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Die Geheimnisse der „GameJournoPros“

Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache auf deepfreeze.it und wird hier mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

Ein große Zahl bekannter Spielejournalisten von konkurrierenden Publikationen haben in der Mailing-Liste „Game Journalism Professionals“ hinter verschlossenen Türen diskutiert.

Kurz bevor die Liste nach ihrer Entdeckung und der darauffolgenden Empörung aufgelöst wurde, zählte sie fast 150 Mitglieder. Die meisten davon Journalisten, ehemalige Journalisten oder Freelancer bei hoch gehandelten Publikationen wie Vox Media (Polygon und the Verge), Gawker (Kotaku), Gamasutra, Joystiq, IGN oder dem Besitzer von Reddit, Condé Nast (Ars Technica und Wired).

Auf der Liste fanden sich die Chefredakteure von fünf der größten Namen in den Spielemedien, der damalige Chairman des Indie Game Festivals, einige Mainstream-Journalisten und sogar ein paar PR-Mitarbeiter von Spiele-Publishern.

Während die Mitgliedschaft für sich alleine noch keinen Beweis für eine Verfehlung darstellt, gab es innerhalb der Gruppe doch einige verdächtige Vorgänge.

Gruppenzwang und Vetternwirtschaft

Die von Ars Technicas Senior Gaming Editor, Kyle Orland, gegründete Gruppe unterlag strikten Regeln zur Geheimhaltung. Der Gründer selbst gibt zu, von der umstrittenen Journo-List inspiriert worden zu sein, einer Mailing-Liste unter Mainstream-Journalisten, gegründet vom momentanen Vox-Chefredakteur. Als sie 2009 aufflog, verursachte das einen handfesten Skandal und beendete Karrieren.

Eine der einflussreichsten Stimmen in der Gruppe war Ben Kuchera, früher bei Ars Technica, heute bei Polygon. Kyle Orland stellt fest: „Ich würde ohne Ben Kucheras Empfehlung wohl nicht die Position bekleiden, in der ich heute bin“. Es gibt auch Vorwürfe, nach denen Kuchera selbst durch das Networking in der GameJournoPros-Gruppe in seine jetzige Position gekommen ist, da der Chefredakteur von Polygon, Chris Grant, ebenfalls ein Mitglied war.

Nach der Endtdeckung der GameJournoPros im September 2014 bestritten Orland und andere Mitglieder den Vorwurf der Absprache und behaupteten sogar, GameJournoPros sei ein wichtiges Hilfsmittel, um Rat und Hilfe in ethischen Fragen zu erhalten. Andere Mitglieder scheinen anders darüber zu denken, das ehemalige Mitglied Ryan Smith gibt an, dass „der informelle Druck, sich dem Gruppendenken zu unterwerfen“ sehr stark war. Als Smith das Gespräch mit Vertretern der damals noch jungen #GamerGate_Revolte suchte, wurde er von Mitgliedern der GameJournoPros beleidigt, auf Twitter geblockt und sogar seine Kollegen und Vorgesetzten wurden kontaktiert, um ihn mundtot zu machen.

Zensur

Im August 2014 wurde gegen das GameJournoPros-Mitglied Nathan Grayson (Kotaku) der Vorwurf erhoben, positiv voreingenommen über eine Spieleentwicklerin berichtet zu haben, mit der er eine sexuelle Beziehung hatte.

Kyle Orland rief einen GameJournoPros-Thread ins Leben, um dort zu debattieren, ob es besser sei, die Diskussion des Skandals selbst zu zensieren, oder ob die Mitglieder der Gruppe lieber kollektiv die Entwicklerin unterstützen sollten, deren Privatleben durch den Skandal in die Öffentlichkeit gerückt war.

Bald stand Greg Tito, der damalige Chefredakteur von the Escapist, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Er hatte um Rat gefragt, wie er mit der zivilen, stark reglementierten Diskussion in den Foren seiner Seite umgehen sollte, er wollte wissen, ob es besser sei, diese zu beenden. Viele Mitglieder setzten ihn unter Druck, die Diskussion zu unterbinden, darunter Graysons Kollege Jason Schreier, aber vor allem Ben Kuchera.

Kuchera, der die in den Skandal verstrickte Entwicklerin über Patreon finanzierte, hatte sie bereits ohne Offenlegung dieser Tatsache mit einer Veröffentlichung auf Polygon gefördert. Er vertrat klar die Meinung, die Diskussion müsse beendet werden, sonst mache sich the Escapist mitschuldig an den Belästigungen. Auf besorgte Nachfragen nannte er die Zensur eine „rein technische Angelegenheit“ und benahm sich peinlich, als Tito entschied, die Threads offen zu lassen.

In der Zwischenzeit wollten Orland und andere Journalisten die Entwicklerin unterstützen. Es gab eine Debatte, ob die Gruppe ihr einen Brief mit den Unterschriften der Mitglieder schicken sollte. Als einige Mitglieder darauf hinwiesen, das eine solche Aktion unangemessen wäre, wurde der Plan eingestampft. Selbst Jason Schreier merkte an, das „dieser Zwischenfall doch schon genug Fragen über das inzestuöse Verhältnis zwischen der Presse und den Entwicklern aufgeworfen hat“.

Im August 2015 gibt es immer noch eine Diskussion über Ehik in der Spielepresse, sie ist immer größer geworden und trägt den Namen „GamerGate“. In diesem Jahr wurden weitere Skandale aufgedeckt, unter anderem ein großes Netzwerk voreingenommener Veröffentlichungen über Freunde – bei Kotaku und anderen Publikationen – und die GameJournoPros selbst. Die Foren von the Escapist sind immer noch einer der wenigen Orte, die Diskussionen über diese Dinge zulassen während sie anderenorts streng zensiert werden.

Schwarze Listen

Der Destructoid-Journalist Allistair Pinsof deckte 2013 eine Täuschung auf der Crowdfunding-Website Indiegogo auf. Eine Indie-Entwicklerin hatte versucht ihre Geschlechtsumwandlung zu finanzieren, indem sie angab, es handele sich um einen lebenswichtigen Eingriff. Weil die Entwicklerin in diesem Zusammenhang als Transgender geoutet wurde, gab es heftige Reaktionen. Obwohl es wenige Unterstützer für diesen Kurs gab feuerte Destructoid-CEO Yanier „Niero“ Gonzalez Pinsof, selbst die Entwicklerein, bei der sich Pinsof in der Zwischenzeit entschuldigt hatte, konnte ihn nicht umstimmen.

Der Skandal flammte 2014 wieder auf, als Email-Leaks von Pinsof und den GameJournoPros auftauchten in denen es viele Hinweise auf fragwürdiges Verhalten des Destructoid-Managements gab.

Gonzales Behauptung, er habe Pinsof verboten, die Story zu veröffentlichen erwiesen sich als falsch. Außerdem hat er das Datum der Kündigung bewusst vage gehalten und versucht Pinsofs Kündigung mit Dingen zu rechtfertigen, die erst passiert waren, als Pinsof schon nicht mehr für Destructoid arbeitete. Zusätzlich hat er die Kündigung hinter den Kulissen mit den GameJournoPros diskutiert und gedroht, Pinsof in Verruf zu bringen, sollte er versuchen, sich öffentlich zu verteidigen.

Aber es kommt noch besser: Gleich nach dem Pinsof gefeuert worden war bat Chefredakteur Dale North Mitglieder der GameJournoPros-Gruppe ihm weder eine Anstellung noch eine Möglichkeit zu geben, seine Sicht der Dinge darzustellen. Und Pinsof wurde tatsächlich einfach ignoriert. Kurz nach dem Leak der Emails verließ North Destructoid. Er gab Meinungsverschiedenheiten mit dem Management als Grund an.

Ein anderer, neuerer Leak zeigt, das zwei Monate später noch jemand auf der schwarzen Liste der GameJournoPros landete. Diesmal war das Ziel eine Person aus der Unterhaltungsindustrie:  Kevin Dent.

Es war Patrick Klepek, damals bei GiantBomb, der vorschlug, die GameJournoPros sollten gemeinschaftlich aufhören, Dent zu zitieren. Er wurde dabei von mehreren Mitgliedern wie seinem Kollegen Alex Navarro unterstützt. Dieser sagte den GameJournoPros das „die gesamte Industrie besser dran wäre, wenn wir einfach vergessen das er [Dent] existiert“.

Dent – der vorher regelmäßig zitiert wurde – verschwand nach dieser Diskussion von den Webseiten der GameJournoPros.

Die GameJournoPros schien Klepeks Vorschlag nicht sonderlich zu überraschen und andere Leaks zeichnen ein Bild von einer Gruppe, in der es wohl als normal angesehen wurde, die Karriere eines Menschen wegen einer Meinungsverschiedenheit zu zerstören.

Im Mai 2014 hatte ein aufstrebender Spieleentwickler mit weniger als 30 Followern ein abweichende Meinung zu einem Artikel des niederländischen Spielepromoters und Gamasutra-Gastautors Rami Ismail. Dieser antwortete mit „Bullying“ und „dem Versuch einen Lynchmob aufzustellen“ (zufälligerweise in den Worten eines hier unbeteiligten Kevin Dent). Ismail kontaktierte sogar die Universität des Betreffenden, während sich Leigh Alexander in einem oft zitierten Tweet an der Attacke beteiligte. Sie drohte „ein Exempel“ an dem Entwickler „zu statuieren“ und warnte ihn „vorsichtig“ zu sein, wenn er einer Person mit ihrem Einfluss streiten wolle – in ihren Worten „ein Megaphon„.

Das diese Meinungsverschiedenheit ernste Folgen hatte, schien für Mitglieder der GameJournoPros auf der Hand zu liegen. Ben Kuchera kommentierte, er sehe dabei zu „wie jemand seine beginnende Karriere in den sozialen Netzwerken niederbrennt„, während im Thread der Mailing-Liste Kommentare über diesen „Karriere-Selbstmord“ gemacht wurden, als sei das eine zu erwartende Konsequenz für eine abweichende Meinung.


 

Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache auf deepfreeze.it, einer Seite, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die ethischen Verfehlungen im Spielejournalismus zu katalogisieren.

gamergateblog.de dankt @bonegolem und dem Team von deepfreeze.it für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung dieser Übersetzung.

Grafik: deepfreeze.it

 

 

Herr Doktor, ich sehe überall Gawker

In der Rubrik Pressespiegel werde ich mich in unregelmäßigen Abständen mit deutschen Berichten zum Thema #GamerGate auseinandersetzen. Den Anfang macht heute „Unhappy Birthday, #GamerGate“ von Valentina Hirsch. Dieser Artikel war der Tropfen, der mein Fass zum überlaufen gebracht hat, weswegen es jetzt diesen Blog gibt. Die Journalistin arbeitet unter anderem für das 3sat-Magazin „Pixelmacher“, der Artikel ist allerdings auf ihrem persönlichen Blog erschienen.


