Schlagwort: Presse

Tell me lies, tell me sweet little lies!


„Trotzdem hält sich hartnäckig das Gerücht, Frauen wären nie ein ursprünglicher Teil der Szene gewesen und hätten erst seit wenigen Jahren „angedockt“.“

Yasmina Banaszczuk

Hallo zusammen und willkommen zur immer gleichen Geschichte: Journalistendarstellerin schreibt über Gamer und #GamerGate, eine Publikation – in diesem Fall das Wochenmagazin „Der Freitag“ – kauft den Artikel und veröffentlicht ihn, anscheinend ohne jegliche Qualitäts- oder Faktenprüfung. Das wäre für sich genommen schon traurig genug, wäre die Autorin in diesem Fall nicht eine alte Bekannte: Yasmina Banaszczuk, die schon 2014 auf der „Netz gegen Nazis“-Plattform der Amadeu-Antonio-Stiftung (inzwischen Belltower News) ein mit Fehlern und tendenziösen Formulierungen gespicktes „Hitpiece“ gegen die Konsumentenrevolte #GamerGate geschrieben hatte.

Frau Dr. Banaszczuk ist Feministin. Es ist also kein Wunder, dass ihr neuer Artikel gleich mal mit ein paar uralten Strohmännern beginnt. Niemand behauptet zum Beispiel, Frauen und Queers wären nie Teil der Gamingszene gewesen. Als älterem Spieler fällt mir z.B. Roberta Williams ein, die in den Achtzigern maßgeblich das Adventure-Genre mitgeprägt hat. Oder Danielle Bunten-Berry, Schöpferin des Klassikers „M.U.L.E.“, dass sie noch unter dem Namen Dan Bunten programmierte. Warum klingt es im Artikel so, als gäbe es einen monolithischen Block aus Spielern, die diese Fakten leugnet? Weil es dem Narrativ dient!


„Die Hobbys, die sich heranwachsende, oft schüchterne Männer suchten, um sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen, sind jedoch nicht per se männlich. Gaming ist ein wachsender Markt: Laut dem deutschen Branchenverband „game“ betrug der Umsatz im Gamingbereich im Jahr 2017 über 3,3 Milliarden Euro. Ganze 34,3 Millionen Menschen in Deutschland spielen Videospiele, knapp die Hälfte davon sind Frauen.“

YASMINA BANASZCZUK

Wieder ein Strohmann. Niemand behauptet das „Gaming per se männlich ist“. Klar ist aber, dass sich Frauen und Männer im Schnitt eher für verschiedene Spiele interessieren. Das bedeutet allerdings auch nicht, dass es Barrieren gäbe, die Frauen davon abhalten, in eher von Männern dominierten Genres Spaß zu haben. Und auch, wenn Frauen in der Rolle der Konsumentin heute größeren Anteil am Hobby Videospiele haben, kann sich der Autor dieser Zeilen noch gut an Zeiten erinnern als ein Nintendo oder ein C64 bei der Damenwelt alles andere als Interesse hervorrief. Und so blieben die „oft schüchternen Männer“ damals halt oft unter sich. Nicht, weil das Hobby per se männlich war, sondern weil es damals einfach weniger Frauen gab, die sich dafür interessiert hätten.


„Gaming ist also längst so im Mainstream verortet wie Kinobesuche oder Netflix. Eine in sich geschlossene Subkultur, der nur wenige angehören, sieht anders aus.“

YASMINA BANASZCZUK

Und hier wird einer der zentralen Denkfehler der Autorin schmerzhaft offenbar. Nur, weil jemand Netflix hat, wird er nicht zum Film-Fan. Nur weil jemand ein paar Serien gesehen hat, ist er nicht automatisch ein Kino-Kenner. Es gibt in jedem Medium Menschen, die sich einfach unterhalten lassen, ohne dem Gesehenen größeren Wert zuzuweisen. Und es gibt jene, die – um beim Film zu bleiben – Regisseure, Drehbuchautoren und Schauspieler zu jedem Film im Kopf haben, sich stundenlang mit Dokumentationen zu Dreharbeiten vergnügen und ihren Urlaub so planen, dass sie den Drehort ihrer Lieblingsserie besuchen können.

Und genauso gibt es Menschen, die zwar mal ein paar Minuten ‚Candy Crush‘ spielen, sich aber niemals in die Lore von ‚Dark Souls‘ einarbeiten würden. Weil sie Videospiele als „Spiele“ ansehen und nicht als eine eigen- und vollständige Kultur. Und für Außenstehende verschlossen war die Gaming-Subkultur nie. Im Gegenteil, mir ist in meinem Leben keine leichter zugängliche Subkultur begegnet.


„[…] die Gamingszene hat nicht zuletzt seit den Gamergate-Vorfällen immer wieder mit Belästigungskampagnen gegen marginalisierte Personen zu kämpfen – oder all jenen, die ihnen beistehen. Gamergate?“

YASMINA BANASZCZUK

Die Gamingszene hat tatsächlich zu kämpfen. Gegen die Invasoren aus der „progressiven Zone“, die unter Verweis auf obskure „marginalisierte Personen“ – als deren rechtliche Stellvertreter sich Feministinnen wie Frau Dr. Banaszczuk sehen – versuchen der Videospiel-Szene ihre Ansprüche und ihre Regeln („Der Rock ist zu kurz“, „Das Spiel braucht noch mehr PoC“, „Wo sind die queeren Charaktere?“) aufzuzwingen. Bisher glücklicherweise großenteils vergeblich. Nicht, dass ich was gegen lange Röcke, schwarze Menschen oder LGBTQs hätte – aber Kulturwandel von oben ist kein Kulturwandel sondern ein Diktat. Und da haben die bisherigen Bewohner der Subkultur – nicht unähnlich einem kleinen gallischen Dorf, das sich gegen die Römer stemmt – etwas dagegen.


„Der Vorfall begann im Sommer 2014, als ein gekränkter Ex-Freund der amerikanischen Spieleentwicklerin Zoë Quinn eine Verleumdungskampagne gegen sie startete. Er behauptete, sie hätte sich gute Rezensionen zu ihrem SpielDepression Quest durch sexuelle Gefälligkeiten erschlichen. „

YASMINA BANASZCZUK

So, jetzt sind wir beim unappetitlichen Teil angekommen. Warum Frau Dr. Banaszczuk hier unhaltbare Behauptungen aufstellt, weiß ich nicht. Warum der Freitag sie ungeprüft abdruckt, auch nicht.

Eron Gjoni (der „gekränkte Ex-Freund“) hat keine Verleumdungskampagne gegen Zoe Quinn gestartet. Bis heute kann man den sogenannten „Zoepost“ online einsehen. Frau Banaszczuk hat das offensichtlich nicht getan oder verbreitet wider besseres Wissen die Unwahrheit. Beides keine gute Visitenkarte für eine Journalistin mit Hang zum häufigen Jobwechsel.

