Tag: 16. August 2015

In Devin Wilsons Kopf – Teil 1

Spaß ist ein neurologischer Trick.

In dieser Artikelreihe beschäftige ich mich mit dem Artikel ‚A Guide to ending Gamers‘ (‚Eine Anleitung wie man das Ende der Gamer herbeiführt‘) von Devin Wilson. Wilsons Artikel, am 28. August 2014 auf Gamasutra erschienen, war Teil des Medienblitzkriegs mit dem Tenor ‚Gamer sollten nicht mehr die primäre Kundschaft der Spieleindustrie sein‘. 16 Artikel innerhalb von wenigen Tagen sollten das Ende der ‚hyperkapitalistischen‘ Gamerkultur besiegeln und Wilson (er arbeitet an seinem Doktor in Medienwissenschaften) wollte offensichtlich das Manifest für diesen Putsch schreiben.

Er arbeitet sich in achtzehn Punkten durch die ideologische Basis dieser feindlichen Übernahme und ich werde mich Punkt für Punkt (wenn auch nicht in Wilsons Reihenfolge) mit den Vorschlägen beschäftigen, die er seinen Kollegen in der Spieleindustrie macht. Heute beginnen wir mit Punkt 11: Spaß. Hier ist, was Devin Wilson dazu zu sagen hat:

11. Wir hören auf ‚Spaß‘ weiterhin als das universelle, ultimative Kriterium für die Relevanz eines Spiels zu betrachten. Spaß ist im besten Falle ein sinnloses Ideal und im schlimmsten Falle eine vergiftete Priorität. Spaß ist ein neurologischer Trick. Viele vollkommen ungesunde Dinge machen ‚Spaß‘. Wir sollten nach mehr streben. Viele der Alternativen werden ähnlich schwammige Definitionen haben, aber wir sollten uns um Eigenschaften wie ‚erbaulich‘, ‚heilend‘, ‚pro-sozial‘ oder gar ‚erleuchtend‘ bemühen. Ich ermutige euch, eure eigenen Alternativen zu ‚Spaß‘ in Spielen zu finden (während ihr auf Ausdrücke wie ‚cool‘ oder ‚großartig‘  oder andere Wörter verzichtet, die nur dazu da sind bereits vorhandene, nicht hinterfragte Vorurteile zu bedienen).

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Viele ungesunde Dinge machen Spaß – für deutsche Ohren klingt das nach einem Veggie-Day für Spiele. Zuerst einmal: Wenn etwas Spaß in seiner Rolle als eines der Hauptkriterien für die Einschätzung der Qualität eines Spieles ablösen soll und dann wird es sehr schnell eng für die Spieleindustrie. Nach wie vor sind deren Kunden nun einmal an Unterhaltung interessiert und traditionell läuft Spaß da besser als Erbaulichkeit oder eine heilende Wirkung. Aber das ist Wilson wahrscheinlich egal, er ist ein Erleuchteter, er will das Alte niederreißen um auf den Trümmern eine neue Spielewelt nach seinen Vorstellungen zu errichten.

Machen zuviel Spaß: Karussells. Foto: gamergateblog.de

Machen zuviel Spaß: Karussells. Foto: gamergateblog.de

Und zweitens: Spiele, wie Devin Wilson sie sich vorstellt gibt es bereits. Hunderte. Tausende.  Gerade ist mit großer Medienbegleitung das Spiel ‚Sunset‘ vom Indie-Duo ‚Tale of Tales‘  erschienen. In diesem spielt der Spieler eine schwarze Ingenieurin, die sich während einer Rebellion in einer Bananenrepublik als Putzfrau durchschlagen muss und gleichzeitig ihren Bruder retten will, der mit den Revolutionären im Bunde ist. Klingt nach einer durchaus spannenden Story. Nach der Veröffentlichung haben ‚Tale of Tales‘ Pleite gemacht und sich mit folgenden letzten Worten aus der Spieleindustrie verabschiedet:

Perfekt. Lebt wohl, Gamer.Mögt ihr die selben Todesqualen leiden, die ihr tausenden wehrlosen virtuellen Kreaturen angetan habt.