 

Wenn ich beginne, einen deutschen Artikel zum Thema zu lesen, sorge ich dafür, dass sich meine Erwartungshaltung im negativen Bereich befindet, damit die Enttäuschung nicht zu groß ist. Valentina eröffnet mit einem klassischen Rohrkrepierer:

Worum es eigentlich ging (oder geht), fand ich am besten in diesem Gawker-Post zusammengefasst.

„Gawker“. Muss ich noch mehr sagen? Die Website, von der Mitglieder der „Society of Professional Journalists“ am Samstag in Miami gesagt haben, dass sie auf keinen Fall Inhalte von dort zitieren würden. Die Webseite, die vor wenigen Wochen den Bruder des Ex-Finanzministers der USA als schwul geoutet hat, weil sie es konnte? Die Seite die daraufhin von vielen Medienkollegen beschuldigt wurde, für Clickbait auf jeglichen Anstand zu verzichten?  Was als nächstes, Valentina, „Wie ihr sicher schon aus der „Gala“ wisst“?

Ein Anfang 20-Jähriger ist sich nicht zu blöd, nach dem Bruch mit seiner Freundin selbige öffentlich an den Pranger zu stellen. In einer Reihe von Blogposts beschuldigt er sie, ihn mehrfach betrogen zu haben.

Eron Gjioni beschuldigt Zoe Quinn nicht, ihn betrogen zu haben. Die geposteten Chatlogs zeigen eindeutig, dass sie die Seitensprünge zugegeben hat. Er stellt also fest, dass sie ihn betrogen hat. Wer den Zoepost selbst liest (was ich nach der Lektüre des Artikels für die Autorin bezweifle), sieht das es ihm nicht um Rache ging. Er sah, wie seine Ex-Freundin auf dem Weg war, von der Presse zu einer Heiligen gemacht zu werden und betrachtete es als nötig, der Welt etwas über das wahre Gesicht von Zoe Quinn (Künstlername) zu berichten. Andere Menschen zu warnen, bevor sie auf die gleichen Lügen hereinfallen. Wenn ein Fernsehprediger beim Seitensprung erwischt wird, steigen die Medien darauf ein, und die Menschen, die sich betrogen fühlen, machen ihrem Ärger Luft. Da schert das keinen. Die amerikanische Spielepresse wollte den Spielern Zoe als Galleonsfigur verkaufen und Eron hat die Luft aus dem Lügengebäude gelassen (Danke nochmal!).

Einige ihrer angeblichen Affären waren Games-Journalisten, so dass sich relativ fix eine Verschwörungstheorie bildete, sie habe sich gute Kritiken für ihr Spiel „Depression Quest“ erschleichen wollte.

Diesen Vorwurf lese ich immer wieder, vor allem in der wiederkäuenden Presse. Liebe Valentina, versuchen sie mal, in einem der Diskussions-Hubs der #GamerGate Unterstützer, diese These zu verbreiten. Das Nathan Grayson, der fragliche Journalist, mindestens drei wohlmeinende Artikel über seine Liebschaft geschrieben hat ist dagegen bewiesen. In einer so kleinen Szene wie bei den Independent Games macht Medienöffentlichkeit den Unterschied zwischen einem übersehenen Kleinod und einem Hit. Da reichen im Zweifel drei Artikel, über Quinn sind hunderte erschienen.

Spieler sind Säcke voll heißem Müll

Sie wurde daraufhin öffentlich beschimpft, bedroht, gestalked und floh aus ihrer Wohnung.

Dass es Menschen gibt, die gerade im Internet nicht in der Lage sind, Kritik und Beleidigung zu trennen ist aber bekannt? Das jeder, der mehr als 1000 Follower hat, auch Drohungen und Beleidigungen kriegt auch? Gut! Nicht dass ich den Hass und die ekelhaften Auswüchse im Fall Quinn gut heiße, aber der Umgang der Medien mit der Geschichte ist ein Grundkurs in Legendenbildung: Sie musste aus ihrer Wohnung fliehen… zu einem lang geplanten dreimonatigen Europaufenthalt mit ihrem Partner Alex Lifschitz („Spieler sind Säcke voll heißem Müll, die man aufs Rad flechten sollte“). Es hat Lifschitz auch niemand gezwungen, ihre Feier zum „Sieg über die Nerds“ am 8. September (zu Hochzeit der „Verfolgung“) zu twittern oder Fotos und Videos mit einer Cola-Dose mit dem Schriftzug „Gamer“ zu posten. Die beiden haben das Öl, ach was sag ich, denn Brennspiritus, selber ins Feuer geschüttet. Und daran verdient: Zoes Patreon ist inzwischen auf fast 4000 Mitleidsdollar monatlich angestiegen.

Ja nun. Ein Mensch ist kein Virus, vor dem man warnen muss. Vollkommen unerheblich, was zwischen diesen beiden Menschen wirklich ablief und wer wie viel Schuld auf sich geladen hat: Eigentlich geht das nur diesen beiden was an.

Man stelle sich einfach vor, die Frau eines Mannes, der in der Medienöffentlichkeit als kreativ, sozial engagiert und insgesamt als Vorbild dargestellt wird, veröffentlicht ein Interview, in dem sie die andauernden psychischen Verletzungen in der Beziehung der beiden öffentlich macht. Und Valentina, wie sie auf Twitter sagt: „Das geht doch keinen was an“. Wie viele Morddrohungen würde sie wohl kriegen (von den unzähligen Beleidigungen, die sie erwarten würden, ganz abgesehen)?

Die nachfolgende Debatte um ethische Standards im Games-Journalismus war denn auch eher heuchlerisch und wurde vor allem genutzt, um der Belästigung einer jungen Frau einen gewissermaßen seriösen Anstrich zu geben.

lynnwalsh

Schöne Behauptung, Valentina. Quellen? Gawker? Kotaku (also auch Gawker)? Leigh Alexanders Blog? Also genau jene Medien, mit denen sich #GamerGate im Clinch befindet. Journalismus geht anders. Blogging meiner Meinung nach auch. Wenn ich klar parteiliche Quellen vor mir habe, sollte ich mich auch mit der Gegenseite beschäftigen. Ich hoffe, diese laxe Arbeitsweise fließt nicht auch in gebührenfinanzierte Programme ein.

Nun dürfte es verschiedentlich tatsächlich kritikwürdige Verbindungen zwischen Journalisten und Industrie geben, die legitimerweise anzuprangern sind: Diese Problematik ist bedauerlicherweise in keinem Bereich des Journalismus ein neues oder unbekanntes Problem – im Sport zum Beispiel. Der vorliegende Fall ist aber so ziemlich der allerletzte, der dazu herangezogen werden darf. Um ausgerechnet die eher unbekannte Indie-Entwicklerin Zoe Quinn mit ihrem alles andere als AAA-Spiel als die Spiele-Industrie wahrzunehmen, muss man schon einen IQ unterhalb normaler Raumtemperatur haben.

And diesem Absatz ist praktisch alles falsch. Erstens „dürfte“ es die Verbindungen nicht geben, es gibt sie im Fall der amerikanischen und britischen Spielepresse bewiesenermaßen, das ist nicht erst seit SPJ Airplay klar. Zweitens  wäre „es ist halt wie es ist“ für einen Journalisten in meinem Fernsehsender ein Grund für ein Gespräch über Perspektivenwechsel. Drittens: Der Fall „darf“ nicht herangezogen werden? Was ist das für eine Argumentation? Die Polizei sollte Fällen von Körperverletzung nicht nachgehen, solange es auch Morde gibt?  Viertens: Es geht #GamerGate um „Ethik im Spielejournalismus“, nicht um Ethik in der „Spieleindustrie“. Und Graysons Arbeitgeber Kotaku ist unter den Websites mit der größten Reichweite weltweit in diesem Bereich. In diesem Zusammenhang wird oft davon gesprochen, dass Zoe Quinn der „Franz Ferdinand“ des #GamerGate-Konflikts war. Eine eigentlich eher unbeteiligte Person, ein Auslöser, eine Nebenrolle. Das sie sich dafür soviel Beleidigungen und Beschimpfungen anhören musste ist bedauernswert. Allerdings provoziert sie bis heute immer dann wieder die Unterstützer des Hashtags, wenn es ihr opportun erscheint, ansonsten würde inzwischen wahrscheinlich niemand mehr über sie reden.  Wahrscheinlich ist das ihr schlimmster Albtraum.

Der Vorwurf, AAA-Korruption würde GamerGate nicht interessieren ist auch schon ein Jahr alt, aber immer noch falsch. Das Problem ist, Konzerne verhalten sich ungleich schlauer als die Dilletanten in der Presse. Und wäre es nicht der Job der Journalisten an der Quelle, so etwas aufzudecken?

Im Blogeintrag von Frau Hirsch folgen dann zwei Absätze über den Artikel „Wie Hatespeech das Netz veränderte – und das Netz Hatespeech“ von nerdcore.de. Da ich den selber noch auf der Warmhalteplatte habe, erspare ich dem geneigten Leser die Hipster Poesie mit Perlen wie:

A Shithole formerly known as Netz-Diskurs.

Vorerst.

Megaphon-Chan

Innerhalb der kritisierten amerikanischen Gaming-Presse reagierte man auf die ganze Sache mehrheitlich mit Kopfschütteln. Das resultierte in Artikeln wie dem von Leigh Alexander mit dem Titel „Gamers are over„. Im Grunde geht es darum, dass die Menschen, die heute spielen, keine so homogene Gruppe mehr sind, wie sie das vielleicht mal war. Ein bisschen hilflos-verzweifelt wirkt der Tonfall von Leigh Alexander allerdings schon, denn wenn man sich mit seiner Zielgruppe auseinandersetzt, könnte einem das schon vorher aufgefallen sein.

Hilflos verzweifelt? „Stumpfsinnige Kackschleudern“ hört sich für mich eher nach hirnlos aggressiv an. Außerdem ist „reagierte“ in diesem Zusammenhang das falsche Wort. Man führte einen Plan aus, der so schon seit über einem Jahr in der Schublade lag. In ihrem „Offenen Brief an die Spielemedien“ hatte die bekennende Männer-Hasserin Samantha Allen den Plan schon 2013 dargelegt:

Ihre werdet eure Leser verärgern, wenn ihr diesen Standpunkt [die Spielemedien müssten diversifiziert und gegendert werden] einnehmt. Manche von ihnen werden eure Seite verlassen. Bei einigen ist die Drohung, für immer zu gehen nicht einmal eine leere. NeoGaf und Reddit werden euch auch kritisieren. 4Chan wird die gleichen hässlichen Threads über euch machen, die sie über mich und meine Freunde machen.

Macht es. Schreckt sie ab. Trefft jetzt die Entscheidung, dass sie eure Zeit nicht wert sind und das die Werbegelder, die ihr an ihnen verdient, die vergiftete Atmosphäre, die sie erzeugen nicht aufwiegt. Sie sind es nicht wert, das eure Seiten weiterhin für Menschen, die keine weißen Männer sind, als unsichere Orte gelten.

