Monat: Oktober 2015

Steife Brise aus Süd-Südwest

UPDATE: Vor kurzem haben die Organisatoren von SXSW verkündet, dass es ein einziges, „neutrales“ Podium zu „Cybergewalt“ geben soll. Neben Namen wie Brianna Wu und Wendy Davis (siehe Artikel) findet sich leider außer den ursprünglichen Teilnehmern von „SavePoint“ niemand, den ich auch nur entfernt als #GamerGate-Unterstützer sehen würde. „Neutral“. Wie gehabt. Sehr entmutigend, SXSW. Und wie es ausgeht, wenn #GamerGate-Vertreter zu Konferenzen eingeladen sind, an denen auch Menschen wie Wu oder Harper teilnehmen kann sich jeder ausmalen: Irgendjemand wird schon besorgt genug um seine Sicherheit sein, um genau dieses eine Panel zu „sprengen“.

 

Ursprünglicher Artikel: Heute mal was über Windrichtungen. Scherz beiseite, wer #GamerGate auch nur ansatzweise verfolgt, hat mitbekommen, dass es im Moment großen Wirbel um die Absage von zwei Panels bei der SXSW (South by Southwest) Interactive Konferenz gibt, die 2016 in Austin/Texas stattfinden wird. Die internationalen sowie die deutschen Medien haben die Streichung der beiden Veranstaltungen zu Anlass genommen, wieder einmal die altbekannten Vorurteile und Lügen aus der Schublade zu holen. In den zwei Tagen seit Bekanntgabe der Absage erschienen bereits mehr als zwanzig Artikel, die Unterstützer des Hashtags #GamerGate als potentielle Verantwortliche für die Verhinderung eines Vortrags über Internet-Belästigung nennen, ohne das die Organisatoren Details über die Drohungen bekannt gegeben hätten, die einen solchen Schluss zuließen. Aber was ist wirklich passiert?

In der Euphorie nach der SPJAirplay-Konferenz im August 2015 in Miami erschien auf dem Blog der Open Gaming Society ein Artikel mit dem Titel „Save Point SXSW Panel“. Darin erklärt der Organisator, Perry Jones, dass er die Planung und Koordination eines Panels zur Einreichung beim SXSW 2016 übernommen hat. Die für das Panel geplanten Themen fasste er so zusammen:

Das momentan in der Gaming-Community herrschende sozialpolitische Klima.

Die Bedeutung der journalistischen Integrität für die Videospiel-Medien.

Die Zukunft der der Gaming-Community und der Spiele-Industrie.

Am 20. Oktober konnte Jones an gleicher Stelle verkünden, dass sein Panel-Vorschlag von den Organisatoren der Konferenz angenommen wurde und präsentierte später neben sich (in seiner Eigenschaft als Spieleentwickler) noch Mercedes Carrera (#GamerGate-Unterstützerin und Erwachsenenfilmdarstellerin) und Lynn Walsh (Ethikbeauftragte der Society of Professional Journalists) als weitere Teilnehmer. Die Unterstützer der Konsumentenrevolte feierten eine weitere Möglichkeit, ihre Ansichten ungefiltert der Öffentlichkeit präsentieren zu können.

Kurz nachdem die konkrete Planung eines Panels einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, gab es Bestrebungen, die Veranstaltung zu verhindern und es blieb Randy Harper, der „Vorsitzenden und Gründerin der OAPI“ (einer nur aus ihr selbst bestehenden, Patreon-gestützten „Wohltätigkeitsorganisation“) vorbehalten, ein „Gegen-Panel“ einzureichen: “Level Up: Overcoming Harassment in Games” fand seinen Weg auf die Abstimmungsliste des SXSW und durchlief den Prüfungsprozess ebenso erfolgreich wie „SavePoint“. Die geplanten Diskussionspunkte waren:

Wie sehen die Voraussetzungen für Online Kommunikation aus und wie nutzt man Design um einen Raum für kontroverse Konversation un bewahrt gleichzeitig eine robuste Privatsphäre?

Wie schaffen wir ein Ökosystem für Online-Spiele und den Raum, in dem sie stattfinden, dass Sicherheit gibt, aber auch offene Kommunikation erlaubt?

Wie können wir das Narrativ rund um die „Gaming-Spaces“ neu ausrichten um Inklusivität und Diversität unter Gamern zu schaffen?

Also eine faire Situation in Austin: Unterstützer von #GamerGate, Gegner von #GamerGate und Neutrale Beobachter diskutieren – leider auf getrennten Panels – über Themen, die sie in der Gaming-Community für wichtig halten. Wer will, kann sich nur eines der Panels ansehen.  Oder beide. Oder keins.

Dann folgte die große Ernüchterung: Nur eine Woche nach Bekanntgabe, dass „SavePoint“ stattfinden würde, sagten die Organisatoren von SXSW Interactive sowohl dieses Panel als auch „Level Up“ ab. In der dazu veröffentlichten Meldung werden anonyme Drohungen gegen die Veranstaltung als Grund genannt.

„Am Montag, dem 26. Oktober hat sich SXSW Interactive entschlossen, zwei Vorträge aus dem Programm der Veranstaltung 2016 abzusagen: „SavePoint: Eine Diskussion über die Gaming-Community“ und „LevelUp: Belästigung in Games überwinden“. Wir hatten gehofft, die Aufnahme der beiden Veranstaltungen in das Programm für Austin im März 2016 würde zu einem wertvollen Ideenaustausch über dieses wichtige Thema führen. 

Wie dem auch sei, in den sieben Tagen seit der Ankündigung der beiden Veranstaltungen hat SXSW diverse Androhungen von Gewalt am Ort der Veranstaltung erhalten.

Wenn Menschen an einem, vor online und offline-Belästigungen geschützten, sicheren Ort nicht verschiedener Meinung sein können und sich nicht auf neue Ideen einlassen wollen, dann wird dieser Marktplatz der Ideen unausweichlich in Mitleidenschaft gezogen.“

Hugh Forrest, SXSW Interactive Director

 

Die Reaktion der Presse war erwartbar, was mich persönlich verwundert hat war der Aufwand, den die #GamerGate-Gegner investierten, um diese Entscheidung öffentlich und in den Medien ihrer Freunde als von „Drohungen von #GamerGate“ motiviert darzustellen. SXSW Interactive hat meines Wissens bisher keine der betreffenden Drohungen veröffentlicht und nach den Bombendrohungen gegen #GamerGate in Miami und Washington wäre das auch nicht das erste Szenario, das mir einfiele. Trotzdem sah die Medienlandschaft kurz danach so aus:

Mainstream Media Blitz II - Electric Boogaloo

Mainstream Media Blitz II – Electric Boogaloo

 

Anita Sarkeesian meldete sich auf Twitter mit der Forderung an die Organisatoren der Veranstaltung, nur das „LeveUp“-Panel wieder einzusetzen und sich für die Ansetzung von „SavePoint“ zu entschuldigen. Soviel zu „Wir wollen niemandem irgendetwas weg nehmen“ – schon wieder beim Lügen erwischt Anita.

Auch die Politik meldete sich zu Wort: Texas State Representative Wendy Davis, ehemalige Gouverneurskandidatin der Demokraten, gab folgende, von der inzwischen gewohnten Ahnungslosigkeit ihres Berufsstands gezeichnete Stellungnahme ab:

„Das Problem begann als SXSW versucht hat, „beiden Seiten“ gleichberechtigt nebeneinander zu stellen. Jedesmal wenn GamerGate erfolgreich jemanden davon überzeugt, dass sie über eine Angelegenheit mit zwei Seiten streiten, die sich in ihrer Würde nicht unterscheiden, gewinnt er. Denn es gibt keine zwei Seiten.

Es gibt jene Menschen, die Sexismus und den Mangel an Inklusivität in Spielen und Tech  beseitigen wollen und es gibt die anderen, welche glauben, man müsse die Ersteren daran hindern und das Drohungen und Beleidigungen der richtige Weg sind, um dieses Ziel zu erreichen.“

Quelle: Facebook

Auch Zoe Quinn, die offiziell mit #GamerGate ja weder etwas zu tun hat noch zu tun haben will, äußerte sich und offenbarte neben den erwarteten Vorurteilen auch, dass sie hinter den Kulissen versucht hatte, „SavePoint“ zu verhindern:

"Ich habe ihnen gemailt, wegen meiner Bedenken, dass sie ein GamerGate-Panel hosten"

„Ich habe ihnen gemailt, wegen meiner Bedenken, dass sie ein GamerGate-Panel hosten“

In Deutschland fühlte sich die GameStar genötigt in einem Artikel von Anhängern der „GamerGate-Bewegung“ zu schwadronieren, die SXSW bedroht hätten, obwohl es keine öffentlich zugänglichen Beweise für diese These gibt. Die Redaktion hat auf meine Anfrage zu dieser unbelegten Behauptung bisher nicht Stellung genommen. Hier macht GameStar einfach so nebenbei mit beim Stigmatisieren, das macht mich als ehemaligen Leser echt betroffen.

„Die GamerGate-Kontroverse wurde in diesem Zusammenhang zwar nicht explizit genannt, galt jedoch hinter vorgehaltener Hand als zu behandelndes Thema. Offensichtlich Grund genug für einige Anhänger der Bewegung, die Veranstalter mit Drohungen zu bombardieren.“

Tobias Ritter, GameStar

Es gab allerdings auch Ausnahmen, die ein bisschen Hoffnung machen: Sowohl der Lokalsender KVUE aus Austin, als auch der Journalist Brady Dale vom Observer haben überraschend ausgewogene Beiträge gedreht bzw. geschrieben.

Wenn man jetzt noch weiß, dass sich „SavePoint“ zu keiner Zeit selbst als #GamerGate-Panel bezeichnet hat und das die Organisatoren und die Claqueure von Harper und Konsorten einem schwarzen Game-Designer, einer Hispano-Filmschaffenden und einer Journalistin, die auf dem besten Weg ist, die nächste Präsidentin der Society of Professional Journalists zu werden, die Plattform nehmen wollen – wie kommt die Presse darauf, dass eben die Unterstützer dieser drei Personen deren Auftritt verhinder haben?

Ockhams Rasierklinge macht in diesem Fall eine klaren Schnitt: Ich glaube eher an voreingenommene Journalisten, die voneinander abschreiben, als an #GamerGate-Unterstützer, die eine ihnen wohlwollend gegenüber stehende Veranstaltung torpedieren. Die in diesem Blog schon diverse Male angesprochenen Bombendrohungen mit folgender Evakuierung durch die Polizei bei GamerGate Veranstaltungen lassen mich nicht an die Version glauben, das #GamerGate sich selbst das wegnimmt, was seine Unterstützer verzweifelt anstreben: Eine Möglichkeit, der Gesellschaft ohne den Zerrspiegel befangener Journalisten zu zeigen, wer wir sind und was uns die Freiheit der Kunst und die Regeln eines ethischen Journalismus bedeuten.