In ‚Sunset‘ räumt man die Wohnung eines geheimnisvollen Fremden auf. Man putzt die Fenster. Man sortiert Kartons. Man sieht sich selbst ständig in spiegelnden Oberflächen, damit man ja nicht vergisst, dass man eine schwarze Frau spielt. An manchen Stellen kann man innehalten und sich die Gedanken der Hauptperson anhören. Man läuft endlos durch die Wohnung auf der Suche nach einem Spiel. Aber da ist kein Spiel, nur ein langweiliger Arthouse-Film in dem man herumlaufen kann.  Obwohl die üblichen Seiten das Spiel gelobt und angepriesen haben hat ‚Sunset‘ nur 4000 Einheiten verkauft bevor die Entwickler einen antikapitalistischen Meltdown auf Twitter hatten, weil sie nicht genug Geld verdient haben um sich ausreichend vom Publikum gewürdigt zu fühlen. Woran kann das nur gelegen haben? War es nicht erleuchtend genug? Hat es ausreichend heilende Wirkung gehabt? Hat am Ende jemand in einer Rezension Worte wie ‚cool‘ oder ‚großartig‘ benutzt? Wie der geneigte Leser sich bereits denken kann, war es kein ganz so esoterischer Grund, der ‚Tale of Tales‘ das Genick gebrochen hat: Das verdammte Ding hat einfach kaum jemandem Spaß gemacht.

Und damit wollen sich Journalisten wie Devin Wilson genauso wenig abfinden wie Auriea Harvey und Michaël Samyn, die ehemaligen Mitglieder des ehemaligen Studios ‚Tale of Tales‘. Während letztere auf den Boden stampfen und die Luft anhalten bis ihnen endlich jemand Geld für ein neues Kunstprojekt gibt, versuchen Ideologen wie Wilson eine Veränderung herbei zu schreiben, man will fast sagen, herbei zu beten. Denn wie viele Leute Interesse am ‚Erwachsenwerden der Videospielbranche‘ und ’spaßfreien Videospielen‘ haben, kann man ziemlich genau sagen: Nicht viel mehr als 4000.

Abschließendes Urteil: Fun ist ein Stahlbad!

Im nächsten Teil befasse ich mich mit Punkt 8: Wir werden die Einteilung in Hardcore und Casual los!

 

SPJAirplay – Der Morgen

Der große Tag ist da!

Lange haben die Gamer, die sich unter dem Hashtag #GamerGate versammelt haben auf diese Chance gewartet. Ein öffentliches Forum, in dem sie sich gegen die seit einem Jahr andauernden Vorwürfe der Presse wehren können, bei den revoltierenden Spielern handele es sich um einen Haufen frauenfeindlicher, zu jeder Schandtat bereiter, weißer, übergewichtiger Männer. Eine Debatte zwischen Gegnern und Befürwortern sollte es sein, die Michael Koretzky von der ‚Society of Professional Journalists‘ organisieren wollte. Aber schon dieses Vorhaben erwies sich als unmöglich: Von der Gegenseite hat sich niemand bereit erklärt, an der Diskussion teilzunehmen, obwohl Koretzky den Teilnehmern sogar die Übernahme von Reisekosten angeboten hat.

Koretzky blieb, trotz dieses Rückschlags und dem nicht immer einfachen Umgang mit den notorisch misstrauischen Vertretern der Konsumentenrevolte, auf Kurs und änderte kurzerhand das Format: Am 15. August sollten im Koubek-Center in Miami nun nicht mehr Abgeordnete von #GamerGate und deren Opposition debattieren, die Gesprächspartner würden aus den Reihen der SPJ und der Spieleindustrie kommen.

Die Auswahl fiel auf Lynn Walsh, Journalistin und Mitglied in der Ethik-Komission der SPJ, Ren LaForme , Dozent am Poynter Institut für Journalismus und nach eigener Aussage nicht nach Ren aus ‚Ren und Stimpy‘ benannt, sowie Derek Smart,  einen Indie-Entwickler der ersten Stunde: Sein Opus Magnum, Battlecruiser 3000 AD, stammt von 1995 .

In der ersten Runde der Konferenz sollte es um die ethischen Verfehlungen gehen, die #GamerGate der Spielepresse vorwirft. Als Vertreter von #GamerGate sollten Ashe Schow, Journalistin beim Washington Examiner, Allum Bokhari, der ‚einzige Liberale bei breitbart.com‘ und Spieleentwickler Mark Ceb Beispiele vortragen, die Walsh, LaForme und Smart anschließend bewerten würden.