Nirgendwo im „Zoepost“ wird von Gjoni behauptet, Zoe Quinn habe für Rezensionen mit Journalisten geschlafen. Der Freitag wäre nicht die erste deutsche Publikation, die den Satz nachträglich ändern müsste. Was der „Zoepost“ allerdings beschreibt, ist die perfide Manipulation, der Gjoni während seiner Beziehung mit Quinn ausgeliefert war. Zum Beispiel, das sie versucht hat, ihn zu überzeugen, sein Verdacht bezüglich ihrer Untreue sei seiner psychischen Labilität zu verdanken (während sie hinter seinem Rücken mit bis zu 5 verschiedenen Männern schlief, darunter auch Gaming-Journalisten). Als die Beziehung endgültig zerbricht, muss Gjoni mit ansehen, wie die Frau, die ihn manipuliert und weggeworfen hat zu einer Art Lichtgestalt der Indie-Gaming-Szene stilisiert wird (unter anderem durch Artikel – nicht Rezensionen – ihrer „Freunde mit besonderen Vorzügen“).

Gjoni hat mit einem öffentlichen Zeugnis eine Warnung ausgesprochen: Vertraut dieser Frau nicht, sie lügt und verletzt, um an ihre Ziele zu gelangen.Was er nicht getan hat, war sie zu verleumden. Quinn hat den Inhalt des „Zoeposts“ nie wirklich bestritten.

Meine einzige mögliche Erklärung dafür, dass Frau Dr. Banaszczuk so etwas schreibt, ohne zu recherchieren liegt in der Annahme, dass ihre Version in der „progressiv-feministischen“ Filterblase als Wahrheit gilt. Wer sich da auch nur ansatzweise auskennt, weiß: In diesen Kreisen ist es überlebensnotwendig, nur die vom Kollektiv „genehmigte“ Wahrheit zu verbreiten, sonst ist man ganz schnell selbst der Feind. Warum der Freitag diese – ich muss dieses harsche Wort leider benutzen – Lügen abdruckt, ohne die Quellen zu prüfen, kann ich mir auch nach diesem Exkurs nicht erklären. Den Hang zum Haltungsjournalismus in allen Ehren, aber gezielte Falschinformation ist immer noch ein Verstoß gegen die journalistischen Ethik-Grundsätze. Auch das bisher trotz mehrerer Hinweise auf die handwerklichen Fehler im Artikel keinerlei Reaktion von „Der Freitag“ erfolgte, enttäuscht mich.

„Als die Vorwürfe bekannt wurden, entlud sich zuerst an Quinn, später an einer Vielzahl weiterer Ziele der angestaute Frust verunsicherter Männer, die „ihr“ Hobby Gaming durch Frauen und Minderheiten bedroht sahen. „

YASMINA BANASZCZUK

Wieder falsch, Frau Dr. Banaszczuk. Weder waren es nur Männer, noch waren diese verunsichert. Und es ging auch nicht um Quinn oder „Women in Gaming“. #GamerGate entstand als Reaktion darauf, dass innerhalb weniger Tage fast zwanzig Artikel auf verschiedensten Webseiten erschienen, denen eines gemeinsam war: Sie proklamierten das Ende des „Gamers“, beschimpften die Menschen, die sich von „ihren“ Journalisten schon länger schlecht behandelt fühlten als „Kackschleudern“ und proklamierten „Gamer müssen nicht eure Zielgruppe sein – Gamer sind Vergangenheit“. Sollten diese Fakten in einem journalistischem Ethos entsprechenden Artikel nicht auch auftauchen? Was ist mit dem blanken Hass der transsexuellen Aktivistin Samantha Allen? Sie forderte schon ein Jahr vor #GamerGate öffentlich, Gaming-Websites müssten sich von allen Lesern trennen, die sich weigerten, sich der queerfeministischen Hegemonie zu beugen. Sollte das nicht Teil einer ausgewogenen Berichterstattung sein, oder sieht man das bei „Der Freitag“ nicht so eng?

„Die Belästigungswelle beschäftigte später das FBI. „

YASMINA BANASZCZUK

Sollte man nicht auch auf die Ergebnisse der FBI-Untersuchung eingehen, wenn man diese schon erwähnt? Der Leser könnte sich getäuscht vorkommen, wenn er zufällig in einer zuverlässigeren Quelle liest, das die Ermittlungen ohne verwertbare Vorwürfe gegen Unterstützer von #GamerGate beendet wurden. Würde nicht zum Rest des Artikels passen, ist aber so.

„Eine große Gruppe männlicher Videospielkonsumenten wollte all jene Medien und Publisher boykottieren und zur Rechenschaft ziehen, die ihren Interessen entgegenstanden – also allen, die Marginalisierte zu Wort kommen ließen und für eine progressive Haltung standen. Jede*r, der eine (queer-)feministische oder anti-rassistische Haltung hatte, war zum Abschuss freigegeben. „

YASMINA BANASZCZUK

So viele Unwahrheiten in so einem kurzen Absatz. Die Unterstützer von #GamerGate waren zwar mehrheitlich, aber keinesfalls ausschließlich, Männer. Allerdings wurden Minderheiten, Frauen und Queere im Hashtag von #GamerGate-Gegnern von Anfang an rassistisch und sexistisch beschimpft, ihr Geschlecht oder ihre Hautfarbe angezweifelt oder der ganze Account gleich als „Sockenpuppe eines weißen Mannes“ diffamiert. Weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte – das Frauen, Queere oder Menschen nicht-weißer Hautfarbe nicht den Vorgaben der feministischen Leitstelle folgten. Es entstand sogar ein Hashtag #NotYourShield, in dem es Minderheiten ablehnten, von den Gegnern der Konsumentenrevolte als Abwehrschild benutzt zu werden. Natürlich wurde auch die Echtheit des Hashtags prompt angezweifelt und die Teilnehmer beschimpft.

So viele schüchterne junge weiße heterosexuelle Männer

Es ist also glatt gelogen, wenn Frau Dr. Banaszczuk hier von Menschen schreibt, die zum Abschuss freigegeben wurden. Und der Vollständigkeit halber: Bei den von #GamerGate organisierten Boykotts ging es nur um Medienbetriebe, nie um Publisher. Aber das ist nur eine kleine Ungenauigkeit in einem vor Unwahrheiten wimmelnden Artikel.

„In Folge von Gamergate verließen viele Marginalisierte, häufig Frauen, die Gamingszene oder mieden gar komplett die sozialen Medien. Auch Zoë Quinn erfährt fast fünf Jahre später immer noch Hass, nicht zuletzt, weil sie nicht müde wird, die sexistischen Mechanismen der Gamergate-Kampagne aufzuzeigen, die dieser zugrunde liegen. „

YASMINA BANASZCZUK

Ist das journalistische Sorgfalt? „Viele Marginalisierte“ die angeblich die „Gamingszene verlassen“ haben. Bei so einer schwerwiegenden Behauptung hätte ich gerne Quellen, damit ich als mündiger Leser nachprüfen kann, ob sich die Dinge wirklich so zugetragen haben. Aber ich bin sicher, in der zuständigen Redaktion liegen die alle vor.