SXSW Interactive hat für die kommenden Tage eine Neubewertung der Vorgänge in Aussicht gestellt.Es bleibt spannend.

 

Bevormundungsfeminismus vs. Strichmännchen

Wer ab und zu meinen Twitterfeed liest (hallo, ihr zwei), hat in letzter Zeit sicher bemerkt, dass ich mit großer Freude und viel Popcorn den Shitstorm um @erzaehlmirnix verfolgt habe. Diesen Titel trägt neben ihrer Twitter-Identität auch der regelmäßige Webcomic von Autorin Nadja Hermann („Fettlogik“), der sich im weitesten Sinne mit gesellschaftlichen Themen auseinandersetzt. Und mit großäugigen Strichmännchen. Oder wie ein nicht näher bezeichneter Kulturkritker es eventuell ausgedrückt hat:

„Die Reduktion der Bildsprache, von Hermann auf die Spitze getrieben, schafft in ihrem Bildwerk Raum für eine rasierklingenscharfe Analyse der jedem Menschen innewohnenden humanen Absurdität“

Quelle: C:\user\gamergateblog\docs\drunk_writing 

Da ihre Comics hier und da nicht den Vorgaben der feministischen Prüfstelle für Unterhaltung entsprachen und sie trotz freundlicher Aufforderung (wahrscheinlich so was wie: „Wäre ja schade, wenn deinem Webcomic was zustoßen würde.“) nicht auf das Privileg verzichten wollte, weiterhin ungefiltert ihre eigene Meinung zu sagen, entstand in den letzten Wochen besagter Shitstorm. Unter den Beteiligten finden sich die üblichen Tugendfurien und Laser-Uschis sowie die immer dienstbereiten weißen Ritter (die oft nicht einmal wussten, dass sie gerade dabei waren, eine Frau verbal zusammenzustauchen). Die Gegner des humorvollen Umgangs mit der Realität haben sogar eine Pastebin erstellt, in der die Vergehen der Künstlerin im einzelnen nach Gedankenverbrechen sortiert aufgeschlüsselt sind. DenHaag kann neben dem Reservieren einer Zelle auch schon mal Plakate drucken lassen:“Behauptung von Sexismus gegen Männer“ oder „Versuch, feministische Arbeit / Positionen lächerlich zu machen“, das gibt sicher gute Einschaltquoten. Frau Hermann, die „Bestie aus dem Internet“ (Büld, Stockholm) sollte sich schon mal namentlich passende Anwälte suchen, ist ja heute der letzte Schrei bei Leuten, die „Rassismus und Bagatellisierung von rechter Ideologie“ (so die Liste) betreiben.

Besonders viel Freude hat mir dieser ganze Zirkus gemacht, weil der Beschuss der imperialen Flotte die kleine Rebellenfregatte Erzählmirnix nicht zerstört, sondern auf wundersame Weise deren Antrieb und Schildgeneratoren aufgeladen hat. Will sagen, nach ein paar Tagen moralinsaurer Kommentare war die Anzahl von @erzaehlmirnix Twitter-Followern nicht etwa gesunken, wie es die Initiatoren der „wohlmeinenden Aufmerksamkeitskampagne“ eigentlich vorhergesagt hatten, sondern hatte sich grob verdreifacht. Neben der Unterhaltung und der wachsenden Popularität eines guten Comics hat uns das Ganze noch wunderschöne Wortkreationen wie „Bevormundungsfeminismus“ und „Femimiminismus“ beschert. Da auch Nadja Hermann auf Twitter nicht den Eindruck macht, dass ihr die Anwürfe der Radikalen besonders viel ausmachen also ein wirklich positiver Shitstorm. Viel Spaß hatte ich auch am Schreikrampf einiger Berufsbetroffener, als beim #dare2015-Kongress in Berlin jemand wagte, die Autorin im Sinne der Kunstfreiheit und des Humors in Schutz zu nehmen.

Ähnlich wie bei einer gewissen Konsumentenrevolte haben sich auch hier natürlich Trolle und Trittbrettfahrer ausgetobt, ich kann mir vorstellen, dass so manches Lob für Frau Hermann bitterer zu lesen war als eine handfeste, „ehrliche“ Beleidigung. Mit einem offenen Konzept hat man nicht nur Freiheiten sondern geht auch die Gefahr ein, von Leuten unterstützt zu werden, die ideologisch am gegenüberliegenden Ufer wohnen. Nach der Kritik der radikalen Feministinnen wollen sich die Leute, die sowieso Beef mit denen haben, mit einem verbrüdern, obwohl man mit ihnen ideologisch wenig bis nichts zu tun hat.  Das könnte ich jetzt natürlich auch mir selber vorwerfen, warum schreibe ich auf einem Blog zu #GamerGate über die ganze Sache?

Es sind die dem Shitstorm folgenden Artikel von verschiedenen Frauen, die mich wieder mal darin bestätigen, das der einzige Weg zur gütlichen Einigung über Internet- und Outrage-Kultur nicht in den Händen der Radikalen liegt, sondern bei uns: Wenn die Moderaten aller Lager zusammenarbeiten können wir diese Menschen vielleicht davon abhalten, die gesamte Kultur ihrem Sterilisationsbad zu unterziehen. Erzählmirnix selbst schreibt:

„Ich war überrascht von der Masse an Feministinnen, die ganz klar sagten dass sie diesen Bevormundungsfeminismus nicht mitmachen und zwar nicht jeden einzelnen meiner Comics geauso sehen (Überraschung: Die einzige Person, die alle 800 Comics exakt genauso sieht bin vermutlich… naja, nichtmal ich selbst, denn vermutlich gibt es auch einige, die ich nach Jahren anders sehe) aber meine Comics dennoch gerne lesen. Mir war ehrlich gesagt zuvor nicht bewusst, wie viele feministische Leser ich habe, trotz der Themenüberscheidungen.

Für mich brachte das einiges an Denkstoff und eine deutliche Auflockerung meiner Sicht auf “den Feminismus”. Übrigens auch etwas das mehrfach von Männerrechtlicher Seite in den letzten Tagen geäußert wurde.

Es ist also eine merkwürdige, und mit Sicherheit vollkommen unbeabsichtigte Entwicklung, dass der radikalfeministische Shitstorm nun nicht nur meine Twitterfollowerschaft fast verdreifacht hat, die Leserzahlen insgesamt sich seither verdoppelt haben und auch meine Bücher nochmal einen deutlichen Aufschwung bekamen, sondern sich durch die Aktion auch gemäßigte Männer-und Frauenrechtler untereinander angenähert haben und sich von dem Bevormundungsfeminismus abgrenzen.“

Nadja Hermann

Als Antwort darauf verfasste die Autorin Onyx auf dem Blog Gedankensalat einen Post, der mich nachdenklich gemacht hat:

„Dieses Phänomen, jede Äußerung, jede Haltung, so differenziert und selbstreflektorisch sie auch sein mag, immer noch unbedingt negativ zu interpretieren, ist typischer und fester Bestandteil der antifeministischen Ideologie, denn da muß alles, einfach alles, was von Feministinnen kommt, abgewertet werden. Auch eine feministische Bloggerin, die sich durch neugieriges Nachfragen selbst zur Angriffsfläche anderer Feministinnen macht. Alles andere wäre ja pudelmäßig und doof.

Und genau diese Haltung macht meine eigene Position umso stärker, mich nicht auf die eine oder andere extreme Seite zu stellen, sondern einfach nur mein Ding zu machen und zu verteidigen und zu kritisieren, was immer mir richtig erscheint. Es macht mir einfach klar, dass ich mich nicht von Feministinnen, die zwar fleißig die “innerfeministische Solidarität” predigen, aber dies offenbar nur dann laut fordern, wenn sie selbst im Fokus von Angriffen stehen, und die eine andere Meinung gleich als persönlichen Angriff verstehen und entsprechend reagieren, uneingeschränkt vertreten fühlen muß.

Und es bestärkt erst Recht meine Sicht auf Antifeministen, die nicht in der Lage sind, auch mal zu erkennen, ab wann sie sich mit ihrer undifferenzierten Anti-Haltung nur noch selbst im Weg stehen, und darum einfach als Diskussionspartner längst nicht mehr ernstzunehmen sind.“

Gedankensalat

Ich und viele andere Kritiker sind keine Antifeministen, momentan geht es uns darum, dass sich eine Strömung des Feminismus die Macht anmaßt, den gesellschaftlichen Diskurs einschränken zu wollen. Ich stehe nicht gegen feministische Ideen per se, sondern gegen die autoritären Anteile in den Vorschlägen von Anne Wizorek oder Julia Schramm, die allen Ernstes eine Veränderung des Volksverhetzungsparagraphen fordern, der fortan speziell Frauen vor „Cybergewalt“ schützen soll, was mir extrem unangemessen erscheint, nicht zuletzt da gerade radikale Feministinnen gegenüber Gegnern auch keine sprachliche Gnade walten lassen.

„Und genau diese Haltung macht meine eigene Position umso stärker, mich nicht auf die eine oder andere extreme Seite zu stellen, sondern einfach nur mein Ding zu machen und zu verteidigen und zu kritisieren, was immer mir richtig erscheint.“

Gedankensalat

Unterschreibe ich. Mir wurde auf Grund meiner Dialogbereitschaft auch schon von Unterstützern des Hashtags #GamerGate nahegelegt, doch mit meinen SJW-Freunden spielen zu gehen. Und hier greift, was du sagst: Die Menschen, die über einen Grundstandard an Anstand und Respekt gegenüber dem Andersdenkenden verfügen, die wollen, dass die Geschlechter so gleichberechtigt sind wie möglich und für die Werte wie die Freiheit der Kunst nicht verhandelbar sind, bilden eine deutlich größere Gruppe als die Extremisten auf beiden Seiten der Diskussion.

Wir sollten den Extremisten in beiden Lagern eine gemeinsame Reise in die Wüste spendieren. Den Idioten, die etwas gegen Frauen in der Spieleindustrie haben – von denen ich persönlich bei #GamerGate noch keinen getroffen habe – und den jammernden Fernseh-Feministinnen. Beide machen das Bild von „Feminismus“ und „Gameskultur“ in der Öffentlichkeit zu Lachnummer, wahlweise mit einer idiotischen Petition, um Anita Sarkeesian und Zoe Quinn wegen angeblichen Landesverrats vor Gericht zu bringen, oder mit dem immer gleichen Runterbeten ausgesuchter, falsch interpretierter Fakten zum „Gender-Paygap“und der Forderung nach „Ampelfrauchen“.

