Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache auf deepfreeze.it und wird hier mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.
Ein große Zahl bekannter Spielejournalisten von konkurrierenden Publikationen haben in der Mailing-Liste „Game Journalism Professionals“ hinter verschlossenen Türen diskutiert.
Kurz bevor die Liste nach ihrer Entdeckung und der darauffolgenden Empörung aufgelöst wurde, zählte sie fast 150 Mitglieder. Die meisten davon Journalisten, ehemalige Journalisten oder Freelancer bei hoch gehandelten Publikationen wie Vox Media (Polygon und the Verge), Gawker (Kotaku), Gamasutra, Joystiq, IGN oder dem Besitzer von Reddit, Condé Nast (Ars Technica und Wired).
Auf der Liste fanden sich die Chefredakteure von fünf der größten Namen in den Spielemedien, der damalige Chairman des Indie Game Festivals, einige Mainstream-Journalisten und sogar ein paar PR-Mitarbeiter von Spiele-Publishern.
Während die Mitgliedschaft für sich alleine noch keinen Beweis für eine Verfehlung darstellt, gab es innerhalb der Gruppe doch einige verdächtige Vorgänge.
Gruppenzwang und Vetternwirtschaft
Die von Ars Technicas Senior Gaming Editor, Kyle Orland, gegründete Gruppe unterlag strikten Regeln zur Geheimhaltung. Der Gründer selbst gibt zu, von der umstrittenen Journo-List inspiriert worden zu sein, einer Mailing-Liste unter Mainstream-Journalisten, gegründet vom momentanen Vox-Chefredakteur. Als sie 2009 aufflog, verursachte das einen handfesten Skandal und beendete Karrieren.
Eine der einflussreichsten Stimmen in der Gruppe war Ben Kuchera, früher bei Ars Technica, heute bei Polygon. Kyle Orland stellt fest: „Ich würde ohne Ben Kucheras Empfehlung wohl nicht die Position bekleiden, in der ich heute bin“. Es gibt auch Vorwürfe, nach denen Kuchera selbst durch das Networking in der GameJournoPros-Gruppe in seine jetzige Position gekommen ist, da der Chefredakteur von Polygon, Chris Grant, ebenfalls ein Mitglied war.
Nach der Endtdeckung der GameJournoPros im September 2014 bestritten Orland und andere Mitglieder den Vorwurf der Absprache und behaupteten sogar, GameJournoPros sei ein wichtiges Hilfsmittel, um Rat und Hilfe in ethischen Fragen zu erhalten. Andere Mitglieder scheinen anders darüber zu denken, das ehemalige Mitglied Ryan Smith gibt an, dass „der informelle Druck, sich dem Gruppendenken zu unterwerfen“ sehr stark war. Als Smith das Gespräch mit Vertretern der damals noch jungen #GamerGate_Revolte suchte, wurde er von Mitgliedern der GameJournoPros beleidigt, auf Twitter geblockt und sogar seine Kollegen und Vorgesetzten wurden kontaktiert, um ihn mundtot zu machen.
Zensur
Im August 2014 wurde gegen das GameJournoPros-Mitglied Nathan Grayson (Kotaku) der Vorwurf erhoben, positiv voreingenommen über eine Spieleentwicklerin berichtet zu haben, mit der er eine sexuelle Beziehung hatte.
Kyle Orland rief einen GameJournoPros-Thread ins Leben, um dort zu debattieren, ob es besser sei, die Diskussion des Skandals selbst zu zensieren, oder ob die Mitglieder der Gruppe lieber kollektiv die Entwicklerin unterstützen sollten, deren Privatleben durch den Skandal in die Öffentlichkeit gerückt war.
Bald stand Greg Tito, der damalige Chefredakteur von the Escapist, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Er hatte um Rat gefragt, wie er mit der zivilen, stark reglementierten Diskussion in den Foren seiner Seite umgehen sollte, er wollte wissen, ob es besser sei, diese zu beenden. Viele Mitglieder setzten ihn unter Druck, die Diskussion zu unterbinden, darunter Graysons Kollege Jason Schreier, aber vor allem Ben Kuchera.
Kuchera, der die in den Skandal verstrickte Entwicklerin über Patreon finanzierte, hatte sie bereits ohne Offenlegung dieser Tatsache mit einer Veröffentlichung auf Polygon gefördert. Er vertrat klar die Meinung, die Diskussion müsse beendet werden, sonst mache sich the Escapist mitschuldig an den Belästigungen. Auf besorgte Nachfragen nannte er die Zensur eine „rein technische Angelegenheit“ und benahm sich peinlich, als Tito entschied, die Threads offen zu lassen.
In der Zwischenzeit wollten Orland und andere Journalisten die Entwicklerin unterstützen. Es gab eine Debatte, ob die Gruppe ihr einen Brief mit den Unterschriften der Mitglieder schicken sollte. Als einige Mitglieder darauf hinwiesen, das eine solche Aktion unangemessen wäre, wurde der Plan eingestampft. Selbst Jason Schreier merkte an, das „dieser Zwischenfall doch schon genug Fragen über das inzestuöse Verhältnis zwischen der Presse und den Entwicklern aufgeworfen hat“.
