Kategorie: Pressespiegel (Seite 1 von 2)

There will be no Revolution if it is not twitched.

„Eine Revolution im eigentlichen Sinne? Der schnelle und weitreichende Umsturz bestehender Verhältnisse als Reaktion auf akute Missstände, ausgelöst durch eine Speerspitze mit neuer Vision, der es gelingt, eine breite Bevölkerung, die sogenannte „revolutionäre Masse“, dafür zu mobilisieren.“

Willkommen zurück. „Eine Speerspitze mit neuer Vision“ soll es jetzt also wieder richten. Wohin das führen kann haben Lenin und Robespierre uns anschaulich vor Augen geführt. Und wie soll das in einer rechtsstaatlichen Demokratie laufen? Aber einen Schritt zurück, hier geht es ja nicht um „echte Revolutionen“, sondern mal wieder um die Videospiel-Szene.  ZeitOnline hat den (ursprünglich im Nischenmagazin „WASD“ erschienenen) Artikel „The revolution won’t be twitched“ veröffentlicht. Wie es sich für einen „WASD“-Artikel gehört, geht es darin aber erst Mal nicht um Videospiele, sondern es wird Absätze lang über vergangene Revolutionen „philosophiert“. Interessanterweise sieht Autor Wederhake die französische Revolution im Lichte Voltaires und nicht in der Finsternis der brutalen Unterdrückung, die ihr folgte. Daher wahrscheinlich die romantische aber fatale Idee von den besseren Menschen als Speerspitze.

Irgendwann geht es dann auch um Videospiele.

„Das revolutionäre Potenzial liegt wohl eher im Kleinen, wo die Weltsicht einer möglichen Speerspitze geprägt wird. Papers, Please wurde nur von einem verschwindend geringen Prozentsatz der Käufer des neuesten Call of Duty gespielt. Aber wenn es – und andere kleinere Spiele mit sozialem oder gesellschaftspolitischem Ansatz – zum Reflektieren anregt, dann besteht die Chance, dass solche Spiele sich zu gesellschaftlicher Veränderung in einer ähnlichen Position befinden wie Voltaires Texte 200 Jahre zuvor.“

Und gleich werden potemkinsche Dörfer errichtet. Was für eine Aussagekraft hat diese Gegenüberstellung von zwei Titeln? Sollte man nicht lieber erklären, dass „Papers Please“ ein Überraschungshit war und auch unter jenen, die nicht einer „visionären Speerspitze“ angehören, jede Menge begeisterte Käufer gefunden hat? Dass es ein Musterbeispiel dafür ist, wie Spieler sich für fast jede Plot-Idee begeistern können, wenn man ihnen ein fesselndes Spiel bietet? Nein, man stellt „Papers Please“ einem geradlinigen Shooter gegenüber und vergleicht es noch flugs mit Voltaire. Hat der Autor wirklich erwartet, dass die Avantgarde dieses Mal ein Massenphänomen wird? Warum muss der Bereich „zeitgenössische Kunst“ im staatlichen Kulturbetrieb mit Millionen bezuschusst werden? Genau, weil das Meiste viel weniger Leute interessiert, als Hollywood oder Popmusik und gleichzeitig viel weniger Öffentlichkeit dafür besteht als für kommerzielles Kunsthandwerk. Genau so erklärt sich die Diskrepanz, nicht durch die Wirkung von „CoD“ oder „Papers, Please“. Viele Spieler haben letzteres für seine spielerischen Werte geliebt und die politische Satire genossen, aber ich wage zu vermuten, dass Spiele Menschen genau so wenig zum Revolutionär machen, wie zum Amokläufer.

„Wenn Spiele in der Breite eine Gesellschaft repräsentieren, in der weiß, männlich und heterosexuell nicht Standard, sondern nur eine vieler möglicher Kombinationen ist, dann wäre das ein reformerischer Erfolg.“

„Publisher waren Kritik von progressiver Seite gewöhnt“

Björn Wederhake scheint nicht so oft Videospiele zu spielen, sonst wäre ihm aufgefallen, dass viele Spiele inzwischen regelrechte Identitätsbaukästen enthalten. Oder das große Entwickler inzwischen in vielen Franchises Frauen, Homosexuelle und Menschen von Farbe gezielt einsetzen, um den Vorwürfen (und dem Hass) der „visionären Speerspitze“ zu entgehen. Das zweite Zitat umschreibt sehr blumig,  dass wegen eines zu knappen Kostüms oder einer zu kecken Pose organisierte Shitstorms gegen große Publisher gefahren wurden, frei nach dem Motto: „Schönes Spiel haben Sie da, wäre doch schade, wenn dem Sexismus zustößt“?

Würde er unvoreingenommen denken, wäre ihm eventuell klar geworden, dass zumindest männlich und heterosexuell zahlenmäßig große Gruppen darstellen und das es statistisch durchaus wahrscheinlich ist, dass Kulturschaffende dementsprechend häufig in einer dieser Gruppen zu finden sind. Wer will sie zwingen, nicht mit den eigenen Erfahrungen zu arbeiten? Wer will einer lesbischen japanischen Entwicklerin vorschreiben, dass in ihrem Spiel bisexuelle Latinos vorkommen müssen? Brauchen wir Quoten? Was soll dieser Angriff auf die Kunstfreiheit im Mäntelchen einer „Reform“?

Welchen inhärenten Wert hat ein „reformerischer Erfolg“? Erinnert sich noch jemand an die letzte Währungsreform? An Rentenreformen? Reformen im Niedriglohnsektor? Die Erfahrung lehrt: Eine Reform begünstigt vor allem jene, die sie fordern und deren Freunde.  Auch in Deutschland sind „Spielejournalisten“, Blogger und Independent-Entwickler ausgezeichnet vernetzt. Sie alle eint ein Traum: Mehr finanzielle Wertschätzung ihrer „visionären Ideen“, mehr Werbung für ihre Projekte, mehr staatlich geförderter Netzkultur-Bullshit für ihr Ego. Das die Zeit sich für diese Propaganda in eigener Sache als Plattform andient, macht es nicht appetitlicher.

„Dies würde unaufdringlich den Blick der Spieler auf die Realität beeinflussen und diese Idee normalisieren.“

Ich gehöre ja zu der Sorte Mensch, die nicht möchte, dass gesellschaftliche Organe meine Hobbys missbrauchen, um erwachsene Menschen zu erziehen. Erinnert sich eigentlich noch jemand an die DDR? Man könnte in Filmen auch bei jedem hundertsten Frame kurz Schrifttafeln mit „Organisierte Liebe“ oder „Zivilgesellschaft“ einblenden! Oder Bücher für Kinder umschreiben damit sie heutigen überzogenen Maßstäben politischer Korrektheit entsprechen und den Kindern nichts mehr über böse Dinge in der Vergangenheit beibringen…äh…Moment…

„Auf diesen Zustand versuchte in den letzten Jahren eine Speerspitze hinzuarbeiten, die sich der oft fehlenden Diversität in Videospielen durchaus bewusst war. Artikel auf Rock, Paper, Shotgun oder Kotaku oder der Kickstarter Tropes vs Women in Video Games von Anita Sarkeesian versuchten, diese Problematik ins Zentrum zu verschieben. Sie sollte im Bewusstsein der Spielenden verankert werden, die dann als Masse mithelfen würden, das Medium zu erweitern. Idee: Revolution in der Spieleszene statt Videospiele für die Revolution.“

Und genau hier hat das Problem angefangen: Propaganda stinkt. Die riecht man sofort, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Ich war vor den Geschehnissen um #GamerGate lange Leser von „Rock, Paper, Shotgun“ aber es war genau dieses selbstgerechte Auftreten und diese Unverfrorenheit, mit der man hier ein öffentliches soziales Experiment an einer lebendigen Kultursparte durchführen wollte, die ich dann in den „Gamers are Dead“-Artikeln wiedergefunden habe. Dazu kommt der „Offene Brief an die Spielemedien“, den die transsexuelle Aktivistin Samantha Allen („Ich bin eine Männerhasserin!“) schon 2013, ein Jahr vor dem Erscheinen des Zoeposts, geschrieben hat. Darin fordert sie Folgendes:

„Tu es! Verärgere Sie [die „Gamer“]! Geh das Risiko ein! Triff jetzt die Entscheidung, dass sie deine Zeit nicht wert sind und dass die Einnahmen aus den Werbeanzeigen, die sie bringen die vergiftete Atmosphäre nicht wert sind, die sie auf euren Webseiten schaffen. Sie sind es nicht wert, einen Ruf als unsicheren Ort für alle Menschen zu haben, die keine heterosexuellen Männer sind.“

Samantha Allen

Und die „SpieleMedien“ beschlossen, dass es eine gute Idee sei, die Hand zu beißen, die einen füttert (auch wieder so ein Punkt: Revolutionäre können oft nicht gut mit Geld umgehen). Mir war klar, dass ich hier einen beispiellosen Vorgang beobachtete: Akademiker, Aktivisten und „Journalisten“ verbündeten sich gegen eine weltumspannende Gemeinschaft von Spielern. Schön separiert nach Sexualität und Geschlecht. Später im „Diskurs“ um #GamerGate sollte mit „weiß“ dann ja auch noch eine Hautfarbe ins Hass-Rampenlicht treten. Bei aller Liebe zu Toleranz und Harmonie, aber ein kulturelles Gut – welches allen Menschen offen steht – als U-Boot für die eigene Ideologie kapern zu wollen, merkt ihr eigentlich wie abstoßend sowas auf einen Demokraten wirken muss?

Mal ganz abgesehen davon, dass eine Person, die „Männer hasst“ in so einem Diskurs so viel zu suchen hat, wie Luther in einer Synagoge.  Wir haben es also mit einem abgekarteten Spiel zu tun, #GamerGate war nur die Initialzündung, die Startvorbereitungen für die „progressive“ Rakete waren schon abgeschlossen, man hat nur auf die richtige Gelegenheit gewartet. Wie würde der geneigte Leser reagieren, wenn ihm jemand auf ein Mal vorschreiben will, welche Würstchen er grillen darf und welche Getränke dazu gereicht werden dürfen? Gäbe es Gegenwehr? Unflätige Bemerkungen? Oder würde man in den sauren Tofu beißen?

„Eine Gruppe, die sich relativ starr an den Status quo klammerte und ihr Hobby in seiner bisherigen Ausformung bedroht sah, reagierte unter der Behauptung, nur für „ethische Standards im Spielejournalismus“ einzutreten. Die genauen Entstehungsbedingungen der Gamergate-Kontroverse sprengen den Rahmen, aber Angst vor Identitätsverlust, traditionelle Rollen- und Gesellschaftsbilder und sicher auch das polternde Auftreten einiger Vertreter der Gegenseite sind ebenso daran beteiligt.“

Hier verlinkt der Autor zum englischen Wikipedia Artikel. Dieser Artikel ist keine neutrale Quelle zu #GamerGate. Jeder kann sich auf der Diskussionsseite des Eintrags anschauen, welche Schlachten hier zwischen den einzelnen Autoren ausgefochten wurden. Am Ende war jeder Einfluss, der #GamerGate auch nur ansatzweise legitimierte, aus dem Artikel getilgt. In der vorliegenden Form besteht er größtenteils aus abgeschriebenen Behauptungen der „Journalisten“ und Blogger, die von Anfang an in dieses merkwürdige Erziehungsexperiment einbezogen waren.

Angst vor Identitätsverlust ist auch so ein Fall: Kaum jemand, der #GamerGate unterstützt hat wird dieses Motiv nennen, wenn man ihn fragt. Im Gegenteil, 99% würden wahrscheinlich antworten, dass es ihre Bereitschaft, sich mit ihrem Hobby zu identifizieren eher erhöht hat. Dann wäre da noch das mit dem „ethischen Standards im Spielejournalismus“. Informiert man sich ein wenig, kann man herausfinden, dass nicht nur einige Spiele-Websites im Verlauf der Kontroverse ihre Ethik-Regeln angepasst haben, das der amerikanische Verbraucherschutz FTC die investigative Arbeit von #GamerGate gewürdigt hat und das Vertreter der Society of Professional Journalists in, von den Unterstützern der Konsumentenrevolte vorgelegten Fällen, durchaus Verstöße gegen Ethikregeln gefunden haben.  Worauf deutet das hin, Herr Journalist? „Hassgruppe“ oder engagierte Konsumenten? Was denkt der geneigte Leser?

„Die visuelle Normalisierung einer hypersexualisierten Figur wie Lara Croft oder der Umstand, dass ein Nischentitel wie Dead or Alive Xtreme 3 nicht in den USA erscheinen würde, reichten in dem Klima als Beweis, dass die Social Justice Warriors die Meinungsfreiheit beschneiden. Begriffe wie „Kulturmarxismus“ oder selbst Vergleiche mit Mao Zedongs mörderischer Kulturrevolution waren schnell an der Hand.“

Einen ironiefreien Tweet unter #GamerGate, Herr Wederhake. Einen möchte ich sehen, der sich beschwert, man habe Lara Croft desexualisiert. Es gibt neben DoA X3 noch genug andere Kontroversen, die man hätte anführen können, warum dann die Lara Croft-Story erfinden? Weil die Figur jeder kennt? Fakt ist: Der Großteil der Spieler, die #GamerGate unterstützt haben, hat nicht ein einziges Problem mit starken Frauen in Videospielen. Die feiern ihre weiblichen Helden genau wie die männlichen. Findet man heraus, wenn man mit Ihnen spricht, oder Leuten wie Brad Glasgow zuhört, die genau das getan haben. Oder man glaubt all die Horrormärchen der Kollegen aus den USA und dem UK, da muss man für die Recherche auch nicht so viel nachdenken. Wie der Björn.

„Der direkte Konflikt scheint derzeit erstarrt und viele Spielende ignorieren, dass Subreddits wie KotakuInAction und GamerGhazi ihren kalten Krieg immer noch austragen. Aufgrund seiner diffusen Grenzen und amorphen Struktur ist es schwer zu sagen, ob Gamergate eine Massenbewegung ist, wie einige seiner Anhänger versichern.“

Die erwähnten Subreddits befinden sich also im „kalten Krieg“, was sagen denn die Zahlen über den Verlauf der Schlacht? KotakuInAction: 81.000 Abonnenten, 1200 online. GamerGhazi: 13000 Abos, 250 online. Ist das wieder so eine „visionäre Speerspitzen“ Geschichte bei GamerGhazi?  Sind 81.000 Menschen eine Massenbewegung? Am Anfang der Auseinandersetzung wurde versucht zu etablieren, hinter #GamerGate würden nur höchstens 300 weiße, heterosexuelle Männer mit Sockenpuppen-Accounts stecken. Bis sich Frauen, Homosexuelle und Menschen von Farbe unter den Unterstützern genötigt sahen, Fotos von sich mit dem Hashtag #notyourshield auf Twitter zu posten. Unter dem Hashtag #GamerGate wurden hohe Summen für diverse wohltätige Zwecke aufgebracht. Wer hat die gespendet, wenn #GamerGate keine Massenbewegung ist, wie einige Journalistendarsteller behaupten?