Das Zoe Quinn auch heute noch im Zusammenhang mit #GamerGate genannt wird, liegt vor allem an ihrer Selbstvermarktung. Sobald sich online ein Fenster auftut, von dem ihre „Karriere“ profitieren kann, wärmt sie #GamerGate und die „Flucht vor den Trollen“ wieder auf. Was hier nicht berichtet wird, ist das ihre Aktivitäten seit 2014 großenteils im Sande verlaufen sind. Die mit großem Getöse vorgestellte „Anlaufstelle für Hass im Netz“ mit dem kindischen Namen „Crash Override Network“ wurde vor kurzem sang- und klanglos abgewickelt – aber erst, nachdem Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegen einen der Mitarbeiter an die Öffentlichkeit gedrungen waren. Außerdem hat sie etwa 80.000$ via Crowdfunding für ein Spiel eingenommen. Eine der letzten Meldungen zum Projekt kam aus Frau Quinns Japan-Urlaub und lautete: „Das Geld ist schon lange ausgegeben, aber das Projekt ist noch nicht fertig“. Scheint als hätte Gjoni mit seiner Warnung nicht unrecht gehabt.

Warum steht von all dem nie etwas in deutschen Berichten zum Thema #GamerGate? Weil die deutschen Medien durchsetzt sind von Redakteuren, denen ihre persönliche Ideologie wichtiger ist, als die Wahrheit.

„Mehrere Entwickler*innen wurden in den vergangenen Jahren von ihren Arbeitgebern ermahnt oder sogar sanktioniert, wenn sie auf Twitter auf Kritik von Fans reagierten und im Zweifel feministische oder anti-rassistische Positionen einnahmen.“

YASMINA BANASZCZUK

Nein. Sie wurden von ihren Arbeitgebern sanktioniert, weil sie Kunden und Fans beleidigt haben oder ihre Ideologie über die Vorschriften ihres Arbeitgebers gestellt haben. Warum die ganzen Lügen?

„Der Vorfall offenbarte, wie sehr sich noch immer einige Vertreter von Industrie und Spielemedien gegen eine offene und diverse Szene wehrten.“

YASMINA BANASZCZUK

So ein Irrsinn: Die Spielemedien haben fast alle mit am feministischen Strang gezogen. In den Foren wurde die Diskussion der Konsumentenrevolte flächendeckend verboten und zensiert. Die anglophonen Gaming-Sites überschlugen sich, um ihren progressiven Freunden aus der Industrie beizustehen. In der Industrie drohte Menschen, die sich pro-#GamerGate aussprachen der Verlust von Arbeitsplatz und Netzwerk. Es gab diverse anonyme Berichte über vergiftetes Klima und verfeindete Lager innerhalb von Publishern und Entwicklerstudios. Die einen waren für die Freiheit der Kunst, die anderen wollten Videospiele als Hilfsmittel benutzen, um ihr ideologisches Utopia bis in den letzten Winkel der Gesellschaft durchzusetzen. Und die Unterstützer von #GamerGate wollten eigentlich nur in Ruhe ihre Spiele spielen.


„Dass popkulturelle Werke mit vielfältigen Storys über und mit Frauen oder nicht weißen Personen erfolgreich sind, sollte angesichts der breiten Konsumentenbasis nicht überraschen.  „

YASMINA BANASZCZUK

Spiele, die sich in erster Linie mit der Sexualität, Identität oder Hautfarbe ihrer Protagonisten befassen sind Nische und werden Nische bleiben. Das gerade die feministisch gefärbte Presse immer wieder Nischenhits neben echte Blockbuster stellt und erwartet, dass beide gleich gefeiert werden, sollte angesichts der beschränkten Konsumentenbasis nicht überraschen.


„Obwohl Männergruppen online zuvor dazu aufgerufen hatten, Captain Marvel zu boykottieren, um gegen die zunehmende Diversität zu protestieren, brachte das nichts“

YASMINA BANASZCZUK

Ich konnte trotz eingehender Recherche keine solchen Aufrufe finden. Zwar gab es Menschen, die wegen der offen rassistischen Haltung der Hauptdarstellerin Brie Larsen („Ich will unter den Kritikern auf meiner Pressetour weniger weiße Männer sehen“) auf einen Besuch des Filmes verzichtet haben, das als „Boykottaufruf gegen Diversität“ zu framen ist ein Kunstgriff, den man hoffentlich auch im journalistischen Sektor eine „Erfindung“ nennt. Es scheint, als habe eine Überprüfung der Fakten bei „Der Freitag“ keine hohe Priorität.

„Ein wirkliches Verständnis dafür, dass ein Kulturwandel eine gesamte Industrie und Fanszene von Grund auf durchziehen und verändern wird – und muss! –, scheint noch auf sich warten zu lassen.“

YASMINA BANASZCZUK

Ich weiß nicht, wie Frau Dr. Banaszczuk sozialisiert ist, aber mich als Demokraten schüttelt es, wenn jemand davon spricht, dass sich Dinge verändern müssen, ohne dass es einen gesellschaftlichen Konsens gäbe. Vor allem, wenn diese Forderung mit mangelhaftem, löchrigem und stellenweise gelogenem Propagandamaterial einhergeht. Niemand hat die Autorin oder den intersektionalen Feminismus dazu bevollmächtigt, nach eigenem Gutdünken die Lebenswelt anderer Menschen autoritär umzugestalten.

Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer: Der Zorn, der Propagandisten und Betonfeministinnen entgegen schlägt, ist ein gerechter. Kein Fuß breit der Diktatur. Auch nicht der Diktatur des großen Guten.

Hinweis: Es wurden Rechtschreibfehler korrigiert (sicher nicht die letzten) und Links zum Artikel auf „Der Freitag“ und weiterführenden Quellen eingefügt. Dieser Artikel stellt eine Antwort auf Frau Dr. Banaszczuks Artikel dar, für weiterführende Informationen empfehle ich den Artikel „Was ist #GamerGate“ und den Rest dieses Blogs.

In Devin Wilsons Kopf – Teil 3

Überprüfe er sein Privilegium, Herr Fäkalienrat!

In dieser Artikelreihe beschäftige ich mich mit dem Artikel ‚A Guide to ending Gamers‘ (‚Eine Anleitung wie man das Ende der Gamer herbeiführt‘) von Devin Wilson. Wilsons Artikel, am 28. August 2014 auf Gamasutra erschienen, war Teil des Medienblitzkriegs mit dem Tenor ‚Gamer sollten nicht mehr die primäre Kundschaft der Spieleindustrie sein‘. 16 Artikel innerhalb von wenigen Tagen sollten das Ende der ‚hyperkapitalistischen‘ Gamerkultur besiegeln und Wilson (er arbeitet an seinem Doktor in Medienwissenschaften) wollte offensichtlich das Manifest für diesen Putsch schreiben.