Man hat sich von einer Gender-Extremistin einen Aktionsplan verkaufen lassen und ihn ausgeführt. Nur leider hat Samantha Allen bei den Berechnungen des Widerstands wohl falsche Zahlen gehabt…

Dann kommt endlich mein Lieblingssong: „Wenn alle Menschen Gamer sind, ist’s keiner“. Gähn.

Es gibt ihn nicht mehr, DEN GAMER. Daran müssen sich wohl viele erst gewöhnen und zwar offenbar Journalisten ebenso wie Menschen, die mehr oder weniger viel spielen. Man spricht ja auch nicht von DEN LESERN oder DEN MUSIKFANS. Das macht schlicht keinen Sinn, weil sich nun mal jeder für etwas anderes interessiert.

Ja, so wie es den Opernkenner nicht gibt, den Angelexperten, den Fussballfan, die Leseratte, den Metaler, den Fitness-Fanatiker… reicht? OK. Wenn alle schreiben, gibt es dann noch Journalisten? Ich hör ja schon auf.

Nur eines sollten wir alle nicht tun: Uns den Mund verbieten und das Internet wegnehmen zu lassen. Von keinem Troll und keiner Zensurbehörde, von keinem Groß-Unternehmen und keiner Lobby-Gruppe, von keinem Gamergator und keinem sonstigem Halbhirn.

Genau! Wir lassen uns den Mund nicht verbieten, von keiner Bloggerin, von keinem recherchefaulen Journalisten und von keiner engelsgleichen Leitfigur mit Leichen im Keller. Nett auch das „und sonstige Halbhirn“, hatte hier nicht ein paar Absätze oben noch jemand gejammert, weil Menschen im Netz böse Sachen zueinander sagen?Aber dieses „zweierlei Maßstäbe“-Ding zieht sich ja durch die ganze Diskussion. Weil Gegner des Hashtags glauben, sie wüssten es besser als die „GamerGators“ und sich im Besitz der unveräußerlichen, von Gott direkt verliehenen Wahrheit wähnen, fallen ihnen ihre eigene Doppelzüngigkeit und Heuchelei gar nicht mehr auf.

Besonnene, kluge Anmerkungen? You are welcome.

Übersetzung aus dem Besserwisserischen: Wer mir zustimmen will, kann das in den Kommentaren gerne tun.

 

 

Uninformiert, ideologisch offenbar voll auf Linie und bereit die Wahrheit hier und da zu beugen, um die persönlichen Vorurteile aufrecht zu erhalten. Traurig. Vor allem wenn es von einer Journalistin kommt.

 

 

 

 

 

 

 

 

In Devin Wilsons Kopf – Teil 2

‚CandyCrush‘ ist total hardcore!

In dieser Artikelreihe beschäftige ich mich mit dem Artikel ‚A Guide to ending Gamers‘ (‚Eine Anleitung wie man das Ende der Gamer herbeiführt‘) von Devin Wilson. Wilsons Artikel, am 28. August 2014 auf Gamasutra erschienen, war Teil des Medienblitzkriegs mit dem Tenor ‚Gamer sollten nicht mehr die primäre Kundschaft der Spieleindustrie sein‘. 16 Artikel innerhalb von wenigen Tagen sollten das Ende der ‚hyperkapitalistischen‘ Gamerkultur besiegeln und Wilson (er arbeitet an seinem Doktor in Medienwissenschaften) wollte offensichtlich das Manifest für diesen Putsch schreiben.

Er arbeitet sich in achtzehn Punkten durch die ideologische Basis dieser feindlichen Übernahme und ich werde mich Punkt für Punkt (wenn auch nicht in Wilsons Reihenfolge) mit den Vorschlägen beschäftigen, die er seinen Kollegen in der Spieleindustrie macht. Weiter geht es heute mit Punkt 8: Casual contra Hardcore. Hier Wilsons Text:

8. Wir werden die Einteilung in Hardcore und Casual los. Diese Einteilung ist kompletter Müll und kommt nur aus drei Gründen zur Anwendung: 1) Um sich anderen überlegen zu fühlen, 2) sich in tragischer Weise den ungerechten Hierarchien des Spiels zu unterwerfen oder 3) um Produkte zu verkaufen (was effektiv die beiden anderen Punkte noch verstärkt). Nebenbei was ist eher ein ‚Gelegenheitsspiel‘: Wenn man ein Mobile Game über Jahre spielt um es zu meistern oder wenn man den Samstag damit verbringt sich den neuesten Mordsimulator zu kaufen und durchzuspielen, von dem du überzeugt bist, dass du ihn spielen musst?

Wenn ich die Zitate fertig übersetzt habe, sitze ich immer einen Moment da und schüttle den Kopf, genauso wie vor einem Jahr, als ich sie zum ersten Mal gelesen habe. Wieder kommt das bekannte Lied ‚Wenn alle Menschen Gamer sind, ist’s keiner‘ zur Aufführung. Wilson übersieht allerdings, dass es den Gegensatz zwischen leidenschaftlichen Fans und peripher interessierten Menschen praktisch in jedem Feld gibt. Niemand würde sich dazu versteigen, jemand einen Filmfreak zu nennen, weil er sich jeden Sonntag den ‚Tatort‘ anschaut. Der eine investiert seine Freizeit zu großen Teilen in sein Hobby, besucht Festivals, liest Magazine und kann Sergej Eisenstein von Michael Bay unterscheiden. Der andere schaltet Sonntags seinen Fernseher ein und schaut sich einen Film an, ohne auch nur über den Regisseur oder das Drehbuch nachzudenken.  Weil alle Menschen jetzt Auto fahren gibt es keine Autonarren mehr? John Cleese würde Devins Äußerung zweifellos als: ’symbolisch für sein Ringen gegen die Realität‘ bezeichnen.

Verfestigen toxische Hierarchien: Autonarren. Foto: gamergateblog.de

Verfestigen toxische Hierarchien: Autonarren. Foto: gamergateblog.de

Allerdings habe ich bisher nicht bemerkt, das sich CasualGamer irgendeiner Form von Hierarchie hätten unterwerfen müssen. Ich wage sogar zu behaupten, das es den typischen ‚CandyCrush‘-Spieler – genau wie den ‚Tatort‘-Gucker – nicht einmal interessiert das es da draußen Filmfreaks oder Hardcore-Gamer gibt. Oder das Devin Wilson einen heiligen Kreuzzuug anführt, um ihn aus der Knechtschaft derselbigen zu befreien. Er oder Sie wird einfach weiter ‚CandyCrush‘ spielen und ‚Tatort‘ schauen. Die Hardcore-Gamer kümmern sich derweil um Spiele wie ‚Darksouls 2‘ und fühlen sich dabei ein kleines bisschen überlegen, wie der Filmfreak, der eine Anspielung entdeckt hat, die dem Rest des Kinos entgangen ist. Und wem wird dabei weh getan? Niemandem. Außer vielleicht Devin Wilsons Gefühlen. Damit kann ich leben.

Die Konsum-Komponente kommt ebenfalls in fast jedem Bereich des täglichen Lebens zum tragen – ich könnte wetten, dass Mr.Wilson – wie jeder gute Hipster – seine Theorien auf einem Gerät der Firma Apple tippt (um das Klischee zu vervollständigen muss er dabei aber noch zwingend einen Pumpkin-Latte-Frappucino trinken). Dieser Themenkomplex bekommt in einem der nächsten Teile dieser Serie noch seinen Platz im Rampenlicht.

Dann wäre da noch der ‚Mordsimulator‘. Wieder lugt hinter dem dünnen Mäntelchen aus ‚Spiele müssen erwachsen werden‘ die hässliche Fratze der Zensur hervor. Wer die Unterhaltungsformen anderer Menschen selbstherrlich mit solchen Floskeln versieht zeigt meiner Auffassung nach kein Bestreben eine Kulturform zu bereichern. Er zeigt das gleiche Unverständnis wie die Kriegsgeneration beim Anblick von Elvis‘ Hüftschwung. Und diesem Unverständnis ist bisher immer der Ruf nach einem Verbot gefolgt.

Abschließendes Urteil: Ich werde das sofort auf meiner unsichtbaren Schreibmaschine protokollieren!

Im nächsten Teil befasse ich mich mit Punkt 2: Wir hören auf jene, die weniger privilegiert sind als wir.

 

 

SPJ Airplay – Nachlese

Das Titelbild nimmt ja schon vorweg, wer meinen persönlichen Höhepunkt bei SPJAirplay gesetzt hat, obwohl er nicht auf der Sprecherliste stand. Aber eins nach dem anderen. In den zwei vorhergehenden Artikeln habe ich mich bemüht, den Inhalt der beiden Panels komprimiert und sinngemäß wiederzugeben, in diesem möchte ich darüber sprechen, was meiner Meinung nach erreicht bzw. nicht erreicht wurde.

10/10, would conference again?

Die erste Hälfte der Konferenz hat mir deutlich besser gefallen als der Nachmittag. Die Diskussion hatte mehr Substanz und der Moderator war weniger rigide, was wahrscheinlich an der klareren Struktur des Panels lag. Fünf Verdachtsfälle aus dem Bereich journalistische Ethik sollten abgearbeitet und von den Experten beurteilt werden. Das es nur drei Fälle wurden und das der wohl interessanteste – die sogenannte ‚GameJournosPro‘-Gruppe, eine geschlossene Online-Gemeinschaft in der viele von #GamerGates Gegnern unter den Spielejournalisten organisiert waren – nicht zur Sprache kam, ist der sehr knappen Zeitplanung geschuldet. Zwei Stunden waren für das komplexe Thema wohl einfach  zu wenig.

Das es für zwei der ausgeführten Fälle kein abschließendes Urteil gab, laste ich dem Moderator und Organisator Michael Koretzky an, hier hätte er deutliche Statements vom neutralen Panel verlangen sollen. Mit Mark Ceb als Zyniker, Ashe Schow als Sympathieträgerin und Allum Bokhari als distinguiertem Gentleman hat #GamerGate würdige Repräsentanten gehabt, die beiden neutralen Journalisten Ren La Forme und Lynn Walsh schienen am Anfang fast desinteressiert und haben es mit der ‚Unvoreingenommenheit‘ (Lynn Walsh gab an, sich im Vorfeld mit Absicht nicht über #GamerGate informiert zu haben) vielleicht etwas übertrieben.

M. Ceb, A. Schow, A. Bokhari / Foto: SPJAirplay Stream

M. Ceb, A. Schow, A. Bokhari / Foto: SPJAirplay Stream

Was habe ich also gelernt? ‚Richtige‘ Journalisten verachten „Gawker“. Walsh sagte sogar, sie würde Berichte von „Gaffer“ (so die deutsche Übersetzung) sicher nicht für ihre Arbeiten zitieren. Das sieht düster für 98% aller Presseorgane aus, die bisher über #GamerGate berichtet haben, die Boulevard-Website und ihre Unterseiten (Kotaku) tauchen immer wieder in den Quellen auf. Wahrscheinlich arbeiten bei den Wiederkäuern einfach keine echten Journalisten. Ein Ombudsmann oder eine Publikation die den Computerspiele-Sektor der Medien beobachtet, wäre auch nach meiner Sicht ein Schritt in die richtige Richtung. Ein „Watchgeek“ sozusagen.

