‚CandyCrush‘ ist total hardcore!

In dieser Artikelreihe beschäftige ich mich mit dem Artikel ‚A Guide to ending Gamers‘ (‚Eine Anleitung wie man das Ende der Gamer herbeiführt‘) von Devin Wilson. Wilsons Artikel, am 28. August 2014 auf Gamasutra erschienen, war Teil des Medienblitzkriegs mit dem Tenor ‚Gamer sollten nicht mehr die primäre Kundschaft der Spieleindustrie sein‘. 16 Artikel innerhalb von wenigen Tagen sollten das Ende der ‚hyperkapitalistischen‘ Gamerkultur besiegeln und Wilson (er arbeitet an seinem Doktor in Medienwissenschaften) wollte offensichtlich das Manifest für diesen Putsch schreiben.

Er arbeitet sich in achtzehn Punkten durch die ideologische Basis dieser feindlichen Übernahme und ich werde mich Punkt für Punkt (wenn auch nicht in Wilsons Reihenfolge) mit den Vorschlägen beschäftigen, die er seinen Kollegen in der Spieleindustrie macht. Weiter geht es heute mit Punkt 8: Casual contra Hardcore. Hier Wilsons Text:

8. Wir werden die Einteilung in Hardcore und Casual los. Diese Einteilung ist kompletter Müll und kommt nur aus drei Gründen zur Anwendung: 1) Um sich anderen überlegen zu fühlen, 2) sich in tragischer Weise den ungerechten Hierarchien des Spiels zu unterwerfen oder 3) um Produkte zu verkaufen (was effektiv die beiden anderen Punkte noch verstärkt). Nebenbei was ist eher ein ‚Gelegenheitsspiel‘: Wenn man ein Mobile Game über Jahre spielt um es zu meistern oder wenn man den Samstag damit verbringt sich den neuesten Mordsimulator zu kaufen und durchzuspielen, von dem du überzeugt bist, dass du ihn spielen musst?

Wenn ich die Zitate fertig übersetzt habe, sitze ich immer einen Moment da und schüttle den Kopf, genauso wie vor einem Jahr, als ich sie zum ersten Mal gelesen habe. Wieder kommt das bekannte Lied ‚Wenn alle Menschen Gamer sind, ist’s keiner‘ zur Aufführung. Wilson übersieht allerdings, dass es den Gegensatz zwischen leidenschaftlichen Fans und peripher interessierten Menschen praktisch in jedem Feld gibt. Niemand würde sich dazu versteigen, jemand einen Filmfreak zu nennen, weil er sich jeden Sonntag den ‚Tatort‘ anschaut. Der eine investiert seine Freizeit zu großen Teilen in sein Hobby, besucht Festivals, liest Magazine und kann Sergej Eisenstein von Michael Bay unterscheiden. Der andere schaltet Sonntags seinen Fernseher ein und schaut sich einen Film an, ohne auch nur über den Regisseur oder das Drehbuch nachzudenken.  Weil alle Menschen jetzt Auto fahren gibt es keine Autonarren mehr? John Cleese würde Devins Äußerung zweifellos als: ’symbolisch für sein Ringen gegen die Realität‘ bezeichnen.

Verfestigen toxische Hierarchien: Autonarren. Foto: gamergateblog.de

Verfestigen toxische Hierarchien: Autonarren. Foto: gamergateblog.de

Allerdings habe ich bisher nicht bemerkt, das sich CasualGamer irgendeiner Form von Hierarchie hätten unterwerfen müssen. Ich wage sogar zu behaupten, das es den typischen ‚CandyCrush‘-Spieler – genau wie den ‚Tatort‘-Gucker – nicht einmal interessiert das es da draußen Filmfreaks oder Hardcore-Gamer gibt. Oder das Devin Wilson einen heiligen Kreuzzuug anführt, um ihn aus der Knechtschaft derselbigen zu befreien. Er oder Sie wird einfach weiter ‚CandyCrush‘ spielen und ‚Tatort‘ schauen. Die Hardcore-Gamer kümmern sich derweil um Spiele wie ‚Darksouls 2‘ und fühlen sich dabei ein kleines bisschen überlegen, wie der Filmfreak, der eine Anspielung entdeckt hat, die dem Rest des Kinos entgangen ist. Und wem wird dabei weh getan? Niemandem. Außer vielleicht Devin Wilsons Gefühlen. Damit kann ich leben.

Die Konsum-Komponente kommt ebenfalls in fast jedem Bereich des täglichen Lebens zum tragen – ich könnte wetten, dass Mr.Wilson – wie jeder gute Hipster – seine Theorien auf einem Gerät der Firma Apple tippt (um das Klischee zu vervollständigen muss er dabei aber noch zwingend einen Pumpkin-Latte-Frappucino trinken). Dieser Themenkomplex bekommt in einem der nächsten Teile dieser Serie noch seinen Platz im Rampenlicht.

Dann wäre da noch der ‚Mordsimulator‘. Wieder lugt hinter dem dünnen Mäntelchen aus ‚Spiele müssen erwachsen werden‘ die hässliche Fratze der Zensur hervor. Wer die Unterhaltungsformen anderer Menschen selbstherrlich mit solchen Floskeln versieht zeigt meiner Auffassung nach kein Bestreben eine Kulturform zu bereichern. Er zeigt das gleiche Unverständnis wie die Kriegsgeneration beim Anblick von Elvis‘ Hüftschwung. Und diesem Unverständnis ist bisher immer der Ruf nach einem Verbot gefolgt.

Abschließendes Urteil: Ich werde das sofort auf meiner unsichtbaren Schreibmaschine protokollieren!

Im nächsten Teil befasse ich mich mit Punkt 2: Wir hören auf jene, die weniger privilegiert sind als wir.