Und wenn man sich die Reaktionen der Radikalen im Fall Erzählmirnix ansieht, werden auch die Erlebnisberichte von Unterstützern der Konsumentenrevolte #GamerGate deutlich glaubhafter, in denen sie von Beleidigungen, Twitter-Sperrung, Anrufen beim Arbeitgeber, Messern und Spritzen in der Post sowie den „üblichen“ Drohungen berichten. Wenn einem die von der Polizei bestätigten Bombendrohungen gegen #GGinDC und SPJAirplay nicht gereicht haben.

Ich will in Ruhe Spiele spielen dürfen, deren Schöpfer während und vor der Produktion nicht durch ein selbsternanntes Konsortium von besseren Menschen beurteilt und für den kleinsten wahrgenommenen „Fehler“ öffentlich an den Pranger gestellt werden, bis sie das Endprodukt soweit verändern, dass es den progressiven Zensoren gefällt. Ich möchte auch weiterhin Filme und Bücher sehen, lesen und öffentlich kommentieren dürfen, in denen das „N-Wort“ vorkommt, wenn es passt – ohne das Moralapostel aus dem Internet bei meinem Chef anrufen und ihm sagen, er müsse dringend einen Rassisten entlassen. Ich will das Kunst höher bewertet wird als die verletzten Gefühlen einzelner. Ich will Radikale kritisieren dürfen ohne gleich ein Anti-Irgendwas zu sein – und ohne den Staatsanwalt fürchten zu müssen. Ich habe keine Bock drauf, nur für mein Geschlecht als „potentieller Täter“ bezeichnet zu werden.

Ich sehe nicht, wo sich das mit einem nicht-radikalen Feminismus beißen sollte. Wenn jene moderaten Feministinnen und Feministen, die keine Bevormundung wollen, jetzt bitte auch mal bei #GamerGate näher hinschauen und nach Gemeinsamkeiten suchen würden, statt ausschließlich den Artikeln und der Darstellung unserer Kritiker Glauben zu schenken, könnten wir irgendwann in der Zukunft genug Leute zusammen haben, um dem Treiben mit positiver Gegenkultur Einhalt zu gebieten. Wer will schon in einem radikalfeministischen 1984 leben.

Update: Nach dem Hinweis in den Kommentaren habe ich den Abschnitt über „Gedankensalat“ berichtigt.

 

In Devin Wilsons Kopf – Teil 6

In dieser Artikelreihe beschäftige ich mich mit dem Artikel ‚A Guide to ending Gamers‘ (‚Eine Anleitung wie man das Ende der Gamer herbeiführt‘) von Devin Wilson. Wilsons Artikel, am 28. August 2014 auf Gamasutra erschienen, war Teil des Medienblitzkriegs mit dem Tenor ‚Gamer sollten nicht mehr die primäre Kundschaft der Spieleindustrie sein‘. 16 Artikel innerhalb von wenigen Tagen sollten das Ende der ‚hyperkapitalistischen‘ Gamerkultur besiegeln und Wilson (er arbeitet an seinem Doktor in Medienwissenschaften) wollte offensichtlich das Manifest für diesen Putsch schreiben.

Er arbeitet sich in achtzehn Punkten durch die ideologische Basis dieser feindlichen Übernahme und ich werde mich Punkt für Punkt (wenn auch nicht in Wilsons Reihenfolge) mit den Vorschlägen beschäftigen, die er seinen Kollegen in der Spieleindustrie macht. Weiter geht es heute mit Punkt 14: Spiele waren immer Teil der Gesellschaft. Hier Wilsons Text:

14. Wir machen aus Gaming etwas, das mehr wie Freizeitgestaltung oder Lesen ist und weniger wie Religion. In der letzten Zeit sehen wir nicht etwa nur einen Mob aus ein paar frustrierten Hobbyisten, sondern eine Armee von Fanatikern, die sich auf einem heiligen Kreuzzug wähnt. Diese Leute haben dogmatische Ansichten dazu, was Spiele sein sollen (ohne Zweifel ein theologischer Ansatz) und sie legen im Bezug auf die Spiele-Industrie eine Hingabe an den Tag, die Mitt Romneys Kirchenbeiträge knauserig aussehen lässt. Vergesst die Beatles, Mario ist heute populärer als Jesus und jede Kritik an der Reihe wird von einigen Menschen als Blasphemie aufgenommen werden. Das kommt zum Teil daher, das wir Gaming behandeln, als sei es ein besonderer Club. Aber Spielen zu spielen ist nicht besonders oder ungewöhnlich. Das war es nie.

Ich weiß ja nicht, in welcher Zeit Devin Wilson aufgewachsen ist. Ich bin auch nicht, wie er, in den USA aufgewachsen. Aber die von Journalisten gern benutzte Floskel von den „Spielen, die in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind“ ist genauso falsch wie Wilsons Behauptung, Spielen sei nie eine ungewöhnliche Beschäftigung gewesen. Aus den Informationen auf seiner Website schließe ich, das er nicht viel älter als 30 sein dürfte, da er momentan dabei ist, seinen Doktor zu machen.  Wenn wir eine Geburt Anfang bis Mitte der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts annehmen, kann ich aus eigener Beobachtung seine Analyse nur schwer nachvollziehen. Ich habe den großen Teil der späten 90er und frühen Nuller-Jahre (auch berufsmäßig) in der deutschen Tabletop- und Rollenspielszene verbracht und kann aus dieser Erfahrung eine Behauptung wie „Spiele spielen war nie ungewöhnlich“ nicht bestätigen. Schon damals haben diese „besonderen“ Spiele, in die man deutlich mehr Zeit investieren musste, als in eine Runde Skat oder Siedler, nur einen Bruchteil der „Spieler“ erreicht.

Und diese Leute sind schon damals von ihren Zeitgenossen nicht gerade freundlich und offen behandelt worden. Neben den bekannten Satanismus- und Gewalt-Vorwürfen mussten sich die Spieler schon damals mit der gutmütigen Verachtung jener Menschen herumschlagen, die ihr Hobby einfach nicht verstanden haben. Schon zu dieser Zeit haben sich die meisten Kritiker in Deutschland nicht näher mit den Inhalten beschäftigt und sich ihre Meinung durch gegenseitiges Nachplappern und Abkupfern bei englischen Quellen gebildet. Wenn man sich jetzt die große Überschneidung zwischen der Rollenspiel/Tabletop-Szene und den Computerspielern ansieht, die man nicht zuletzt an der Popularität der Genres Rollenspiel und Strategie im Videospielebereich ablesen kann, verwundert es wenig, dass ein Teil der Leute es einfach leid ist, sich mit den immer gleichen, sinnlosen Vorwürfen auseinanderzusetzen und einfach in den Defensivmodus geht, wenn wieder mal jemand um die Ecke kommt, der meint ihnen erklären zu müssen, welche Defizite ihr Hobby hat.

"Religiöser" Gamer in aggressiver Defensivhaltung / Foto: gamergateblog.de

„Religiöser“ Gamer in aggressiver Defensivhaltung / Foto: gamergateblog.de

Der gleiche Aufschrei käme von Opernfreunden, wenn Tugendwächter Wagner-Aufführungen verhindern wollten, weil sie dessen Musik für seine Gedanken in Sippenhaft nehmen wollen. Oder Motorsport-Fans, wenn aus ökologischen Gründen mal wieder der Spritverbrauch einer Rennserie kritisiert wird. Das nennt man Leidenschaft, Mr. Wilson und genau hier liegt einer der dicksten Hunde der ganzen Debatte begraben: Leute wie Wilson oder Dan Golding scheinen für mich gar keine Leidenschaft für Spiele im herkömmlichen Sinn zu haben. Wie besonders erleuchtete Kunstfreunde, die ihre Nase über Menschen rümpfen, die Bilder von Leuten wie David Hockney „für Kunst halten“, wo das doch „purer Mainstream ist“, haben sie nur eine Leidenschaft: Dinge zu suchen, die sie besonders intellektuell, extrem progressiv und irgendwie tiefgründig erscheinen lassen. Nicht Dinge, die ihnen Spaß machen. Sie empfinden offenbar auch keine Leidenschaft für die Dinge selbst sondern definieren ihre Erfahrung über die ideologische Nützlichkeit eines Kunstwerks, dessen Erwähnung keinem anderen Zweck dient, als ihnen unter Gleichgesinnten zu mehr Geltung zu verhelfen. Und wie Peter Sellers im abschließenden Urteil bestätigen wird: Kritiker, die sich selbst mehr lieben, als das Medium, über das sie schreiben, so dass der eigentliche Gegenstand der Betrachtung gegenüber der eigenen Ideologie in den Hintergrund tritt, sollten sich einen anderen Job suchen.

Auch die Formulierung „wir behandeln Gaming wie einen besonderen Club“ ist ein äußerst zweischneidiges Schwert, suggeriert sie doch, Gaming sei in irgendeiner Weise abhängig von einer Beurteilung von außen, was bei Subkulturen eigentlich nie der Fall ist, und auch, das Wilson sich nie als Teil dieser Gaming-Szene gesehen hat. Warum also sollte sein Wort für irgendeinen Spieler mehr Gewicht haben, als das eines Menschen, dessen Leidenschaft für Spiele aus Äußerungen und Lebenslauf klar ablesbar sind? Um noch einmal den Kunst-Vergleich zu bemühen: Wenn mir jemand von vorneherein sagt, das er z.B. Hockney ablehnt, weil den einfach auch zu viele „Unwissende“ mögen, gibt es für mich eigentlich keinen Grund, seinen weiteren Ausführungen zum Thema Kunst noch große Beachtung zu schenken. Das hat nichts mit Theologie zu tun, sondern mit Menschenkenntnis. Und ja, Gaming ist ein „besonderer Club“. Ein Club, der Jeden aufnimmt, der eine gewisse Leidenschaft für Spiele zeigt, egal welche Hautfarbe, welches Geschlecht oder welche Religion die Person hat.

 

Das abschließende Urteil spricht heute Peter Sellers, (Der rosarote Panther, Der Partyschreck, Willkommen, Mr. Chance):

„Kritiken sollten von Kritikern geschrieben werden. Jeder Kritiker sollte ausgebildet sein und etwas Liebe für das Medium empfinden, das er diskutiert. Heute sieht es aus, als reiche ein Schnellkurs als Klatschreporter.“

Im nächsten Teil befasse ich mich mit Punkt 12: „Spiele sind hochpolitisch!“.