Die ethischen Bedenken von den Unterstützern des Hashtags waren, soweit man das an den vorgestellten Beispielen festmachen kann, durchaus berechtigt und die Reaktion der Medien entsprach nicht dem Standard, zu dem die SPJ ihre Mitglieder ermuntert. Außerdem hat Walsh festgestellt, dass sie die Reaktion von #GamerGate auf die ethischen Verfehlungen durchaus für angemessen hält. Diese Feststellungen allein waren eigentlich schon mehr, als viele Unterstützer von  #GamerGate vor der Konferenz  erwartet hatten, besonders skeptische Geister hatten gar vor einer ‚Falle‘ der SPJ gewarnt.

Die Ausrufezeichen haben im Morgenpanel aber meiner Meinung nach nicht die Vertreter von #GamerGate gesetzt, so zufrieden ich auch mit der Leistung jedes einzelnen war. Unter den Podiumsteilnehmern hat für mich der Entwickler Derek Smart den wichtigsten Satz gesagt:

„Das hier wird nie aufhören, wenn die Journalisten nicht aufhören Spieler – und speziell ‚GamerGate – als Hassgrupe zu bezeichnen. Das sage ich seit dem ersten Tag, das ist ein Rohekrepierer.

Ich als Spieler und Spiele-Entwickler habe es damals nicht geglaubt und glaube es heute nicht, ich werde niemals glauben, dass es bei #GamerGate jemals um Beschimpfungen und Frauenhass ging.“

 

Aber den insgesamt besten Auftritt der Konferenz hatte wohl Paolo Munoz (s. Titelbild), ein bekanntes Gesicht unter #GamerGate-Unterstützern, der im Publikum saß und sich für eine Zuschauer-Anmerkung gemeldet hatte. Seine flammende Rede gegen „Gawker“ und für die Anonymität zum Schutz von Familien und Freunden der Aktivisten hat mit Sicherheit für einige Gänsehaut im Publikum gesorgt.

Paolo Munoz / Bild: Twitter

Paolo Munoz / Bild: Twitter / SPJAirplay Stream

 

„Gawker handelt nicht nur unethisch, sie sind bereit über Leichen zu gehen“

Weniger Ego ist mehr Debatte

Das zweite Panel hat mich dann eher negativ überrascht. C.H. Sommers, Cathy Young und Milo Yiannopoulos hatten die #GG-Teilnehmer der Morgenrunde ersetzt und hielten ihre einführenden Monologe, während Koretzkys Gesicht immer länger wurde. Es war sehr schnell klar, das der Moderator kein Interesse an geschichtlichen Fakten zur Konsumentenrevolte hatte während die Vortragenden ein Fundament für ihre Vorschläge zum Thema „Wie sollten die Mainstream-Medien mit amorphen Internet-Bewegungen umgehen?“ legen wollten.

Insgesamt war mir Milo Yiannopoulos ein wenig zu selbstgefällig (was er zwischendurch auch zugab, nur um es im nächsten Atemzug wieder zu vergessen) und wirkte mehr an seiner eigenen Außenwirkung interessiert, als am Thema. Sein wissendes Nicken sobald Summers oder Young sprachen und sein Grinsen bei besonders gelungenen Passagen ihrer Vorträge ließ in mir den Verdacht aufkeimen, dass er zumindest für C.H. Summers als Ghostwriter fungiert hat.

Mir hat auch die Art missfallen, in der Cathy Young von Walsh und Koretzky beinahe über die Neutralität ihres Artikels auf reason.com ‚verhört‘ wurde. Vielleicht hatte Walsh einfach zu wenig Einblick in die Materie, aber zu der Zeit, zu der Youngs Artikel erschienen ist, gab es für 99 Artikel aus der „Hassgruppe“- Ecke einen, der ihren Standpunkt einnahm. In so einem Fall ist ein Bericht der „nur“ die Gegenseite einer Diskussion beleuchtet, meiner Meinung nach, nicht nur ethisch einwandfrei, sondern bitter nötige Journalistenpflicht.

Am Nachmittag habe ich vor allem gelernt, das Kommunikation rund um GamerGate mit „Uneingeweihten“ fast unmöglich sein kann. Weil Koretzky keine langatmigen Erklärungen zulassen wollte und sich zwischenzeitlich mehr mit Milo in den Haaren hatte als konstruktiv beizutragen oder zu moderieren, war es kaum möglich, Walsh oder LaForme zu erklären, warum sie als Journalisten #GamerGate überhaupt recherchieren sollten. Hier hätte Koretzky für das Nachmittagspanel vielleicht Journalisten einladen sollen, die eine grundlegende Vorstellung vom Thema haben, um eine fruchtbare Diskussion wahrscheinlicher zu machen.

Koretzkys Versuch, Feminismus, Ideologie und die Vergangenheit aus dem Panel herauszuhalten kann ich andererseits verstehen. Auch wenn viele Unterstützer des Hashtags sich negativ über seine diesbezüglichen Unterbrechungen geäußert haben, denke ich verstanden zu haben, was er versucht hat: Hätten Yiannopoulos, Young und Summers noch weiter Monologe über ideologische Konflikte gehalten (was durchaus in ihr Fachgebiet fallen würde), wäre es für die zahlreichen Kritiker der Konferenz ein leichtes gewesen, diese zu entwerten: „SPJAirplay war nichts außer den üblichen Geschichten über böse Frauen und SJWs“. Und sie hätten, anders als sonst, nicht einmal lügen müssen.

Was ich vor allem aus dem Panel mitgenommen habe ist die Idee von Koretzky, eine Art „Pressekorps“ aufzustellen. Leute, die #GamerGate unterstützen und bereit sind direkt und überprüfbar mit Journalisten zu sprechen. Das können „E-Prominente“ wie Sargon oder Vee („Jöörrrnalists!“) sein oder Menschen wie Munoz oder Oliver Campbell, die sich als so etwas wie die „#GamerGate-Philosophen“ etabliert haben. Menschen bei denen Lynn Walsh „einen Namen und ein Gesicht“ vor sich hat. Natürlich dürfte eine solche Funktion keine Führerschaft oder einen Alleinvertretungsanspruch bedeuten und die entsprechenden Personen sollten von der Sorte sein, die das auch versteht. Sonst muss wieder irgendwer die Spaghetti aufputzen.

Leider nahm die Veranstaltung, wie berichtet, ein abruptes Ende und die Zuschauer werden vielleicht nie erfahren, was das Ziel war, auf das zu Koretzky die Diskussion zu steuern schien oder ob es dieses Ziel überhaupt gab. Am Anfang hatte er explizit gesagt, es gebe kein Drehbuch.

Nach der Evakuierung organisierte Derek Smart einen Live-Stream über Periscope (hier gibt es die Aufzeichnung), in dem der Zuschauer verfolgen konnte, wie die Konferenz-Teilnehmer vor dem Gebäude andere anwesende Journalisten (die selber an anderen Veranstaltungen parallel zu Airplay teilgenommen hatten), über den #Hashtag aufklärten. Derek Smart und die anderen Teilnehmer waren nach der Bombendrohung plötzlich auch für die Lokalmedien interessant und Smart merkte an, das in jedem Interview die erste Frage die gleiche sei: „War die Bombendrohung von #GamerGate?“. Leider gibt es immer noch kein zufriedenstellendes Tonmaterial von der improvisierten Fortsetzung der Konferenz im Hof eines leerstehenden Hauses, die verfügbare Aufzeichnung ist eher fragmentarisch.

Aber auch so, mit kleinen Kritikpunkten an Einzelpersonen und der etwas zu freien Form des zweiten Teils sowie dem vorzeitigen Ende ist mein Fazit immer noch positiv. #GamerGate hat dem Mythos, es sei eine Gruppe frauenverachtender, gefährlicher Neandertaler eine tiefe Wunde zugefügt. Und wie heißt es so schön: „Was blutet, das kann man auch töten!“

 

 


 

Informativer Zusammenschnitt der Konferenz (Englisch) von LeoPirate


 

Die deutsche Presse hat, wie leider zu erwarten, so gut wie nicht über die Konferenz berichtet, einzig SWR3 hat eine Meldung gebracht, von der ich im ersten Moment ob der fast neutral zu nennenden Haltung begeistert war (Nach einem Jahr reichen mir offensichtlich schon Kleinigkeiten, um mich zu freuen). Leider hat mich dann jemand gebeten, mal auf die Links zu klicken und da waren wieder all die üblichen Vorurteile, Fehlinformationen und Lügen. Seufz.

Die eigentlich klar gegen #GamerGate positionierte amerikanische Seite „Polygon“ hat ebenfalls einen überraschend neutralen Artikel über die Konferenz und die Bombendrohung geschrieben. Das gab jede Menge Kritik von „E-Prominenten“ und führte schließlich dazu, das die Redaktion die Kommentare zum Artikel geschlossen hat, die Beleidigungen hatten überhand genommen. Wenn man so drüber schaut, waren es eher keine #GamerGate-Befürworter, von denen die Angriffe kamen.

Derek Smarts Blogeintrag über seine Erfahrungen auf der Konferenz ist absolut lesenswert (Englisch).

Die Beiträge von Milo Yiannopoulos und Christina H. Sommers sind in Textform verfügbar und enthalten auch die Passagen, die auf Grund der fehlenden Zeit während der Konferenz nicht zum Einsatz kamen (Englisch).

HINWEIS: Ich habe nachträglich einen Link zu Derek Smarts Periscope-Stream eingefügt und Fehler verbessert.

Inzwischen gibt es vollständige Transkripte der Panels: Morgen Nachmittag (Englisch) – Danke an Tim Daniels, der sich die Mühe gemacht hat!

 

 

 

 

Das ZDF korrigiert heimlich einen Beitrag zu #GamerGate

Das zweite deutsche Fernsehen – ein vom Gebührenzahler finanzierter Abenteuerspielplatz für Journalisten mit angeschlossenem Altersheim. Zur Gamescom ist dort der Artikel „Mach mir ein Sandwich, Schlampe – Gamescom ohne GamerGate“ erschienen. Heute ist mir, zusammen mit den anderen Teilnehmern im deutschen #GamerGate-Stream aufgefallen, dass sich der Artikel klammheimlich in einem Detail geändert hat. Neben den üblichen nachgeplapperten Vorurteilen hat der Autor Torsten Kleinz nämlich den Lieblingsfehler aller Journalisten in diesem Zusammenhang gemacht: Er hat geschrieben, Eron Gjioni habe im Zoepost behauptet, seine Ex habe für gute Reviews ihres Spiels mit Journalisten geschlafen.