Er arbeitet sich in achtzehn Punkten durch die ideologische Basis dieser feindlichen Übernahme und ich werde mich Punkt für Punkt (wenn auch nicht in Wilsons Reihenfolge) mit den Vorschlägen beschäftigen, die er seinen Kollegen in der Spieleindustrie macht. Weiter geht es heute mit Punkt 2: Privileg. Hier Wilsons Text:

2. Wir hören auf jene, die weniger privilegiert sind als wir und wir sind ihren Sichtweisen und Aussagen gegenüber nicht voreingenommen. Wenn wir die Macht dazu haben, unterstützen wir sie, wenn wir die Macht dazu haben beziehen wir sie ein. Wir sind nicht gleichgültig, wenn Institutionen diese Dinge nicht tun. Jeder von uns trägt stolz die Bezeichnung „Social Justice Warrior“ (wenn auch nur um die Verwendung als Schimpfwort zu unterlaufen). Wir tun, was immer wir können, um uns über die Ungleicheiten in der Welt zu informieren und wir finden heraus, wie wir die Dinge zum Besseren wenden können.“

Klingt ja erstmal ganz vernünftig. Gut, der eine Satz in der Mitte über die stolzen SJWs ist zum Fremdschämen pathetisch. Mein größeres Problem mit dem Absatz ist aber: Was hat das mit Videospielen zu tun?

Zuerst einmal bleibt „jene, die weniger privilegiert sind als wir“ sehr schwammig. Wer genau ist gemeint? Alle, die in irgendeiner Art weniger privilegiert sind als ich? Wie so oft bei Quellen zu #GamerGate steht uns hier auch die Tatsache im Weg, das Wilson aus amerikanischer Sicht über Privileg schreibt, genauer aus der Sicht eines Amerikaners der sich selbst als „Krieger für soziale Gerechtigkeit“ sieht. Für jeden, der nicht dieser Denkweise anhängt, wäre ein schwarzer Facharbeiter privilegierter als ein weißer Arbeitsloser. Nicht so in „Social Justice“-Kreisen. Um nicht ständig in Diskussionen auf diesen Umstand hingewiesen zu werden, fanden die SJW-Fundamentalisten auch hier eine neue, „bessere“ Bedeutung für das Wort.

„Die grundlegende Fehleinschätzung zum Thema Privileg ist, das dieses sich gleichmäßig und genau auf eine individuelle Ebene herunterbrechen lasse oder nur auf dieser zum Tragen komme, und das die Zugehörigkeit eines Individuums aus einer als privilegiert geltenden Klasse (z.B. weiße Männer) zu einer als unterprivilegiert geltenden Klasse (z.B. Niedriglohnarbeiter) oder die Umkehrung dieses Beispiels beweise, das dieses Konzept falsch sei. Das ist nicht der Fall. „Privileg“ im Sinne der Social Justice bezieht sich nur auf Klassen von Menschen und ist, soweit man es berechnen kann, nur ein statistischer Mittelwert. Im Normalfall sind die Angehörigen einer ethnischen Mehrheit privilegiert.“

Quelle: Rationalwiki

Wenn ich diesen Absatz und Wilson richtig verstehe, geht es also darum, Spieleentwickler nach Gesichtspunkten wie Hautfarbe oder Geschlecht auszusuchen, eine Art Quoteneregelung wäre denkbar. Bin ich der einzige, dem beim Gedanken an eine Quotenregelung für Kunst fröstelt? Kunst per Komittee und Verordnung hatten wir in den letzten Inkarnationen deutscher Besserwisserei zur Genüge. Kultur und Wissenschaft sind auf Bestleistungen angewiesen, nicht auf quotierte Beiträge.

Wer in Deutschland als Künstler seine Brötchen verdienen will muss heute ein Talent, ein Netzwerk und ein Quäntchen Glück haben, ich wage mal zu behaupten, dass die Ethnie eine eher untergeordnete Rolle spielt. Und da trennt eindeutig die materielle Stellung die Spreu im Weizen: Jeder kann ein „freier Künstler“ sein, solange er jemanden hat, der zahlt. Das kann sein Publikum sein oder (oft) seine Eltern. Im ersten Fall hat er sich seinen Lebensunterhalt verdient, im zweiten ist er privilegiert. Unabhängig von seinem Geburtsort oder seiner Sexualität.

Und im Bereich Videospiele? Im Zeitalter des Crowdfunding mutet es schon ein wenig anachronistisch an, eine Kunstform in Wilsons Art und Weise reglementieren zu wollen. Geht von jedem Kickstarter-Dollar die Hälfte an Minderheitenprojekte? Muss ich auf Steam einen bestimmten Betrag im Jahr für Spiele von unterprivilegierten Entwicklern ausgeben? Zwangs-Sunset für alle? Sonst könnte es sein, das wir hier ein weiteres endloses Draufzahl- und Förderprojekt anschieben – Leute machen Spiele die keiner kauft auf Staatskosten. Ist das ein erstrebenswertes Ziel?

Minderheitensuchbild / Foto: gamergateblog.de

Minderheitensuchbild / Foto: gamergateblog.de

Was ist mit Angehörigen unterprivilegierter Schichten wie Rami Ismail, einem niederländischen Entwickler, der (laut der oben stehenden Definition) in seinem Heimatland unterprivilegiert ist, aber mit seinen Spielen ein kleines Vermögen gemacht hat? Oder den Yerli-Brüdern, deren Firma Crytek trotz ihrer ethnischen Herkunft einen Spitzenplatz in der deutschen Branche einnimmt? Bleiben die dann weiter förderungsbedürftig? Und sind sie auch unterprivilegiert, wenn sie in der Heimat Urlaub machen oder ruht das Privileg in dieser Zeit? Was ist mit Japan? Höchste Zeit das Nintendo für ausreichend Quoten-Inuit sorgt? Global denken, Devin!

Wilson offenbart ein Grundproblem der heutigen „Linken“. Anstatt die Wurzel allen Übels, die Klassenkonflikte, zu thematisieren, beteiligen sich die Protagonisten momentan daran, die 99% Normalbürger aufeinander zu hetzen. Dabei werden Klassenunterschiede innerhalb „privilegierter“ Gruppen komplett ausgeblendet und Feindbilder aufgebaut, die jedes Handeln zu rechtfertigen scheinen. In ihrem Wahn machen sie die Arbeit des einen Prozent, das ihnen dafür hier und da ein Krümelchen wie die Frauenquote hinwirft. Sie glauben allen Ernstes, aus eigener Kraft eine positive Veränderung herbeizuführen, indem sie Menschen „auf der falschen Seite der Geschichte“ verletzen, egal wie unterprivilegiert diese sein mögen. Aus genau diesem Grund entstand der Hashtag #NotYourShield, dessen Unterstützer in vielen Fällen ihren Minderheitenstatus per Foto beweisen mussten, bevor selbsternannte Progressive auch nur auf ihre Tweets geantwortet haben. Denn Wilson verschweigt eine weitere Vorraussetzung, um von den „Tempelrittern der sozialen Gerechtigkeit“ gefördert zu werden: Hündische Ergebenheit. Wer Fragen stellt, fliegt raus, Privileg hin oder her.

Wie im Paris der Revolutionstribunale zählen Demagogen wie Wilson ihre Erfolge in Köpfen, nicht in Menschen denen es besser geht.

 

Das abschließende Urteil spricht heute Johann Wolfgang von Goethe:

„Ein gutes Kunstwerk kann und wird zwar moralische Folgen haben, aber moralische Zwecke vom Künstler zu fordern, heißt ihm sein Handwerk verderben“

Im nächsten Teil befasse ich mich mit Punkt 5: Wir achten mehr darauf, welche Spiele wir machen und spielen.