Ein faires Interview zu #GamerGate

Heute kann mir der geneigte Leser zur Abwechslung mal sein Ohr schenken: Old Gamer, der Host des wöchentlichen #GamerGate-Streams und ich waren eingeladen, um mit dem Games-Enthusiasten Rainer Schauder über #GamerGate und das letzte Jahr zu plaudern. Anhören kann man sich das Ganze hier, viel Spaß damit.

Leider kam es direkt nach der Veröffentlichung des Interviews zu hasserfüllten (s. Titelbild) Äußerungen gegen Rainer Schauder. Wer so engstirnig ist, dass er Sätze wie „Gamergater gehören kategorisch ausgegrenzt. Deren Weltbild & Methoden ist [sic!] abscheulich“ ernst meint, der sollte mal über sein Demokratieverständnis nachdenken und die Verhältnismäßigkeit seiner Äußerungen überprüfen.

 

 

Vom Umgang mit deutschen Spielejournalisten

Eigentlich wollte ich nach dem letzten, etwas persönlicheren Artikel „Journalistendarsteller“ , wieder zur eigentlichen Aufgabe des Blogs zurückkehren: Weiteres Material für eine deutsche Diskussion rund um das Thema #GamerGate und den Spielejournalismus veröffentlichen.  Aber die Art und Weise, wie die meisten angesprochenen Journalisten und Blogger auf auf meine Berichte oder Fragen auf Twitter reagiert haben, lässt es mir angemessen erscheinen, noch ein wenig beim Thema „Spielejournalismus in Deutschland“ zu verweilen.

Die Weißbrote schnaxeln halt gern!

Am Wochenende fand in München der „Zündfunk Netzkongress 2015“ statt, eine jener Veranstaltungen, auf deren Bühnen die immer gleichen Personen Vorträge zu Themen wie „Cybergewalt“ oder „Identität in Computerspielen“ halten. Diesmal bot der Bayrische Rundfunk dem Wanderzirkus im Volkstheater Kost und Logis und dessen Motto „Modernes Volkstheater – buntes Programm“ fasst die für Gamer relevanten Vorträge ganz gut zusammen.

Schon im Vorfeld der Konferenz habe ich den bayrischen Rundfunk angeschrieben,  nachdem ich  im Teaser-Text zum Panel von Anne Wizorek, Kübra Gümüsay und Anke Domscheidt-Berg eine Stelle entdeckt hatte, in der männliche, weiße Twitter-Nutzer unter der Bezeichnung „Weißbrote“ zusammengefasst wurden. Das die sonst so auf „Safe-Spaces“ bedachten Progressiven mit so einer verächtlich machenden Bezeichnung ihre eigenen Regeln brechen und Menschen genau nach den verhassten Kriterien Hautfarbe und Geschlecht beurteilen – geschenkt, erwarte ich von den Meistern der Projektion ja gar nicht anders.  Aber das der bayrische Rundfunk solchen Bevormundungsfeminismus finanziert und das Mitarbeiter des Hauses auf Anfrage erklären, die Verwendung erfolge „bewusst ironisch“, obwohl der Text, das so nicht hergibt – das enttäuscht den Gebührenzahler in mir dann doch ein wenig.

Die Antwort der Zündfunk Redaktion liest sich, als versuche der Redakteur einem lernschwachen Sechsjährigen die Umstände zu erklären (im Hintergrund setzt das „Main Theme“ dieses Artikels ein). „Whitebread“, so lerne ich (nicht zum ersten Mal, aber Vertiefung ist ja immer besser) sei eine Bezeichnung, die schwarze Amerikaner als Reaktion auf die handelsüblichen rassistischen Bezeichnungen erfanden, die ihnen die Weißen  an den Kopf warfen. Gut, die Bezeichnung hat also ihren Ursprung in einem Rassenkonflikt, warum bezeichnen wir nicht mal etwas weniger als die Hälfte unser Gebührenzahler so, was soll schiefgehen. Wenn ich das richtig lese, darf wer will dann auch wieder die althergebrachten Begriffe für Menschen afrikanischer Herkunft verwenden, oder? Nicht das ich das wollte, aber Gleichberechtigung ist doch im Moment so ein großes Ding.

Weiter erfahre ich, das „Weißbrot“ auch nicht für alle weißen Männer steht, sondern nur für jene, die den progressiven Lifestyle ablehnen, diese nennt der Verfasser „eher unkritisch“, „sehr konsumistisch“ und sieht durch ihre schiere Masse die Gefahr, dass solche Menschen auch noch gesellschaftspolitischen Einfluss haben könnten – er nennt es einen „Lifestyle mit dem man sich auseinandersetzen muss“, ich nenne es die Regeln der Demokratie.  Der Brief schließt mit einem Hinweis auf die „presseüblich mit Anführungszeichen“ gekennzeichnete „bewusste Ironie“. Das Ironie aber auch aus dem Textzusammenhang kommen muss und das einfache Aufkleben des Etiketts „Ironie“ nicht davor schützt, missverstanden zu werden, dürfte der Zündfunk-Redaktion folglich unbekannt sein. Meine Frage nach dem Autoren oder der Autorin des Textes wurde nicht beantwortet.

Inzwischen wurde der betreffende Text kommentarlos durch einen Anderen ersetzt.

Die Wundermaschine aus Frankreich

Während des Kongresses hielt Christian Schiffer, der Herausgeber des WASD-Magazins, einen Vortrag zum Thema „Zur Lage der Gameskultur“, in dem er unter anderem auf die Frage nach der Konservierung und Archivierung von Spielekultur einging. Nach einem kurzen Exkurs zu verlorenen Spielwelten, wie den von Nutzern errichteten Strukturen im abgeschalteten MMORPG Star Wars Galaxies, beschrieb er seinem Publikum die Schwierigkeiten, vor denen ein Kulturwissenschaftler steht, wenn er ältere Spiele in seine Forschung einbeziehen will.

„Nehmen wir mal dieses Beispiel River Raid von vorher. Man will jetzt herausfinden, wie das war, wie Computerspiele in den 80ern damit umgegangen sind, mit dem Ost-West-Konflikt. Dann hat man erst Mal ein Problem, man braucht erst Mal so’ne labbrige Floppy-Disk wo das Spiel drauf war und wenn dann halt drei Einsen und Nullen vertauscht sind, dann geht jetzt das Spiel nicht mehr. Wenn man die Floppy Disk hat, dann hat man natürlich wahrscheinlich kein Floppy-Laufwerk. Wenn man ein Floppy-Laufwerk hat, oder wenn man das irgendwie überspielen kann, dann ist irgendwie der Rechner zu schnell, dann geht das auch irgendwie wieder nicht. Also, man steht da vor gewaltigen Problemen.

Es gibt ein Projekt der europäischen Nationalbibliotheken, ich glaube federführend ist die französische Nationalbibliothek, die versuchen Computerspiele tatsächlich zu bewahren und deswegen bauen die so einen Emulator. Ein Emulator, das ist ein Gerät, das neuen Computern beibringt so zu tun als seien sie alte Computer.“

Auf die Überinterpretation der „Handlung“ von River Raid, die ich als Zeitzeuge eher nicht teilen würde, will ich hier gar nicht erst eingehen. Anstatt seinem Publikum einen der vielen verfügbaren Emulatoren vorzustellen, verschwendet er also viel Zeit mit Geschichten über Floppylaufwerke, nur um dann eine merkwürdige Aussage über ein französisches „Gerät“ zu machen, das die bestehenden Probleme lösen soll. Ich habe mich nach diesem Abschnitt gefragt, warum jemand, der auf Kongressen über Spiele spricht, so wenig Ahnung von Emulatoren hat und ihm einen Link zu einer Emulation von River Raid geschickt. Eigentlich habe ich gar nicht mit einer Antwort gerechnet und war überrascht, als ein paar Stunden später doch ein Tweet auftauchte. Leider war „Gut, dann installier das mal auf deinem Datassetten-Laufwerk“ nicht ganz das Niveau, auf das ich gehofft hatte. Im folgenden Gespräch wurde ich belehrt, das Kulturwissenschaftler unmöglich die Emulation eines Spiels auf anderer Hardware für ihre Untersuchungen nutzen könnten, „weil man die technischen Rahmenbedingungen nachfühlen muss, um es einordnen zu können“. Diese Argumentation kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Eine kulturpolitische Einordnung wird sich großenteils auf den Inhalt beziehen und während ich Schiffer Recht gebe, das ein Wissenschaftler, der über das Thema schreiben will, die Original-Hardware schon einmal gesehen und benutzt haben sollte, glaube ich nicht, dass sie für die Beurteilung jedes einzelnen Spiels zwingend nötig ist.

Nachdem mir – wie so oft – erklärt wurde, dass meine offensichtlich sehr begrenzte Hirnkapazität nicht ausreiche, um weiter die Zeit wichtiger Spielejournalisten zu verschwenden, bat ich Herrn Schiffer abschließend noch um einen Link zur französischen Wundermaschine aus seinem Vortrag, die den Kulturwissenschaftlern endlich die nötigen Mittel an die Hand geben soll, um ihre Arbeit zu tun. Das KEEP getaufte Projekt der europäischen Komission wird folgendermaßen beschrieben:

[…} plant das KEEP-Konsortium eine portable Plattform zu schaffen, die auf allen möglichen Geräten lauffähig ist und auch an zukünftige Computersysteme angepasst werden kann.Das Emulations-Framework wird als Open-Source-Software veröffentlicht, so dass die gesamte Emulator-Community zur Weiterentwicklung beitragen kann.

Also ein herkömmlicher Software-Emulator, eine Art europäische Version von MESS. Von zeitgenössischer Hardware für das „Originalerlebnis“, auf das Herr Schiffer so viel Wert legt, kein Wort. Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, mich auf meine „Ahnungslosigkeit“ hinzuweisen und mir zu vermitteln er „habe nicht das Gefühl, es mit einem informierten Gesprächspartner zu tun zu haben“. Langsam kristallisiert sich ein Muster heraus: Entweder ich bin einfach zu doof, um mit Journalisten zu diskutieren, oder die benutzen alle die gleiche Taktik um Kritik abzuwehren. Was von beidem stimmt, kann ich als Betroffener, nicht beurteilen, wenn ich doch nur wüsste, wie Journalisten untereinander über mich reden.

Musik liegt in der Luft

Dieser Wunsch bringt mich direkt zum nächsten Journalisten, diesmal habe ich mit Christian Huberts kommuniziert, der für die Zeit den Artikel „Die wollen nur spielen – leider“ geschrieben hat, in dem er fragt  ob Computerspiele als „Kulturgut nicht alle Mitglieder einer Gesellschaft im Blick haben sollten“. Daraufhin habe ich andere Bereiche wie Oper, Zwölftonmusik und moderne Kunst aufgezählt, die meiner Meinung nach auch nicht massentauglich sind, aber trotzdem als Kulturgut angesehen werden und gefragt, warum Spiele anders behandelt werden sollten.