Redet ihr etwa über Gawker?

Den Anfang macht Ashe Schow mit dem Fall Max Temkin. Temkin, der Entwickler des Kartenspiels ‚Cards against Humanity‘ war nach Anschuldigungen einer College-Bekanntschaft, sie 8 Jahre zuvor vergewaltigt zu haben, von der Spielepresse und einigen Eiferern vorverurteilt und an den Internet-Pranger gestellt worden. Als die neutralen Journalisten nach der Quelle fragen, fallen zum ersten Mal die Namen Gawker und Kotaku. Walsh und LaForme verdrehen die Augen, Koretzky fragt: ‚Was hältst du von Gawker?‘. Walsh antwortet: ‚Ich würde sie sicher nicht zitieren‘. Ein absolutes Highlight des Panels ist Mark Cebs lakonischer Humor. Koretzky: ‚Kotaku ist eine der größten Spiele-Webseiten‘, darauf Ceb: ‚Unglücklicherweise!‘. Leider geht eine Entscheidung, inwieweit ein Bruch der Ethikregeln vorliegt in einer Diskussion über Richtigstellungen und Gegendarstellungen unter. Lynn Walsh stellt klar, dass diese gut sichtbar und sofort zu veröffentlichen sind. Ren LaForme gibt zu bedenken, dass solche Richtigstellungen im Internet eher untergehen und übersehen werden, als in den ‚alten‘ Medien und mahnt Medienkompetenz an: ‚Wenn es auf Gawker steht, ist es Boulevard, das weiß man‘. Derek Smart glaubt, dass es nicht die Journalisten sind, die in solchen Fällen versagen, sondern die Chefredakteure, die sie nicht ausreichend führen und, falls nötig, vor sich selbst schützen.

Dann ist Zeit für Publikumsfragen und so für einen der Höhepunkte des Panels: Paolo Munoz, auch bekannt als @GameDiviner, ein sehr moderater und um Vermittlung bemühter Vertreter der Konsumentenrevolte, hält eine kurze Brandrede und sagt einen Satz, der ihn in der Geschichtsschreibung des Hashtags unsterblich machen wird: ‚Gawker ist nicht nur unethisch. Sie sind bereit, Leben zu zerstören‘. Er weist darauf hin, dass es die Angst vor der Macht von Dreckschleudern wie Gawker ist, die viele Unterstützer von #GG in der Anonymität verharren lässt.

Paolo Munoz / Bild: Twitter

Paolo Munoz / Bild: Twitter

Der zweite Fall, von Mark Ceb vorgetragen, befasst sich mit Patricia Hernandez, einer Autorin für Kotaku, die Artikel über die Spiele von Freunden und Mitbewohnern geschrieben hat, ohne diese Verhältnisse offen zu legen. Zwar wurden die Artikel nach Beginn der Konsumentenrevolte mit Disclaimern versehen, aber die Reaktion des Chefredakteurs Stephen Totilo lässt  seine Entschuldigungen wie Lippenbekenntnisse klingen. Die Reaktion von Lynn Walsh ist klar: Es sollte keine persönlichen Beziehungen zwischen einem Journalisten und seiner Quelle geben. Sie führt aus, dass ein einzelner Mitarbeiter mit einem Interessenkonflikt die Arbeit eines ganzen Teams zunichte machen kann, weil der Artikel in den Hintergrund tritt, während nur über die ethische Verfehlung gesprochen wird. Mark will so weit gar nicht gehen und denkt, dass die Gamer mit der Offenlegung einer persönlichen Beziehung zu Beginn eines Artikels völlig zufrieden wären. Als Ren LaForme feststellt, #GamerGate habe in diesem Fall ‚einen Slam Dunk hingelegt‘, brandet Applaus auf. LaForme ist sichtlich irritiert, er hat offensichtlich keine Ahnung wie dankbar ihm die Gamer nach einem Jahr in der metaphorischen Wüste für diesen Eimer kaltes Wasser sind.