Herr Doktor, ich sehe überall Gawker

In der Rubrik Pressespiegel werde ich mich in unregelmäßigen Abständen mit deutschen Berichten zum Thema #GamerGate auseinandersetzen. Den Anfang macht heute „Unhappy Birthday, #GamerGate“ von Valentina Hirsch. Dieser Artikel war der Tropfen, der mein Fass zum überlaufen gebracht hat, weswegen es jetzt diesen Blog gibt. Die Journalistin arbeitet unter anderem für das 3sat-Magazin „Pixelmacher“, der Artikel ist allerdings auf ihrem persönlichen Blog erschienen.


 

Wenn ich beginne, einen deutschen Artikel zum Thema zu lesen, sorge ich dafür, dass sich meine Erwartungshaltung im negativen Bereich befindet, damit die Enttäuschung nicht zu groß ist. Valentina eröffnet mit einem klassischen Rohrkrepierer:

Worum es eigentlich ging (oder geht), fand ich am besten in diesem Gawker-Post zusammengefasst.

„Gawker“. Muss ich noch mehr sagen? Die Website, von der Mitglieder der „Society of Professional Journalists“ am Samstag in Miami gesagt haben, dass sie auf keinen Fall Inhalte von dort zitieren würden. Die Webseite, die vor wenigen Wochen den Bruder des Ex-Finanzministers der USA als schwul geoutet hat, weil sie es konnte? Die Seite die daraufhin von vielen Medienkollegen beschuldigt wurde, für Clickbait auf jeglichen Anstand zu verzichten?  Was als nächstes, Valentina, „Wie ihr sicher schon aus der „Gala“ wisst“?

Ein Anfang 20-Jähriger ist sich nicht zu blöd, nach dem Bruch mit seiner Freundin selbige öffentlich an den Pranger zu stellen. In einer Reihe von Blogposts beschuldigt er sie, ihn mehrfach betrogen zu haben.

Eron Gjioni beschuldigt Zoe Quinn nicht, ihn betrogen zu haben. Die geposteten Chatlogs zeigen eindeutig, dass sie die Seitensprünge zugegeben hat. Er stellt also fest, dass sie ihn betrogen hat. Wer den Zoepost selbst liest (was ich nach der Lektüre des Artikels für die Autorin bezweifle), sieht das es ihm nicht um Rache ging. Er sah, wie seine Ex-Freundin auf dem Weg war, von der Presse zu einer Heiligen gemacht zu werden und betrachtete es als nötig, der Welt etwas über das wahre Gesicht von Zoe Quinn (Künstlername) zu berichten. Andere Menschen zu warnen, bevor sie auf die gleichen Lügen hereinfallen. Wenn ein Fernsehprediger beim Seitensprung erwischt wird, steigen die Medien darauf ein, und die Menschen, die sich betrogen fühlen, machen ihrem Ärger Luft. Da schert das keinen. Die amerikanische Spielepresse wollte den Spielern Zoe als Galleonsfigur verkaufen und Eron hat die Luft aus dem Lügengebäude gelassen (Danke nochmal!).

Einige ihrer angeblichen Affären waren Games-Journalisten, so dass sich relativ fix eine Verschwörungstheorie bildete, sie habe sich gute Kritiken für ihr Spiel „Depression Quest“ erschleichen wollte.

Diesen Vorwurf lese ich immer wieder, vor allem in der wiederkäuenden Presse. Liebe Valentina, versuchen sie mal, in einem der Diskussions-Hubs der #GamerGate Unterstützer, diese These zu verbreiten. Das Nathan Grayson, der fragliche Journalist, mindestens drei wohlmeinende Artikel über seine Liebschaft geschrieben hat ist dagegen bewiesen. In einer so kleinen Szene wie bei den Independent Games macht Medienöffentlichkeit den Unterschied zwischen einem übersehenen Kleinod und einem Hit. Da reichen im Zweifel drei Artikel, über Quinn sind hunderte erschienen.

Spieler sind Säcke voll heißem Müll

Sie wurde daraufhin öffentlich beschimpft, bedroht, gestalked und floh aus ihrer Wohnung.

Dass es Menschen gibt, die gerade im Internet nicht in der Lage sind, Kritik und Beleidigung zu trennen ist aber bekannt? Das jeder, der mehr als 1000 Follower hat, auch Drohungen und Beleidigungen kriegt auch? Gut! Nicht dass ich den Hass und die ekelhaften Auswüchse im Fall Quinn gut heiße, aber der Umgang der Medien mit der Geschichte ist ein Grundkurs in Legendenbildung: Sie musste aus ihrer Wohnung fliehen… zu einem lang geplanten dreimonatigen Europaufenthalt mit ihrem Partner Alex Lifschitz („Spieler sind Säcke voll heißem Müll, die man aufs Rad flechten sollte“). Es hat Lifschitz auch niemand gezwungen, ihre Feier zum „Sieg über die Nerds“ am 8. September (zu Hochzeit der „Verfolgung“) zu twittern oder Fotos und Videos mit einer Cola-Dose mit dem Schriftzug „Gamer“ zu posten. Die beiden haben das Öl, ach was sag ich, denn Brennspiritus, selber ins Feuer geschüttet. Und daran verdient: Zoes Patreon ist inzwischen auf fast 4000 Mitleidsdollar monatlich angestiegen.

Ja nun. Ein Mensch ist kein Virus, vor dem man warnen muss. Vollkommen unerheblich, was zwischen diesen beiden Menschen wirklich ablief und wer wie viel Schuld auf sich geladen hat: Eigentlich geht das nur diesen beiden was an.

Man stelle sich einfach vor, die Frau eines Mannes, der in der Medienöffentlichkeit als kreativ, sozial engagiert und insgesamt als Vorbild dargestellt wird, veröffentlicht ein Interview, in dem sie die andauernden psychischen Verletzungen in der Beziehung der beiden öffentlich macht. Und Valentina, wie sie auf Twitter sagt: „Das geht doch keinen was an“. Wie viele Morddrohungen würde sie wohl kriegen (von den unzähligen Beleidigungen, die sie erwarten würden, ganz abgesehen)?

Die nachfolgende Debatte um ethische Standards im Games-Journalismus war denn auch eher heuchlerisch und wurde vor allem genutzt, um der Belästigung einer jungen Frau einen gewissermaßen seriösen Anstrich zu geben.

lynnwalsh

Schöne Behauptung, Valentina. Quellen? Gawker? Kotaku (also auch Gawker)? Leigh Alexanders Blog? Also genau jene Medien, mit denen sich #GamerGate im Clinch befindet. Journalismus geht anders. Blogging meiner Meinung nach auch. Wenn ich klar parteiliche Quellen vor mir habe, sollte ich mich auch mit der Gegenseite beschäftigen. Ich hoffe, diese laxe Arbeitsweise fließt nicht auch in gebührenfinanzierte Programme ein.