Dennoch ließe sich genau hier die Frage stellen, für welche homogene Gruppe – in der Regel männlich, heterosexuell und weiß – Computerspiele meist noch produziert und beworben werden und ob ein Kulturgut nicht alle Mitglieder einer Gesellschaft im Blick haben sollte. Aber die irrationale Angst vor negativer PR und erneuter Stigmatisierung stellt sich dem Diskurs über die gesellschaftliche Verantwortung von digitalen Spielen nachhaltig in den Weg.

Christian Huberts, „Die wollen nur spielen- leider“

Anstatt auf das Grundmotiv meiner Frage einzugehen, wurde mir von Herrn Huberts sofort ein schiefer Vergleich unterstellt, was ich in Teilen auch durchaus eingesehen habe, weil Zwölftonmusik Teil des größeren Kulturbereichs Musik ist, in dem es eine Nische für jeden Geschmack gibt. Also habe ich einen neuen Ansatz in die Diskussion geworfen: Wenn man Mainstream-Spiele mit Rockmusik gleichsetzt und die „Neuen Spiele“ wie Sunset mit Zwölftonmusik, wie kommen die Kulturjournalisten dann darauf, das gerade im Spielebereich aus derAvantgarde auf einmal eine Massenbewegung wird?  Aber da war es schon zu spät und wieder kam die übliche Schelle: “ Sorry, war ein Fehler überhaupt auf Dich einzugehen“ und „Diskurs braucht eine gemeinsame Wissensbasis“. Rockmusik sei schließlich von Anfang an „Protest“ und „hochpolitisch“ gewesen.

„Denn Kultur verläuft in der Geschichte und macht überraschende Wendungen… es sei den man startet eine „Konsumentenrevolte“.“

Christian Huberts auf Twitter

Ein Gespräch auf Christian Huberts Facebookseite hat mir dann endlich den Wunsch erfüllt, mal direkt in die Köpfe der betreffenden Journalisten schauen zu dürfen.

Quelle: Slimgur

Quelle: Slimgur

Wer kritisiert die Kritiker?

Was Menschen, mit denen ich kurz auf Twitter kommuniziert habe – oder auch Menschen, mit denen ich nie Kontakt hatte – so alles über mich zu wissen glauben. Schauen wir uns mein Persönlichkeitsprofil doch mal genauer an. Anonym und kritik-allergisch sind die ersten zwei Merkmale, die mir angedichtet werden. Ein Blick ins Impressum dieses Blogs hätte gereicht, um die erste Behauptung zu entkräften. Als die ARD Menschen gesucht hat, die bereit sind mit ihrem Klarnamen eine Aussage zu #GamerGate  zu machen, hatte ich kein Problem damit. Und allergisch gegen Kritik? Das ist eher euer eigenes Problem. Ich bin nur allergisch gegen Journalisten, die der Öffentlichkeit ihre einseitige Meinung als Wahrheit verkaufen wollen.

Der dritte Teilnehmer am Gespräch empfiehlt dann auch gleich, noch ein Stück tiefer in die private Filterbubble zu kriechen und die störenden Andersdenkenden gleich komplett auszublenden (hehehe). Das ich selbst für einen gönnerhaften Menschen „der jedem eine Chance gibt“, zu lernresistent bin, hat mich natürlich schwer getroffen. Auch wenn Christian Huberts in einfachen Worten versucht hat, mir sein Weltbild näher zu bringen, ich undankbarer Unwissender habe seine Güte nicht zu nutzen gewusst.

An dieser Stelle klinkt sich Valentina Hirsch ein, die ehemalige Chefredakteurin der früh verblichenen Sendung „pixelmacher“, deren Blogpost  „Unhappy Birthday, GamerGate“ von mir für sachliche Fehler und einseitige Darstellung kritisiert wurde. Der Vorwurf „Ich fasse auf absurdeste Weise alles was mir nicht passt unter #GamerGate zusammen“ ist auf jeden Fall neu, den hab ich so noch nicht gehört, auch wenn er mir sachlich etwas daneben erscheint, drehen sich meine Artikel doch zu 100% um Themen, die mit #GamerGate zu tun haben. Und  „Ich gehe gerne auf alles ein“ hat in meinem Fall bedeutet, dass ich nach meiner Kritik ihres Artikels einfach ignoriert wurde, anscheinend war ich halt nicht „smart“ genug, damit man mir antwortet. Passt ins bekannte Schema.

Und dann wird es richtig lustig: Ich und alle „Gater“ haben ein völlig apolitisches und ahistorisches Weltbild. Ich stelle mir gerade vor, wie alle Menschen, die mich nicht nur von Twitter kennen, auf diese Charakterisierung meiner Person reagieren würden: Schallendes Lachen. Und fast alle Menschen, die ich im letzten Jahr im Zusammenhang mit dem Hashtag kennengelernt habe, vereint eine Tatsache: Es sind alles gebildete, denkende, kritische Menschen, die eben nicht apolitisch oder unwissend sind, die Sorte Mensch findet sich eher in ideologischen Massenbewegungen, in denen jeder angehalten ist, das Selbe zu denken. Und: Jede Kritik an #GamerGate rechtfertigt #GamerGate, siehst du wie einfach das ist, Christian?

Frau Hirsch spricht einem Menschen, den sie nicht kennt, nicht nur das Wissen über die journalistische Tätigkeit ab, sondern die Allgemeinbildung gleich mit. Meinen ersten bezahlten Artikel für eine Tageszeitung habe ich übrigens 1989 geschrieben, Valentina, als du wahrscheinlich noch mit der Trommel um den Weihnachtsbaum gelaufen bist. Warum bilden sich eigentlich Leute wie ihr ein, mehr über die Geschichte eines Mediums zu wissen, als Menschen, die von Anfang an Zeugen seiner Entwicklung waren?  Und Allgemeinbildung… es ist ja unwahrscheinlich, dass es dazu kommt, aber nenne mir Ort und Zeit, Valentina, und wir unterziehen uns beide dem gleichen Allgemeinbildungs-Test, wenn du ein besseres Ergebnis einfährst, spende ich fünfhundert Euro an eine wohltätige Organisation deiner Wahl. Ich helfe jetzt erstmal meinen Bekannten aus dem letzten Absatz, die können seit „mangelnde Allgemeinbildung“ gar nicht mehr aufhören zu lachen.

Was den letzten Post von Christian Huberts und unseren Austauch über Pöbel und Podeste angeht, der wird klarer, wenn man sich nicht nur die zwei genannten Tweets, sondern den Kontext ansieht:

Quell: Twitter

Quell: Twitter

Da es mir schwer fallen wird, mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass ich ahistorisch, apolitisch und schlichtweg ungebildet bin, tendiere ich eher zu meinem zweiten Erklärungsansatz: Das kritisierte Journalisten ihre „überlegene Bildung“ (kicher) als Schild benutzen, um jede Kritik abzuwehren. Die hier genannten Beispiele sind auch nicht die einzigen, auch das einfache Design meines Blogs und mein Schreibstil waren schon Gegenstand kritischer Betrachtung durch Gamesblogger und Journalisten, als wenn es bei Informationen in erster Linie auf die optische und stilistische Qualität ankäme, mit meinen Argumenten setzt sich kaum einer auseinander. Alle drei im Artikel genannten Personen schreiben in verschiedenen Funktionen für das WASD-Magazin, kein Wunder also, dass sie das zügige Bilden einer Wagenburg beherrschen, ein Phänomen, das alte #GamerGate-Hasen nur zu gut kennen. Wollt ihr wissen, wie euer Verhalten hier „unten“, bei den Lesern ankommt? Ihr erscheint wie arrogante, verwöhnte Kinder, die nicht mit den anderen Kindern in der Straße spielen wollen, weil sie sich ohne ersichtlichen Grund für was Besseres halten. Und wie soll ich jemandem, der Persönlichkeitsanalysen anhand von 140-Zeichen-Nachrichten macht, denn glauben, dass er in seiner Berichterstattung und Recherche nicht genauso oberflächlich und mit ideologischen Scheuklappen ausgerüstet vorgeht?

Es wird immer klarer, dass die Einstellung der Journalistendarsteller, die zu #GamerGate geführt hat, kein rein amerikanisches Problem ist. Unsere Spielepresse steckt in den gleichen Schwierigkeiten, sie hat sich immer weiter von ihrer Zielgruppe entfernt. Betrachtet man das oben wiedergegebene Gespräch, kann man meines Erachtens sogar von Verachtung sprechen. Gleichzeitig wollen sie die Heilsbringer sein, die uns mit „Spielen in denen man eine Topfpflanze spielt, die in Echtzeit wächst“ (Schiffer) in eine inklusive, diverse, bessere Zukunft führen wollen. Und dann fühlen sie sich angegriffen, wenn sie jemand auf die offensichtliche Diskrepanz zwischen ihren Ideen und der Realität hinweist.

Am Ende bleibt nur, der Internetkritik an der eigenen Person von Menschen, die man nicht kennt, nicht zuviel Bedeutung beizumessen und Derek Smarts Erkenntnis, das #GamerGate nicht aufhören wird, bevor die Presse nicht aufhört, sich die Finger in die Ohren zu stecken und weiter das Lied von der Hassgruppe zu singen. Pardon, von der ungebildeten, apolitischen und ahistorischen Hassgruppe. Soviel Zeit muss sein.

 

 

 

 

 

 

Journalistendarsteller

Alter Mann brüllt Wolken Hipster an

Immer öfter halten vor allem jüngere Journalisten das Interesse ihrer Leser an der Berichterstattung fälschlicherweise für ein Interesse der eigenen Person. Zuerst ist mir dieser Trend bei Fernsehdokumentationen aufgefallen: In den letzten Jahren hat es sich etabliert, dass diese Formate immer öfter einen Hybriden zwischen Moderator und Sprecher einsetzen, vermutlich um dem Zuschauer einen emotionalen Bezugspunkt zu geben und der Produktion zu Wiedererkennungswert zu verhelfen. Das führt in der Praxis leider dazu, dass ich minutenlang nicht Tansania oder die Provence, sondern einen Fernsehmenschen sehe, der versucht beim Kanufahren oder im Gespräch mit Insektenforschern möglichst spontan und ungeprobt rüber zu kommen. Mal abgesehen von der Frage, was Scripted Reality in Bildungsprogrammen zu suchen hat, verschwendet eine solche Dokumentation die wertvolle Zeit des Zuschauers.