Damit hat Kleinz es bis /r/KotakuinAction gebracht und einige User haben dort ihre Absicht kundgetan, sich zu beschweren. Bei der Veröffentlichung lautete der betreffende Satz:

Er beschuldigte seine Ex-Freundin, sie habe ihn mit einem Journalisten betrogen, um gute Kritiken für ihr Spiel „DepressionQuest“ zu bekommen.

 

Nun lautet er:

„Er beschuldigte seine Ex-Freundin, sie habe ihn mit einem Journalisten betrogen. Die Entwicklerin wurde daraufhin in einem Shitstorm beschuldigt, dass sie deshalb gute Kritiken für ihr Spiel „DepressionQuest“ bekommen habe.“

 

Zwar gibt es jetzt keine üble Nachrede gegen Gjioni mehr, aber eine richtige Korrektur geht anders, das haben wir gerade bei SPJAirplay gelernt. Unaufgefordert, gut sichtbar und sofort nachdem der Fehler bemerkt wurde. Das übt Torsten Kleinz wohl besser noch.


Archive: Vorher Nachher

SPJ Airplay – DerNachmittag

Dieser Artikel behandelt die Diskussionen und Geschehnisse im zweiten Teil der Konferenz SPJ Airplay. Grundlegende Informationen zu SPJ Airplay erfährt der geneigte Leser im ersten Teil des Artikels.

Miami Vice

Nach einer um fünfzehn Minuten überzogenen Mittagspause beginnt der zweite Teil der Konferenz. Koretzky begrüßt die zurückgekehrten Zuschauer und eröffnet die zweite Runde mit einer Ankündigung, die leider nur wenige Zuschauer überrascht haben dürfte: Es hat eine Bombendrohung gegen SPJAirplay gegeben. Auf Grund der hohen Sicherheitsvorkehrungen vor Ort geht er davon aus, dass es sich um einen Bluff handelt. Es mutet wie eine Formalität an, als Koretzky den Zuschauern und Teilnehmern anbietet, die Konferenz wegen Sicherheitsbedenken zu verlassen. Niemand geht.

Es folgt eine kurze Vorstellungsrunde. Auf der #GamerGate-Seite haben jetzt folgende Teilnehmer Platz genommen: Christina Hoff Sommers, eine ehemalige Philosophie-Professorin und Host der Videoreihe ‚The factual Feminist‘ sowie Cathy Young, eine Journalistin, die unter anderem für reason.com schreibt und Milo Yiannopoulos, Kolumnist für breitbart.com und auf eine Weise so etwas wie der Hofnarr von #GamerGate.  Auf der neutralen Seite sitzen ihnen, wie auch im ersten Panel, Lynn Walsh, Ren LaForme und Derek Smart gegenüber.

Koretzky eröffnet die Diskussion mit der Möglichkeit für jeden der neuen Teilnehmer, seine Meinung zum gestellten Thema ‚Wie sollten Mainstream-Medien mit amorphen Bewegungen im Internet umgehen‘ in einer Minute darzulegen. Er schickt die Warnung voraus, dass Menschen, denen die Morgensitzung zu unstrukturiert war, mit dem zweiten Teil noch größere Probleme haben werden. ‚Es gibt kein Drehbuch!‘.

Milo (wer sonst) ist als Erster dran. Mit gewohnt großen Gesten gibt er den Anwalt der Gamer, und schiebt die Schuld an der ‚berüchtigten‘ ‚Law & Order SVU‘ Folge den Spielejournalisten zu. In dieser Krimi-Serie lösen die Mitglieder der ‚Special Victims Unit‘ (dem #GamerGate zugeneigten Leser wird ein Hauch von Wortwitz auffallen) Fälle, die sich an das aktuelle Mediengeschehen anlehnen. In diesem Fall wurde also ‚#GamerGate ‚ mit allen üblichen Klischees verhackstückt und der arme IceT musste die Suppe auslöffeln. Milo führt aus, dass die einseitige Berichterstattung der Spielesites praktisch eine Drehbuchvorlage  war. Nach dem Beginn von #GamerGate hätten sie angefangen, ihr Publikum offen zu verachten und zu provozieren. Mit Hilfe der Ergebnisse solcher Provokationen würden ‚Beweise‘ konstruiert, wie feindlich und wenig einladend die Tech-Szene für Frauen sei. Dabei seien die Game- und Techindustrie extrem frauen- und minderheitenfreundlich. Solche Vorurteile  würden sich verselbstständigten und am Ende zu einer Umgebung führen, in der es in Ordnung ist ‚#kilallwhitemen‘ zu twittern. Die Journalisten, so Milo, würden versuchen in die Rückzugsräume der Spieler einzudringen und ihnen ihre Möglichkeit zum Eskapismus zu rauben, indem sie versuchten, Spiele und die Spieleszene zu politisieren.

Nach Yiannopoulos ist Christina H. Sommers dran. Sie beginnt mir einer Anekdote. Auf Twitter habe ein Journalist einen Tweet aufgegabelt der sich ungefähr so übersetzen lässt: ‚Ich schwöre, wenn es keine großen Möpse mehr gibt, bin ich raus‘. Dieser Journalist habe dann selbst einen Tweet geschrieben, ohne vorher die Fakten zu prüfen (wie es leider immer üblicher wird), sinngemäß:’Der hier sagt alles über #GamerGate in einem perfekten Tweet‘. Sommers sieht es eher anders herum: der Tweet des Journalisten entlarve seine Vorurteile. In dem Tweet ging es weder um Spiele, noch kam er von einem hypermaskulinen Gamer. Er stammte von einer jungen lesbischen Frau, die sich zur Zensur auf reddit geäußert hatte. So sieht Sommers auch die allgemeine Sicht der Medien auf Gamer und #GamerGate: Schlecht informiert oder absichtlich ignorant um einer Ideologie zu dienen. Während die Medien die Konsumentenrevolte mit den schrecklichsten Taten in Verbindung bringe, habe sie tolerante, gesprächsbereite Menschen getroffen, von denen die meisten für die Gleichberechtigung der Geschlechter seien. Sie bestreite nicht, dass es Drohungen und Hass gegeben habe, aber die Medien hätten sich ausschließlich auf die ‚Damsels in Distress‘ (Maiden in Not) einer Seite konzentriert, während Menschen auf beiden Seiten bedroht wurden.

Nachdem Sommers bereits auf den UVA-Skandal im ‚Rolling Stone‘ angespielt hatte, nennt Cathy Young #GamerGate ‚UVA ohne Korrekturen oder Richtigstellungen‘. In dem Fall hatte eine Autorin des ‚Rolling Stone‘ einen Bericht über eine angeblich Gruppenvergewaltigung an einer amerikanischen Uni geschrieben. Als Quellen hatte sie nicht viel mehr als die Aussagen des Opfers. Als die Geschichte landesweit Schlagzeilen macht, recherchiert auch die Washington Post. Nachdem die ersten handfesten Zweifel auftauchen, fällt das Kartenhaus der Vorwürfe ziemlich schnell zusammen und der ‚Rolling Stone‘ muss die schweren Anschuldigungen gegen die Studentenverbindungen und die Leitung der Uni revidieren. Im Fall #GamerGate sei bisher keine Richtigstellung erfolgt. Der Fall mache auch klar, das ein traumatisiertes Opfer zwar nicht bedrängt, aber doch befragt werden sollte, um den Wahrheitsgehalt eines Vorwurfs zu prüfen, bevor über den Fall in den Medien berichtet wird.

C. Young, C.H. Summers, M. Yiannopoulos / Bild: SPJAirplay Stream

C. Young, C.H. Summers, M. Yiannopoulos / Bild: SPJAirplay Stream

Worüber reden wir hier eigentlich?

Bevor Cathy Young ihre kurze Einführung beenden kann, mischt sich Moderator Koretzky ein: ‚Das ist alles schön und gut, aber hast nichts mit unserem Thema zu tun‘. Young ist offensichtlich verblüfft, Milo ist kurz angebunden: ‚Wir sind auf dem Weg zum Thema‘. Koretzky antwortet: ‚Ich will aber schon dort anfangen‘. Schließlich sollen die neutralen Teilnehmer ihre Erkenntnisse aus der Einführung darlegen. Lynn Walsh reagiert in gewohnter Manier:’Wenn ich eine Story wie in Cathys Beispiel schreiben würde, würde ich natürlich die Vorwürfe des Opfers überprüfen. Man ist respektvoll und unaufdringlich, aber es gehört einfach zu meinem Job‘. Koretzky fragt weiter: ‚Wo ist die Trennlinie zwischen Ethikfragen und ‚Social Justice‘ (etwa: Salonmarxismus)?‘ Milo antwortet: ‚Sie sind untrennbar verbunden‘. Er sieht einen direkten Zusammenhang zwischen Ideologie und der Bereitschaft unethisch zu handeln. Langsam sieht man an seinen Reaktionen, dass ihm Koretzkys Nachfragen gehörig gegen den Strich gehen.

Aber der Moderator setzt wieder an: ‚Hier geht es um den Umgang der Medien mit GamerGate. Wahrscheinlich habe ich viel kleinere Erwartungen an die Ergebnisse von AirPlay als ihr‘. Auch Christina Hoff Sommers wagt einen neuen Versuch: ‚Diese Leuten stellen ihre Ideologie über andere Dinge‘, ihr Handy fängt an zu vibrieren und Koretzky nutzt die Ablenkung, um auch diesen Ansatz gleich wieder zu unterbinden. ‚Vielleicht sind euch die Fragen, die ich euch eigentlich stellen will, auch einfach zu banal, aber ich versuche es noch einmal. Mit einer führerlosen Gruppe wie ‚Occupy Wallstreet‘ oder ‚Black Lives Matter‘ zu sprechen ist schwer für Journalisten.‘ Milo ist jetzt, so scheint es, einmal zu oft unterbrochen worden: ‚So schwer ist es nicht. Ich mach das seit einem Jahr‘ schnauzt er Koretzky an, der wiederum einen Gang hochschaltet: ‚Sind deine Kolumnen zu #GamerGate auf Breitbart Berichterstattung oder Meinung?‘. Milo geht in die Defensive: ‚Ein bisschen von Beidem‘. Koretzky sieht seine Chance:’Aber das war doch ein Problem für die Vertreter von #GG im Morgenpanel ?‘.

Ab diesem Punkt eskaliert der Zickenstreit zwischen Moderator und Selbstdarsteller endgültig. Glaubt Milo zu wissen, was GamerGate denkt? Hat er genug Leute interviewt, um einen ausreichenden Eindruck zu gewinnen? Einigung wird nicht erzielt und Koretzky ordnet Milo euphemistisch ‚einer anderen Art Presse‘ als die anwesenden neutralen Journalisten zu. Christina Summers versucht die Diskussion zu beruhigen und führt die Aktion von Brad Glasgow als gutes Beispiel an: Der Journalist Glasgow hatte in einem der Diskussionszentren der Unterstützer des Hashtags, /r/KotakuinAction, ein ‚Massen-Interview‘ durchgeführt und versucht, so ein Meinungsbild von #GG zu bekommen. Die Resultate sowie eine Analyse wurden auf gamepolitics.org veröffentlicht.