Nun dürfte es verschiedentlich tatsächlich kritikwürdige Verbindungen zwischen Journalisten und Industrie geben, die legitimerweise anzuprangern sind: Diese Problematik ist bedauerlicherweise in keinem Bereich des Journalismus ein neues oder unbekanntes Problem – im Sport zum Beispiel. Der vorliegende Fall ist aber so ziemlich der allerletzte, der dazu herangezogen werden darf. Um ausgerechnet die eher unbekannte Indie-Entwicklerin Zoe Quinn mit ihrem alles andere als AAA-Spiel als die Spiele-Industrie wahrzunehmen, muss man schon einen IQ unterhalb normaler Raumtemperatur haben.

And diesem Absatz ist praktisch alles falsch. Erstens „dürfte“ es die Verbindungen nicht geben, es gibt sie im Fall der amerikanischen und britischen Spielepresse bewiesenermaßen, das ist nicht erst seit SPJ Airplay klar. Zweitens  wäre „es ist halt wie es ist“ für einen Journalisten in meinem Fernsehsender ein Grund für ein Gespräch über Perspektivenwechsel. Drittens: Der Fall „darf“ nicht herangezogen werden? Was ist das für eine Argumentation? Die Polizei sollte Fällen von Körperverletzung nicht nachgehen, solange es auch Morde gibt?  Viertens: Es geht #GamerGate um „Ethik im Spielejournalismus“, nicht um Ethik in der „Spieleindustrie“. Und Graysons Arbeitgeber Kotaku ist unter den Websites mit der größten Reichweite weltweit in diesem Bereich. In diesem Zusammenhang wird oft davon gesprochen, dass Zoe Quinn der „Franz Ferdinand“ des #GamerGate-Konflikts war. Eine eigentlich eher unbeteiligte Person, ein Auslöser, eine Nebenrolle. Das sie sich dafür soviel Beleidigungen und Beschimpfungen anhören musste ist bedauernswert. Allerdings provoziert sie bis heute immer dann wieder die Unterstützer des Hashtags, wenn es ihr opportun erscheint, ansonsten würde inzwischen wahrscheinlich niemand mehr über sie reden.  Wahrscheinlich ist das ihr schlimmster Albtraum.

Der Vorwurf, AAA-Korruption würde GamerGate nicht interessieren ist auch schon ein Jahr alt, aber immer noch falsch. Das Problem ist, Konzerne verhalten sich ungleich schlauer als die Dilletanten in der Presse. Und wäre es nicht der Job der Journalisten an der Quelle, so etwas aufzudecken?

Im Blogeintrag von Frau Hirsch folgen dann zwei Absätze über den Artikel „Wie Hatespeech das Netz veränderte – und das Netz Hatespeech“ von nerdcore.de. Da ich den selber noch auf der Warmhalteplatte habe, erspare ich dem geneigten Leser die Hipster Poesie mit Perlen wie:

A Shithole formerly known as Netz-Diskurs.

Vorerst.

Megaphon-Chan

Innerhalb der kritisierten amerikanischen Gaming-Presse reagierte man auf die ganze Sache mehrheitlich mit Kopfschütteln. Das resultierte in Artikeln wie dem von Leigh Alexander mit dem Titel „Gamers are over„. Im Grunde geht es darum, dass die Menschen, die heute spielen, keine so homogene Gruppe mehr sind, wie sie das vielleicht mal war. Ein bisschen hilflos-verzweifelt wirkt der Tonfall von Leigh Alexander allerdings schon, denn wenn man sich mit seiner Zielgruppe auseinandersetzt, könnte einem das schon vorher aufgefallen sein.

Hilflos verzweifelt? „Stumpfsinnige Kackschleudern“ hört sich für mich eher nach hirnlos aggressiv an. Außerdem ist „reagierte“ in diesem Zusammenhang das falsche Wort. Man führte einen Plan aus, der so schon seit über einem Jahr in der Schublade lag. In ihrem „Offenen Brief an die Spielemedien“ hatte die bekennende Männer-Hasserin Samantha Allen den Plan schon 2013 dargelegt:

Ihre werdet eure Leser verärgern, wenn ihr diesen Standpunkt [die Spielemedien müssten diversifiziert und gegendert werden] einnehmt. Manche von ihnen werden eure Seite verlassen. Bei einigen ist die Drohung, für immer zu gehen nicht einmal eine leere. NeoGaf und Reddit werden euch auch kritisieren. 4Chan wird die gleichen hässlichen Threads über euch machen, die sie über mich und meine Freunde machen.

Macht es. Schreckt sie ab. Trefft jetzt die Entscheidung, dass sie eure Zeit nicht wert sind und das die Werbegelder, die ihr an ihnen verdient, die vergiftete Atmosphäre, die sie erzeugen nicht aufwiegt. Sie sind es nicht wert, das eure Seiten weiterhin für Menschen, die keine weißen Männer sind, als unsichere Orte gelten.

Man hat sich von einer Gender-Extremistin einen Aktionsplan verkaufen lassen und ihn ausgeführt. Nur leider hat Samantha Allen bei den Berechnungen des Widerstands wohl falsche Zahlen gehabt…

Dann kommt endlich mein Lieblingssong: „Wenn alle Menschen Gamer sind, ist’s keiner“. Gähn.

Es gibt ihn nicht mehr, DEN GAMER. Daran müssen sich wohl viele erst gewöhnen und zwar offenbar Journalisten ebenso wie Menschen, die mehr oder weniger viel spielen. Man spricht ja auch nicht von DEN LESERN oder DEN MUSIKFANS. Das macht schlicht keinen Sinn, weil sich nun mal jeder für etwas anderes interessiert.

Ja, so wie es den Opernkenner nicht gibt, den Angelexperten, den Fussballfan, die Leseratte, den Metaler, den Fitness-Fanatiker… reicht? OK. Wenn alle schreiben, gibt es dann noch Journalisten? Ich hör ja schon auf.

Nur eines sollten wir alle nicht tun: Uns den Mund verbieten und das Internet wegnehmen zu lassen. Von keinem Troll und keiner Zensurbehörde, von keinem Groß-Unternehmen und keiner Lobby-Gruppe, von keinem Gamergator und keinem sonstigem Halbhirn.

Genau! Wir lassen uns den Mund nicht verbieten, von keiner Bloggerin, von keinem recherchefaulen Journalisten und von keiner engelsgleichen Leitfigur mit Leichen im Keller. Nett auch das „und sonstige Halbhirn“, hatte hier nicht ein paar Absätze oben noch jemand gejammert, weil Menschen im Netz böse Sachen zueinander sagen?Aber dieses „zweierlei Maßstäbe“-Ding zieht sich ja durch die ganze Diskussion. Weil Gegner des Hashtags glauben, sie wüssten es besser als die „GamerGators“ und sich im Besitz der unveräußerlichen, von Gott direkt verliehenen Wahrheit wähnen, fallen ihnen ihre eigene Doppelzüngigkeit und Heuchelei gar nicht mehr auf.

Besonnene, kluge Anmerkungen? You are welcome.

Übersetzung aus dem Besserwisserischen: Wer mir zustimmen will, kann das in den Kommentaren gerne tun.