„Während die Spieleszene trotz alledem schon qua gesellschaftlicher Realität diverser wird, ist der vermeintlich revolutionäre Versuch, die Branche schnell zu verändern, für den Moment daran gescheitert, dass die Speerspitze ein breites Segment der Szene falsch eingeschätzt hat.“

Die gesellschaftliche Realität sagt mir, dass Kultur regional ist und dass sie in den westlich orientierten Ländern sehr gut zu dem in dort produzierten Spielen dargestellten Bild passt. Es dominieren in vielen Fällen Menschen von weißer Hautfarbe, mit heterosexuellen Neigungen die in der Hälfte der Fälle Männer sind. Die Zahl der Männer steigt sprunghaft an, sobald es in der Realität um etwas gefährliches geht (Soldaten, Minenarbeiter, etc.), warum sollte das in Spielen anders sein? Um erwachsene Menschen zu indoktrinieren? Sind soziale Experimente von solchem Umfang wirklich nicht genehmigungspflichtig?

„Man erkannte zwar, dass Videospiele noch oft in einer Form reaktionär sind, die zum Beispiel im Medium Film seit Cobra oder Red Scorpion nur noch selten gesehen wurde: Der Standard im Mainstream der Videospiele bleibt der weiße Mann, der mit Waffengewalt – meist ohne psychologische Folgen oder ohne Kollateralschäden – den Frieden bringt oder die Ordnung rettet. Das bedeutet meist: Er stellt den Status quo wieder her. Dass dabei andere Ethnien selten die Hauptrolle spielen, aber immer noch regelmäßig als gesichtsloses Kanonenfutter dienen, als Bedrohung „unserer Lebensart“, unterstreicht diesen Eindruck.“

Die Zahlen zu den Verkäufen in Deutschland im Jahr 2015 passen nicht ganz zu den Beobachtungen des Autors. Da wäre  FIFA 2016 – mit Frauenmannschaften, Fallout 4 und SW Battlefront mit „Charakter-Baukästen“, Pokemon, CoD Black Ops 3  und Assassin’s Creed Syndicate mit beiden Geschlechtern, bei GTA V ist einer der 3 Protagonisten schwarz. Bleiben „The Witcher 3“ und „Need for Speed“, aber nur in einem der beiden rettet ein weißer Mann mit Waffe die Welt. Hier wird ein Bewusstsein für ein Problem geschaffen, das niemand hat. Über das man aber wunderbar bloggen kann und mit dem man bei der re:publica der coolste Ally ist.

„In der Verbindung zwischen den Machern von Call of Duty und dem Pentagon erkennen nicht nur Zyniker propagandistische Absichten des militärisch-kulturindustriellen Komplexes.“

Diese Verschwörungstheorie erklärt einiges, aber nicht, warum Call of Duty von Anfang an Antikriegs-Zitate unter die Nachrichten gemischt hat, die man beim virtuellen Ableben vor sich sieht. Wäre das dem Pentagon nicht irgendwann aufgefallen? Und nachdem man zwei oder drei Absätze vorher über „Kulturmarxismus“ den Kopf geschüttelt hat, will man sich bei „militärisch-kulturindustrieller Komplex“ mit der flachen Hand vor den selbigen schlagen. Aber das nur am Rande.

Tyrants have always some slight shade of virtue; they support the laws before destroying them.„— Voltaire

The real and lasting victories are those of peace, and not of war.„— Ralph Waldo Emmerson

Anyone, who truly wants to go to war, has truly never been there before!„— Larry Reeves

„Videospiele haben eine Schlüsselrolle. Kaum ein Medium spricht Kinder und Jugendliche so an wie Videospiele und die darin vorherrschende Normalität formt auch, wie viele Konsumenten die Realität wahrnehmen. Und das erklärt dann vermutlich auch, wie einige Allianzen mit Personen oder Websites zustande kamen, die sich bis dato nicht eben durch vertiefte Videospielthematik ausgezeichnet hatten.“

Und weil wir gerne schon den Kleinsten ohne Auftrag der Eltern unsere ideologischen Botschaften ins Hirn pusten wollen, haben alle Mitglieder der „Visionären Speerspitze e.V.“ noch ihre Kumpels in den Medien angerufen, die dann brav alles geglaubt und wiederholt haben, was ihnen erzählt wurde. Ich wundere mich ja schon länger nicht mehr über den Vertrauensverlust der Medien.

„So ist auch das kein Zufall, dass man auf KotakuInAction, eine zentrale Anlaufstelle für Gamergate, mit jeder weiteren Woche weniger über Videospiele spricht, aber zunehmend darüber, wie man die erzreaktionäre Politik Donald Trumps und seinen Kampf gegen die „Mainstreammedien“ unterstützen kann. Auch Ideen der Alt-Right finden hier zunehmend Raum. Das Argument ist, dass Gamergate immer noch das gleiche Ziel verfolge, sich aber der Fokus verschoben habe: Statt für ethisches Verhalten im Spielejournalismus kämpfe man nun für ethisches Verhalten im Journalismus an sich. Die alternative Betrachtung: Nachdem man gegen sozialrevolutionäre Tendenzen im Videospiel gestritten hat, verlagert man dieses Verhalten nun auf die größere Realität.“

Jeder links Eingestellte in Deutschland, der dem Betrieb schon so lange zuschaut, wie ich, wird wissen, wie es genervt hat, wenn man mit den Verbrechern der RAF in einen Topf geworfen gewurde, nur weil man für eine gerechtere Verteilung des Reichtums eintrat und die das auch in ihren Manifesten stehen hatten. Jetzt bedient sich die „Neue Linke“ der gleichen Methoden gegen Andersdenkende. Ja, es gibt unter #GamerGate-Unterstützern auch Trump-Wähler! Sind sie die Mehrheit? Brad Glasgows Umfrage scheint das Gegenteil auszusagen. Ja, es gibt eine Schnittmenge zwischen Themen, zu denen sich die Alt-Right äußert und denen, die KotakuInAction diskutiert – aber macht es Mißstände irrelevant, wenn „schlechte Menschen“ auf sie hinweisen? Nein. Und genau so wenig macht es Menschen, die sich mit den gleichen Themen beschäftigen zu deren Unterstützern.

„Beide Seiten wissen um das erwähnte Potenzial, das Videospiele haben. Auch wenn von ihnen in absehbarer Zeit keine Revolution ausgeht, so bleibt doch ihr transformatives Potenzial: entweder reformerisch zu einer diverseren Gesellschaft oder reaktionär zur Erhaltung des Status quo, wenn nicht sogar restaurativ beim Zurückrollen bereits erreichter Entwicklungen. Wenn man Gamergate tatsächlich als die erste Massenbewegung sieht, die aus dem Feld der Videospiele hervorgegangen ist, dann kann man eigentlich froh darüber sein, dass Electronic Arts die Spieler am Controller hält, statt sie zu Fackeln und Mistgabeln greifen zu lassen. Die Revolution, die von der noch vorherrschenden Art an AAA-Spielen und diesem Teil der Spieler ausgehen würde, hat selbst in der politisch bereits deprimierenden Gegenwart noch das Potenzial, dystopisch anzumuten.“

Oder wir machen einfach alle das, wozu wir Lust haben. Die Gamer spielen weiterhin Videospiele. Die Träumer und die Journalisten träumen weiter von einer Revolution, die ihren Minderheitengeschmack samt Ideologie an die Spitze der Gesellschaftscharts spült. Wär nur besser für alle Beteiligten, wenn wir das mit dem Social Engineering in Deutschland weglassen könnten. Abgeschriebene Halbwahrheiten, „Journalismus mit Haltung“ aka Propaganda und Critical-Race-Theorie werden hier und heute auf den gleichen Widerstand stoßen, der die „Speerspitze der Revolution“ auch 2014/15 in den englischsprachigen Ländern weggelacht hat.

Ja, es mag Björn traurig stimmen, aber der Mainstream ist und bleibt der Mainstream. Außer dem ein oder anderen Indie-Hit besteht einfach keine nennenswerte Käuferschicht für „Serious Games“, Non-Games und den ganzen anderen Kram, den Ihr so toll findet. Deswegen tingelt eure Sorte  auch von Netzkonferenz zu Netzonferenz (alle staatlich gefördert, versteht sich), klopft sich da gegenseitig auf die Schulter und simuliert so Publikumsinteresse. Da halten Euresgleichen dann Vorträge über Hass im Netz, schimpfen über die „Trolle“ und die „Nazis“ und verkennen dabei, dass es außerhalb des Club Mate-Elfenbeinturms noch jede Menge andere Menschen mit null Interesse an „kulturellen Revolutionen“ gibt. Tip: Es war nie die „visionäre Elite“ (oder jene, die sich dafür gehalten haben), es war immer der Aufstand des Volkes außerhalb der Salons, der die Wende gebracht hat. Und Vielen von denen da draußen geht euer immer gleiches, faktenfreies Gejammer gehörig auf die Nüsse.

Steife Brise aus Süd-Südwest

UPDATE: Vor kurzem haben die Organisatoren von SXSW verkündet, dass es ein einziges, „neutrales“ Podium zu „Cybergewalt“ geben soll. Neben Namen wie Brianna Wu und Wendy Davis (siehe Artikel) findet sich leider außer den ursprünglichen Teilnehmern von „SavePoint“ niemand, den ich auch nur entfernt als #GamerGate-Unterstützer sehen würde. „Neutral“. Wie gehabt. Sehr entmutigend, SXSW. Und wie es ausgeht, wenn #GamerGate-Vertreter zu Konferenzen eingeladen sind, an denen auch Menschen wie Wu oder Harper teilnehmen kann sich jeder ausmalen: Irgendjemand wird schon besorgt genug um seine Sicherheit sein, um genau dieses eine Panel zu „sprengen“.

 

Ursprünglicher Artikel: Heute mal was über Windrichtungen. Scherz beiseite, wer #GamerGate auch nur ansatzweise verfolgt, hat mitbekommen, dass es im Moment großen Wirbel um die Absage von zwei Panels bei der SXSW (South by Southwest) Interactive Konferenz gibt, die 2016 in Austin/Texas stattfinden wird. Die internationalen sowie die deutschen Medien haben die Streichung der beiden Veranstaltungen zu Anlass genommen, wieder einmal die altbekannten Vorurteile und Lügen aus der Schublade zu holen. In den zwei Tagen seit Bekanntgabe der Absage erschienen bereits mehr als zwanzig Artikel, die Unterstützer des Hashtags #GamerGate als potentielle Verantwortliche für die Verhinderung eines Vortrags über Internet-Belästigung nennen, ohne das die Organisatoren Details über die Drohungen bekannt gegeben hätten, die einen solchen Schluss zuließen. Aber was ist wirklich passiert?

In der Euphorie nach der SPJAirplay-Konferenz im August 2015 in Miami erschien auf dem Blog der Open Gaming Society ein Artikel mit dem Titel „Save Point SXSW Panel“. Darin erklärt der Organisator, Perry Jones, dass er die Planung und Koordination eines Panels zur Einreichung beim SXSW 2016 übernommen hat. Die für das Panel geplanten Themen fasste er so zusammen:

Das momentan in der Gaming-Community herrschende sozialpolitische Klima.

Die Bedeutung der journalistischen Integrität für die Videospiel-Medien.

Die Zukunft der der Gaming-Community und der Spiele-Industrie.

Am 20. Oktober konnte Jones an gleicher Stelle verkünden, dass sein Panel-Vorschlag von den Organisatoren der Konferenz angenommen wurde und präsentierte später neben sich (in seiner Eigenschaft als Spieleentwickler) noch Mercedes Carrera (#GamerGate-Unterstützerin und Erwachsenenfilmdarstellerin) und Lynn Walsh (Ethikbeauftragte der Society of Professional Journalists) als weitere Teilnehmer. Die Unterstützer der Konsumentenrevolte feierten eine weitere Möglichkeit, ihre Ansichten ungefiltert der Öffentlichkeit präsentieren zu können.

Kurz nachdem die konkrete Planung eines Panels einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, gab es Bestrebungen, die Veranstaltung zu verhindern und es blieb Randy Harper, der „Vorsitzenden und Gründerin der OAPI“ (einer nur aus ihr selbst bestehenden, Patreon-gestützten „Wohltätigkeitsorganisation“) vorbehalten, ein „Gegen-Panel“ einzureichen: “Level Up: Overcoming Harassment in Games” fand seinen Weg auf die Abstimmungsliste des SXSW und durchlief den Prüfungsprozess ebenso erfolgreich wie „SavePoint“. Die geplanten Diskussionspunkte waren:

Wie sehen die Voraussetzungen für Online Kommunikation aus und wie nutzt man Design um einen Raum für kontroverse Konversation un bewahrt gleichzeitig eine robuste Privatsphäre?

Wie schaffen wir ein Ökosystem für Online-Spiele und den Raum, in dem sie stattfinden, dass Sicherheit gibt, aber auch offene Kommunikation erlaubt?

Wie können wir das Narrativ rund um die „Gaming-Spaces“ neu ausrichten um Inklusivität und Diversität unter Gamern zu schaffen?

Also eine faire Situation in Austin: Unterstützer von #GamerGate, Gegner von #GamerGate und Neutrale Beobachter diskutieren – leider auf getrennten Panels – über Themen, die sie in der Gaming-Community für wichtig halten. Wer will, kann sich nur eines der Panels ansehen.  Oder beide. Oder keins.

Dann folgte die große Ernüchterung: Nur eine Woche nach Bekanntgabe, dass „SavePoint“ stattfinden würde, sagten die Organisatoren von SXSW Interactive sowohl dieses Panel als auch „Level Up“ ab. In der dazu veröffentlichten Meldung werden anonyme Drohungen gegen die Veranstaltung als Grund genannt.

„Am Montag, dem 26. Oktober hat sich SXSW Interactive entschlossen, zwei Vorträge aus dem Programm der Veranstaltung 2016 abzusagen: „SavePoint: Eine Diskussion über die Gaming-Community“ und „LevelUp: Belästigung in Games überwinden“. Wir hatten gehofft, die Aufnahme der beiden Veranstaltungen in das Programm für Austin im März 2016 würde zu einem wertvollen Ideenaustausch über dieses wichtige Thema führen. 

Wie dem auch sei, in den sieben Tagen seit der Ankündigung der beiden Veranstaltungen hat SXSW diverse Androhungen von Gewalt am Ort der Veranstaltung erhalten.