Ren LaForme findet die Idee unwissenschaftlich und eher zum Lachen. ‚Es gibt einen großen Teil der Welt, der nicht auf reddit ist“. Koretzky stellt klar, dass man als ‚richtiger‘ Journalist nicht einfach irgendjemanden auf reddit zitieren könne, das ginge nur in Nischenbereichen. Er holt aus und erzählt von einer Reportage über ‚Furries‘, die er gemacht hat, einer Subkultur, die kein Interesse an Medienpräsenz hat. Solche Menschen könnten in den Medien anonym bleiben‘. Weiter kommt er nicht, wieder folgt ein Wortgefecht über Kleinigkeiten zwischen ihm und Yiannopoulos.

Derek Smart hat schon eine halbe Stunde schweigend zugehört und beobachtet, jetzt macht er sich Luft. Er wendet sich an Koretzky: ‚Du machst hier das gleiche mit #GamerGate, was die Medien auch machen. Sie dürfen nicht über das Narrativ sprechen, das im Mittelpunkt all dieser Probleme steht‘. Der Moderator schiebt ihn auf die Warmhalteplatte und erzählt seine Furry-Anekdote zu Ende, anschließend spricht Lynn Walsh darüber, warum man mit freundlichem Fragen weiterkommt als mit Angriffen und fragt: ‚Wenn ich über GamerGate schreiben soll, worüber schreibe ich da eigentlich, besteht da öffentliches Interesse?‘ Milos Laune wird immer schlechter: ‚Es hilft schon mal nicht, wenn du Journalist bist, GamerGate findet alle Journalisten Scheiße!‘ Lynn Walsh sagt, sie habe aus dem ersten Panel andere Schlüsse über #GamerGate gezogen, die der zweite Teil der Konferenz nun in Frage stelle. Summers macht einen guten Punkt: Wenn es an öffentlichem Interesse gemangelt habe, warum hätten dann fast alle Medien unisono wohlwollend über die andere Seite des Konflikts berichtet? Koretzky will davon nichts hören : ‚Nehmen wir an, alles Böse in der Vergangenheit war so, wie ihr das sagt. Was können wir machen, damit es in Zukunft besser läuft? Wenn Lynn Walsh einen Artikel zum ersten Jahrestag von GamerGate schreiben sollte, wer wären ihre Ansprechpartner?‘

Cathy Young, die vor fast einem Jahr genau in dieser Lage war, sagt, dass man einfach zusehen muss, auf Twitter oder in anderen Netzwerken, beobachten, mitlesen und potentielle Interviewpartner herausarbeiten. Koretzky fragt nach: Was habe diese zufälligen Quellen gesagt? Hat Young auch die Gegenseite einbezogen, wie es #GamerGate von Journalisten fordert? Gegen den letzten Vorwurf verteidigt sich Cathy Young mit der Tatsache, dass es zum Erscheinungszeitpunkt ihres Artikels eigentlich nur Artikel über die Gegner des Hashtags gab: ‚Ich hatte kein Interesse daran, eine tausendfach geschriebene Geschichte noch mal zu erzählen.‘

Derek Smart hat jetzt noch einmal fast eine halbe Stunde gewartet: ‚Hier im Programm steht: Wie gehen die Mainstream-Medien mit Internetbewegungen um. Jetzt ist fast eine Stunde rum. Wann reden wir darüber?‘ Er sieht Koretzkys Fragen als Fangfragen, die zum von Koretzky gewünschten Diskussionsergebnis führen sollen. Gleichzeitig kritisiert er, dass Themen wie Feminismus an Stelle von Ethik behandelt werden.

R. La Forme, L. Walsh, D. Smart/ Bild: SPJAirplay Stream

R. La Forme, L. Walsh, D. Smart/ Bild: SPJAirplay Stream

Netzprominenz als Ansprechpartner?

Mit seiner nächsten Frage scheint der Moderator Smarts Verdacht erhärten zu wollen: ‚Was wenn ein Reporter einfach zu den ‚E-Celebs‘ wie Oliver Campbell oder Sargon of Akkad, den YouTube-Streamern, gehen würde?‘ Klar auf Dissens gezielt, nimmt Milo dem Ansatz den Wind aus den Segeln: ‚Dann tun er verdammt viel mehr als CBS, BBC und all die anderen Medien.‘ Genau das hätten diese nämlich nicht getan. Young und Summers rufen die Namen weiterer ‚Übeltäter‘. ‚Washington Post‘ und ‚New York Times‘ gehen im Applaus unter.

Koretzky läßt durchblicken, worauf er hingearbeitet hat: Sollte es nicht eine Liste von Streamern und anderen Leuten geben, die bereit sind mit Journalisten über das Thema zu sprechen? Wenn LaForme oder Walsh einen Artikel zum Jahrestag schreiben wollten, was würden sie auf der Basis des bisherigen Gesprächs als erstes tun? La Forme erklärt, dass er zu einem Thema, von dem er selbst wenig Ahnung hat, Informationen bei einem Spezialisten einholen würde, in diesem Fall wohl bei den ‚E-Prominenten‘. Er gibt zu bedenken, dass solche Recherchen Zeit kosten, die im heutigen Journalismus knapp sei. Lynn Walsh weiß gar nicht so recht, wo sie einen Aufhänger finden sollte, der GamerGate für ein Mainstream-Publikum interessant machen würde. Milo stellt die Gegenfrage, was GamerGate machen könne, damit die Medien nicht immer nur über Drohungen und Beleidigungen berichten und den Gamern zuhören, etwa bei Hinweisen zur kritischen Einschätzung von Quellen. Lynn Walsh will vor allem Beweise, belastbares Material, das z.B. auf früheres Fehlverhalten hinweist und dann müssten die Journalisten ihre Arbeit machen: Fakten checken. Milo hakt ein: ‚Aber genau das haben sie nicht getan, sie waren nur an Drohungen und Beleidigungen interessiert‘. Cathy Young stimmt zu, nicht nur das, sondern die Medien haben die Storys der Gegenseite veröffentlicht und so das Narrativ von der Hassgruppe in die Welt gesetzt, ohne Beweise zu suchen oder sich um die Möglichkeit zu scheren, dass die Drohungen durchaus auch von sogenannten Trollen stammen könnten.

Zum Thema Trolle hat Koretzky etwas zu sagen. Ihm wurden Informationen zugespielt, dass eine Gruppe dieser Internet-Störer sich verabredet haben sollen, um bei SPJAirplay als GamerGate-Sympathisanten aufzutreten und die Veranstaltung zu kippen. Einer von ihnen hat damit geprahlt einen guten Ruf in #GamerGate-Kreisen zu genießen. Sein Vorhaben, Koretzky zu doxxen ist dann allerdings wohl im Sand verlaufen. Wie sollten Journalisten mit solchen anonymen Informationen von selbsternannten Trolljägern umgehen? Lynn Walsh möchte nur im äußersten Notfall auf wirklich anonyme Quellen zurückgreifen müssen und solche Informationen nur indirekt für weitere Nachforschungen einsetzen.

Koretzky möchte  jetzt wissen, wie viel Zeit man aufwenden muss um in das Thema einzusteigen, Young sagt eine Woche reicht um sich einzulesen, Milo stimmt zu. Koretzky fügt hinzu, das Journalisten und Gamer auch bei Meetups wie #GGinBoston aufeinander treffen könnten. Milo gibt zu Bedenken, das Anonymität im Internet dazugehört und das Journalisten sich darauf einstellen müssen. LaForme lobt noch einmal Paolo Munoz, eben weil er bereit war, im ersten Panel sein Gesicht zu zeigen und so aus der Anonymität herauszutreten, GamerGate brauche mehr Leute von seiner Sorte. Milo: ‚Dafür wird dann halt die Familie von dem armen Kerl gedoxxt.‘ An die Adresse von Lynn Walsh gerichtet fügt er hinzu, das Publikationen, die strukturell offensichtlich nicht in der Lage sind, adäquat über das Internet zu berichten, es lieber lassen sollten.

Milo ist voll konzentriert / Bild: SPJAirplay Stream

Milo ist voll konzentriert / Bild: SPJAirplay Stream

Derek Smart hat nicht viel gesagt, hat aber – soviel sei meiner später folgenden Analyse vorweggenommen – auf meiner Punktrichterkarte die meisten Striche unter den Teilnehmern. Er berichtet von Menschen in seinem Umfeld, Akademikern und Spieleentwicklern, die sich nicht trauen ihre Unterstützung für #GamerGate öffentlich zu machen, weil sie Angst vor den Taktiken der Gegenseite haben. Dies sei der Grund für die große Menge anonymer Unterstützer des Hashtags. Leider will Koretzky auch hier eine Frage unterbringen, er fragt Smarts Panelkollegen nach dem Unterschied zwischen journalistischer und echter Anonymität, die dann auch brav erläutert wird: Im einen Fall kennt nur der Leser den Namen der Quelle nicht, im anderen auch der Journalist.

Smart sagt, das es um Vertrauen geht. Wenn ein Whistleblower zur ‚New York Times‘ gehe, tue er das, weil er dieser Institution vertraut. Die Spieler würden der Spielepresse eben nicht vertrauen. Darauf Koretzky: ‚Es geht hier aber um die Mainstream-Medien‘ und Milo macht den Deckel drauf: ‚Euch trauen sie auch nicht‘.

Cathy Young berichtet danach von einem Interview, das ein Reporter mit ihr per Email geführt habe und bei dem schon an den Fragen abzulesen gewesen sei, das er nur an den üblichen Vorurteilen zum Thema interessiert gewesen ist. Bei diesem Thema stimmen alle Journalisten auf dem Podium mal überein: Email allein sollte das letzte Mittel sein, um ein Interview zu führen. Von Cathys Antworten war nach ihren Angaben im finalen Artikel nichts zu lesen, sie hatten wohl nicht zur Ideologie des Autors gepasst.

Abruptes Ende

Und dann ist es auf einmal vorbei. Stimmengewirr, ein Polizeifunkgerät quäkt, alle stehen auf, verlassen den Raum. Ein paar Minuten später die Gewissheit: Eine Bombendrohung. Das Koubek-Center (und im Anschluss auch umliegende Wohnhäuser) werden geräumt und durchsucht. Eine Bombe wird nicht gefunden.  Der offizielle Teil von SPJAirplay ist zu Ende.

Link zur Aufzeichnung des Nachmittags-Streams


 

Ich bin mir bewusst, das ich hier eine ziemliche Bleiwüste geschaffen habe, aber es ging mir vorrangig darum, den groben Inhalt auf Deutsch zur Verfügung zu stellen, so dass jedem Interessierten die Informationen zur Verfügung stehen.  Ein dritter Artikel zu SPJAirplay erscheint im Laufe des Montags und wird meine Analyse und ein paar Worte über den nachfolgenden Impromptu-Stream von Derek Smart sowie das Medienecho auf die Konferenz enthalten.