Genauso geht es mir mit vielen Vertretern des „modernen“ Spielejournalismus. Als ich noch ein eifriger Leser von Rock, Paper, Shotgun war – dem allerdings schon 2013 zu dämmern begann, das John Walkers Hang zur Predigt auf Dauer unerträglich sein würde – kam ich zum ersten Mal mit Artikeln von Cara Ellison in Berührung. Wie schon Leigh Alexander ein paar Jahre vor ihr wurde die damals frisch „entdeckte“ junge Autorin auf den üblichen Seiten für ihren „mutigen“ und „innovativen“ Journalismus gelobt. Und genau wie bei Alexander wollte ich ja zumindest wissen, worüber die jungen Leute denn jetzt so aufgeregt waren. Und wie bei der ersten Dame war ich nach der Lektüre eher peinlich berührt, dass so viele Menschen offensichtlich Nabelschau nicht von Spielejournalismus unterscheiden können.

Die Artikel waren voller Sätze wie „Es ist mir wichtig mitzuteilen, das ich jetzt, während ich dieses Spiel spiele, in der lauwarmen Feuchte eines Hinterhofs in Manhattan sitze„, „Während ich aufgewachsen bin habe ich andere Mädchen nicht gemocht. Ich war frauenfeindlich. Waren wir alle.“ oder „Die Galerie ist ein winziges, minimalistisches Studio mit einer kuriosen Bar und einer Retro-Eismaschine im Hintergrund„. Ich weiß nicht, ob es anderen genauso geht, aber wie bei den Fernsehdokumentationen beschleicht mich auch hier der Verdacht, das mir unter dem Vorwand der Berichterstattung Lebenszeit geraubt wird, nur dass ich in diesem Fall nicht am gefühlt einhundertsten Abendessen irgendwo in Nepal teilnehmen sondern mich mit den Adoleszenzdramen einer typischen Vertreterin der Generation „Irgendwas mit Medien“ auseinandersetzen muss. Und da mögen die Kollegen auch noch so viel Lob ausschütten, die haben ja, wie die „Gamers are Dead“-Artikel gezeigt haben, sowieso die Schnauze voll von ihrem Publikum. Warum seid ihr dann eigentlich noch hier? Ach, ich vergaß, bei den „echten“ Journalisten kommt man mit der Kugelfischtaktik nicht so weit, nur im Kultursektor reicht es, wen man sich von Zeit zu Zeit auf die Größe seines Egos (bei „progressiven Meinungsjournalisten“ ca. das 14-fache des ursprünglichen Körpervolumens) aufbläst, damit einen die anderen Schwarmmitglieder weiter ernst nehmen.

Die oben zitierte Cara Ellison bringt ihre Sicht der Dinge so auf den Punkt:

Der Wert eines geschriebenen Werkes hängt von zwei Dingen ab: 1) Der Fähigkeit des Schreibenden, eine bestimmte Bedeutung effektiv auszudrücken 2)Der Fähigkeit des Lesers, sich die Mühe zu machen, dieser Bedeutung entgegen zu gehen. 2) wird nicht sehr oft untersucht.

Cara Ellison

Miss Ellison versteht offensichtlich das Konzept einer „schreibenden Zunft“ nicht vollständig, nach unzähligen Teilnahmeurkunden scheint sie anzunehmen, dass es auch im richtigen Leben nach der Uni noch ausreiche, wenn nur der Autor selbst seine Ergüsse versteht. Und in ihrer Selbstüberschätzung behaupten Leute wie sie dann gerne noch, das sei halt „Gonzo-Journalismus“, vermutlich weil sie mal einen Film mit Johnny Depp gesehen haben. Hunter S. Thompson würde kotzen.  Irgendwer muss diesen Oberstufenlyrikern mit Weltrettungskomplex  mal mitteilen, dass ihre Person und ihr Privatleben dem Kunden, denn nichts anderes ist der Leser, in der Regel reichlich egal sind. Journalismus bedeutet nicht, dass man sich ein Thema vornimmt und dann den Artikel damit verbringt, über die eigenen Befindlichkeiten in diesem Zusammenhang zu weinen. Dafür gibt es Tumblr! Diese Menschen wollen einfach nicht verstehen, wie Nischenpresse funktioniert – sie existiert nur dann erfolgreich, wenn die Nische auch Interesse an den angebotenen Inhalten hat. Ein Metal-Magazin, dessen Redakteure die ganze Zeit schreiben, wie viel besser sie Zwölftonmusik finden, wird sich am Markt nicht allzu lange halten. Einem Magazin für Computerspiele, das überwiegend Artikel über moderne Kunst veröffentlicht (der Rest der Artikel dreht sich dann darum, was für herzlose Monster die Leser sind), wird es ähnlich ergehen.

Ich habe über Prison Architect geschrieben, meine Gedanken drehen sich um Focault, Simulation und das Weiß-Sein / Quelle. Twitter

Ich habe über Prison Architect geschrieben, meine Gedanken drehen sich um Focault, Simulation und das Weiß-Sein / Quelle. Twitter

Und doch, gerade gestern hat die Veröffentlichung von Prison Architect einem Journalisten wieder mal Gelegenheit gegeben, genau das zu tun: Der Kunsthistoriker Will Partin legt auf killscreen.com seine ganz eigene Sicht auf den erfolgreichen Mix aus knallhartem Management und Satire dar. Er bemängelt vor allem fehlenden Realismus der Gefängnissimulation: Es fänden zu viele Aufstände und Ausbrüche statt, das erzeuge ein falsches Bild und vor allem käme das Thema der Hautfarbe der Insassen viel zu kurz. Es folgt ein ellenlanger Diskurs über Focault, Gefängnisarchitektur und Unterdrückung. Und Hautfarbe. Später fragt Partin noch, warum die Gefängnisbehörde im Spiel neben Alkohol- und Drogenentzug für die Häftlinge nicht auch Kurse in „kultureller Heilung“ anbieten könne. Einen Vorschlag, wie so etwas spielmechanisch umzusetzen wäre, bleibt er schuldig – falls es der geneigte Leser vor lauter Kopfschütteln vergessen haben sollte: In dem Artikel ging es ursprünglich um ein satirisches Videospiel. Und Hautfarbe. Irgendwie. Der Artikel hat mich dann wieder an das Review von Tropico 5 erinnert, in dem der Redakteur der Seelenpein Ausdruck gab, die ihn überkam, nachdem das Spiel ihn zu Grausamkeiten gegen seine virtuellen Untertanen gezwungen hatte. Ich könnte heulen vor Unterdrückung!

Es liegt mir fern, dieser Art von persönlichem Ausdruck ihre Existenzberechtigung abzusprechen. Mein Erstaunen bezieht sich eher darauf, dass diese Herrschaften in ihrer blasierten, arroganten Art glauben im Besitz einer Wahrheit zu sein, die sie von vielen Pflichten befreit: Im Gegensatz zum klassischen Journalisten vergangener Tage, stellen sie von Anfang an ihre Persönlichkeit gleichberechtigt neben ihre Inhalte und glauben auf Dinge wie Überparteilichkeit, Objektivität und sauberes Arbeiten verzichten zu können, so lange sie nur von genug Menschen für ihre unglaublich korrekte Haltung wahrgenommen werden. Da werden Interviewpartner eingeladen, deren Meinung der entsprechende Medienmitarbeiter teilt und ein Interview inszeniert, in dem es keine kritischen Rückfragen gibt. Da ist jede zweite Antwort von Pressevertretern aus dem progressiven Lager auf die Frage nach einem Dialog eine herablassende Floskel wie „Diskurs braucht eine gemeinsame Wissensbasis“, so geht man den lästigen Kritikern gekonnt aus dem Weg, jetzt noch schnell zu Starbucks. Diskussionen mit Kritikern sind so 80er.

Ich habe über die Mona Lisa Geschrieben, meine Gedanken drehen sich um Gesundheitsvorsorge, Astrologie und Damen-Cricket.

Ich habe über die Mona Lisa geschrieben, meine Gedanken drehen sich um Gesundheitsvorsorge, Astrologie und Damen-Cricket / Quelle: Twitter

Und sie gewinnen mit dieser Masche an Einfluss, auch in Deutschland. Schaut man genau hin, finden sich immer wieder die gleichen Namen wenn es darum geht, Videospiele in irgendeinen Kontext mit Rasse oder Geschlecht zu setzen, ob in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten oder auf Spieleblogs. Manchmal reicht es schon, das jemandem mal ein griffiger Hashtag eingefallen ist oder das er über eine auffällige Frisur verfügt , um in Regierungsgremien eingeladen zu werden oder in diversen Talkshows aufzutreten und daran sicher nicht schlecht zu verdienen. Und wenn man dann erstmal im System ist werden landauf, landab, Woche für Woche Steuergelder und Rundfunkgebühren für Vorträge und ganze Kongresse zum Hype-Thema Netzkultur ausgegeben, auf denen sich dann wieder die gleichen 30 „Speaker_Innen“ treffen wie jedes Wochenende. Eine Monokultur der neuen Ideen. Eigentlich kann man die großzügige Finanzierung der Netzkultur- und der Netzfeminismus-Bewegung als eine Art verlängerten Arm der Arbeitsagentur sehen, der dafür zuständig ist, die nicht ganz so erfolgreichen Kinder der Besserverdienenden zu alimentieren. Und so lange die Kohle vom Patriarchat den Journalistendarstellern für eine Wohnung in Berlin und veganes Liefersushi reicht, stirbt der Videospielejournalismus weiter einen langsamen, qualvollen Tod.

Leute wie TotalBiscuit wird es freuen.

Für eine Handvoll Doritos

Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache auf deepfreeze.it und wird hier mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

Den ersten Teil, „Zuckerbrot und Peitsche“, können Sie hier lesen.

Der Stock

2008 äußerte sich Dan Hsu erneut über das Thema des Drucks durch die Publisher und bemerkte, die Firmen hätten ihre Taktik verfeinert und reagierten nun schon auf „nicht-100%-positive“ Tests, indem sie den betreffenden Veröffentlichungen weitere Berichterstattung verweigerten: „Das ist schon eine interessante Ausgangslage: Ihr lasst uns die Spiele nicht sehen und wir können nichts Schlechtes über sie schreiben“. Er warf den Entwicklern von Mortal Kombat sowie Ubisoft und Sonys Sportabteilung vor, EGM auf eine schwarze Liste gesetzt zu haben.