Wenn Menschen an einem, vor online und offline-Belästigungen geschützten, sicheren Ort nicht verschiedener Meinung sein können und sich nicht auf neue Ideen einlassen wollen, dann wird dieser Marktplatz der Ideen unausweichlich in Mitleidenschaft gezogen.“

Hugh Forrest, SXSW Interactive Director

 

Die Reaktion der Presse war erwartbar, was mich persönlich verwundert hat war der Aufwand, den die #GamerGate-Gegner investierten, um diese Entscheidung öffentlich und in den Medien ihrer Freunde als von „Drohungen von #GamerGate“ motiviert darzustellen. SXSW Interactive hat meines Wissens bisher keine der betreffenden Drohungen veröffentlicht und nach den Bombendrohungen gegen #GamerGate in Miami und Washington wäre das auch nicht das erste Szenario, das mir einfiele. Trotzdem sah die Medienlandschaft kurz danach so aus:

Mainstream Media Blitz II - Electric Boogaloo

Mainstream Media Blitz II – Electric Boogaloo

 

Anita Sarkeesian meldete sich auf Twitter mit der Forderung an die Organisatoren der Veranstaltung, nur das „LeveUp“-Panel wieder einzusetzen und sich für die Ansetzung von „SavePoint“ zu entschuldigen. Soviel zu „Wir wollen niemandem irgendetwas weg nehmen“ – schon wieder beim Lügen erwischt Anita.

Auch die Politik meldete sich zu Wort: Texas State Representative Wendy Davis, ehemalige Gouverneurskandidatin der Demokraten, gab folgende, von der inzwischen gewohnten Ahnungslosigkeit ihres Berufsstands gezeichnete Stellungnahme ab:

„Das Problem begann als SXSW versucht hat, „beiden Seiten“ gleichberechtigt nebeneinander zu stellen. Jedesmal wenn GamerGate erfolgreich jemanden davon überzeugt, dass sie über eine Angelegenheit mit zwei Seiten streiten, die sich in ihrer Würde nicht unterscheiden, gewinnt er. Denn es gibt keine zwei Seiten.

Es gibt jene Menschen, die Sexismus und den Mangel an Inklusivität in Spielen und Tech  beseitigen wollen und es gibt die anderen, welche glauben, man müsse die Ersteren daran hindern und das Drohungen und Beleidigungen der richtige Weg sind, um dieses Ziel zu erreichen.“

Quelle: Facebook

Auch Zoe Quinn, die offiziell mit #GamerGate ja weder etwas zu tun hat noch zu tun haben will, äußerte sich und offenbarte neben den erwarteten Vorurteilen auch, dass sie hinter den Kulissen versucht hatte, „SavePoint“ zu verhindern:

"Ich habe ihnen gemailt, wegen meiner Bedenken, dass sie ein GamerGate-Panel hosten"

„Ich habe ihnen gemailt, wegen meiner Bedenken, dass sie ein GamerGate-Panel hosten“

In Deutschland fühlte sich die GameStar genötigt in einem Artikel von Anhängern der „GamerGate-Bewegung“ zu schwadronieren, die SXSW bedroht hätten, obwohl es keine öffentlich zugänglichen Beweise für diese These gibt. Die Redaktion hat auf meine Anfrage zu dieser unbelegten Behauptung bisher nicht Stellung genommen. Hier macht GameStar einfach so nebenbei mit beim Stigmatisieren, das macht mich als ehemaligen Leser echt betroffen.

„Die GamerGate-Kontroverse wurde in diesem Zusammenhang zwar nicht explizit genannt, galt jedoch hinter vorgehaltener Hand als zu behandelndes Thema. Offensichtlich Grund genug für einige Anhänger der Bewegung, die Veranstalter mit Drohungen zu bombardieren.“

Tobias Ritter, GameStar

Es gab allerdings auch Ausnahmen, die ein bisschen Hoffnung machen: Sowohl der Lokalsender KVUE aus Austin, als auch der Journalist Brady Dale vom Observer haben überraschend ausgewogene Beiträge gedreht bzw. geschrieben.

Wenn man jetzt noch weiß, dass sich „SavePoint“ zu keiner Zeit selbst als #GamerGate-Panel bezeichnet hat und das die Organisatoren und die Claqueure von Harper und Konsorten einem schwarzen Game-Designer, einer Hispano-Filmschaffenden und einer Journalistin, die auf dem besten Weg ist, die nächste Präsidentin der Society of Professional Journalists zu werden, die Plattform nehmen wollen – wie kommt die Presse darauf, dass eben die Unterstützer dieser drei Personen deren Auftritt verhinder haben?

Ockhams Rasierklinge macht in diesem Fall eine klaren Schnitt: Ich glaube eher an voreingenommene Journalisten, die voneinander abschreiben, als an #GamerGate-Unterstützer, die eine ihnen wohlwollend gegenüber stehende Veranstaltung torpedieren. Die in diesem Blog schon diverse Male angesprochenen Bombendrohungen mit folgender Evakuierung durch die Polizei bei GamerGate Veranstaltungen lassen mich nicht an die Version glauben, das #GamerGate sich selbst das wegnimmt, was seine Unterstützer verzweifelt anstreben: Eine Möglichkeit, der Gesellschaft ohne den Zerrspiegel befangener Journalisten zu zeigen, wer wir sind und was uns die Freiheit der Kunst und die Regeln eines ethischen Journalismus bedeuten.

SXSW Interactive hat für die kommenden Tage eine Neubewertung der Vorgänge in Aussicht gestellt.Es bleibt spannend.

 

In Devin Wilsons Kopf – Teil 6

In dieser Artikelreihe beschäftige ich mich mit dem Artikel ‚A Guide to ending Gamers‘ (‚Eine Anleitung wie man das Ende der Gamer herbeiführt‘) von Devin Wilson. Wilsons Artikel, am 28. August 2014 auf Gamasutra erschienen, war Teil des Medienblitzkriegs mit dem Tenor ‚Gamer sollten nicht mehr die primäre Kundschaft der Spieleindustrie sein‘. 16 Artikel innerhalb von wenigen Tagen sollten das Ende der ‚hyperkapitalistischen‘ Gamerkultur besiegeln und Wilson (er arbeitet an seinem Doktor in Medienwissenschaften) wollte offensichtlich das Manifest für diesen Putsch schreiben.

Er arbeitet sich in achtzehn Punkten durch die ideologische Basis dieser feindlichen Übernahme und ich werde mich Punkt für Punkt (wenn auch nicht in Wilsons Reihenfolge) mit den Vorschlägen beschäftigen, die er seinen Kollegen in der Spieleindustrie macht. Weiter geht es heute mit Punkt 14: Spiele waren immer Teil der Gesellschaft. Hier Wilsons Text:

14. Wir machen aus Gaming etwas, das mehr wie Freizeitgestaltung oder Lesen ist und weniger wie Religion. In der letzten Zeit sehen wir nicht etwa nur einen Mob aus ein paar frustrierten Hobbyisten, sondern eine Armee von Fanatikern, die sich auf einem heiligen Kreuzzug wähnt. Diese Leute haben dogmatische Ansichten dazu, was Spiele sein sollen (ohne Zweifel ein theologischer Ansatz) und sie legen im Bezug auf die Spiele-Industrie eine Hingabe an den Tag, die Mitt Romneys Kirchenbeiträge knauserig aussehen lässt. Vergesst die Beatles, Mario ist heute populärer als Jesus und jede Kritik an der Reihe wird von einigen Menschen als Blasphemie aufgenommen werden. Das kommt zum Teil daher, das wir Gaming behandeln, als sei es ein besonderer Club. Aber Spielen zu spielen ist nicht besonders oder ungewöhnlich. Das war es nie.

Ich weiß ja nicht, in welcher Zeit Devin Wilson aufgewachsen ist. Ich bin auch nicht, wie er, in den USA aufgewachsen. Aber die von Journalisten gern benutzte Floskel von den „Spielen, die in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind“ ist genauso falsch wie Wilsons Behauptung, Spielen sei nie eine ungewöhnliche Beschäftigung gewesen. Aus den Informationen auf seiner Website schließe ich, das er nicht viel älter als 30 sein dürfte, da er momentan dabei ist, seinen Doktor zu machen.  Wenn wir eine Geburt Anfang bis Mitte der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts annehmen, kann ich aus eigener Beobachtung seine Analyse nur schwer nachvollziehen. Ich habe den großen Teil der späten 90er und frühen Nuller-Jahre (auch berufsmäßig) in der deutschen Tabletop- und Rollenspielszene verbracht und kann aus dieser Erfahrung eine Behauptung wie „Spiele spielen war nie ungewöhnlich“ nicht bestätigen. Schon damals haben diese „besonderen“ Spiele, in die man deutlich mehr Zeit investieren musste, als in eine Runde Skat oder Siedler, nur einen Bruchteil der „Spieler“ erreicht.

Und diese Leute sind schon damals von ihren Zeitgenossen nicht gerade freundlich und offen behandelt worden. Neben den bekannten Satanismus- und Gewalt-Vorwürfen mussten sich die Spieler schon damals mit der gutmütigen Verachtung jener Menschen herumschlagen, die ihr Hobby einfach nicht verstanden haben. Schon zu dieser Zeit haben sich die meisten Kritiker in Deutschland nicht näher mit den Inhalten beschäftigt und sich ihre Meinung durch gegenseitiges Nachplappern und Abkupfern bei englischen Quellen gebildet. Wenn man sich jetzt die große Überschneidung zwischen der Rollenspiel/Tabletop-Szene und den Computerspielern ansieht, die man nicht zuletzt an der Popularität der Genres Rollenspiel und Strategie im Videospielebereich ablesen kann, verwundert es wenig, dass ein Teil der Leute es einfach leid ist, sich mit den immer gleichen, sinnlosen Vorwürfen auseinanderzusetzen und einfach in den Defensivmodus geht, wenn wieder mal jemand um die Ecke kommt, der meint ihnen erklären zu müssen, welche Defizite ihr Hobby hat.

"Religiöser" Gamer in aggressiver Defensivhaltung / Foto: gamergateblog.de

„Religiöser“ Gamer in aggressiver Defensivhaltung / Foto: gamergateblog.de

Der gleiche Aufschrei käme von Opernfreunden, wenn Tugendwächter Wagner-Aufführungen verhindern wollten, weil sie dessen Musik für seine Gedanken in Sippenhaft nehmen wollen. Oder Motorsport-Fans, wenn aus ökologischen Gründen mal wieder der Spritverbrauch einer Rennserie kritisiert wird. Das nennt man Leidenschaft, Mr. Wilson und genau hier liegt einer der dicksten Hunde der ganzen Debatte begraben: Leute wie Wilson oder Dan Golding scheinen für mich gar keine Leidenschaft für Spiele im herkömmlichen Sinn zu haben. Wie besonders erleuchtete Kunstfreunde, die ihre Nase über Menschen rümpfen, die Bilder von Leuten wie David Hockney „für Kunst halten“, wo das doch „purer Mainstream ist“, haben sie nur eine Leidenschaft: Dinge zu suchen, die sie besonders intellektuell, extrem progressiv und irgendwie tiefgründig erscheinen lassen. Nicht Dinge, die ihnen Spaß machen. Sie empfinden offenbar auch keine Leidenschaft für die Dinge selbst sondern definieren ihre Erfahrung über die ideologische Nützlichkeit eines Kunstwerks, dessen Erwähnung keinem anderen Zweck dient, als ihnen unter Gleichgesinnten zu mehr Geltung zu verhelfen. Und wie Peter Sellers im abschließenden Urteil bestätigen wird: Kritiker, die sich selbst mehr lieben, als das Medium, über das sie schreiben, so dass der eigentliche Gegenstand der Betrachtung gegenüber der eigenen Ideologie in den Hintergrund tritt, sollten sich einen anderen Job suchen.

Auch die Formulierung „wir behandeln Gaming wie einen besonderen Club“ ist ein äußerst zweischneidiges Schwert, suggeriert sie doch, Gaming sei in irgendeiner Weise abhängig von einer Beurteilung von außen, was bei Subkulturen eigentlich nie der Fall ist, und auch, das Wilson sich nie als Teil dieser Gaming-Szene gesehen hat. Warum also sollte sein Wort für irgendeinen Spieler mehr Gewicht haben, als das eines Menschen, dessen Leidenschaft für Spiele aus Äußerungen und Lebenslauf klar ablesbar sind? Um noch einmal den Kunst-Vergleich zu bemühen: Wenn mir jemand von vorneherein sagt, das er z.B. Hockney ablehnt, weil den einfach auch zu viele „Unwissende“ mögen, gibt es für mich eigentlich keinen Grund, seinen weiteren Ausführungen zum Thema Kunst noch große Beachtung zu schenken. Das hat nichts mit Theologie zu tun, sondern mit Menschenkenntnis. Und ja, Gaming ist ein „besonderer Club“. Ein Club, der Jeden aufnimmt, der eine gewisse Leidenschaft für Spiele zeigt, egal welche Hautfarbe, welches Geschlecht oder welche Religion die Person hat.

 

Das abschließende Urteil spricht heute Peter Sellers, (Der rosarote Panther, Der Partyschreck, Willkommen, Mr. Chance):

„Kritiken sollten von Kritikern geschrieben werden. Jeder Kritiker sollte ausgebildet sein und etwas Liebe für das Medium empfinden, das er diskutiert. Heute sieht es aus, als reiche ein Schnellkurs als Klatschreporter.“

Im nächsten Teil befasse ich mich mit Punkt 12: „Spiele sind hochpolitisch!“.

Vom Umgang mit deutschen Spielejournalisten

Eigentlich wollte ich nach dem letzten, etwas persönlicheren Artikel „Journalistendarsteller“ , wieder zur eigentlichen Aufgabe des Blogs zurückkehren: Weiteres Material für eine deutsche Diskussion rund um das Thema #GamerGate und den Spielejournalismus veröffentlichen.  Aber die Art und Weise, wie die meisten angesprochenen Journalisten und Blogger auf auf meine Berichte oder Fragen auf Twitter reagiert haben, lässt es mir angemessen erscheinen, noch ein wenig beim Thema „Spielejournalismus in Deutschland“ zu verweilen.

Die Weißbrote schnaxeln halt gern!

Am Wochenende fand in München der „Zündfunk Netzkongress 2015“ statt, eine jener Veranstaltungen, auf deren Bühnen die immer gleichen Personen Vorträge zu Themen wie „Cybergewalt“ oder „Identität in Computerspielen“ halten. Diesmal bot der Bayrische Rundfunk dem Wanderzirkus im Volkstheater Kost und Logis und dessen Motto „Modernes Volkstheater – buntes Programm“ fasst die für Gamer relevanten Vorträge ganz gut zusammen.

Schon im Vorfeld der Konferenz habe ich den bayrischen Rundfunk angeschrieben,  nachdem ich  im Teaser-Text zum Panel von Anne Wizorek, Kübra Gümüsay und Anke Domscheidt-Berg eine Stelle entdeckt hatte, in der männliche, weiße Twitter-Nutzer unter der Bezeichnung „Weißbrote“ zusammengefasst wurden. Das die sonst so auf „Safe-Spaces“ bedachten Progressiven mit so einer verächtlich machenden Bezeichnung ihre eigenen Regeln brechen und Menschen genau nach den verhassten Kriterien Hautfarbe und Geschlecht beurteilen – geschenkt, erwarte ich von den Meistern der Projektion ja gar nicht anders.  Aber das der bayrische Rundfunk solchen Bevormundungsfeminismus finanziert und das Mitarbeiter des Hauses auf Anfrage erklären, die Verwendung erfolge „bewusst ironisch“, obwohl der Text, das so nicht hergibt – das enttäuscht den Gebührenzahler in mir dann doch ein wenig.