Wer mehr lesen will und mit Englisch kein Problem hat, dem sei Rise: Miami News empfohlen. Die lokale Nachrichtenseite aus Miami hat nach der Bombendrohung erst #GamerGate im Verdacht gehabt – wen auch sonst – wurde aufgeklärt, hat zugehört und als Friedensangebot  die Möglichkeit in den Raum gestellt, Artikel aus dem Umfeld von #GG zu veröffentlichen, sofern sie einigen Mindeststandards entsprechen. Inzwischen sind einige davon erschienen und die Meisten sind richtig gut.

 

 

In Devin Wilsons Kopf – Teil 1

Spaß ist ein neurologischer Trick.

In dieser Artikelreihe beschäftige ich mich mit dem Artikel ‚A Guide to ending Gamers‘ (‚Eine Anleitung wie man das Ende der Gamer herbeiführt‘) von Devin Wilson. Wilsons Artikel, am 28. August 2014 auf Gamasutra erschienen, war Teil des Medienblitzkriegs mit dem Tenor ‚Gamer sollten nicht mehr die primäre Kundschaft der Spieleindustrie sein‘. 16 Artikel innerhalb von wenigen Tagen sollten das Ende der ‚hyperkapitalistischen‘ Gamerkultur besiegeln und Wilson (er arbeitet an seinem Doktor in Medienwissenschaften) wollte offensichtlich das Manifest für diesen Putsch schreiben.

Er arbeitet sich in achtzehn Punkten durch die ideologische Basis dieser feindlichen Übernahme und ich werde mich Punkt für Punkt (wenn auch nicht in Wilsons Reihenfolge) mit den Vorschlägen beschäftigen, die er seinen Kollegen in der Spieleindustrie macht. Heute beginnen wir mit Punkt 11: Spaß. Hier ist, was Devin Wilson dazu zu sagen hat:

11. Wir hören auf ‚Spaß‘ weiterhin als das universelle, ultimative Kriterium für die Relevanz eines Spiels zu betrachten. Spaß ist im besten Falle ein sinnloses Ideal und im schlimmsten Falle eine vergiftete Priorität. Spaß ist ein neurologischer Trick. Viele vollkommen ungesunde Dinge machen ‚Spaß‘. Wir sollten nach mehr streben. Viele der Alternativen werden ähnlich schwammige Definitionen haben, aber wir sollten uns um Eigenschaften wie ‚erbaulich‘, ‚heilend‘, ‚pro-sozial‘ oder gar ‚erleuchtend‘ bemühen. Ich ermutige euch, eure eigenen Alternativen zu ‚Spaß‘ in Spielen zu finden (während ihr auf Ausdrücke wie ‚cool‘ oder ‚großartig‘  oder andere Wörter verzichtet, die nur dazu da sind bereits vorhandene, nicht hinterfragte Vorurteile zu bedienen).

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Viele ungesunde Dinge machen Spaß – für deutsche Ohren klingt das nach einem Veggie-Day für Spiele. Zuerst einmal: Wenn etwas Spaß in seiner Rolle als eines der Hauptkriterien für die Einschätzung der Qualität eines Spieles ablösen soll und dann wird es sehr schnell eng für die Spieleindustrie. Nach wie vor sind deren Kunden nun einmal an Unterhaltung interessiert und traditionell läuft Spaß da besser als Erbaulichkeit oder eine heilende Wirkung. Aber das ist Wilson wahrscheinlich egal, er ist ein Erleuchteter, er will das Alte niederreißen um auf den Trümmern eine neue Spielewelt nach seinen Vorstellungen zu errichten.

Machen zuviel Spaß: Karussells. Foto: gamergateblog.de

Machen zuviel Spaß: Karussells. Foto: gamergateblog.de

Und zweitens: Spiele, wie Devin Wilson sie sich vorstellt gibt es bereits. Hunderte. Tausende.  Gerade ist mit großer Medienbegleitung das Spiel ‚Sunset‘ vom Indie-Duo ‚Tale of Tales‘  erschienen. In diesem spielt der Spieler eine schwarze Ingenieurin, die sich während einer Rebellion in einer Bananenrepublik als Putzfrau durchschlagen muss und gleichzeitig ihren Bruder retten will, der mit den Revolutionären im Bunde ist. Klingt nach einer durchaus spannenden Story. Nach der Veröffentlichung haben ‚Tale of Tales‘ Pleite gemacht und sich mit folgenden letzten Worten aus der Spieleindustrie verabschiedet:

Perfekt. Lebt wohl, Gamer.Mögt ihr die selben Todesqualen leiden, die ihr tausenden wehrlosen virtuellen Kreaturen angetan habt.

In ‚Sunset‘ räumt man die Wohnung eines geheimnisvollen Fremden auf. Man putzt die Fenster. Man sortiert Kartons. Man sieht sich selbst ständig in spiegelnden Oberflächen, damit man ja nicht vergisst, dass man eine schwarze Frau spielt. An manchen Stellen kann man innehalten und sich die Gedanken der Hauptperson anhören. Man läuft endlos durch die Wohnung auf der Suche nach einem Spiel. Aber da ist kein Spiel, nur ein langweiliger Arthouse-Film in dem man herumlaufen kann.  Obwohl die üblichen Seiten das Spiel gelobt und angepriesen haben hat ‚Sunset‘ nur 4000 Einheiten verkauft bevor die Entwickler einen antikapitalistischen Meltdown auf Twitter hatten, weil sie nicht genug Geld verdient haben um sich ausreichend vom Publikum gewürdigt zu fühlen. Woran kann das nur gelegen haben? War es nicht erleuchtend genug? Hat es ausreichend heilende Wirkung gehabt? Hat am Ende jemand in einer Rezension Worte wie ‚cool‘ oder ‚großartig‘ benutzt? Wie der geneigte Leser sich bereits denken kann, war es kein ganz so esoterischer Grund, der ‚Tale of Tales‘ das Genick gebrochen hat: Das verdammte Ding hat einfach kaum jemandem Spaß gemacht.

Und damit wollen sich Journalisten wie Devin Wilson genauso wenig abfinden wie Auriea Harvey und Michaël Samyn, die ehemaligen Mitglieder des ehemaligen Studios ‚Tale of Tales‘. Während letztere auf den Boden stampfen und die Luft anhalten bis ihnen endlich jemand Geld für ein neues Kunstprojekt gibt, versuchen Ideologen wie Wilson eine Veränderung herbei zu schreiben, man will fast sagen, herbei zu beten. Denn wie viele Leute Interesse am ‚Erwachsenwerden der Videospielbranche‘ und ’spaßfreien Videospielen‘ haben, kann man ziemlich genau sagen: Nicht viel mehr als 4000.

Abschließendes Urteil: Fun ist ein Stahlbad!

Im nächsten Teil befasse ich mich mit Punkt 8: Wir werden die Einteilung in Hardcore und Casual los!

 

Mythologie – ‚#GG ist rechts‘

Alles Nazis, außer Mutti

Der Vorwurf, Unterstützer des Hashtags seien ‚klar‘ dem rechten Spektrum zuzuordnen findet sich zuhauf im Netz. Im Guardian schreibt Jon Stone:

Was GamerGater und Männerrechtsaktivisten gemeinsam haben ist der verzweifelte, egoistische Wunsch, sowohl das Problem mit passivem als auch mit aggressivem Sexismus in der Spieleindustrie zur Nebensache zu erklären anstatt die Verantwortung zu übernehmen. Sie wollen eine Debatte in der sie die missverstandenen Helden und unschuldigen Opfer spielen können.

Dies ist der wahre Grund, warum sie die Sache als apolitische Konsumentenrevolte darstellen wollen und nicht als eine Flut bösartiger Stimmungsmache vom rechten Flügel. Und dazu gibt es keine neutrale Haltung – wir sind entweder für sie oder gegen sie.

Nicht nur der pathetische Schlusssatz ist zum Fremdschämen. Der PC Blog PCAuthority macht es sich noch einfacher:

Außerdem [ist GamerGate] eine exzellente Tarnung für rechte, rassistische und zutiefst frauenfeindliche Gruppen.

Den Höhepunkt setzt schließlich Ex-Gawker-Autor Max Read, er titelt:

Wie uns die verlogenen Faschisten von GamerGate abgezockt haben.

Die Presse scheint sich also einig zu sein. Ein Haufen rechter Idioten, die Sorte mit der man nicht reden muss. Man kann sie einfach so verachten.

Wie ist dieser Eindruck entstanden?

Einen der Gründe für diese Wahrnehmung stellen sicher exponierte Personen wie der Schauspieler Adam Baldwin (Jayne in ‚Firefly‘) oder der Journalist Milo Yiannoupoulos (breitbart.com)  dar, die aus ihrer konservativen Haltung keinen Hehl machen. So hat sich Baldwin ablehnend zur Schwulenehe geäußert, Yiannopoulos legt sich regelmäßig im britischen Fernsehen mit Vertretern des linken Spektrums an und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Beides gesellschaftliche Todesurteile in der schönen neuen Welt der Progressiven.

Warum gibt sich GamerGate überhaupt mit Menschen ab, die solch rückständige Ideen vertreten? Weil diese Menschen bereit waren, in den Anfangstagen des Hashtags hinter die Kulissen der Zensur zu schauen. Yiannopoulos hat kurz vor dem Beginn der Revolte in seinen Artikeln noch die gleichen Klischees über Gamer benutzt, die auch der Rest der Medien all zu gern verbreitet.

Rechte 'Kunst' / Foto: gamergateblog.de

Rechte ‚Kunst‘ / Foto: gamergateblog.de

Als er gesehen hat, dass die Gamer bereit waren, sich gegen die Invasion der Bedenkenträger zu wehren, hat er einfach mal genauer hingeschaut. Und eine Gemeinschaft von Menschen gefunden, die von ihrer Liebe zu ihrem Hobby angetrieben, bereit waren, die gleiche gesellschaftliche Ächtung in Kauf zu nehmen, welche er als homosexueller konservativer Journalist in einem eher links-liberalen Medienumfeld schon kannte. Adam Baldwin war so freundlich, die Reichweite der Debatte in den Anfangstagen durch seinen Bekanntheitsgrad und sein Netzwerk erheblich zu erhöhen und beteiligt sich auch nach einem Jahr noch immer wieder an Diskussionen auf Twitter.