Sony war 2007 auch an einem anrüchigen Versuch beteiligt, die Reputation von Kotaku zu untergraben. Die Seite veröffentlichte einen Bericht über das kommende „Playstation Home“-Programm, obwohl Sony ihnen gedroht hatte, dass die Veröffentlichung das „professionelle Verhältnis“ zum japanischen Konzern „untergraben könnte“ und wurde als Konsequenz von der weiteren Berichterstattung weitgehend ausgeschlossen. Kotaku veröffentlichte postwendend den Brief mit der Drohung, auf eine schwarze Liste gesetzt zu werden und der darauf folgende öffentliche Druck führte noch am gleichen Tag, an dem der erste Artikel erschienen war, zu einer gütlichen Einigung mit Sony.

Im Jahr 2011 wurde nur mit der schwarzen Liste gedroht: Eine PR-Firma, die im Auftrag von 2K Games arbeitete, drohte öffentlich mehreren Veröffentlichungen mit der Beendigung jeglicher Zusammenarbeit, weil diese mit ihrer Kritik am äußerst schlecht aufgenommenen Spiel Duke Nukem Forever „eine Grenze überschritten hätten“ . Wieder einmal wurde zurückgerudert, nachdem die Erpressung an die Öffentlichkeit gelangt war – die Firma schob schnell eine Entschuldigung nach.

In seinem Artikel über den Skandal nannte Ben Kuchera, damals noch bei ArsTechnica, schwarze Listen eine ziemlich weit verbreitete Praxis, eine Ansicht, die er heute noch vertritt, während im selben Jahr der freie Autor Richard Stanton ein (später zurückgezogenes) Interview gab, in dem er angab, die Werbekunden würden „alles kontrollieren“ und sein Arbeitgeber, Future Publishing, tue alles um jeden ihrer Wünsche zu erfüllen.  Als Gamesblog.fr im Jahr 2012 vom Publisher Activision auf eine schwarze Liste gesetzt wurde – was bedeutete, dass sie geplante Anzeigen strichen, bereits ausgesprochene Einladungen zurückzogen und aufhörten, die Seite mit Testmustern zu beliefern – ging es wieder um die Weigerung, eine Story zurückzuhalten, in diesem Fall über den Nachfolger von Call of Duty: Black Ops.

Aber das war keinesfalls der bekanntest Gaming-Skandal im Jahr 2012.

DoritosGate

Das beliebteste Symbolbild für den DoritosGate Skandal zeigt den Spielejournalist Geoff Keighley mit leerem Blick, umgeben von Doritos, Mountain Dew und Werbepostern.

Geoff Keighley mit seinen liebsten "Nahrungsmitteln" / Foto: deepfreeze.it

Geoff Keighley mit seinen liebsten „Nahrungsmitteln“ / Foto: deepfreeze.it

Ursprünglich stammt es aus einem Kommentar des Eurogamer-Kolumnisten Rab Florence, in dem es um den Mangel an ethischen Standards in der Spielepresse und deren allzu freundlichen Umgang mit den PR-Leuten der Branche ging.

In Florence‘ Artikel ging es hauptsächlich um die Games Media Awards, ein britisches Event, auf dem Preise von PR-Repräsentanten an Spielejournalisten vergeben werden. Während der Preisverleihung im Jahr 2012 gab es ein Gewinnspiel, bei dem Journalisten, die ein bestimmtes Spiel auf Twitter anpriesen, eine PS3 gewinnen konnten. Florence zitierte in seinem Artikel einige Spielejournalisten, welche die Verlosung gegen Vorwürfe der Bestechung in Schutz genommen hatten.  Er gab ihnen zwar nicht die Schuld an den Vorgängen, merkte aber an, dass diese Journalisten ihre eigene Glaubwürdigkeit untergraben hätten.

Die GMAs sollte es gar nicht geben. Im besten Falle sollte dieser Raum voller Leute sein, die sich in der Gegenwart der Anderen unwohl fühlen. Die PR-Leute sollten sich die Spiele-Journos anschauen und denken: „Diese Person macht meinen Job zu einer echten Herausforderung“. Warum sind sie alle dicke Freunde? Was zum Teufel ist hier los?

Rab Florence, Eurogamer.

 

 Lauren Wainwright, eine von Florence zitierte Journalistin, drohte daraufhin mit rechtlichen Schritten. Als Reaktion zensierte Eurogamer einen Teil von Florence‘ Artikel, was zu dessen Kündigung und einer heftigen Reaktion des Internets gegen Wainwright führte.

Wainwright, ein enthusiastischer Fan der Tomb Raider Spiele, wurde dabei ertappt das sie in ihrem Lebenslauf Hinweise auf eine Tätigkeit für Square Enix, den Publisher der Serie, verschleiert und über deren Spiele Testberichte geschrieben hatte. Dies hatte sie vorher stets bestritten. Sie hat inzwischen eingeräumt, die Drohung mit einem Gerichtsverfahren sei ein Fehler  gewesen.

Der Artikel von Rab Florence war der Funke, an dem sich eine riesige Diskussion entzündete, schon bevor die Zensur dem Fall zu noch mehr Aufmerksamkeit und Artikeln auf diversen Webseiten verhalf.

Nach seiner Meinung zur Berichterstattung über das Thema befragt, nannte Kotaku-Chefredakteur Stephen Totilo die ganze Affäre „unwichtig“ und den selben alten „müden Nonsens“. Nachdem er für seine Äußerungen scharf kritisiert wurde, entschuldigte er sich und schrieb einen Artikel über den schon oft gegenüber der Presse erhobenen Vorwurf, man „habe es sich mit der Spieleindustrie zu behaglich gemacht“. Darin gibt er zu, dass die Gepflogenheiten für Außenstehende so aussehen könnten als bewegten sie sich „an der Grenze zur Bestechung“.

Er kam zu dem Fazit, das „die Kritik an der Spielepresse so verbreitet sei, dass sie praktisch nur ein Hintergrundrauschen darstelle“ und das begründete Beschwerden „in einem Meer von Fehlinterpretationen“ untergingen. Er vertraue darauf, dass es neben den als Artikel getarnten Presseerklärungen auch eine Menge guter Berichterstattung gebe und sei voller Hoffnung, dass es in Zukunft noch mehr davon geben werde.

Der Ritt geht weiter

Der „gute Journalismus“ auf den Totilo gehofft hat, schafft es leider selbst nicht so oft in die Schlagzeilen, deswegen ist es schwer zu klären, ob sich nach DoritosGate etwas zum Besseren gewendet hat – auf der anderen Seite haben die Skandale seitdem nicht aufgehört.

Der Druck auf Journalisten ist weiterhin ein Problem, wie im Fall von Ubisoft, die jedem Journalisten, der die exklusive Vorschau ihres Spiels Watch Dogs im April 2014 besuchte, ein Nexus7-Tablet schenkten. Während der Spielejournalismus dabei ist, seinen Einfluss an YouTuber und „professionelle Konsumenten“ zu verlieren, richten die PR-Agenturen ihre Strategien entsprechend aus. Im Oktober 2014 bot eine PR-Firma im Auftrag von Warner Bros verschiedenen YouTubern an, bezahlte Videos über Shadow of Mordor zu machen – sie bekämen Vorab-Kopien des Spiels und eine finanzielle Zuwendung, müssten sich aber im Gegenzug dafür in einem Vertrag dazu verpflichten, das Spiel nur positiv zu besprechen und die Videos vorab der PR-Agentur zur Prüfung vorzulegen. Zur Veröffentlichung von Metal Gear Solid 5 im August 2015 fand wieder das gleiche luxuriöse „Bootcamp“ statt, das es schon zum Vorgänger gegeben hatte.

Auch die Angelegenheit mit der Werbung taucht immer wieder auf, oft begleitet ein wahrer Teppich aus Anzeigen die positive Besprechung eines Spiels. Im Fall von Mass Effect 3 führte das sogar dazu, dass ein Kritiker zum Angriff auf sein Publikum überging, weil es mit seiner Lobeshymne auf das Spiel nicht einverstanden war. Daraus resultierten Angriffe auf Gamer und ihre angebliche „Anspruchshaltung“ gegenüber der Industrie, die man auch als Versuche werten kann,  Werbekunden und Publishern  zu Diensten zu sein.

Zwei Jahre nach DoritosGate kamen Fälle von Interessenkonflikten ans Licht, die sich mehr um persönliche und finanzielle Verbindungen drehten als um Werbung und die Kritik an der Spielepresse erreichte so viele Menschen wie nie zuvor – durch eine andauernde Konsumentenrevolte, deren Unterstützer  sich um den Hashtag #GamerGate gesammelt haben.


Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache auf deepfreeze.it, einer Seite, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die ethischen Verfehlungen im Spielejournalismus zu katalogisieren.

gamergateblog.de dankt @bonegolem und dem Team von deepfreeze.it für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung dieser Übersetzung.

Grafik: deepfreeze.it

 

Zuckerbrot und Peitsche

Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache auf deepfreeze.it und wird hier mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

Spielepublikationen waren schon immer  werbefinanzierte Unternehmen – eine Finanzierungsform, die seit dem Übergang zum Onlinejournalismus zur einzigen nennenswerten Quelle für Einnahmen geworden ist. Durch die geringen Profitmargen und die Tatsache, dass der Großteil der Anzeigen von den Spiele-Publishern kommt, findet sich der Spielejournalismus in einer schwierigen Position wieder, in der die Interessen ihrer Werbekunden oft gegen die Interessen ihrer Leser stehen.

Das Werbebudget ist ein Druckmittel, das schon viele Publisher eingesetzt haben, um Spielejournalisten unter Druck zu setzen. Schon 1995 hat das Magazin Amiga Power das Problem angesprochen und festgestellt, das Spielkritiker durch PR-Mitarbeiter, die sie mit Geschenken beeinflussten, freundlich gestimmt würden und versuchten, Konflikte mit den Publishern zu vermeiden.

2005 stellte Dan Hsu, damals Chefredakteur von EGM, fest, dass ein nicht namentlich genanntes Konkurrenzunternehmen seine Titelseite im Tausch für Anzeigen regelrecht verkaufte. Er fügte hinzu, dass auch Veröffentlichungen seines Unternehmen von Publishern unter Druck gesetzt worden seien, das Spiel mitzuspielen – oder ihre Anzeigen zu verlieren.

Im Verlauf der Jahre kamen viele Versuche der Publisher ans Tageslicht, Journalisten milde zu stimmen, einzuschüchtern oder unter Druck zu setzen. Es entsteht der Eindruck, es gebe ein andauerndes Ringen hinter den Kulissen, bei dem Journalisten entweder von Publishern beeinflusst werden oder sich mit aller Kraft dagegen wehren müssen, um unabhängig zu bleiben.

Meine Industrie geht mir auf den Sack.

