Spaß ist ein neurologischer Trick.

In dieser Artikelreihe beschäftige ich mich mit dem Artikel ‚A Guide to ending Gamers‘ (‚Eine Anleitung wie man das Ende der Gamer herbeiführt‘) von Devin Wilson. Wilsons Artikel, am 28. August 2014 auf Gamasutra erschienen, war Teil des Medienblitzkriegs mit dem Tenor ‚Gamer sollten nicht mehr die primäre Kundschaft der Spieleindustrie sein‘. 16 Artikel innerhalb von wenigen Tagen sollten das Ende der ‚hyperkapitalistischen‘ Gamerkultur besiegeln und Wilson (er arbeitet an seinem Doktor in Medienwissenschaften) wollte offensichtlich das Manifest für diesen Putsch schreiben.

Er arbeitet sich in achtzehn Punkten durch die ideologische Basis dieser feindlichen Übernahme und ich werde mich Punkt für Punkt (wenn auch nicht in Wilsons Reihenfolge) mit den Vorschlägen beschäftigen, die er seinen Kollegen in der Spieleindustrie macht. Heute beginnen wir mit Punkt 11: Spaß. Hier ist, was Devin Wilson dazu zu sagen hat:

11. Wir hören auf ‚Spaß‘ weiterhin als das universelle, ultimative Kriterium für die Relevanz eines Spiels zu betrachten. Spaß ist im besten Falle ein sinnloses Ideal und im schlimmsten Falle eine vergiftete Priorität. Spaß ist ein neurologischer Trick. Viele vollkommen ungesunde Dinge machen ‚Spaß‘. Wir sollten nach mehr streben. Viele der Alternativen werden ähnlich schwammige Definitionen haben, aber wir sollten uns um Eigenschaften wie ‚erbaulich‘, ‚heilend‘, ‚pro-sozial‘ oder gar ‚erleuchtend‘ bemühen. Ich ermutige euch, eure eigenen Alternativen zu ‚Spaß‘ in Spielen zu finden (während ihr auf Ausdrücke wie ‚cool‘ oder ‚großartig‘  oder andere Wörter verzichtet, die nur dazu da sind bereits vorhandene, nicht hinterfragte Vorurteile zu bedienen).

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Viele ungesunde Dinge machen Spaß – für deutsche Ohren klingt das nach einem Veggie-Day für Spiele. Zuerst einmal: Wenn etwas Spaß in seiner Rolle als eines der Hauptkriterien für die Einschätzung der Qualität eines Spieles ablösen soll und dann wird es sehr schnell eng für die Spieleindustrie. Nach wie vor sind deren Kunden nun einmal an Unterhaltung interessiert und traditionell läuft Spaß da besser als Erbaulichkeit oder eine heilende Wirkung. Aber das ist Wilson wahrscheinlich egal, er ist ein Erleuchteter, er will das Alte niederreißen um auf den Trümmern eine neue Spielewelt nach seinen Vorstellungen zu errichten.

Machen zuviel Spaß: Karussells. Foto: gamergateblog.de

Machen zuviel Spaß: Karussells. Foto: gamergateblog.de

Und zweitens: Spiele, wie Devin Wilson sie sich vorstellt gibt es bereits. Hunderte. Tausende.  Gerade ist mit großer Medienbegleitung das Spiel ‚Sunset‘ vom Indie-Duo ‚Tale of Tales‘  erschienen. In diesem spielt der Spieler eine schwarze Ingenieurin, die sich während einer Rebellion in einer Bananenrepublik als Putzfrau durchschlagen muss und gleichzeitig ihren Bruder retten will, der mit den Revolutionären im Bunde ist. Klingt nach einer durchaus spannenden Story. Nach der Veröffentlichung haben ‚Tale of Tales‘ Pleite gemacht und sich mit folgenden letzten Worten aus der Spieleindustrie verabschiedet:

Perfekt. Lebt wohl, Gamer.Mögt ihr die selben Todesqualen leiden, die ihr tausenden wehrlosen virtuellen Kreaturen angetan habt.

In ‚Sunset‘ räumt man die Wohnung eines geheimnisvollen Fremden auf. Man putzt die Fenster. Man sortiert Kartons. Man sieht sich selbst ständig in spiegelnden Oberflächen, damit man ja nicht vergisst, dass man eine schwarze Frau spielt. An manchen Stellen kann man innehalten und sich die Gedanken der Hauptperson anhören. Man läuft endlos durch die Wohnung auf der Suche nach einem Spiel. Aber da ist kein Spiel, nur ein langweiliger Arthouse-Film in dem man herumlaufen kann.  Obwohl die üblichen Seiten das Spiel gelobt und angepriesen haben hat ‚Sunset‘ nur 4000 Einheiten verkauft bevor die Entwickler einen antikapitalistischen Meltdown auf Twitter hatten, weil sie nicht genug Geld verdient haben um sich ausreichend vom Publikum gewürdigt zu fühlen. Woran kann das nur gelegen haben? War es nicht erleuchtend genug? Hat es ausreichend heilende Wirkung gehabt? Hat am Ende jemand in einer Rezension Worte wie ‚cool‘ oder ‚großartig‘ benutzt? Wie der geneigte Leser sich bereits denken kann, war es kein ganz so esoterischer Grund, der ‚Tale of Tales‘ das Genick gebrochen hat: Das verdammte Ding hat einfach kaum jemandem Spaß gemacht.

Und damit wollen sich Journalisten wie Devin Wilson genauso wenig abfinden wie Auriea Harvey und Michaël Samyn, die ehemaligen Mitglieder des ehemaligen Studios ‚Tale of Tales‘. Während letztere auf den Boden stampfen und die Luft anhalten bis ihnen endlich jemand Geld für ein neues Kunstprojekt gibt, versuchen Ideologen wie Wilson eine Veränderung herbei zu schreiben, man will fast sagen, herbei zu beten. Denn wie viele Leute Interesse am ‚Erwachsenwerden der Videospielbranche‘ und ’spaßfreien Videospielen‘ haben, kann man ziemlich genau sagen: Nicht viel mehr als 4000.

Abschließendes Urteil: Fun ist ein Stahlbad!

Im nächsten Teil befasse ich mich mit Punkt 8: Wir werden die Einteilung in Hardcore und Casual los!