Die Antwort der Zündfunk Redaktion liest sich, als versuche der Redakteur einem lernschwachen Sechsjährigen die Umstände zu erklären (im Hintergrund setzt das „Main Theme“ dieses Artikels ein). „Whitebread“, so lerne ich (nicht zum ersten Mal, aber Vertiefung ist ja immer besser) sei eine Bezeichnung, die schwarze Amerikaner als Reaktion auf die handelsüblichen rassistischen Bezeichnungen erfanden, die ihnen die Weißen  an den Kopf warfen. Gut, die Bezeichnung hat also ihren Ursprung in einem Rassenkonflikt, warum bezeichnen wir nicht mal etwas weniger als die Hälfte unser Gebührenzahler so, was soll schiefgehen. Wenn ich das richtig lese, darf wer will dann auch wieder die althergebrachten Begriffe für Menschen afrikanischer Herkunft verwenden, oder? Nicht das ich das wollte, aber Gleichberechtigung ist doch im Moment so ein großes Ding.

Weiter erfahre ich, das „Weißbrot“ auch nicht für alle weißen Männer steht, sondern nur für jene, die den progressiven Lifestyle ablehnen, diese nennt der Verfasser „eher unkritisch“, „sehr konsumistisch“ und sieht durch ihre schiere Masse die Gefahr, dass solche Menschen auch noch gesellschaftspolitischen Einfluss haben könnten – er nennt es einen „Lifestyle mit dem man sich auseinandersetzen muss“, ich nenne es die Regeln der Demokratie.  Der Brief schließt mit einem Hinweis auf die „presseüblich mit Anführungszeichen“ gekennzeichnete „bewusste Ironie“. Das Ironie aber auch aus dem Textzusammenhang kommen muss und das einfache Aufkleben des Etiketts „Ironie“ nicht davor schützt, missverstanden zu werden, dürfte der Zündfunk-Redaktion folglich unbekannt sein. Meine Frage nach dem Autoren oder der Autorin des Textes wurde nicht beantwortet.

Inzwischen wurde der betreffende Text kommentarlos durch einen Anderen ersetzt.

Die Wundermaschine aus Frankreich

Während des Kongresses hielt Christian Schiffer, der Herausgeber des WASD-Magazins, einen Vortrag zum Thema „Zur Lage der Gameskultur“, in dem er unter anderem auf die Frage nach der Konservierung und Archivierung von Spielekultur einging. Nach einem kurzen Exkurs zu verlorenen Spielwelten, wie den von Nutzern errichteten Strukturen im abgeschalteten MMORPG Star Wars Galaxies, beschrieb er seinem Publikum die Schwierigkeiten, vor denen ein Kulturwissenschaftler steht, wenn er ältere Spiele in seine Forschung einbeziehen will.

„Nehmen wir mal dieses Beispiel River Raid von vorher. Man will jetzt herausfinden, wie das war, wie Computerspiele in den 80ern damit umgegangen sind, mit dem Ost-West-Konflikt. Dann hat man erst Mal ein Problem, man braucht erst Mal so’ne labbrige Floppy-Disk wo das Spiel drauf war und wenn dann halt drei Einsen und Nullen vertauscht sind, dann geht jetzt das Spiel nicht mehr. Wenn man die Floppy Disk hat, dann hat man natürlich wahrscheinlich kein Floppy-Laufwerk. Wenn man ein Floppy-Laufwerk hat, oder wenn man das irgendwie überspielen kann, dann ist irgendwie der Rechner zu schnell, dann geht das auch irgendwie wieder nicht. Also, man steht da vor gewaltigen Problemen.

Es gibt ein Projekt der europäischen Nationalbibliotheken, ich glaube federführend ist die französische Nationalbibliothek, die versuchen Computerspiele tatsächlich zu bewahren und deswegen bauen die so einen Emulator. Ein Emulator, das ist ein Gerät, das neuen Computern beibringt so zu tun als seien sie alte Computer.“

Auf die Überinterpretation der „Handlung“ von River Raid, die ich als Zeitzeuge eher nicht teilen würde, will ich hier gar nicht erst eingehen. Anstatt seinem Publikum einen der vielen verfügbaren Emulatoren vorzustellen, verschwendet er also viel Zeit mit Geschichten über Floppylaufwerke, nur um dann eine merkwürdige Aussage über ein französisches „Gerät“ zu machen, das die bestehenden Probleme lösen soll. Ich habe mich nach diesem Abschnitt gefragt, warum jemand, der auf Kongressen über Spiele spricht, so wenig Ahnung von Emulatoren hat und ihm einen Link zu einer Emulation von River Raid geschickt. Eigentlich habe ich gar nicht mit einer Antwort gerechnet und war überrascht, als ein paar Stunden später doch ein Tweet auftauchte. Leider war „Gut, dann installier das mal auf deinem Datassetten-Laufwerk“ nicht ganz das Niveau, auf das ich gehofft hatte. Im folgenden Gespräch wurde ich belehrt, das Kulturwissenschaftler unmöglich die Emulation eines Spiels auf anderer Hardware für ihre Untersuchungen nutzen könnten, „weil man die technischen Rahmenbedingungen nachfühlen muss, um es einordnen zu können“. Diese Argumentation kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Eine kulturpolitische Einordnung wird sich großenteils auf den Inhalt beziehen und während ich Schiffer Recht gebe, das ein Wissenschaftler, der über das Thema schreiben will, die Original-Hardware schon einmal gesehen und benutzt haben sollte, glaube ich nicht, dass sie für die Beurteilung jedes einzelnen Spiels zwingend nötig ist.

Nachdem mir – wie so oft – erklärt wurde, dass meine offensichtlich sehr begrenzte Hirnkapazität nicht ausreiche, um weiter die Zeit wichtiger Spielejournalisten zu verschwenden, bat ich Herrn Schiffer abschließend noch um einen Link zur französischen Wundermaschine aus seinem Vortrag, die den Kulturwissenschaftlern endlich die nötigen Mittel an die Hand geben soll, um ihre Arbeit zu tun. Das KEEP getaufte Projekt der europäischen Komission wird folgendermaßen beschrieben:

[…} plant das KEEP-Konsortium eine portable Plattform zu schaffen, die auf allen möglichen Geräten lauffähig ist und auch an zukünftige Computersysteme angepasst werden kann.Das Emulations-Framework wird als Open-Source-Software veröffentlicht, so dass die gesamte Emulator-Community zur Weiterentwicklung beitragen kann.

Also ein herkömmlicher Software-Emulator, eine Art europäische Version von MESS. Von zeitgenössischer Hardware für das „Originalerlebnis“, auf das Herr Schiffer so viel Wert legt, kein Wort. Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, mich auf meine „Ahnungslosigkeit“ hinzuweisen und mir zu vermitteln er „habe nicht das Gefühl, es mit einem informierten Gesprächspartner zu tun zu haben“. Langsam kristallisiert sich ein Muster heraus: Entweder ich bin einfach zu doof, um mit Journalisten zu diskutieren, oder die benutzen alle die gleiche Taktik um Kritik abzuwehren. Was von beidem stimmt, kann ich als Betroffener, nicht beurteilen, wenn ich doch nur wüsste, wie Journalisten untereinander über mich reden.

Musik liegt in der Luft

Dieser Wunsch bringt mich direkt zum nächsten Journalisten, diesmal habe ich mit Christian Huberts kommuniziert, der für die Zeit den Artikel „Die wollen nur spielen – leider“ geschrieben hat, in dem er fragt  ob Computerspiele als „Kulturgut nicht alle Mitglieder einer Gesellschaft im Blick haben sollten“. Daraufhin habe ich andere Bereiche wie Oper, Zwölftonmusik und moderne Kunst aufgezählt, die meiner Meinung nach auch nicht massentauglich sind, aber trotzdem als Kulturgut angesehen werden und gefragt, warum Spiele anders behandelt werden sollten.

Dennoch ließe sich genau hier die Frage stellen, für welche homogene Gruppe – in der Regel männlich, heterosexuell und weiß – Computerspiele meist noch produziert und beworben werden und ob ein Kulturgut nicht alle Mitglieder einer Gesellschaft im Blick haben sollte. Aber die irrationale Angst vor negativer PR und erneuter Stigmatisierung stellt sich dem Diskurs über die gesellschaftliche Verantwortung von digitalen Spielen nachhaltig in den Weg.

Christian Huberts, „Die wollen nur spielen- leider“

Anstatt auf das Grundmotiv meiner Frage einzugehen, wurde mir von Herrn Huberts sofort ein schiefer Vergleich unterstellt, was ich in Teilen auch durchaus eingesehen habe, weil Zwölftonmusik Teil des größeren Kulturbereichs Musik ist, in dem es eine Nische für jeden Geschmack gibt. Also habe ich einen neuen Ansatz in die Diskussion geworfen: Wenn man Mainstream-Spiele mit Rockmusik gleichsetzt und die „Neuen Spiele“ wie Sunset mit Zwölftonmusik, wie kommen die Kulturjournalisten dann darauf, das gerade im Spielebereich aus derAvantgarde auf einmal eine Massenbewegung wird?  Aber da war es schon zu spät und wieder kam die übliche Schelle: “ Sorry, war ein Fehler überhaupt auf Dich einzugehen“ und „Diskurs braucht eine gemeinsame Wissensbasis“. Rockmusik sei schließlich von Anfang an „Protest“ und „hochpolitisch“ gewesen.

„Denn Kultur verläuft in der Geschichte und macht überraschende Wendungen… es sei den man startet eine „Konsumentenrevolte“.“

Christian Huberts auf Twitter

Ein Gespräch auf Christian Huberts Facebookseite hat mir dann endlich den Wunsch erfüllt, mal direkt in die Köpfe der betreffenden Journalisten schauen zu dürfen.

Quelle: Slimgur

Quelle: Slimgur

Wer kritisiert die Kritiker?

Was Menschen, mit denen ich kurz auf Twitter kommuniziert habe – oder auch Menschen, mit denen ich nie Kontakt hatte – so alles über mich zu wissen glauben. Schauen wir uns mein Persönlichkeitsprofil doch mal genauer an. Anonym und kritik-allergisch sind die ersten zwei Merkmale, die mir angedichtet werden. Ein Blick ins Impressum dieses Blogs hätte gereicht, um die erste Behauptung zu entkräften. Als die ARD Menschen gesucht hat, die bereit sind mit ihrem Klarnamen eine Aussage zu #GamerGate  zu machen, hatte ich kein Problem damit. Und allergisch gegen Kritik? Das ist eher euer eigenes Problem. Ich bin nur allergisch gegen Journalisten, die der Öffentlichkeit ihre einseitige Meinung als Wahrheit verkaufen wollen.

Der dritte Teilnehmer am Gespräch empfiehlt dann auch gleich, noch ein Stück tiefer in die private Filterbubble zu kriechen und die störenden Andersdenkenden gleich komplett auszublenden (hehehe). Das ich selbst für einen gönnerhaften Menschen „der jedem eine Chance gibt“, zu lernresistent bin, hat mich natürlich schwer getroffen. Auch wenn Christian Huberts in einfachen Worten versucht hat, mir sein Weltbild näher zu bringen, ich undankbarer Unwissender habe seine Güte nicht zu nutzen gewusst.

An dieser Stelle klinkt sich Valentina Hirsch ein, die ehemalige Chefredakteurin der früh verblichenen Sendung „pixelmacher“, deren Blogpost  „Unhappy Birthday, GamerGate“ von mir für sachliche Fehler und einseitige Darstellung kritisiert wurde. Der Vorwurf „Ich fasse auf absurdeste Weise alles was mir nicht passt unter #GamerGate zusammen“ ist auf jeden Fall neu, den hab ich so noch nicht gehört, auch wenn er mir sachlich etwas daneben erscheint, drehen sich meine Artikel doch zu 100% um Themen, die mit #GamerGate zu tun haben. Und  „Ich gehe gerne auf alles ein“ hat in meinem Fall bedeutet, dass ich nach meiner Kritik ihres Artikels einfach ignoriert wurde, anscheinend war ich halt nicht „smart“ genug, damit man mir antwortet. Passt ins bekannte Schema.

Und dann wird es richtig lustig: Ich und alle „Gater“ haben ein völlig apolitisches und ahistorisches Weltbild. Ich stelle mir gerade vor, wie alle Menschen, die mich nicht nur von Twitter kennen, auf diese Charakterisierung meiner Person reagieren würden: Schallendes Lachen. Und fast alle Menschen, die ich im letzten Jahr im Zusammenhang mit dem Hashtag kennengelernt habe, vereint eine Tatsache: Es sind alles gebildete, denkende, kritische Menschen, die eben nicht apolitisch oder unwissend sind, die Sorte Mensch findet sich eher in ideologischen Massenbewegungen, in denen jeder angehalten ist, das Selbe zu denken. Und: Jede Kritik an #GamerGate rechtfertigt #GamerGate, siehst du wie einfach das ist, Christian?

Frau Hirsch spricht einem Menschen, den sie nicht kennt, nicht nur das Wissen über die journalistische Tätigkeit ab, sondern die Allgemeinbildung gleich mit. Meinen ersten bezahlten Artikel für eine Tageszeitung habe ich übrigens 1989 geschrieben, Valentina, als du wahrscheinlich noch mit der Trommel um den Weihnachtsbaum gelaufen bist. Warum bilden sich eigentlich Leute wie ihr ein, mehr über die Geschichte eines Mediums zu wissen, als Menschen, die von Anfang an Zeugen seiner Entwicklung waren?  Und Allgemeinbildung… es ist ja unwahrscheinlich, dass es dazu kommt, aber nenne mir Ort und Zeit, Valentina, und wir unterziehen uns beide dem gleichen Allgemeinbildungs-Test, wenn du ein besseres Ergebnis einfährst, spende ich fünfhundert Euro an eine wohltätige Organisation deiner Wahl. Ich helfe jetzt erstmal meinen Bekannten aus dem letzten Absatz, die können seit „mangelnde Allgemeinbildung“ gar nicht mehr aufhören zu lachen.

