UPDATE: Vor kurzem haben die Organisatoren von SXSW verkündet, dass es ein einziges, „neutrales“ Podium zu „Cybergewalt“ geben soll. Neben Namen wie Brianna Wu und Wendy Davis (siehe Artikel) findet sich leider außer den ursprünglichen Teilnehmern von „SavePoint“ niemand, den ich auch nur entfernt als #GamerGate-Unterstützer sehen würde. „Neutral“. Wie gehabt. Sehr entmutigend, SXSW. Und wie es ausgeht, wenn #GamerGate-Vertreter zu Konferenzen eingeladen sind, an denen auch Menschen wie Wu oder Harper teilnehmen kann sich jeder ausmalen: Irgendjemand wird schon besorgt genug um seine Sicherheit sein, um genau dieses eine Panel zu „sprengen“.
Ursprünglicher Artikel: Heute mal was über Windrichtungen. Scherz beiseite, wer #GamerGate auch nur ansatzweise verfolgt, hat mitbekommen, dass es im Moment großen Wirbel um die Absage von zwei Panels bei der SXSW (South by Southwest) Interactive Konferenz gibt, die 2016 in Austin/Texas stattfinden wird. Die internationalen sowie die deutschen Medien haben die Streichung der beiden Veranstaltungen zu Anlass genommen, wieder einmal die altbekannten Vorurteile und Lügen aus der Schublade zu holen. In den zwei Tagen seit Bekanntgabe der Absage erschienen bereits mehr als zwanzig Artikel, die Unterstützer des Hashtags #GamerGate als potentielle Verantwortliche für die Verhinderung eines Vortrags über Internet-Belästigung nennen, ohne das die Organisatoren Details über die Drohungen bekannt gegeben hätten, die einen solchen Schluss zuließen. Aber was ist wirklich passiert?
In der Euphorie nach der SPJAirplay-Konferenz im August 2015 in Miami erschien auf dem Blog der Open Gaming Society ein Artikel mit dem Titel „Save Point SXSW Panel“. Darin erklärt der Organisator, Perry Jones, dass er die Planung und Koordination eines Panels zur Einreichung beim SXSW 2016 übernommen hat. Die für das Panel geplanten Themen fasste er so zusammen:
Das momentan in der Gaming-Community herrschende sozialpolitische Klima.
Die Bedeutung der journalistischen Integrität für die Videospiel-Medien.
Die Zukunft der der Gaming-Community und der Spiele-Industrie.
Am 20. Oktober konnte Jones an gleicher Stelle verkünden, dass sein Panel-Vorschlag von den Organisatoren der Konferenz angenommen wurde und präsentierte später neben sich (in seiner Eigenschaft als Spieleentwickler) noch Mercedes Carrera (#GamerGate-Unterstützerin und Erwachsenenfilmdarstellerin) und Lynn Walsh (Ethikbeauftragte der Society of Professional Journalists) als weitere Teilnehmer. Die Unterstützer der Konsumentenrevolte feierten eine weitere Möglichkeit, ihre Ansichten ungefiltert der Öffentlichkeit präsentieren zu können.
Kurz nachdem die konkrete Planung eines Panels einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, gab es Bestrebungen, die Veranstaltung zu verhindern und es blieb Randy Harper, der „Vorsitzenden und Gründerin der OAPI“ (einer nur aus ihr selbst bestehenden, Patreon-gestützten „Wohltätigkeitsorganisation“) vorbehalten, ein „Gegen-Panel“ einzureichen: “Level Up: Overcoming Harassment in Games” fand seinen Weg auf die Abstimmungsliste des SXSW und durchlief den Prüfungsprozess ebenso erfolgreich wie „SavePoint“. Die geplanten Diskussionspunkte waren:
Wie sehen die Voraussetzungen für Online Kommunikation aus und wie nutzt man Design um einen Raum für kontroverse Konversation un bewahrt gleichzeitig eine robuste Privatsphäre?
Wie schaffen wir ein Ökosystem für Online-Spiele und den Raum, in dem sie stattfinden, dass Sicherheit gibt, aber auch offene Kommunikation erlaubt?
Wie können wir das Narrativ rund um die „Gaming-Spaces“ neu ausrichten um Inklusivität und Diversität unter Gamern zu schaffen?
Also eine faire Situation in Austin: Unterstützer von #GamerGate, Gegner von #GamerGate und Neutrale Beobachter diskutieren – leider auf getrennten Panels – über Themen, die sie in der Gaming-Community für wichtig halten. Wer will, kann sich nur eines der Panels ansehen. Oder beide. Oder keins.
Dann folgte die große Ernüchterung: Nur eine Woche nach Bekanntgabe, dass „SavePoint“ stattfinden würde, sagten die Organisatoren von SXSW Interactive sowohl dieses Panel als auch „Level Up“ ab. In der dazu veröffentlichten Meldung werden anonyme Drohungen gegen die Veranstaltung als Grund genannt.
„Am Montag, dem 26. Oktober hat sich SXSW Interactive entschlossen, zwei Vorträge aus dem Programm der Veranstaltung 2016 abzusagen: „SavePoint: Eine Diskussion über die Gaming-Community“ und „LevelUp: Belästigung in Games überwinden“. Wir hatten gehofft, die Aufnahme der beiden Veranstaltungen in das Programm für Austin im März 2016 würde zu einem wertvollen Ideenaustausch über dieses wichtige Thema führen.
Wie dem auch sei, in den sieben Tagen seit der Ankündigung der beiden Veranstaltungen hat SXSW diverse Androhungen von Gewalt am Ort der Veranstaltung erhalten.
