zu tun, sondern mit
    „Gamern“.
    1. ist ein interaktives Medium, 2. ist die Beschäftigung mit diesem Medium und 3. ist…… Menschen die aus 1. und 2. einen Opferkult um eine Pseudoidentität gemacht haben.

    Und Kern diese Pseudoidentität ist
    ein ewiges Aufregen über „bunthaarige“ oder was für ein Schwachsinn auch immer.

    Meine Güte. Face Palm.

  4. Anonymous

    Na, wann kommst Du mal zum Punkt
    8chan, die extrem rechten dort, die sich bei GG pudelwohl gefühlt haben?

    Das hat GGs Ruf zerstört, nicht die Journalisten die darüber gesprochen
    u. geschrieben haben.

    Letztendlich geht es bei GG nicht um (1.) Games oder (2.) Gaming. Sondern es geht um „Gamer“.
    1. ist ein interaktives Medium
    2. die Beschäftigung mit diesem Medium
    3. ein Mensch, der sich aus 1. Und 2. eine Pseudoidentität gemacht hat.
    Der Kern dieser Pseudoidentität ist ein Opferkult, das endlose Gejammer über „bunthaarige“, „SJWs“ und „Journos“.

    Ein fader Aufguss. „Langhaarige Bombenleger“ Version 2.0.

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