Im August 2015 gibt es immer noch eine Diskussion über Ehik in der Spielepresse, sie ist immer größer geworden und trägt den Namen „GamerGate“. In diesem Jahr wurden weitere Skandale aufgedeckt, unter anderem ein großes Netzwerk voreingenommener Veröffentlichungen über Freunde – bei Kotaku und anderen Publikationen – und die GameJournoPros selbst. Die Foren von the Escapist sind immer noch einer der wenigen Orte, die Diskussionen über diese Dinge zulassen während sie anderenorts streng zensiert werden.
Schwarze Listen
Der Destructoid-Journalist Allistair Pinsof deckte 2013 eine Täuschung auf der Crowdfunding-Website Indiegogo auf. Eine Indie-Entwicklerin hatte versucht ihre Geschlechtsumwandlung zu finanzieren, indem sie angab, es handele sich um einen lebenswichtigen Eingriff. Weil die Entwicklerin in diesem Zusammenhang als Transgender geoutet wurde, gab es heftige Reaktionen. Obwohl es wenige Unterstützer für diesen Kurs gab feuerte Destructoid-CEO Yanier „Niero“ Gonzalez Pinsof, selbst die Entwicklerein, bei der sich Pinsof in der Zwischenzeit entschuldigt hatte, konnte ihn nicht umstimmen.
Der Skandal flammte 2014 wieder auf, als Email-Leaks von Pinsof und den GameJournoPros auftauchten in denen es viele Hinweise auf fragwürdiges Verhalten des Destructoid-Managements gab.
Gonzales Behauptung, er habe Pinsof verboten, die Story zu veröffentlichen erwiesen sich als falsch. Außerdem hat er das Datum der Kündigung bewusst vage gehalten und versucht Pinsofs Kündigung mit Dingen zu rechtfertigen, die erst passiert waren, als Pinsof schon nicht mehr für Destructoid arbeitete. Zusätzlich hat er die Kündigung hinter den Kulissen mit den GameJournoPros diskutiert und gedroht, Pinsof in Verruf zu bringen, sollte er versuchen, sich öffentlich zu verteidigen.
Aber es kommt noch besser: Gleich nach dem Pinsof gefeuert worden war bat Chefredakteur Dale North Mitglieder der GameJournoPros-Gruppe ihm weder eine Anstellung noch eine Möglichkeit zu geben, seine Sicht der Dinge darzustellen. Und Pinsof wurde tatsächlich einfach ignoriert. Kurz nach dem Leak der Emails verließ North Destructoid. Er gab Meinungsverschiedenheiten mit dem Management als Grund an.
Ein anderer, neuerer Leak zeigt, das zwei Monate später noch jemand auf der schwarzen Liste der GameJournoPros landete. Diesmal war das Ziel eine Person aus der Unterhaltungsindustrie: Kevin Dent.
Es war Patrick Klepek, damals bei GiantBomb, der vorschlug, die GameJournoPros sollten gemeinschaftlich aufhören, Dent zu zitieren. Er wurde dabei von mehreren Mitgliedern wie seinem Kollegen Alex Navarro unterstützt. Dieser sagte den GameJournoPros das „die gesamte Industrie besser dran wäre, wenn wir einfach vergessen das er [Dent] existiert“.
Dent – der vorher regelmäßig zitiert wurde – verschwand nach dieser Diskussion von den Webseiten der GameJournoPros.
Die GameJournoPros schien Klepeks Vorschlag nicht sonderlich zu überraschen und andere Leaks zeichnen ein Bild von einer Gruppe, in der es wohl als normal angesehen wurde, die Karriere eines Menschen wegen einer Meinungsverschiedenheit zu zerstören.
Im Mai 2014 hatte ein aufstrebender Spieleentwickler mit weniger als 30 Followern ein abweichende Meinung zu einem Artikel des niederländischen Spielepromoters und Gamasutra-Gastautors Rami Ismail. Dieser antwortete mit „Bullying“ und „dem Versuch einen Lynchmob aufzustellen“ (zufälligerweise in den Worten eines hier unbeteiligten Kevin Dent). Ismail kontaktierte sogar die Universität des Betreffenden, während sich Leigh Alexander in einem oft zitierten Tweet an der Attacke beteiligte. Sie drohte „ein Exempel“ an dem Entwickler „zu statuieren“ und warnte ihn „vorsichtig“ zu sein, wenn er einer Person mit ihrem Einfluss streiten wolle – in ihren Worten „ein Megaphon„.
Das diese Meinungsverschiedenheit ernste Folgen hatte, schien für Mitglieder der GameJournoPros auf der Hand zu liegen. Ben Kuchera kommentierte, er sehe dabei zu „wie jemand seine beginnende Karriere in den sozialen Netzwerken niederbrennt„, während im Thread der Mailing-Liste Kommentare über diesen „Karriere-Selbstmord“ gemacht wurden, als sei das eine zu erwartende Konsequenz für eine abweichende Meinung.
Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache auf deepfreeze.it, einer Seite, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die ethischen Verfehlungen im Spielejournalismus zu katalogisieren.
gamergateblog.de dankt @bonegolem und dem Team von deepfreeze.it für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung dieser Übersetzung.
Grafik: deepfreeze.it