 

 

Uninformiert, ideologisch offenbar voll auf Linie und bereit die Wahrheit hier und da zu beugen, um die persönlichen Vorurteile aufrecht zu erhalten. Traurig. Vor allem wenn es von einer Journalistin kommt.

 

 

 

 

 

 

 

 

In Devin Wilsons Kopf – Teil 2

‚CandyCrush‘ ist total hardcore!

In dieser Artikelreihe beschäftige ich mich mit dem Artikel ‚A Guide to ending Gamers‘ (‚Eine Anleitung wie man das Ende der Gamer herbeiführt‘) von Devin Wilson. Wilsons Artikel, am 28. August 2014 auf Gamasutra erschienen, war Teil des Medienblitzkriegs mit dem Tenor ‚Gamer sollten nicht mehr die primäre Kundschaft der Spieleindustrie sein‘. 16 Artikel innerhalb von wenigen Tagen sollten das Ende der ‚hyperkapitalistischen‘ Gamerkultur besiegeln und Wilson (er arbeitet an seinem Doktor in Medienwissenschaften) wollte offensichtlich das Manifest für diesen Putsch schreiben.

Er arbeitet sich in achtzehn Punkten durch die ideologische Basis dieser feindlichen Übernahme und ich werde mich Punkt für Punkt (wenn auch nicht in Wilsons Reihenfolge) mit den Vorschlägen beschäftigen, die er seinen Kollegen in der Spieleindustrie macht. Weiter geht es heute mit Punkt 8: Casual contra Hardcore. Hier Wilsons Text:

8. Wir werden die Einteilung in Hardcore und Casual los. Diese Einteilung ist kompletter Müll und kommt nur aus drei Gründen zur Anwendung: 1) Um sich anderen überlegen zu fühlen, 2) sich in tragischer Weise den ungerechten Hierarchien des Spiels zu unterwerfen oder 3) um Produkte zu verkaufen (was effektiv die beiden anderen Punkte noch verstärkt). Nebenbei was ist eher ein ‚Gelegenheitsspiel‘: Wenn man ein Mobile Game über Jahre spielt um es zu meistern oder wenn man den Samstag damit verbringt sich den neuesten Mordsimulator zu kaufen und durchzuspielen, von dem du überzeugt bist, dass du ihn spielen musst?

Wenn ich die Zitate fertig übersetzt habe, sitze ich immer einen Moment da und schüttle den Kopf, genauso wie vor einem Jahr, als ich sie zum ersten Mal gelesen habe. Wieder kommt das bekannte Lied ‚Wenn alle Menschen Gamer sind, ist’s keiner‘ zur Aufführung. Wilson übersieht allerdings, dass es den Gegensatz zwischen leidenschaftlichen Fans und peripher interessierten Menschen praktisch in jedem Feld gibt. Niemand würde sich dazu versteigen, jemand einen Filmfreak zu nennen, weil er sich jeden Sonntag den ‚Tatort‘ anschaut. Der eine investiert seine Freizeit zu großen Teilen in sein Hobby, besucht Festivals, liest Magazine und kann Sergej Eisenstein von Michael Bay unterscheiden. Der andere schaltet Sonntags seinen Fernseher ein und schaut sich einen Film an, ohne auch nur über den Regisseur oder das Drehbuch nachzudenken.  Weil alle Menschen jetzt Auto fahren gibt es keine Autonarren mehr? John Cleese würde Devins Äußerung zweifellos als: ’symbolisch für sein Ringen gegen die Realität‘ bezeichnen.

Verfestigen toxische Hierarchien: Autonarren. Foto: gamergateblog.de

Verfestigen toxische Hierarchien: Autonarren. Foto: gamergateblog.de

Allerdings habe ich bisher nicht bemerkt, das sich CasualGamer irgendeiner Form von Hierarchie hätten unterwerfen müssen. Ich wage sogar zu behaupten, das es den typischen ‚CandyCrush‘-Spieler – genau wie den ‚Tatort‘-Gucker – nicht einmal interessiert das es da draußen Filmfreaks oder Hardcore-Gamer gibt. Oder das Devin Wilson einen heiligen Kreuzzuug anführt, um ihn aus der Knechtschaft derselbigen zu befreien. Er oder Sie wird einfach weiter ‚CandyCrush‘ spielen und ‚Tatort‘ schauen. Die Hardcore-Gamer kümmern sich derweil um Spiele wie ‚Darksouls 2‘ und fühlen sich dabei ein kleines bisschen überlegen, wie der Filmfreak, der eine Anspielung entdeckt hat, die dem Rest des Kinos entgangen ist. Und wem wird dabei weh getan? Niemandem. Außer vielleicht Devin Wilsons Gefühlen. Damit kann ich leben.

Die Konsum-Komponente kommt ebenfalls in fast jedem Bereich des täglichen Lebens zum tragen – ich könnte wetten, dass Mr.Wilson – wie jeder gute Hipster – seine Theorien auf einem Gerät der Firma Apple tippt (um das Klischee zu vervollständigen muss er dabei aber noch zwingend einen Pumpkin-Latte-Frappucino trinken). Dieser Themenkomplex bekommt in einem der nächsten Teile dieser Serie noch seinen Platz im Rampenlicht.

Dann wäre da noch der ‚Mordsimulator‘. Wieder lugt hinter dem dünnen Mäntelchen aus ‚Spiele müssen erwachsen werden‘ die hässliche Fratze der Zensur hervor. Wer die Unterhaltungsformen anderer Menschen selbstherrlich mit solchen Floskeln versieht zeigt meiner Auffassung nach kein Bestreben eine Kulturform zu bereichern. Er zeigt das gleiche Unverständnis wie die Kriegsgeneration beim Anblick von Elvis‘ Hüftschwung. Und diesem Unverständnis ist bisher immer der Ruf nach einem Verbot gefolgt.

Abschließendes Urteil: Ich werde das sofort auf meiner unsichtbaren Schreibmaschine protokollieren!

Im nächsten Teil befasse ich mich mit Punkt 2: Wir hören auf jene, die weniger privilegiert sind als wir.

 

 

Das ZDF korrigiert heimlich einen Beitrag zu #GamerGate

Das zweite deutsche Fernsehen – ein vom Gebührenzahler finanzierter Abenteuerspielplatz für Journalisten mit angeschlossenem Altersheim. Zur Gamescom ist dort der Artikel „Mach mir ein Sandwich, Schlampe – Gamescom ohne GamerGate“ erschienen. Heute ist mir, zusammen mit den anderen Teilnehmern im deutschen #GamerGate-Stream aufgefallen, dass sich der Artikel klammheimlich in einem Detail geändert hat. Neben den üblichen nachgeplapperten Vorurteilen hat der Autor Torsten Kleinz nämlich den Lieblingsfehler aller Journalisten in diesem Zusammenhang gemacht: Er hat geschrieben, Eron Gjioni habe im Zoepost behauptet, seine Ex habe für gute Reviews ihres Spiels mit Journalisten geschlafen.

Damit hat Kleinz es bis /r/KotakuinAction gebracht und einige User haben dort ihre Absicht kundgetan, sich zu beschweren. Bei der Veröffentlichung lautete der betreffende Satz:

Er beschuldigte seine Ex-Freundin, sie habe ihn mit einem Journalisten betrogen, um gute Kritiken für ihr Spiel „DepressionQuest“ zu bekommen.