Die Auswahl der Cover-Motive bei einem unserer Mitbewerber kam mir irgendwie verdächtig vor, also habe ich einen Kontakt bei einem großen Spiele-Publisher danach gefragt. „Ja,“ sagte er, „wir kriegen vom betreffenden Magazin jedes Titelmotiv, das wir haben wollen. Wir müssen nur ein Gespräch mit dem Herausgeber führen, ein paar Anzeigen versprechen und anschließend klären wir noch die Details“. Also… kann man bei diesem Magazin eine Titelstory kaufen. Großartig.

Kürzlich hat sich ein PR-Mitarbeiter einer anderen Spielefirma darüber beschwert, dass über seine Firma auf einer gewissen, sehr wichtigen Website nicht berichtet wird, weil sie keine Anzeigen auf dieser Seite schalten. Damit ihre Spiele besprochen würden, müssten sie anfangen Geld auf der Seite auszugeben. Mehr Berichterstattung gegen Geld. Wundervoll.

Leider muss ich mir sowas nicht ausdenken.

Dan Hsu, 1UP.com

 

Die Wertung

Die Diskussion über den Druck, den Publisher auf Journalisten ausüben, beginnt im Normalfall bei den Wertungen – und die stehen seit den Anfängen der Nischenpresse unter Verdacht, nicht zuletzt wegen zahlreicher Skandale. Seit das Internet ihr Publikum vergrößert hat, wird den Redakteuren noch genauer auf die Finger geschaut.

Um die Wertungen geht es auch in den ältesten großen Skandalen der Spielegeschichte – wie den Vorgängen rund um Driver 3, ein Spiel das von den meisten ziemlich schlecht bewertet wurde, von einigen Veröffentlichungen von Future Publishing aber fast perfekte 9.0 Wertungen bekam. Sie verzichteten darauf, die vielen Bugs des Spiels anzusprechen und mussten hinterher zugeben, von Atari bevorzugt behandelt worden zu sein. Oder Donkey Konga von 2005, bei dem die Redaktion von Gamespy den Testbericht ohne Zustimmung des Autors änderte und eine schlechte 1.5/5 Wertung in eine deutlich bessere 3/5 änderten. Der wahrscheinlich bekannteste Skandal in der Spielebranche begann auch mit einem Testbericht: 2007 feuerte Gamespot seinen Chefredakteur Jeff Gerstmann,  nachdem dieser dem Spiel Kane & Lynch: Dead Men von Eidos in seinem Test eine niedrige Wertung gegeben hatte. Zur gleichen Zeit wurde das Spiel auf der Seite massiv beworben, was zu wilden Spekulationen über Druck durch den Publisher führte, die Gerstmann und Gamespot schließlich bestätigten, nachdem ihre vertraglich vereinbarte Schweigepflicht ausgelaufen war.

Mit regelmäßigen Skandalen wie diesen und manchmal unfreiwillig lächerlichen, auffälligen Unterschieden zwischen den Wertungen der journalistischen Kritiker und den Bewertungen der Fans ist die Presse jedesmal im Verdacht, bestechlich zu sein, wenn ein positiver Testbericht von einer massiven Anzeigenkampagne begleitet wird oder die Bewertung des Kritikers für ein Spiel eines Anzeigenkunden von der vorherrschenden Meinung abweicht und allzu freundlich ausfällt – oder ganz einfach Teile des Publikums beleidigt werden. Auch wenn die reine Masse solcher Vorfälle es wahrscheinlich macht, das einige dieser Vorkommnisse durchaus von den Werbekunden initiiert wurden, ist es ohne klare Beweise nicht möglich, berechtigte Anschuldigungen von Fehlalarmen zu unterscheiden.

Die Möhre

Mit den Testmustern der Publisher kommen regelmäßig zusätzliche Materialien, vom Werbegeschenk bis zu etwas extravaganteren Gegenständen. Im Presse-Kit von Halo 3 (2007) gab es zum Besipiel (unter anderem)  eine neue XBox 360 mit zwei Controllern und den Helm des Protagonisten als Dekorationsgegenstand. Auch 2001 bewies Microsoft erneut Großzügigkeit, als jeder teilnehmende Journalist auf der E3 Presse-Show des Konzerns eine kostenlose XBox 360 bekam.

Ich bin ein AAA-Producer […] es besteht also die Chance, das ich deinen Flug buche, und dein Zimmer, deine Getränke an der Bar, deine Besuche im Spa zahle und dein Zimmer vollstopfe mit HD-TVs, Alienware Rechnern und Razr-Keyboards mit Scheiß Neon-Unterboden-Beleuchtung. Nichts davon hat mit dem Spiel zu tun. Wir zahlen euch Schmiergeld und dafür erwarten wir nicht nur, das ihr Partei ergreift, wir setzen alles darauf. Und dann nehmen wir uns heraus, eure Unabhängigkeit einzufordern, wenn ihr schlecht über uns schreibt.

Alex Lifschitz, AAA-Producer Praktikant in der Produktionskoordination bei Activision 2009

Solche Geschenke scheinen eine weit verbreitete Gewohnheit zu sein. Ars Technica hat einige dieser Zuwendungen dokumentiert, unter den Highlights waren die Replik eines Schwertes aus einem Spiel oder eine Holzkiste voller Stofftiere, ein Scheck über 200 Dollar oder ein Schwerelosigkeits-Flug in einem Spezialflugzeug im Wert von etwa 5000 Dollar. Stepen Totilo von Kotaku kam 2012 auf das Thema zurück und merkte an, er müsse regelmäßig Geschenke von Publishern ablehnen oder weiter verschenken, unter anderem ein Mini-Surround-System, ein Schach-Set und eine Reise nach Disneyland. Totilo führte weiter aus, es sei schwierig, diese Geschenke auf ethisch korrekte Art und Weise los zu werden. Trotz der Bemühungen vieler Websites und Magazine finden Presse-Geschenke manchmal den Weg zu ebay, wo sie von ehemaligen Spielejournalisten angeboten werden. Gerne werden den Journalisten auch Reisen angeboten – 2010 gab es für die Tester von Call of Duty: Black Ops eine durchaus luxuriöse Unterbringung, und schon 2008 hatte Konami anlässlich der Veröffentlichung von Metal Gear Solid 4 Journalisten zu einem „Boot Camp“ nach Japan eingeladen.

 Zwei Wochen vor der Veröffentlichung des Spiels wurde ich von San Francisco nach LAX (Los Angeles) geflogen, von dort ging es mit dem Auto zum Flughafen von Santa Monica, wo ich einen Fliegerhelm mit meinem Gamertag überreicht bekam.

Dann setzte man mich in einen Helikopter um mich nach Ojai, Kalifornien zu fliegen, ein kleines Städtchen, etwa zwei Stunden von LA entfernt. Nach der Landung auf einem Feld wurde ich ins Ojai Valley Inn and Spa gefahren, wo ich drei Tage lang in einer schicken Suite wohnte. In der Suite gab es eine 360, eine Kopie des Spiels und einen schönen 3D-Fernseher, der an einem Surround-System hing. Es gab auch einen Bereich mit 30 Stationen, an denen die Tester sich den Multiplayer-Teil des Spiels ansehen konnten.

Ich bekam außerdem ein Headset von Madcatz im Call of Duty: Black Ops Design. Am Ende der Reise durfte ich den Pilotenhelm und das Headset behalten, alle Ausgaben für Flug, Unterbringung und Verpflegung hat Activision gezahlt.

Tae Kim, GamePro

Die Diskussionen über den Druck, dem Journalisten ausgesetzt sind kommen oft zu dem Schluss, es gebe zumindest keine offene Bestechung – wobei es korrekter wäre zu sagen, dass es diese nicht regelmäßig zu geben scheint. 2012 wurde das Indie Game Magazin dabei erwischt, dass die Redaktion 50 Dollar für einen Test verlangte – eine Praxis die möglicherweise eine Menge Inhalte beeinflusst hat und die nach der Aufdeckung zügig fallen gelassen wurde. Der für diese Entscheidung verantwortliche Mitarbeiter, Chris Newton schireb, er habe diese getroffen, weil bezahlte Testberichte innerhalb der Branche ein weit verbreitete Vorgehensweise seien, und offensichtlich meinte er das ernst, da mehrere kleinere Seiten sich offiziell dieser Praktiken bedienen. 2013 eröffnete die Crowdfunding-Plattform Patreon und wurde bald zu einer weiteren Quelle für finanzielle Interessenkonflikte.

Die Sporen

Zur gleichen Zeit, als Konami das „Boot Camp“ anbot, bat die Firma darum, die lange Installationsdauer und die vielen Cutscenes in den Tests zu Metal Gear Solid 4 nicht zu erwähnen – dazu muss man wissen, das die Gesamtlänge der Zwischensequenzen über acht Stunden beträgt, dass MGS 4 anscheinend zeitweise den Guiness-Weltrekord für die längste Cutscene gehalten hat und das die Installationszeiten sehr lang waren und zwischen den einzelnen Kapiteln immer wieder neu installiert werden musste. Stephen Totilo von Kotaku hat dieses Embargo Jahre später bestätigt, als er behauptete, seine Weigerung, dieser Vorgabe zu entsprechen, habe ihn ein Interview mit dem Erfinder der Reihe gekostet.

Im gleichen Jahr kam es zu einer ähnlichen Situation, die das Eidos-Spiel Tomb Raider Underworld betraf. Eine PR-Firma, die Eidos repräsentierte, bat Webseiten und Magazine die schlechten Tests erst ein paar Tage nach dem Erscheinen des Spiels zu veröffentlichen – und das, nachdem Eidos erst im Jahr davor in den oben erwähnten Gamespot-Skandal verwickelt gewesen war, den eine mittelmäßige Bewertung von Kane and Lynch: Dead Men  ins Rollen gebracht hatte.

Unbeeindruckt davon, das die Journalisten Eidos öffentlich gerügt hatten, wurde EA Norway 2011 dabei erwischt, wie sie Fragebögen an potentielle Tester von Battlefield 3 verschickten, deren Fragen so gestellt waren, dass man anhand der Antworten beurteilen konnte, ob der Betreffende dem Spiel eher eine hohe oder eine niedrige Wertung geben würde. Es folgte eine heftige Reaktion und EA gab an, die Versendung der Fragebögen sein ein Fall von „menschlichem Versagen“ gewesen.


 

Den zweiten und letzten Teil dieses Artikels, „Für eine Handvoll Doritos“, können Sie hier lesen.

Das Zitat von Alex Lifschitz hat gamergateblog.de zusätzlich eingefügt, da es die Industrie-Seite der Diskussion beleuchtet.

Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache auf deepfreeze.it, einer Seite, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die ethischen Verfehlungen im Spielejournalismus zu katalogisieren.

gamergateblog.de dankt @bonegolem und dem Team von deepfreeze.it für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung dieser Übersetzung.

Grafik: deepfreeze.it

 

 

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