Was den letzten Post von Christian Huberts und unseren Austauch über Pöbel und Podeste angeht, der wird klarer, wenn man sich nicht nur die zwei genannten Tweets, sondern den Kontext ansieht:

Quell: Twitter

Quell: Twitter

Da es mir schwer fallen wird, mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass ich ahistorisch, apolitisch und schlichtweg ungebildet bin, tendiere ich eher zu meinem zweiten Erklärungsansatz: Das kritisierte Journalisten ihre „überlegene Bildung“ (kicher) als Schild benutzen, um jede Kritik abzuwehren. Die hier genannten Beispiele sind auch nicht die einzigen, auch das einfache Design meines Blogs und mein Schreibstil waren schon Gegenstand kritischer Betrachtung durch Gamesblogger und Journalisten, als wenn es bei Informationen in erster Linie auf die optische und stilistische Qualität ankäme, mit meinen Argumenten setzt sich kaum einer auseinander. Alle drei im Artikel genannten Personen schreiben in verschiedenen Funktionen für das WASD-Magazin, kein Wunder also, dass sie das zügige Bilden einer Wagenburg beherrschen, ein Phänomen, das alte #GamerGate-Hasen nur zu gut kennen. Wollt ihr wissen, wie euer Verhalten hier „unten“, bei den Lesern ankommt? Ihr erscheint wie arrogante, verwöhnte Kinder, die nicht mit den anderen Kindern in der Straße spielen wollen, weil sie sich ohne ersichtlichen Grund für was Besseres halten. Und wie soll ich jemandem, der Persönlichkeitsanalysen anhand von 140-Zeichen-Nachrichten macht, denn glauben, dass er in seiner Berichterstattung und Recherche nicht genauso oberflächlich und mit ideologischen Scheuklappen ausgerüstet vorgeht?

Es wird immer klarer, dass die Einstellung der Journalistendarsteller, die zu #GamerGate geführt hat, kein rein amerikanisches Problem ist. Unsere Spielepresse steckt in den gleichen Schwierigkeiten, sie hat sich immer weiter von ihrer Zielgruppe entfernt. Betrachtet man das oben wiedergegebene Gespräch, kann man meines Erachtens sogar von Verachtung sprechen. Gleichzeitig wollen sie die Heilsbringer sein, die uns mit „Spielen in denen man eine Topfpflanze spielt, die in Echtzeit wächst“ (Schiffer) in eine inklusive, diverse, bessere Zukunft führen wollen. Und dann fühlen sie sich angegriffen, wenn sie jemand auf die offensichtliche Diskrepanz zwischen ihren Ideen und der Realität hinweist.

Am Ende bleibt nur, der Internetkritik an der eigenen Person von Menschen, die man nicht kennt, nicht zuviel Bedeutung beizumessen und Derek Smarts Erkenntnis, das #GamerGate nicht aufhören wird, bevor die Presse nicht aufhört, sich die Finger in die Ohren zu stecken und weiter das Lied von der Hassgruppe zu singen. Pardon, von der ungebildeten, apolitischen und ahistorischen Hassgruppe. Soviel Zeit muss sein.

 

 

 

 

 

 

Mutiger Journalismus sieht anders aus

Der Freitag ist, nach eigener Aussage, ein Wochenmagazin das für „mutigen, unabhängigen Journalismus“ steht und „über Kultur anders berichtet, als die übrigen Medien“. Warum zum Teufel drucken die Herausgeber dann einen Guardian-Artikel von Jessica Valenti zum Thema Anita Sarkeesian nach, anstatt mutig und unabhängig selbst zu recherchieren? Wenn der „andere Journalismus“ nichts weiter als die Übersetzung von stark ideologisch gefärbten Artikeln aus der Weltpresse ist, dann ist Buzzfeed wahrscheinlich die Speerspitze dieser Bewegung. Eine Berichterstattung, die für sich selber in Anspruch nimmt, sich von der herkömmlichen Presse abzuheben, stellt sich mit der unkritischen Übernahme von halbwahren Behauptungen ein Armutszeugnis aus.

Der Artikel mit dem Titel „Auf dem härtesten Level“ stammt wie gesagt von Jessica Valenti, einer radikalen Feministin und Autorin aus Amerika. Da der Freitag sich offen als „Meinungsmedium“ bezeichnet, ist die Frage nach journalistischer Objektivität an dieser Stelle wohl sinnlos. Das Frau Valenti aber offensichtlich selber nicht so genau weiß, was sie will, hätte der Redaktion des Freitag nach der Lektüre der Artikel „Das Ende von Flüstern, Pfeifen und Starren: Wir wollen ohne Angst auf die Straße gehen“ und „Männer pfeifen mir nicht mehr hinterher. Ich hasse es, das unsere Kultur mich das vermissen lässt“ aber klar werden können. Wahrscheinlich haben sie den zweiten Artikel erst gelesen, nachdem Valenti ihn hektisch in „Vorteile des Älterwerdens: Weniger Hinterhergepfeife“ umbenannt hat, weil ihr aufgefallen war, wie heuchlerisch der erste Artikel nach dem Erscheinen des Zweiten klang. Und natürlich ist es die „herrschende Kultur“, die es Valenti unmöglich macht, das Hinteherpfeifen nicht zu vermissen und nicht ihr eigenes Geltungbedürfnis. Weitere Hinweise auf Jessica Valentis Mangel an Realitätssinn lassen sich problemlos in ihrem Twitterfeed finden: Da bezeichnet sie einen Passanten in der U-Bahn als „passiv sexistisch“, weil sie beim Mitlesen seines Twitterfeeds feststellt, dass er zu wenig Frauen folgt. Oder sie stellt noch am Tag des Amoklaufs fest, der Attentäter von Charleston spreche die Sprache des „weißen Patriarchats“ – eine abstoßende Verbindung zwischen einer Tragödie und ihren Verschwörungstheorien.

Insgesamt hätte der Freitag also wissen können, dass bei Valenti außer Propaganda nichts zu holen ist. Was uns zu der Frage bringt, ob dem Freitag beim Thema Sarkeesian überhaupt um eine sachliche Darstellung ging, oder ob er sich auf die uniforme Sicht der Medien zurückzieht: Frauen gut, Spieler böse. Nicht wirklich eine „andere Berichterstattung als in den üblichen Medien“.  Wenn die Leitung des Freitag kein Problem damit hat, nur von Parteigängern ihrer Gesinnung gelesen zu werden, habe ich kein Problem damit, wenn hier tendenzieller Journalismus gemacht wird. Aber die Fakten sollten schon passen, auch in einem Artikel, den man nur übersetzt hat.

„Und nach #GamerGate wurde es sogar noch schwerer. Das war ein Twitter-Hashtag, der sich zu einer Online-Bewegung entwickelte, die den Anschein erweckte, es gehe ihr um journalistische Ethik, die aber in Wirklichkeit zum Ziel hatte, Frauen wie Sarkeesian anzugreifen und zu terrorisieren.“

Quelle: Der Freitag

Wow, Freitag. Und Greenpeace ist eine Organisation von Ökoterroristen, die den Anschein erweckt, es gehe ihr um Wale, die aber in Wirklichkeit zu Ziel hat, Firmen wie BP und Exxon zu terrorisieren, richtig? Wo sind die Quellen, die diese Behauptung belegen? Was ist bloß mit eurer journalistischen Integrität passiert?

Valenti schreibt, Sarkeesian sei mit der Berichterstattung der Medien zu #GamerGate unzufrieden gewesen, man habe die Konsumentenrevolte verniedlicht, in dem man von Trollen und Hatern gesprochen habe. Abgesehen davon, dass wir hier einen Fall haben, in dem offensichtlich keine der beiden Seiten mit der Berichterstattung der Presse zufrieden ist, ist es schon lustig mit anzusehen, wie jemand, der kein Problem damit hat, die halbe Weltbevölkerung auf Twitter „toxisch“ zu nennen und für Amokläufe verantwortlich zu machen, sich hinterher über die Tatsache beschwert, dass es für eine so halt- und geschmacklose Äußerung Gegenwind gibt. Und das diese Antwort härter ausfällt, wenn der Betreffende nicht diskutiert, sondern von oben herab predigt, sollte auch jedem denkenden Menschen klar sein.

„[Zoe Quinn] bekam Vergewaltigungs- und Morddrohungen, ihre Accounts wurden gehackt, ihre Adresse, ihre Telefonnummer und sogar ein paar Nacktfotos wurden veröffentlicht, so dass sie schließlich untertauchen musste.“

Quelle: Der Freitag

Eine weitere Fuhre unbelegter Behauptungen, die der Freitag nachdruckt, als wären es Tatsachen. Das Quinn Drohungen erhalten hat ist sicher wahr und zutiefst abstoßend. Das sie gedoxxt wurde, ist wahrscheinlich, allerdings hat sie auch Doxxing-Kampagnen gegen Andersdenkende wie den Anwalt Mike Cernowich unterstützt.  Die „aufgetauchten“ Nacktfotos stammen aus einem kommerziellen Fotoshooting und waren (Zahlung vorausgesetzt) legal erhältlich – Valenti erweckt hier wissentlich den Anschein von „Revenge Porn“, obwohl sie es besser wissen sollte. Und schließlich die größte Legende von allen: Sie musste untertauchen. Was geneigte Leser schon wissen, der Freitag aber wohl übersehen hat: Ihre „Flucht“ war ein lange geplanter Urlaub in Europa.

Dann folgen eigentlich nur noch Zitate, die Sarkeesians Sicht auf #GamerGate beschreiben: Der Mob habe schon vor dem Hashtag existiert, sein Ziel sei es Frauen zum Schweigen zu bringen und zu denunzieren (womit sie wahrscheinlich die Videos über ihre unrühmliche Vergangenheit im Telemarketing meint). Wenn „Männer“ Videos über sie machten, gehe sie nicht darauf ein, um deren Wirkung nicht zu verstärken – in der Realität geht sie auch nicht auf ihre weiblichen Kritiker ein und unterbindet Diskussionen über ihre Theorien wo sie nur kann. Im Restaurant sitze sie nur noch mit dem Rücken zum Fenster um nicht erkannt zu werden und in New York habe sie in den in Taschen vergrabenen Händen eines Fremden ein Messer vermutet, diese Anzeichen von Verfolgungswahn lassen mich fast schon Mitleid mit ihr haben, aber dann fällt mir wieder ein, dass ihr ganzes Theoriegebäude auf Paranoia gebaut ist.

Und mir wurde klar: Jetzt weiß ich, wie die Welt funktioniert. Und jetzt weiß ich, wie ich sie verändern kann.

Anita Sarkeesian

Bei soviel Bescheidenheit fehlen mir glatt die Worte. Aber auf der anderen Seite wird jetzt auch klar, warum sie glaubt, an ihrem Wesen solle die Welt genesen. Selbstüberschätzung, dein Name ist Anita. Und Jessica. Und „der Freitag“. Euer Journalismus ist genauso faul und tendenziös wie bei den Mainstream-Medien, keine Spur von Andersartigkeit, Unabhängigkeit oder gar Mut.

 

 

 

 

Gamedropping mit dem Hofreiter Toni

Gestern habe ich den Hofreiter Toni bei „Hart aber Fair“ mit Frank Plasberg gesehen. Zum Thema „Genderdebatte “ wurde dort eine Art Nachbereitung der Folge aus dem März versucht, die der WDR kurzfristig nach Beschwerden verschiedener Frauenorganisationen aus der Mediathek entfernt hatte, obwohl der Rundfunkrat keine Verstöße gegen Vorschriften feststellen konnte. Inzwischen ist der Beitrag wieder in der Mediathek verfügbar und Plasberg hatte gestern fast die gleiche Runde zu Gast, die schon in der ursprünglichen Sendung diskutiert hatte.

Die Positionen der beiden Lager waren von vorne herein klar, auf der Seite der Genderforschung waren Anne Wiezorek („Netzfeministin“), Sybille Mattfeld-Kloth (Frauenverband Niedersachsen, Bündnis90/ Die Grünen) und Dr. Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen), die skeptische Position nahmen Birgit Kelle (Journalistin), Sophia Thomalla (Schauspielerin) und Wolfgang Kubicki (FDP) ein.

Die erste Wortmeldung von Hofreiter war erfreulich vernünftig, führte er doch aus, die Beschwerden gegen die Sendung vom März hätten doch nur zur Aufgabe gehabt, herauszufinden ob die Redaktion und der Moderator ihren Job vernünftig gemacht hätten. Leider legte er fortan bei seinen eigenen Äußerungen nicht soviel Wert auf gute Recherche und Wahrheitsgehalt. Wenn mir ein studierter Biologe ohne weitere Ausführungen zur Frage „biologisches Geschlecht oder kulturelles Konstrukt?“ ein „Ist es biologisch festgelegt? Nein, es ist kulturell!“ hinwirft, ohne auf die Vielschichtigkeit dieser Fragestellung einzugehen, kommen mir halt so meine Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit.

Zweierlei Mass

Frauenverbandsvertreterin Mattfeld-Kloth, die sich in der Runde mit einfachen Verallgemeinerungen wie „Wenn der Mann sich eine Jüngere sucht, […] dann geht es für die Frau ab in Hartz IV“ hervor tat, wurde von Moderator Plasberg nach dem Grund für ihre Beschwerde gegen die Ampelmännchen-Sendung befragt und nannte die Auswahl der Gäste als Kernproblem, es habe unter den Eingeladenen Personen von mangelnder Kompetenz gegeben. Kurz darauf wurde sie deutlicher: Sie könne die Einladung von Sophia Thomalla nicht nachvollziehen, es habe sich wohl der eine oder die andere gefragt, wo da der Informationsgehalt sei, welchen Mehrwert ihre Teilnahme bringe. Vielleicht, sinnierte sie, sei Frau Thomalla ja wegen ihres Unterhaltungswertes eingeladen worden. Wahrscheinlich meinte Frau Mattfeld-Kloth eine Art Hintergrunddekoration oder „Eye-Candy“ (Hallo Anita!).

Für einen Moment konnte man in den Augen des Moderators sehen, dass ihn sowohl die Einordnung seiner Arbeit ins Unterhaltungsfach, als auch der kaum verhüllte persönliche Angriff auf einen seiner Gäste  überhaupt nicht gefiel. Birgit Kelle hatte den Mut, die Wahrheit auszusprechen: „Hätte das jetzt ein Mann gesagt, hätten wir den nächsten Sexismus-Skandal“. Gefragt, was sie von dieser Art des Umgangs mit Gesprächspartnern halte, fiel Wiezorek nur ein, das sie die mangelnde Kompetenz von Frau Thomalla schon in der letzten Sendung beanstandet habe. Dann stellte Plasberg Hofreiter die gleiche Frage, und gab ihm einen deutlichen Hinweis indem er fragte, wie er sich fühle, wenn Gäste in ihrer Persönlichkeit bewertet würden, wenn es doch eigentlich um deren Position gehe. Aber anstatt sich über die sexistischen Vorurteile und die „Charakter-Assassination“ (Wörtlich „Attentat auf den Charakter“, ein Ausdruck für das Vorgehen, das der Moderator beschrieben hatte und das sich in „progressiven“ Kreisen höchster Beliebtheit erfreut) in den Worten von Frau Mattfeld-Kloth zu beschweren, griff er auf „Gamedropping“ zurück, eine neumodische, eigentlich eher in journalistischen Kreisen beliebte Praktik, bei der #GamerGate zur Verstärkung der eigenen Position erwähnt wird, obwohl es in der Diskussion um etwas vollkommen anderes geht.