 

Nun lautet er:

„Er beschuldigte seine Ex-Freundin, sie habe ihn mit einem Journalisten betrogen. Die Entwicklerin wurde daraufhin in einem Shitstorm beschuldigt, dass sie deshalb gute Kritiken für ihr Spiel „DepressionQuest“ bekommen habe.“

 

Zwar gibt es jetzt keine üble Nachrede gegen Gjioni mehr, aber eine richtige Korrektur geht anders, das haben wir gerade bei SPJAirplay gelernt. Unaufgefordert, gut sichtbar und sofort nachdem der Fehler bemerkt wurde. Das übt Torsten Kleinz wohl besser noch.


Archive: Vorher Nachher

In Devin Wilsons Kopf – Teil 1

Spaß ist ein neurologischer Trick.

In dieser Artikelreihe beschäftige ich mich mit dem Artikel ‚A Guide to ending Gamers‘ (‚Eine Anleitung wie man das Ende der Gamer herbeiführt‘) von Devin Wilson. Wilsons Artikel, am 28. August 2014 auf Gamasutra erschienen, war Teil des Medienblitzkriegs mit dem Tenor ‚Gamer sollten nicht mehr die primäre Kundschaft der Spieleindustrie sein‘. 16 Artikel innerhalb von wenigen Tagen sollten das Ende der ‚hyperkapitalistischen‘ Gamerkultur besiegeln und Wilson (er arbeitet an seinem Doktor in Medienwissenschaften) wollte offensichtlich das Manifest für diesen Putsch schreiben.

Er arbeitet sich in achtzehn Punkten durch die ideologische Basis dieser feindlichen Übernahme und ich werde mich Punkt für Punkt (wenn auch nicht in Wilsons Reihenfolge) mit den Vorschlägen beschäftigen, die er seinen Kollegen in der Spieleindustrie macht. Heute beginnen wir mit Punkt 11: Spaß. Hier ist, was Devin Wilson dazu zu sagen hat:

11. Wir hören auf ‚Spaß‘ weiterhin als das universelle, ultimative Kriterium für die Relevanz eines Spiels zu betrachten. Spaß ist im besten Falle ein sinnloses Ideal und im schlimmsten Falle eine vergiftete Priorität. Spaß ist ein neurologischer Trick. Viele vollkommen ungesunde Dinge machen ‚Spaß‘. Wir sollten nach mehr streben. Viele der Alternativen werden ähnlich schwammige Definitionen haben, aber wir sollten uns um Eigenschaften wie ‚erbaulich‘, ‚heilend‘, ‚pro-sozial‘ oder gar ‚erleuchtend‘ bemühen. Ich ermutige euch, eure eigenen Alternativen zu ‚Spaß‘ in Spielen zu finden (während ihr auf Ausdrücke wie ‚cool‘ oder ‚großartig‘  oder andere Wörter verzichtet, die nur dazu da sind bereits vorhandene, nicht hinterfragte Vorurteile zu bedienen).

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Viele ungesunde Dinge machen Spaß – für deutsche Ohren klingt das nach einem Veggie-Day für Spiele. Zuerst einmal: Wenn etwas Spaß in seiner Rolle als eines der Hauptkriterien für die Einschätzung der Qualität eines Spieles ablösen soll und dann wird es sehr schnell eng für die Spieleindustrie. Nach wie vor sind deren Kunden nun einmal an Unterhaltung interessiert und traditionell läuft Spaß da besser als Erbaulichkeit oder eine heilende Wirkung. Aber das ist Wilson wahrscheinlich egal, er ist ein Erleuchteter, er will das Alte niederreißen um auf den Trümmern eine neue Spielewelt nach seinen Vorstellungen zu errichten.

Machen zuviel Spaß: Karussells. Foto: gamergateblog.de

Machen zuviel Spaß: Karussells. Foto: gamergateblog.de

Und zweitens: Spiele, wie Devin Wilson sie sich vorstellt gibt es bereits. Hunderte. Tausende.  Gerade ist mit großer Medienbegleitung das Spiel ‚Sunset‘ vom Indie-Duo ‚Tale of Tales‘  erschienen. In diesem spielt der Spieler eine schwarze Ingenieurin, die sich während einer Rebellion in einer Bananenrepublik als Putzfrau durchschlagen muss und gleichzeitig ihren Bruder retten will, der mit den Revolutionären im Bunde ist. Klingt nach einer durchaus spannenden Story. Nach der Veröffentlichung haben ‚Tale of Tales‘ Pleite gemacht und sich mit folgenden letzten Worten aus der Spieleindustrie verabschiedet:

Perfekt. Lebt wohl, Gamer.Mögt ihr die selben Todesqualen leiden, die ihr tausenden wehrlosen virtuellen Kreaturen angetan habt.

In ‚Sunset‘ räumt man die Wohnung eines geheimnisvollen Fremden auf. Man putzt die Fenster. Man sortiert Kartons. Man sieht sich selbst ständig in spiegelnden Oberflächen, damit man ja nicht vergisst, dass man eine schwarze Frau spielt. An manchen Stellen kann man innehalten und sich die Gedanken der Hauptperson anhören. Man läuft endlos durch die Wohnung auf der Suche nach einem Spiel. Aber da ist kein Spiel, nur ein langweiliger Arthouse-Film in dem man herumlaufen kann.  Obwohl die üblichen Seiten das Spiel gelobt und angepriesen haben hat ‚Sunset‘ nur 4000 Einheiten verkauft bevor die Entwickler einen antikapitalistischen Meltdown auf Twitter hatten, weil sie nicht genug Geld verdient haben um sich ausreichend vom Publikum gewürdigt zu fühlen. Woran kann das nur gelegen haben? War es nicht erleuchtend genug? Hat es ausreichend heilende Wirkung gehabt? Hat am Ende jemand in einer Rezension Worte wie ‚cool‘ oder ‚großartig‘ benutzt? Wie der geneigte Leser sich bereits denken kann, war es kein ganz so esoterischer Grund, der ‚Tale of Tales‘ das Genick gebrochen hat: Das verdammte Ding hat einfach kaum jemandem Spaß gemacht.

Und damit wollen sich Journalisten wie Devin Wilson genauso wenig abfinden wie Auriea Harvey und Michaël Samyn, die ehemaligen Mitglieder des ehemaligen Studios ‚Tale of Tales‘. Während letztere auf den Boden stampfen und die Luft anhalten bis ihnen endlich jemand Geld für ein neues Kunstprojekt gibt, versuchen Ideologen wie Wilson eine Veränderung herbei zu schreiben, man will fast sagen, herbei zu beten. Denn wie viele Leute Interesse am ‚Erwachsenwerden der Videospielbranche‘ und ’spaßfreien Videospielen‘ haben, kann man ziemlich genau sagen: Nicht viel mehr als 4000.

Abschließendes Urteil: Fun ist ein Stahlbad!

Im nächsten Teil befasse ich mich mit Punkt 8: Wir werden die Einteilung in Hardcore und Casual los!

 

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