Wenn Menschen an einem, vor online und offline-Belästigungen geschützten, sicheren Ort nicht verschiedener Meinung sein können und sich nicht auf neue Ideen einlassen wollen, dann wird dieser Marktplatz der Ideen unausweichlich in Mitleidenschaft gezogen.“
Hugh Forrest, SXSW Interactive Director
Die Reaktion der Presse war erwartbar, was mich persönlich verwundert hat war der Aufwand, den die #GamerGate-Gegner investierten, um diese Entscheidung öffentlich und in den Medien ihrer Freunde als von „Drohungen von #GamerGate“ motiviert darzustellen. SXSW Interactive hat meines Wissens bisher keine der betreffenden Drohungen veröffentlicht und nach den Bombendrohungen gegen #GamerGate in Miami und Washington wäre das auch nicht das erste Szenario, das mir einfiele. Trotzdem sah die Medienlandschaft kurz danach so aus:
Anita Sarkeesian meldete sich auf Twitter mit der Forderung an die Organisatoren der Veranstaltung, nur das „LeveUp“-Panel wieder einzusetzen und sich für die Ansetzung von „SavePoint“ zu entschuldigen. Soviel zu „Wir wollen niemandem irgendetwas weg nehmen“ – schon wieder beim Lügen erwischt Anita.
Auch die Politik meldete sich zu Wort: Texas State Representative Wendy Davis, ehemalige Gouverneurskandidatin der Demokraten, gab folgende, von der inzwischen gewohnten Ahnungslosigkeit ihres Berufsstands gezeichnete Stellungnahme ab:
„Das Problem begann als SXSW versucht hat, „beiden Seiten“ gleichberechtigt nebeneinander zu stellen. Jedesmal wenn GamerGate erfolgreich jemanden davon überzeugt, dass sie über eine Angelegenheit mit zwei Seiten streiten, die sich in ihrer Würde nicht unterscheiden, gewinnt er. Denn es gibt keine zwei Seiten.
Es gibt jene Menschen, die Sexismus und den Mangel an Inklusivität in Spielen und Tech beseitigen wollen und es gibt die anderen, welche glauben, man müsse die Ersteren daran hindern und das Drohungen und Beleidigungen der richtige Weg sind, um dieses Ziel zu erreichen.“
Quelle: Facebook
Auch Zoe Quinn, die offiziell mit #GamerGate ja weder etwas zu tun hat noch zu tun haben will, äußerte sich und offenbarte neben den erwarteten Vorurteilen auch, dass sie hinter den Kulissen versucht hatte, „SavePoint“ zu verhindern:
In Deutschland fühlte sich die GameStar genötigt in einem Artikel von Anhängern der „GamerGate-Bewegung“ zu schwadronieren, die SXSW bedroht hätten, obwohl es keine öffentlich zugänglichen Beweise für diese These gibt. Die Redaktion hat auf meine Anfrage zu dieser unbelegten Behauptung bisher nicht Stellung genommen. Hier macht GameStar einfach so nebenbei mit beim Stigmatisieren, das macht mich als ehemaligen Leser echt betroffen.
„Die GamerGate-Kontroverse wurde in diesem Zusammenhang zwar nicht explizit genannt, galt jedoch hinter vorgehaltener Hand als zu behandelndes Thema. Offensichtlich Grund genug für einige Anhänger der Bewegung, die Veranstalter mit Drohungen zu bombardieren.“
Tobias Ritter, GameStar
Es gab allerdings auch Ausnahmen, die ein bisschen Hoffnung machen: Sowohl der Lokalsender KVUE aus Austin, als auch der Journalist Brady Dale vom Observer haben überraschend ausgewogene Beiträge gedreht bzw. geschrieben.
Wenn man jetzt noch weiß, dass sich „SavePoint“ zu keiner Zeit selbst als #GamerGate-Panel bezeichnet hat und das die Organisatoren und die Claqueure von Harper und Konsorten einem schwarzen Game-Designer, einer Hispano-Filmschaffenden und einer Journalistin, die auf dem besten Weg ist, die nächste Präsidentin der Society of Professional Journalists zu werden, die Plattform nehmen wollen – wie kommt die Presse darauf, dass eben die Unterstützer dieser drei Personen deren Auftritt verhinder haben?
Ockhams Rasierklinge macht in diesem Fall eine klaren Schnitt: Ich glaube eher an voreingenommene Journalisten, die voneinander abschreiben, als an #GamerGate-Unterstützer, die eine ihnen wohlwollend gegenüber stehende Veranstaltung torpedieren. Die in diesem Blog schon diverse Male angesprochenen Bombendrohungen mit folgender Evakuierung durch die Polizei bei GamerGate Veranstaltungen lassen mich nicht an die Version glauben, das #GamerGate sich selbst das wegnimmt, was seine Unterstützer verzweifelt anstreben: Eine Möglichkeit, der Gesellschaft ohne den Zerrspiegel befangener Journalisten zu zeigen, wer wir sind und was uns die Freiheit der Kunst und die Regeln eines ethischen Journalismus bedeuten.
SXSW Interactive hat für die kommenden Tage eine Neubewertung der Vorgänge in Aussicht gestellt.Es bleibt spannend.
Die Idee das Gamergate von der Presse je objektiv dargestellt wird, darf man getrost unter Ulk verbuchen.
Den das würde bedeuten, das die Presse einen Fehler eingesteht und ich sehe eher das Schweine das Fliegen lernen.