„Das ist generell im Internet ein Effekt, das da, das sehr, sehr harsche, und… und Frau Wiezorek hat das ja auch dargestellt, zum Teil sexistische und sehr brutale Kritik geäußert wird, da gibt es noch viel, viel härtere Beispiele, sie können ja mal nachfragen was da zum Teil so bei Frauenrechtlerinnen ankommt, oder ein klassisches Beispiel war: Eine Spieleentwicklerin hat sich kritisch dazu geäußert, das in manchen Spielen Frauen, selber in der Spieleentwicklung, sehr stereotyp dargestellt worden sind. Der Effekt war, das sie massivste Morddrohungen aus dem Internet bekommen hat, das da der Mob total getobt hat und am Ende musste die Frau unter Polizeischutz gestellt werden. Das ist ein generelles Phänomen, das wir feststellen. Und da gibt es, wie gesagt, völlige Entgleisungen, auch in anderen Fällen gibt es da völlige Entgleisungen und das ist ein echtes Problem, aber es ist kein Problem, das auf dieses Themenfeld reduziert ist.“

Quelle: ARD, „Hart aber Fair“ 07.09.2015

Lieber Anton Hofreiter

Wenn man zu einem Thema etwas sagen will, sollte man einige Dinge zur Diskussion mitbringen. Als erstes wäre da der Wille, auf die Fragen des Moderators zu antworten – meines Erachtens ging es Plasberg in seiner Frage nach der Debattenkultur nicht um die zuvor gezeigten Tweets und Facebook-Einträge über Frau Thomalla, sondern um die Behandlung, die selbige in ihrer Anwesenheit durch ihre Parteikollegin Mattfeld-Kloth erfahren musste. Also schon mal Thema verfehlt, aber ich möchte ihnen trotzdem etwas dazu in ihr Heft schreiben. Mit roter Tinte.

So sieht eine Bomarea aus / Bild: Mills (The Botanist), gemeinfrei

So sieht eine Bomarea aus / Bild: Mills (The Botanist), gemeinfrei

Wenn man keine Ahnung von einem Thema hat, sollte man vielleicht erst Mal recherchieren (ich weiß,  lieber Leser, ich höre mich an, als hätte meine Platte einen Sprung) oder vielleicht ein anderes Beispiel wählen. Ich würde in einer Diskussion mit Ihnen auch nicht behaupten die Bomarien (über die Herr Hofreiter promoviert hat) seien eine Art südamerkanischer Tannenbaum, nur weil ich irgendwo mal ein Bild von einem Tannenbaum in Peru gesehen habe. Bevor Sie also das nächste Mal über #GamerGate sprechen (auch wenn sie den Hashtag nicht erwähnt haben), sollten sie zumindest die grundlegenden Fakten drauf haben: Sie vermischen zwei Personen, die Spieleentwicklerin Zoe Quinn und die Kulturkritikerin Anita Sarkeesian, erstere stand in der Kritik, weil sie durch ihr Verhalten den Anschein erweckt hat, ihr damaliger Partner Nathan Grayson habe ihr in seiner Rolle als Spielejournalist Medienöffentlichkeit verschafft. Anita Sarkeesain fällt schon seit längerem durch ihre einfach gestrickten Theorien über Sexismus in Spielen auf, die sie aus einem Elfenbeinturm heraus unter das Volk bringt – keine Debatte, keine Diskussionen. Das die beiden beleidigt und bedroht wurden, widert mich genauso sehr an wie Sie, Herr Hofreiter. Aber „brutale Kritik“ bekommt jeder, der sich in irgendeiner Weise in der Öffentlichkeit engagiert, sei es als Schauspielerin wie Frau Thomalla, als Spieleentwicklerin oder als Politiker. Und „brutale und sexistische Kritik“ kann offenbar auch Frau Mattfeld-Kloth anbringen, ohne dass Sie sich daran stören würden.

Der medienträchtig für ein Special auf ABC zur Schau gestellte Polizeischutz von Frau Sarkeesian fällt wohl eher in die Kategorie „Aufmerksamkeit erregen“, denn wer sich auf YouTube betätigt, wird leider mit solchen Drohungen regelrecht bombardiert, wenn er eine gewisse Aufmerksamkeitsschwelle überschreitet. YouTube-Persönlickeit TotalBiscuit (über 2 Millionen Abonnenten) schreibt dazu am 15.Oktober 2014 in einem twitlonger:

„Was tun wenn du eine Morddrohung über Twitter oder per Email erhälst? Ich habe einen Ratschlag für dich. Ich gebe diesen Rat aus der Perspektive von jemandem, der jeden Monat Morddrohungen verschiedener Bedrohungsgrade erhält und bisher nicht gestorben ist. Dummerweise beinhaltet jede Art von Onlinepräsenz auch die Möglichkeit das irgendjemand eine Dummheit macht. Es kann dafür alle möglichen Gründe geben, egal wie harmlos sie scheinen mögen. Es muss nicht einmal einen Grund geben. Online verhalten sich Menschen auf eine Art und Weise, die sie sich im realen Leben nie trauen würden, die Gründe warum genau das so ist sind noch nicht vollständig geklärt. Wir [TB und seine Frau] haben auf jeden Fall eine Sache nicht gemacht.“

„Geh nicht mit der Drohung an die Öffentlichkeit! Diesen Rat geben die Kriminalbehörden aus mehreren Gründen. Die Drohung öffentlich zu machen hat eigentlich keine Vorteile. Die Leute online können dich bei einer echten Drohung nicht schützen, deshalb macht es auch keinen Sinn, ihnen davon zu erzählen. Ist es eine echte Drohung, nimmst du sie durch die Veröffentlichung deutlich sichtbar zur Kenntnis und schenkst dadurch der Person, die die Drohung geschickt hat, einen Sieg. Kommt die Drohung von einem dummen Troll, schenkst du auch ihm den Sieg, weil du ihm Aufmerksamkeit geschenkt hast. Der einzig verlässliche Weg, online mit unangenehmen Leuten umzugehen, ist ihnen die Aufmerksamkeit zu verweigern, nach der sie sich so sehnen und ihnen so die Luft zum Atmen zu nehmen.“

Quelle: TotalBiscuit

Es ist keine schöne Wahrheit, aber sie ist nicht wegzudiskutieren: Im Internet gibt es jede Menge Arschlöcher. Man kann nur entscheiden, wie man mit deren Erzeugnissen umgeht: Man kann die Polizei verständigen und sich ruhig verhalten, oder man kann mit immer neuen Berichten über Drohungen und Beleidigungen den eigenen Namen in den Medien halten. Das ist – völlig unabhängig vom Geschlecht – die Entscheidung jedes Einzelnen. Und das sollte man wissen, bevor man von einem „tobenden Mob“ spricht, Herr Hofreiter.

Das ein Politiker mit überregionaler Bedeutung seine Meinung unverdaut aus den Medien bezieht, habe ich zwar befürchtet, aber es stimmt mich trotzdem traurig. Weil Sie #GamerGate falsch dargestellt haben, gibt es für die Krümelsucher auf Wikipedia wieder eine „zuverlässige Quelle“ mehr in Deutschland, die #GamerGate, wenn auch indirekt, als wütenden Mob, als Frauenhasser, als Hassgruppe dargestellt hat. Alles nur, weil Sie nicht bereit waren, etwas über eine Konsumentenrevolte zu erfahren, bevor Sie diese im Fernsehen zur besten Sendezeit als Skelett aus der antifeministischen Geisterbahn missbrauchen. So werden Bündnis 90/ Die Grünen sicher nicht beliebter bei antiautoritär denkenden Menschen, im Gegenteil, sie werden sich ein Stück mehr in die Ecke mit den Vorschriften und den Denkverboten bewegt haben, in welcher die Partei seit dem Rechtsruck in den Neunzigern sowieso schon steht.

Leider blieben in der Sendung auch ohne weiteres „Gamedropping“ die wichtigen Fragen unbeantwortet, so haben leider weder Frau Wiezorek noch Frau Mattfeld-Kloth eine zufriedenstellende Antwort auf die Frage von Birgit Kelle gegeben, wer die Feministinnen ermächtigt habe, in der Frage „Geschlecht: biologisch oder kulturell?“ die richtige Antwort zu bestimmen. Getröstet haben mich wie so oft die Kommentare der Leute vor den Fernsehgeräten, stellvertretend möchte ich einen Nutzer des „Hart aber Fair“-Gästebuchs zitieren, der meine Meinung zum Thema eloquent auf den Punkt bringt:

Liebe Gender-Ideologen, ihr dürft gerne versuchen, Menschen zu überzeugen. Aber bitte hört auf, dies zu erzwingen, indem ihr versucht Sprache von oben zu ändern oder Ideologien in Gesetze zu gießen, die keiner demokratischen Mehrheit entsprechen.

Zuschauer Simon Jentzsch im Gästebuch zur Sendung (Quelle: ARD)

Nehmen Sie sich das mal zu Herzen, Herr Hofreiter. Und wenn Sie etwas über Konsumentenrevolten im Internet wissen wollen – Sie wissen ja jetzt, wo Sie mich finden.

 


Link zur Bildlizenz (Titelbild)

 

 

 

 

In Devin Wilsons Kopf – Teil 4

In dieser Artikelreihe beschäftige ich mich mit dem Artikel ‚A Guide to ending Gamers‘ (‚Eine Anleitung wie man das Ende der Gamer herbeiführt‘) von Devin Wilson. Wilsons Artikel, am 28. August 2014 auf Gamasutra erschienen, war Teil des Medienblitzkriegs mit dem Tenor ‚Gamer sollten nicht mehr die primäre Kundschaft der Spieleindustrie sein‘. 16 Artikel innerhalb von wenigen Tagen sollten das Ende der ‚hyperkapitalistischen‘ Gamerkultur besiegeln und Wilson (er arbeitet an seinem Doktor in Medienwissenschaften) wollte offensichtlich das Manifest für diesen Putsch schreiben.

Er arbeitet sich in achtzehn Punkten durch die ideologische Basis dieser feindlichen Übernahme und ich werde mich Punkt für Punkt (wenn auch nicht in Wilsons Reihenfolge) mit den Vorschlägen beschäftigen, die er seinen Kollegen in der Spieleindustrie macht. Weiter geht es heute mit Punkt 5: Der kritische Blick. Hier Wilsons Text:

5. Wir beobachten Spiele, die wir machen oder spielen, sehr viel aufmerksamer. Der Sexismus in Spielen ist weit verbreitet und toxisch. Der Rassismus in Spielen ist weit verbreitet und toxisch. Die Gewalt in Spielen ist weit verbreitet und toxisch. Auch wenn die Spielepresse ständig versucht, diese Tatsache zu leugnen, sieht es *in Wirklichkeit* so aus, dass gewalttätige Spiele uns gewalttätiger und weniger mitfühlend *machen*. Wenn dieser Zusammenhang immer wieder von Forschern vermutet wird und wir uns gleichzeitig beschweren, dass die übelsten Typen in unseren Communities zu aggressiv und zu wenig empathisch sind, sind wir dann nicht zum Teil selbst Schuld? Wir sind nur allzu bereit, Spiele zu machen und zu spielen, die diese Auswirkung auf Menschen haben. Sollten Sie glauben, davon nicht betroffen zu sein, machen sie leider einen Fehler und klingen damit nicht weniger lächerlich als Menschen, die von sich behaupten, Werbung habe keine Wirkung auf sie. (Übrigens: Auch Kinder spielen regelmäßig gewalttätige Spiele, denn unsere Kultur erwartet das von „echten Gamern“. Die Altersfreigaben der ESRB sind ziemlich nutzlos).

Sexismus, Rassismus, Gewalt – die Grundpfeiler der Videospiele-Industrie? Über den Gewaltanteil ließe sich sicher diskutieren, aber die meisten Konsumenten werden sich schwer tun, in der Mehrzahl der Videospielen Rassismus und Sexismus zu finden, den man ohne dabei zu lachen, als „toxisch“ bezeichnen  könnte.  Das Wort bedeutete ursprünglich „giftig“, sonst nichts – heute wird es von den Anhängern der „Neuen sozialen Gerechtigkeit“ für all das verwendet, was ihnen nicht gefällt. „Das ist toxisch“ klingt einfach auch viel wichtiger als „Das gefällt mir nicht“.

Und jetzt setzt Wilson zur großen Augenwischerei an: In einem Satz wischt er die Wissenschaftler beiseite, die in Studie um Studie keinen Zusammenhang zwischen Spielen und gesteigerter Aggression gefunden haben, gibt der Spielepresse die Mitschuld und hat im Kopf eines leicht beeinflussbaren Lesers bereits eine Verbindung zwischen Gewalt, Sexismus und Rassismus in Spielen geschaffen. Ohne es explizit auszusprechen sagt dieser Abschnitt: „Und was für Gewalt gilt, gilt selbstverständlich auch für Rassismus und Sexismus“ – ohne  eine „weite Verbreitung“ dieser Dinge zu belegen.

Wer die Definitionen von Rassismus und Sexismus benutzt, die in den Wörterbüchern zu finden sind, dürfte verwundert den Kopf schütteln: Offen rassistische und sexistische Spiele existieren zwar, sind aber in den wenigsten Fällen dem Mainstream zuzuordnen.  So wie es Pornographie und gedruckte Ausgaben von „Mein Kampf“ gibt, gibt es auch sexistische oder rassistische Spiele. In Film- und Literaturkritik würde allerdings niemand darauf kommen zu behaupten, diese extremen Beispiele wären entscheidend für die Bewertung des gesamten Mediums. Allerdings können wir davon ausgehen, das Wilson andere Definitionen für Rassismus und Sexismus nutzt als der durchschnittliche Leser: Rassismus ist für ihn bereits ein weißer Hauptcharakter, für den Sexismus-Vorwurf reicht ihm eine zu knapp bekleidete weibliche Spielfigur.

Quelle: Kotaku

Quelle: Kotaku

Aber werden Männer in Spielen nicht auch idealisiert dargestellt? Gibt es keine extra knapp bekleideten Muskelprotze, in denen heterosexuelle Spielerinnen oder homosexuelle Spieler Attribute wiederfinden, die sie als anziehend bezeichnen würden? Nein, sagen Devin Wilson und seine Freunde, es gibt keinen umgekehrten Sexismus, Sexismus hat eine Unterdrückungskomponente und Männer per se werden nicht unterdrückt. Deswegen seien Artikel wie „Der Ryu aus Streetfighter V ist der heißeste Ryu“ auch kein Beweis für die These, der ständig angeprangerte Sexismus existiere, weil alle Geschlechter für die aufreizende  Darstellung schöner Körper in den Medien empfänglich sind. Patricia Hernandez schreibt in dem genannten Artikel:

Normalerweise sind wir ja bei Berichten über Vorbesteller-Prämien sehr vorsichtig, aber dieser neue Ryu ist einfach zu heiß um ihn nicht mit euch zu teilen. Ich schwöre, mein Twitterfeed ist im Moment voll mit Tonnen von Leuten, die beim Anblick des bärtigen Ryu das Sabbern kriegen.