Aus der Tatsache, das viele Unterstützer des Hashtags diesen beiden Personen dankbar sind, leiten Journalisten und Aktivisten ab, dass es sich bei GamerGate um einen monolithischen, rechtskonservativen Block handelt. Das ist nicht nur faul, sondern verlogen. Vor allem von den deutschen Medien, die Vorwürfe einfach übernehmen, statt nachzufragen. Das die Menschen Yiannopoulos Artikel auf breitbart.com, einer deutlich rechts der Mitte stehenden Plattform, lesen, bedeutet nicht, dass sie seine politische Einstellung teilen. Das ich Adam Baldwin für seine ‚Öffentlichkeitsarbeit‘ dankbar bin, ändert nichts daran, dass ich einige seiner Positionen für falsch halte. Die Gegner des Hashtags sind oft nicht in der Lage, Personen und Inhalte zu trennen. Ein Fehltritt und man ist in diesen Kreisen für alle Zeiten als Quelle oder Gesprächspartner erledigt.

Entspricht er der Wahrheit?

Ich streite nicht ab, das unter den Unterstützern des Hashtags auch Personen sind, die sich selbst als ‚rechts‘ bezeichnen würden. Die finden sich dort genauso wie in jedem Turnverein. Diese Tatsache zu verleugnen wäre fatal, zumal es Beweise gibt. Als Antwort auf die Vorwürfe, eine ‚rechte Hassgruppe‘ zu sein, haben findige Leute aus dem GamerGate-Umfeld eine Umfrage organisiert. Sie entspricht natürlich keinen wissenschaftlichen Kriterien, beschreibt die Verhältnisse aber nach meiner persönlichen Erfahrung und der vieler anderer #GG-Unterstützer recht treffend:

 

Im Uhrzeigersinn: Autoritär, Rechts, Libertär, Links.

Im Uhrzeigersinn: Autoritär, Rechts, Libertär, Links.

Die Frontlinie verläuft nicht an der Grenze zwischen rechts und links. Aus dem Schaubild ist klar zu entnehmen, dass es vor allem um den Gegensatz ‚freiheitlich‘ und ‚autoritär‘ geht. Die Gamer sehen sich als Wächter ihres Hobbys, bereit es gegen Reglementierung und Missbrauch zu Propagandazwecken zu verteidigen. Auf der anderen Seite haben wir Menschen, deren proklamiertes Ziel es ist, die Gamer und ihre Spiele ‚loszuwerden‘, wahrscheinlich um danach eine ’neue‘, ‚bessere‘, ‚erwachsenere‘ Spieleindustrie gleich einer Inquisitionsbehörde zu kontrollieren. Sie benutzen den ‚#GamerGate ist rechts‘ Mythos, um von ihren eigenen Verfehlungen abzulenken. Wer darüber bestimmt, welche Inhalte oder sogar Menschen ‚problematisch‘ oder ‚toxisch‘ sind, hat Macht in einer Multi-Milliarden-Dollar-Industrie. Und Macht bedeutet Geld. Wer einen Vorgeschmack möchte, sehe sich die Verflechtungen zwischen Spielepresse und Entwicklern auf deepfreeze.it an (englisch).

Rechte Propaganda ? / Bild: Twitter

Rechte Propaganda ? / Bild: Twitter

SPJ Airplay endet mit Bombendrohung UPDATE

Update: Michael Koretzky hat über den Stream noch ein Statement abgegeben. Die Diskussion wurde im Hof eines Abbruchhauses weitergeführt, die Panelteilnehmer haben weiter diskutiert bis sie wieder ins Gebäude durften (Laut Paolo Munoz auf Twitter wird es davon eine Aufzeichnung geben). Abschließend bedankten sich Koretzky und das Technikteam bei den Helfern und Besuchern, der Organisator betont noch einmal die konstruktiven Elemente des Tages wie den Plan, eine Liste von Ansprechpartnern für Journalisten aufzustellen, die an #GG interessiert sind. Er stellt eine Weiterführung des Projekts zu einem späteren Zeitpunkt in Aussicht, auch wenn er sich nicht als zwingend beteiligt sieht.

 

25 Minuten vor Ende des zweiten Teils der SPJ Airplay Konferenz in Miami gab es plötzlich hektische Betriebsamkeit im Livestream. Offenbar wurden alle Anwesenden gebeten zügig den Raum zu verlassen. Minuten später bestätigt sich der Verdacht, den wohl viele Zuschauer im ersten Moment hatten: Es gab nicht nur eine, sondern mehrere Bombendrohungen. Alle Anwesenden wurden evakuiert, Polizei und Feuerwehr sind vor Ort und untersuchen das Koubek-Center im Stadtteil Little Havanna. Es gibt noch keine näheren Informationen zu den Vorgängen, nach Gerüchten wurde die Drohung, die zur Evakuierung führte, telefonisch einer Zeitung und der Polizei in Miami übermittelt.

Da die Untersuchung andauert, ist eine Wiederaufnahme der Konferenz nicht möglich. In einem spontanen Periscope-Stream aus der Wartezone für die Evakuierten versprach Entwickler Derek Smart allerdings einen Stream von der folgenden Party.

Zu den Geschehnissen rund um Airplay werden in den nächsten Tagen weitere Artikel auf gamergateblog.de erscheinen!

Worte verlieren ihre Bedeutung

Teil 1 – ‚Rassist‘

Ringen um Deutungshohheit

In dieser Artikelserie werde ich Begriffe behandeln, die in der Diskussion rund um #GamerGate  ihre Bedeutung zu verlieren drohen. Sollten die Neudefinitionen der progressiven Cliquen in San Francisco und anderswo in unserer Sprache Fuß fassen, sehe ich schwarz für den offenen Diskurs. Nicht nur im Netz sondern auch in akademischen Zirkeln und den Medien.

In einer Weise hat sich die Weltsicht der Partei am erfolgreichsten bei den Menschen verfestigt, die nicht in der Lage sind, sie zu verstehen.

George Orwell, 1984

Es bedeutet nicht das, was du denkst Schatz!

Rassist. Ein schönes Schimpfwort, es beleidigt nicht nur den Empfänger, sondern gibt dem Sender die Genugtuung, ein besserer Mensch als sein Gegenüber zu sein. In meiner Jugend waren Rassisten entweder alte Männer mit unveränderlichen Vorurteilen oder kahl rasierte Idioten in Bomberjacken. Die Gegner der Ideen, für die #GamerGate steht, haben leider nicht die gleichen Definitionen wie ich oder auch der geneigte Leser vor Augen, wenn sie von Rassisten sprechen.

Ihre Definition ähnelt eher dieser hier, festgelegt in einem Papier des ‚Büros für die Unterweisung der vor Ort wohnenden Studenten zum Zwecke der Förderung der Diversität im Uni-Leben‘ an der Walter Ulbricht Univer… Universität von Delaware von 2007.

RASSIST: Ein Rassist ist jeder der auf Grund seiner Rasse durch ein (rassistisches) System weißer Überlegenheit sowohl privilegiert als auch sozialsiert wird. Dieser Ausdruck lässt sich auf alle weißen Menschen (also Menschen europäischer Herkunft) in den Vereinigten Staaten anwenden, weder Klasse, Gender, Religion, Kultur noch Sexualität spielen dabei eine Rolle. Nach dieser Definition können also Menschen anderer Hautfarbe keine Rassisten sein, denn ihnen fehlt als Bürger innerhalb des Systems der USA die Macht um ihren Vorurteilen, Feindseligkeiten oder ihren Akten der Diskriminierung Nachdruck zu verleihen (Dies steht nicht der Tatsache entgegen, dass solche Vorurteile, Feindseligkeiten oder Akte der Wut oder Diskriminierung existieren.)

NICHT-RASSIST: Ein Unwort. Der Begriff wurde von Weißen geschaffen um ihre Verantwortung für den systemischen Rassismus zu ignorieren, um im Angesicht rassistisch motivierter Unterdrückung eine Aura der Unschuld zu erhalten und um die Verantwortung für diese Unterdrückung den Menschen anderer Hautfarbe zuzuschieben (man nennt das ‚dem Opfer die Schuld geben‘). Die Verantwortung für die Weiterführung und Legitimierung eines rassistischen Systems liegt bei jenen, die es aktiv am Laufen halten und bei denen, die sich weigern es herauszufordern. Schweigen ist Zustimmung.

Wie soll bei so extrem abweichenden Definitionen ein Dialog möglich sein? Ein Großteil meiner Leser dürfte weiß sein, weil er oder sie nicht nur ein ‚Mensch europäischer Herkunft‘ ist sondern meist sogar dort leben dürfte. Ergo wäre mein geneigter Leser also mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Rassist, folgte ich dieser kruden Theorie.  Ein wenig kafkaesk ist das schon – nur auf Grund meiner Hautfarbe und der Umstände meiner Geburt bin ich also ein Rassist? Was ist wenn ich einfach sage: ‚Ich gehöre keiner Rasse an, ich bin über 10.000 Jahre alt, meine Name ist Mensch?

Haben Sie jemals eine wohlmeinende weiße Person sagen hören: ‚Ich gehöre keiner Rasse an, nur der menschlichen Rasse‘? Normalerweise möchte sie damit ausdrücken, das sie rassistischen Kategorisierungen nicht fördern will, indem sie ihr ‚Weiß-sein‘ nicht zur Kenntnis nimmt. Damit versucht sie der Verantwortung zu entkommen, die sie durch ihre Beteiligung an einem System auf sich geladen hat, welches auf weißer Überlegenheit basiert.

(alle Beispiele auf Seite 3 des Dokuments)

Ach so. Na dann. Dann halt nicht. Ich werde dann aber in Zukunft auch jedes ‚Rassist‘ aus dieser Ecke ignorieren und das sollten Sie, lieber Leser, auch tun. Es bedeutet für diese Menschen etwas ganz anderes, als für uns Unwissende „auf der falschen Seite der Geschichte“. Wenn Sie also in Zukunft jemand Progressives mit bunten Haaren einen ‚Rassisten‘ nennt, will derjenige damit eigentlich nur ausdrücken, dass sie von verdächtig weißer Hautfarbe sind und nicht etwa das sie rückständige, dumme, ausländerfeindliche Gedanken hegen.

Die deutschen Journalisten, welche die Rassismus-Vorwürfe gegen #GamerGate ungefiltert und ungeprüft aus den englischsprachigen Medien (die zu nicht unerheblichen Teil wegen ethischer Verfehlungen ins Visier von #GG geraten sind) übernehmen, sollten in Zukunft einen kritischeren Blick auf ihre Quellen richten. Einer nordkoreanischen Zeitung glaubt doch auch niemand, wenn sie von ‚Systemschädlingen‘ schreibt, warum also werden die Definitionen in diesem Fall nicht hinterfragt? Faulheit? Stillschweigende Befürwortung des Neusprech?

Ich erinnere mich da an eine ganze Gruppe Journalisten, die mir das Motto ‚Wenn alle Menschen Gamer sind, ist es keiner‘ wie sauer Bier verkaufen wollten. Jetzt würde ich es nehmen, ich tausche es gegen ein ‚Wenn alle Weißen Rassisten sind, ist es keiner‘, das hab ich doppelt.

Link zur Bildlizenz (Titelbild George Orwell)

 

 

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