Ach ja, es gibt noch andere Prämien. Allerdings sind sie nicht so gut aussehend wie der „waldarbeitersexuelle“ Ryu.

Verstehen Sie mich nicht falsch, lieber Leser, ich habe kein Problem mit weiblichen oder homosexuellen Spielern, die sich an der Darstellung eines attraktiven Charakters aus ihrem Beuteschema ergötzen. Ich habe ein Problem mit der Doppelmoral von Personen, die einerseits über einen völlig überzeichneten Charakter vergessen ihren Speichelfluss zu kontrollieren, während sie kein Problem haben, einen heterosexuellen männlichen Spieler für das gleiche Verhalten im Zusammenhang mit Lara Croft oder Bayonetta hasserfüllt als „creep“ zu bezeichnen. Manche Vertreter dieser Personengruppe, wie Anita Sarkeesian, behaupten sogar dieses Verhalten stehe stellvertretend für eine Anspruchshaltung gegenüber realen Frauen. Natürlich ohne handfeste Beweise oder Studien. Man stelle sich die Reaktionen der Berufsbetroffenen vor, wenn ein Mann die oben zitierten Zeilen über eine weibliche Figur geschrieben hätte.

Die meisten Menschen sind sich im Klaren darüber, dass die Idealbilder aus den Medien nicht real sind. Das ein Charakter in einem Buch oder Film zwar als Identifikationsfigur für eine bestimmte Anzahl Seiten oder Minuten dienen, Rückschlüsse auf die eigene Existenz aber nur indirekt zu ziehen sind, weil zwischen der künstlerischen Darstellung und der Realität noch klar erkennbare Schichten aus Erzähltechnik, Schminke, Kameraeinstellungen oder Abstraktion liegen. Wer solche Figuren ungefiltert als Vorbilder für das eigene Leben verwendet, hat kein Sexismusproblem, es fehlt eher an der Medienkompetenz. Und hier sehe ich das größere Problem: In einer Welt, in der die Grenzen zwischen Meinung und Berichterstattung immer weiter verschwimmen, können Demagogen wie Wilson ihre Meinung als Wahrheit verkünden und über ein Dutzend Websites wiederholen die kruden Theorien – nur das sie als Tatsachen präsentiert werden. Und der wenig medienkompetente Leser oder Journalist nimmt an, die als Meinung gestartete und als Berichterstattung gelandete Meldung  entspreche der Wahrheit und verbreitet sie weiter: Alle Spiele sind sexistisch. Alles Spiele sind rassistisch. Alle Spiele sind gewalttätig. Und du musst auf all das hinweisen!

Ach ja, Wilsons Nachsatz über Kinder und Altersfreigaben: Wieder eine Frage der Medienkompetenz, in diesem Fall die der Erziehungsberechtigten. Wenn Devin Wilson einem Kind eine Flasche Schnaps gibt, wird die Gesellschaft ihm oder dem Schnaps die Schuld geben? Ein lausiger Fall von „Denkt denn niemand an die armen Kinder?“, einer gern genutzten Taktik, um Fragen zu welchem Thema auch immer negativ aufzuladen. Wilson nutzt offenbar gerne Taktiken aus dem kleinen Handbuch für Populisten und Demagogen. Das macht ihn in den Augen des aufmerksamen Lesers nicht gerade glaubhafter.

Das abschließende Urteil spricht heute Frank Zappa:

Schlechte Fakten ergeben schlechte Gesetze und Leute, die schlechte Gesetze machen, sind meiner Auffassung nach gefährlicher als Songschreiber, die in ihren Songs die Sexualität feiern.

Im nächsten Teil befasse ich mich mit Punkt 10: Wir denken immer daran, dass wir keine neuen Sachen kaufen müssen.

 

 

 

Das Gesetz des Flugplatzes

Airports Law

In der Frühzeit des Hashtags #GamerGate prägte eine Twitternutzerin namens Airport das nach ihr benannte Gesetz. In jugendfreier Form wiedergegeben besagt es, dass jeden Tag ein Mann mit Hipsterbart irgendwo auf der Welt über #GamerGate lästert, in der Hoffnung, sich die körperliche Gunst einer bunthaarigen Feministin zu sichern. Für den 28. August 2015 hat diese Aufgabe der luxemburgische Blogger Sven Wohl übernommen. In seinem Blogeintrag „Sturm im Twitterglas“ schreibt er folgendes:

„Neben den rechtsextremen Inhalten, denen man aktuell in den sozialen Netzwerken begegnet, hat sich im vergangenen Jahr auch noch eine andere Dimension rechten Gedankenguts der sozialen Medien bemächtigt. Im Kluturbereich [sic] machen sich diese Aktionen durch ihre Lauthälsigkeit bemerkbar.“

Die Zahlen, die das untermauern würde ich zu gerne sehen. Bevor jemand mich oder eine Revolte, deren Teil ich bin, in die Nähe von Rechtsextremismus rücken darf, sollte er ein paar Fakten präsentiert haben, die seine Einschätzung bestätigen.  Um es vorweg zu nehmen, Wohl präsentiert keine einzige Quelle für die Behauptungen in seinem Text. Allerdings verlinkt er einen Artikel auf der extrem linken Seite salon.com, die vom ersten Tag an Unwahrheiten über #GamerGate verbreitet hat. Selbst wenn man die Meinung einer solchen Quelle teilt, sollte man sich bewusst sein, das man eine Mischung aus Journalismus und Propaganda vor sich hat und den Inhalt entsprechend kritisch bewerten. Medienkompetenz!

Feministophobie

„Selbst wurde ich bereits mehrmals von GamerGatern, die sich von jeder im geringsten Maße feministischen Idee bedroht fühlen, auf Twitter angegriffen.“

Waren das mit der Angst vor der kleinsten feministischen Idee die gleichen #GamerGater, die geholfen haben 70.000 Dollar für ein von Frauen produziertes Spiel aufzubringen? Was ist mit den Frauen, die sich an #GamerGate beteiligen? Fühlen die sich auch vom Feminismus bedroht?  Das der Autor auf Twitter angegriffen wurde, tut mir leid. Es kommt allerdings immer darauf an, wie man in den Wald hineinruft, wenn man ein Gespräch mit einer Prämisse wie zum Beispiel „Ihr seid eine Hassgruppe!“ beginnt, wird es nicht schwer fallen, in den Antworten eine scheinbare Bestätigung für die eigene Hypothese zu finden.  In Wirklichkeit hat man es meist mit Menschen zu tun, die seit einem Jahr immer die gleichen Vorurteile vorfinden, welche nicht die Wirklichkeit der Unterstützer des Hashtags wiederspiegeln. Ich heiße es nicht gut, kann aber verstehen, wenn Menschen da gereizt reagieren.

Wenn der Autor des Blogposts Interesse an einer echten und fairen Diskussion hat, wir können gerne ein Gespräch führen und beiderseits einen Artikel daraus machen. Mein Ziel ist der Dialog.

Zirkelschluss

„Dabei verhalten sie sich so, dass man sie gerne mit einem Hassmob verwechselt: Sie greifen jeden an, der eine konträre Meinung hat. Dass man sie mit einem Hassmob verwechselt könnte natürlich auch einfach daran liegen, dass sie ein Hassmob sind.“

Der Autor bleibt bei der Form der Angriffe leider sehr vage. In letzter Zeit hat sich ja leider unter den Vertretern progressiver Ideen der Gedanke durchgesetzt, schon höfliches aber bestimmtes Kritisieren sei „Harassment“. Ich habe in der letzten Woche ein vierstündiges Gespräch mit einer klar gegen #GamerGate eingestellten Person auf Twitter geführt und nicht ein einziges mal auf Beschimpfungen oder Drohungen zurückgegriffen. Wir konnten uns nicht einigen, aber wir haben ein zivilisiertes Gespräch geführt. Allein dieser anekdotische Beweis reicht, um die aufgestellte Behauptung, #GamerGate greife jeden an, der eine konträre Meinung vertrete, zu entkräften.

Make Love, not War!

„Unterm Strich denke ich, dass man solche Bewegungen zwar ernst nehmen und bekämpfen sollte. Aber man sollte solche Twitterbewegungen nicht überbewerten: Was in einem Netzwerk massiv aussieht, kann in Wirklichkeit nur eine kleine Gruppe sein.“

Zum Jahrestag hat das #GamerGate subreddit „KotakuinAction“ die 50.000-User-Marke überschritten, die Zahl der gerade aktiven User liegt meist zwischen ein- und zweitausend. Global mögen das nicht viel sein, aber die Ideen breiten sich jeden Tag weiter aus. Jeden Tag sind mehr und mehr Menschen auf der ganzen Welt über Schwarze Listen, Internet-Shaming und Nonsens wie „Manspreading“ empört. Leider bleibt der Autor wie bei fast allen Punkten auch bei der Art, in der die Unterstützer von #GamerGate bekämpft werden sollen vage. Wie das in der realen Welt aussieht haben wir ja bei SPJAirplay gesehen oder bei #GGinDC (soviel auch zu der Behauptung, #GamerGate habe keine Auswirkung außerhalb des Netzes), die beide durch Bombendrohungen beendet wurden. Zuvor hatten Gegner des Hashtags in beiden Fällen versucht, die Besitzer der Veranstaltungsorte unter Druck zu setzen, damit sie die Konferenz bzw. das Treffen absagen.

In der Zusammenfassung ist „Sturm im Twitterglas“ ein viel zu kurzer und oberflächlicher Artikel für ein so komplexes Thema, die einseitige Betrachtung ohne Quellen oder Beispiele lässt mich vermuten, das ich es mit Propaganda zu tun habe. Und unfundierte Propaganda hilft in einer so aufgeheizten Diskussion leider gar nichts, sie gießt nur Öl ins Feuer. Ich schreibe hier auch aus der Sicht eines Unterstützers, bemühe mich aber, meine Texte mit Quellen und Erklärungen zu versehen damit sich der geneigte Leser ein eigenes Bild machen kann. Nur so kann ein fruchtbarer Dialog zwischen beiden Seiten stattfinden, alles andere ist das Internet-Äquivalent zu Menschen, die sich gegenseitig anschreien ohne sich zuzuhören. Und so sind wir schließlich überhaupt erst in diese missliche Lage geraten.

In Devin Wilsons Kopf – Teil 3

Überprüfe er sein Privilegium, Herr Fäkalienrat!

In dieser Artikelreihe beschäftige ich mich mit dem Artikel ‚A Guide to ending Gamers‘ (‚Eine Anleitung wie man das Ende der Gamer herbeiführt‘) von Devin Wilson. Wilsons Artikel, am 28. August 2014 auf Gamasutra erschienen, war Teil des Medienblitzkriegs mit dem Tenor ‚Gamer sollten nicht mehr die primäre Kundschaft der Spieleindustrie sein‘. 16 Artikel innerhalb von wenigen Tagen sollten das Ende der ‚hyperkapitalistischen‘ Gamerkultur besiegeln und Wilson (er arbeitet an seinem Doktor in Medienwissenschaften) wollte offensichtlich das Manifest für diesen Putsch schreiben.

Er arbeitet sich in achtzehn Punkten durch die ideologische Basis dieser feindlichen Übernahme und ich werde mich Punkt für Punkt (wenn auch nicht in Wilsons Reihenfolge) mit den Vorschlägen beschäftigen, die er seinen Kollegen in der Spieleindustrie macht. Weiter geht es heute mit Punkt 2: Privileg. Hier Wilsons Text:

2. Wir hören auf jene, die weniger privilegiert sind als wir und wir sind ihren Sichtweisen und Aussagen gegenüber nicht voreingenommen. Wenn wir die Macht dazu haben, unterstützen wir sie, wenn wir die Macht dazu haben beziehen wir sie ein. Wir sind nicht gleichgültig, wenn Institutionen diese Dinge nicht tun. Jeder von uns trägt stolz die Bezeichnung „Social Justice Warrior“ (wenn auch nur um die Verwendung als Schimpfwort zu unterlaufen). Wir tun, was immer wir können, um uns über die Ungleicheiten in der Welt zu informieren und wir finden heraus, wie wir die Dinge zum Besseren wenden können.“

Klingt ja erstmal ganz vernünftig. Gut, der eine Satz in der Mitte über die stolzen SJWs ist zum Fremdschämen pathetisch. Mein größeres Problem mit dem Absatz ist aber: Was hat das mit Videospielen zu tun?

Zuerst einmal bleibt „jene, die weniger privilegiert sind als wir“ sehr schwammig. Wer genau ist gemeint? Alle, die in irgendeiner Art weniger privilegiert sind als ich? Wie so oft bei Quellen zu #GamerGate steht uns hier auch die Tatsache im Weg, das Wilson aus amerikanischer Sicht über Privileg schreibt, genauer aus der Sicht eines Amerikaners der sich selbst als „Krieger für soziale Gerechtigkeit“ sieht. Für jeden, der nicht dieser Denkweise anhängt, wäre ein schwarzer Facharbeiter privilegierter als ein weißer Arbeitsloser. Nicht so in „Social Justice“-Kreisen. Um nicht ständig in Diskussionen auf diesen Umstand hingewiesen zu werden, fanden die SJW-Fundamentalisten auch hier eine neue, „bessere“ Bedeutung für das Wort.

„Die grundlegende Fehleinschätzung zum Thema Privileg ist, das dieses sich gleichmäßig und genau auf eine individuelle Ebene herunterbrechen lasse oder nur auf dieser zum Tragen komme, und das die Zugehörigkeit eines Individuums aus einer als privilegiert geltenden Klasse (z.B. weiße Männer) zu einer als unterprivilegiert geltenden Klasse (z.B. Niedriglohnarbeiter) oder die Umkehrung dieses Beispiels beweise, das dieses Konzept falsch sei. Das ist nicht der Fall. „Privileg“ im Sinne der Social Justice bezieht sich nur auf Klassen von Menschen und ist, soweit man es berechnen kann, nur ein statistischer Mittelwert. Im Normalfall sind die Angehörigen einer ethnischen Mehrheit privilegiert.“

Quelle: Rationalwiki

Wenn ich diesen Absatz und Wilson richtig verstehe, geht es also darum, Spieleentwickler nach Gesichtspunkten wie Hautfarbe oder Geschlecht auszusuchen, eine Art Quoteneregelung wäre denkbar. Bin ich der einzige, dem beim Gedanken an eine Quotenregelung für Kunst fröstelt? Kunst per Komittee und Verordnung hatten wir in den letzten Inkarnationen deutscher Besserwisserei zur Genüge. Kultur und Wissenschaft sind auf Bestleistungen angewiesen, nicht auf quotierte Beiträge.

Wer in Deutschland als Künstler seine Brötchen verdienen will muss heute ein Talent, ein Netzwerk und ein Quäntchen Glück haben, ich wage mal zu behaupten, dass die Ethnie eine eher untergeordnete Rolle spielt. Und da trennt eindeutig die materielle Stellung die Spreu im Weizen: Jeder kann ein „freier Künstler“ sein, solange er jemanden hat, der zahlt. Das kann sein Publikum sein oder (oft) seine Eltern. Im ersten Fall hat er sich seinen Lebensunterhalt verdient, im zweiten ist er privilegiert. Unabhängig von seinem Geburtsort oder seiner Sexualität.

Und im Bereich Videospiele? Im Zeitalter des Crowdfunding mutet es schon ein wenig anachronistisch an, eine Kunstform in Wilsons Art und Weise reglementieren zu wollen. Geht von jedem Kickstarter-Dollar die Hälfte an Minderheitenprojekte? Muss ich auf Steam einen bestimmten Betrag im Jahr für Spiele von unterprivilegierten Entwicklern ausgeben? Zwangs-Sunset für alle? Sonst könnte es sein, das wir hier ein weiteres endloses Draufzahl- und Förderprojekt anschieben – Leute machen Spiele die keiner kauft auf Staatskosten. Ist das ein erstrebenswertes Ziel?

Minderheitensuchbild / Foto: gamergateblog.de

Minderheitensuchbild / Foto: gamergateblog.de

Was ist mit Angehörigen unterprivilegierter Schichten wie Rami Ismail, einem niederländischen Entwickler, der (laut der oben stehenden Definition) in seinem Heimatland unterprivilegiert ist, aber mit seinen Spielen ein kleines Vermögen gemacht hat? Oder den Yerli-Brüdern, deren Firma Crytek trotz ihrer ethnischen Herkunft einen Spitzenplatz in der deutschen Branche einnimmt? Bleiben die dann weiter förderungsbedürftig? Und sind sie auch unterprivilegiert, wenn sie in der Heimat Urlaub machen oder ruht das Privileg in dieser Zeit? Was ist mit Japan? Höchste Zeit das Nintendo für ausreichend Quoten-Inuit sorgt? Global denken, Devin!

Wilson offenbart ein Grundproblem der heutigen „Linken“. Anstatt die Wurzel allen Übels, die Klassenkonflikte, zu thematisieren, beteiligen sich die Protagonisten momentan daran, die 99% Normalbürger aufeinander zu hetzen. Dabei werden Klassenunterschiede innerhalb „privilegierter“ Gruppen komplett ausgeblendet und Feindbilder aufgebaut, die jedes Handeln zu rechtfertigen scheinen. In ihrem Wahn machen sie die Arbeit des einen Prozent, das ihnen dafür hier und da ein Krümelchen wie die Frauenquote hinwirft. Sie glauben allen Ernstes, aus eigener Kraft eine positive Veränderung herbeizuführen, indem sie Menschen „auf der falschen Seite der Geschichte“ verletzen, egal wie unterprivilegiert diese sein mögen. Aus genau diesem Grund entstand der Hashtag #NotYourShield, dessen Unterstützer in vielen Fällen ihren Minderheitenstatus per Foto beweisen mussten, bevor selbsternannte Progressive auch nur auf ihre Tweets geantwortet haben. Denn Wilson verschweigt eine weitere Vorraussetzung, um von den „Tempelrittern der sozialen Gerechtigkeit“ gefördert zu werden: Hündische Ergebenheit. Wer Fragen stellt, fliegt raus, Privileg hin oder her.

Wie im Paris der Revolutionstribunale zählen Demagogen wie Wilson ihre Erfolge in Köpfen, nicht in Menschen denen es besser geht.

 

Das abschließende Urteil spricht heute Johann Wolfgang von Goethe:

„Ein gutes Kunstwerk kann und wird zwar moralische Folgen haben, aber moralische Zwecke vom Künstler zu fordern, heißt ihm sein Handwerk verderben“

Im nächsten Teil befasse ich mich mit Punkt 5: Wir achten mehr darauf, welche Spiele wir machen und spielen.

Radio Fritz frisst kleine Kinder

Nein, machen sie natürlich nicht.

Gestern hat der gebührenfinanzierte Radiosender „Fritz“ (rbb) im Rahmen seiner Netz-Reihe „Trackback“ ein Feature zum Thema „Ein Jahr GamerGate“ gesendet. Darin finden sich so viele der von den Medien stetig wiedergekäuten, unbewiesenen Vorwürfe gegen die Konsumentenrevolte, dass es mir angebracht schien, in meiner Titelzeile einfach auch mal was zu behaupten, was ich nicht beweisen kann. Ich habe nicht einmal den Verdacht, das Radio Fritz Kinder frisst. Vielleicht habe ich das ja auf Gawker gelesen.

So ähnlich wie sich in diesem Fall die Menschen bei Radio Fritz, die sich wohl schlecht beleumundet fühlen würden, würde ich die Titelzeile ernst meinen, fühlen sich die Unterstützer des Hashtags seit einem Jahr. Da behaupten einfach Leute in den Medien (in meinem Fall in sehr kleinen Medien) etwas über einen, von dem man selber weiß, das es nicht stimmt. Und trotzdem muss man es im Falle von #GamerGate immer wieder lesen und hören. Die Zusammenfassung fängt schon mal „gut“ an:

„Gamergate fängt mit dem Wunsch an, das Leben eines Menschen zu ruinieren.“

Es folgt eine kurze Beschreibung der Geschehnisse rund um den Zoepost. Von dem „Internetmob #Gamer Gate“ werde die Spieleentwicklerin ZoeQuinn für feministische Aussagen und „experimentelle“ Spiele gehasst. Zusammen mit den „Behauptungen“ über Nathan Grayson, dessen Name wie fast immer nicht genannt wird, obwohl er derjenige mit der professionellen Verfehlung war, sei daraus die Lüge vom „angeblichen“ Kampf gegen korrupte Spielejournalisten entstanden. Um den in meinen Augen größten Fehler des Redakteurs vorwegzunehmen: SPJAirplay wird im gesamten Feature nicht erwähnt. Da wundert es mich dann auch nicht, dass man beim rbb immer noch die Variante „es gab gar keine ethischen Verfehlungen“ glaubt.

„Die Korruptionsgeschichte um Quinn und ihr Spiel erweist sich als falsch.“

Welche? Die nach der Ben Kuchera sie auf Patreon unterstützte, während er lobend über sie berichtet hat? Die in der Kotaku-Redakteurin Patricia Hernandez zweimal über ihre Freundin Quinn schrieb, ohne ihre Freundschaft offenzulegen (inzwischen wurden auf Druck von außen Hinweise hinzugefügt)? Die von Leigh Alexander, die das Gleiche tat? Oder jene über Nathan Grayson, der gleich drei lobende Artikel über den „powerful Twine-Darling“ schrieb, auch wenn sein Chefradakteur Steven Totilo davon ausging, das dies nichts mit seiner (eingeräumten) Beziehung zu Quinn zu tun habe? Welche dieser Vorwürfe erwiesen sich als falsch, liebes Redaktionsteam?

Heute stelle sich #GamerGate als frauenhassender Mob mit 3 Baustellen vor: Kampf gegen „angebliche“ Korruption im Spielejournalismus, Kampf gegen Feministinnen, die „angeblich“ die Spielekultur zerstören wollen und Hass gegen Quinn, Wu, Sarkeesian und andere. Das erste „angeblich“ hat sich seit SPJ Airplay erledigt. Das zweite „angeblich“ steht für die vielen Stimmen, die  ständig fordern, Videospiele müssten sich „verändern“,“entwickeln“ oder „erwachsen“ werden, was für viele #Gamergate-Unterstützer einer „Zerstörung“ der Spielekultur gleichkäme.

Und das nennt der Moderator dann „einen kurzen Überblick“. Ich nenne das eine einseitige Darstellung, die nichts mit einem gut recherchierten Feature zu #GamerGate zu tun hat. Oder eben unfundierte Stimmungsmache.

Ein Dortmund-Ultra referiert zu Bayern München

Dann gab es noch ein Interview, leider hat die Tonqualität da überhaupt nicht gestimmt, trotzdem habe ich einige der üblichen haltlosen Behauptungen verstehen können. Um zu wissen, mit wem ich es zu tun habe, habe ich mir eine Kurzbio angesehen. Und siehe da, Interviewpartnerin Sarah Rudolph schrieb Ihre Bachelorarbeit über das Web 2.0 und Soziale Bewegungen am Beispiel von Netzfeminismus. Da kann ich als verantwortungsvoller Redakteur nicht von einem unvoreingenommenen Standpunkt ausgehen und sollte die Aussagen des Gesprächspartners auf ideologisch gefärbte Vorurteile abklopfen.

Warum lädt Radio Fritz eine ausgesprochene Gegnerin der Unterstützer des Hashtags #GamerGate ein, ohne ihr einen Interviewpartner der anderen Seite gegenüber zu stellen? Warum nickt der Moderator alles, was seine Interviewpartnerin sagt, einfach ab, als seien es geprüfte Sachverhalte?

Sie sagt nämlich ein paar Dinge, die weniger beherrschte Charaktere als ich durchaus als „die Unwahrheit“ bezeichnen könnten. Zuerst eröffnet sie den Hörern, sie habe nirgendwo Diskussionen über Korruption im Journalismus gesehen, diese müssten sich schließlich, sollten sie tatsächlich existieren zwingend um Korruption von AAA-Publishern drehen. „Kleine Fische“ in der Indieszene seien statt dessen die Ziele, wegen ein paar Dollar auf Patreon würden sie angegriffen und natürlich, weil „Sex“ so ein toller Aufhänger sei. Die Dame kennt die Geschichte von der Ubi-Soft PR-Repräsentantin und dem Spielejournalisten wohl nicht, die #GamerGate aufgedeckt hat. Aber für sie seien das alles sowieso keine „echten ethischen Grauzonen“. Warum einen Ladendieb bestrafen, wenn es doch auch Bankräuber gibt, das Argument höre ich auch nicht zum ersten Mal. Wo hört das auf? Ein bisschen Korruption darf jeder? Wie viel genau?

Dann passiert etwas, das ich nicht erwartet habe: Trotz des Umstandes, das Ethik nie wirklich diskutiert worden ist haben wohl einige Spieleseiten in den USA beschlossen, ihre Vorschriften zur Offenlegung von persönlichen Beziehungen ihrer Redakteure zu verschärfen. Zum Beispiel im Bereich Patreon-Unterstützung. Wie sind die bloß darauf gekommen, wenn laut Frau Rudolph bei #GamerGate darüber doch nie diskutiert wurde, geschweige denn, das man gar Druck in diese Richtung gemacht hätte.

„Die Leute, die du genannt hast [Quinn, Wu, Sarkeesian] sind zum Teil bis heute nicht nach Hause zurückgekehrt.“

Und das wird auf einem gebührenfinanzierten Sender einfach mal so stehen gelassen. Die mythische Überhöhung, August never ends. Das grenzt an Lächerlichkeit. Diese Personen reisen, halten Vorträge, haben an #GamerGate jede Menge Geld verdient und sind alle in ihr Zuhause zurückgekehrt, so sie es denn überhaupt verlassen hatten. Der Moderator fragt aber nicht nach, wird schon stimmen, was diese nur leicht vorurteilsbehaftete Dame da erzählt. Genau wie die darauffolgende Bemerkung, manche dieser Menschen könnten sich in der Öffentlichkeit nur mit Sicherheitsbeamten bewegen. Es gab in einem Jahr nicht einen einzigen tätlichen Angriff oder auch nur den Versuch eines tätlichen Angriffs auf eine dieser vier Personen, der an die Öffentlichkeit gedrungen wäre. Nicht einen. Wer in einer solchen Situation Sicherheitspersonal engagiert, braucht das für seinen Selbstwert und die Außenwirkung, nicht zum Schutz gegen Angriffe, da es für deren Wahrscheinlichkeit keine Indizien gibt..

„Das schlimmste, was wir als Öffentlichkeit tun können, ist es, sie nur in der Opferrolle zu sehen.“

Nachdem sie so lange daran gearbeitet haben sie zu perfektionieren? Listen and Believe (also: donate), schon vergessen, Sarah? Dann nennt Frau Rudolph das Angebot von „Crash Override Network“, dem angeblichen (seht ihr, RadioFritz, ich kann das auch) Anti-Harassment-Projekt von Quinn und ihrem Freund Alex Lifschitz, professionell. Obwohl niemand weiß, wer außer den beiden beteiligt ist, ob es dort ausgebildete Fachkräfte zu Betreuung der Hilfe suchenden Personen gibt oder ob außer der Website und den beiden Betreibern überhaupt eine weitere Struktur besteht. Ich kann auch das Gegenteil nicht beweisen, aber verschiedentlich aufgetauchte Beispiele, nach denen sie eher bereit sind, ideologisch kompatiblen oder „nützlichen“ Personen zu helfen und andere schon mal durchs Raster fallen zu lassen, stimmen mich eher skeptisch.

Die Frage ob GamerGate denn eine Gegenöffentlichkeit mit eigenen Seiten, Streams oder Videos aufgebaut habe, beantwortet Frau Rudolph mit einem Monolog über die Dokumentation „The Sarkeesian Effect„, die mit #GamerGate nicht mehr gemein hat als eine (eher geringe) Schnittmenge an Interessenten. Das Produzentenpaar, von mir gerne als „Zirkus Aurini“ bezeichnet, hat von Anfang an kaum jemand  im #GamerGate-Lager ernst genommen. Und das ist auch schon das einzige Beispiel, das ihr einfällt. Das es nicht nur Streams, Videos, Comics, Songs, Artikel und Treffen im RL gibt, sondern auch eine Liste von Websites mit ethischen Praktiken  (und nicht von Seiten, die #Gamergate unkritisch gegenüber stehen, Frau Rudolph), findet keine Erwähnung, hat wohl nicht ins Narrat… in die knapp bemessene Sendezeit gepasst.

WTF, RadioFritz?

Alles in allem die gleiche peinliche Vorstellung, die wir aus den deutschen Medien schon kennen. Wenn Dennis Kogel ein Feature über den FC Bayern macht, lädt er dann auch nur einen Dortmund-Ultra zum Gespräch ein? Warum wurde SPJAirplay nicht erwähnt, hat Kogel das einfach verschlafen oder hat es nicht ins gewünschte Bild gepasst? Wenn ich ehrlich sein soll, vermute ich letzteres. Mit Aussagen wie: „#GamerGate ist inzwischen wie r/Games in idiotisch“ hat er sich als Redakteur für ein so polarisierndes Thema eigentlich schon disqualifiziert. Da hilft es auch wenig, wenn er in vielen seiner Features Standpunkte einnimmt, die denen der #GamerGate-Opposition zum Verwechseln ähnlich sehen. Warum höre ich nie die Meinung eines #GamerGate-Befürworters in den deutschen Medien? Was ist aus den Grundsätzen der Berichterstattung geworden, wie sie der Pressekodex vorsieht? Fragen über Fragen.

Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.

Quelle: Presserat

 

 

 

 

 

 

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