Fall 3, wieder von MarK Ceb vorgetragen beschäftigt sich mit der Entlassung von Jeff Gerstmann. Der war von seinem damaligen Arbeitgeber, GiantBomb, vor die Tür gesetzt worden, weil er dem Spiel ‚Kane & Lynch 2‘ in seinem Review nur die Note 6/10 gegeben hatte. Ihm war zum Verhängnis geworden dass der Publisher des Spiels zur gleichen Zeit eine lukrative Anzeigenkampagne bei GiantBomb gebucht hatte. Nachdem in Rückfragen kurz die Quellen für die Story abgeklopft worden sind, hakt Koretzky ein: Ihm wurde in den vergangenen Wochen die Frage nach dem Unterschied zwischen Journalismus und Kritik im Bezug auf ethische Regeln gestellt. Lynn Walsh antwortet, was sie eigentlich zu jeder Frage sagt: ‚Ich würde so etwas nicht machen‘ – in diesem Fall dem Druck von Anzeigenkunden nachgeben. Sie sagt aber auch, dass man einen Arbeitgeber braucht, der bereit ist, eine solche Linie mit zu tragen.  Koretzky dirigiert die Diskussion weiter: ‚Gibt es im Internet einen Unterschied zwischen Bericht und Meinung? Wie können Meinungen klar gekennzeichnet werden?‘. Mark Ceb antwortet knapp: ‚Meinung‘. Dann rückt Koretzky mit der Frage heraus auf die er hingearbeitet hat: ‚Wäre die Wut der Gamer über die ‚Gamers are Dead‘-Artikel geringer gewesen, wenn sie klar als ‚Meinung‘ gekennzeichnet gewesen wären?‘. Die einhellige Antwort des Podiums, wenig verwunderlich: Nein.

Michael Koretzkys nächste Frage: Was können Leser tun, wenn sie eine Verfehlung wie die angesprochenen entdecken? Lynn Walsh schlägt vor, dass zu tun, was GamerGate tut: Aufdecken, sich an die SPJ wenden und versuchen Öffentlichkeit herzustellen. Sie findet das ‚völlig in Ordnung‘. LaForme fügt hinzu, dass man aufhören sollte entsprechende Seiten zu lesen. Koretzky bittet #GG darum, nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen zu schießen und schlägt eine direkte Zusammenarbeit zwischen Spielepresse und SPJ vor: Ethikseminare, Vorschläge zur Offenlegung von Interessenkonflikten, vielleicht sogar einen Award für besonders ethischen Spielejournalimus. Das Podium stimmt überein, das eine solche Zusammenarbeit sicher hilfreich, aber nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zur Besserung der Verhältnisse wäre.

lynnwalsh

#Doritogate bei der SPJ

Ren LaForme nutzt die Gelegenheit um Werbung für sein Buch zu machen. Koretzky scherzt in Anspielung auf einen weiteren ‚Skandal‘: ‚Zu jedem Buch gibt es eine Tüte Doritos‘. Dann wird LaForme ernst und spricht die Hakenkreuze und Aids-Wünsche von Trollen im Chat an, der den Stream begleitet: ‚Diese Leute werden jetzt mit euch assoziiert, wie geht ihr damit um? Das sind genau die Dinge, wegen denen ihr einen schlechten Ruf habt‘. Leider wechselt Derek Smart das Thema, bevor es zu einer Diskussion kommt, hier wurde eine Chance verpasst.

Koretzky stellt als nächstes die Idee eines Ombudsmanns für Spielejournalismus in den Raum: Jemanden der über die Berichte der Spielepresse berichtet, eine Art Presserat für Gaming-Websites. Mark Ceb bringt in diesem Zusammenhang William Usher und David Auerbach ins Spiel, die er als Spielejournalisten ohne enge Verbindungen zur Industrie sieht, aber Koretzky schwebt eine formalere Institution ohne ‚GameGate-Stallgeruch‘ vor.

Vor der Schlussrunde gibt es Zuschauerfragen. ‚Können die Seiten wie Kotaku oder Gamasutra das Vertrauen der Konsumenten zurückgewinnen? Wie lange würde das dauern?‘. Mark Ceb glaubt, dass es sehr lange dauern würde und das die Websites die ‚Rädelsführer loswerden‘ müssten. Das Köpferollen kommt bei Koretzky nicht gut an. Bokhari nennt den ‚Escapist‘ als Beispiel für eine Webseite, die es geschafft hat mit einer Entschuldigung und neuen Ethikregeln das Vertrauen ihrer Leser zurück zu gewinnen.

Dann ist es Zeit für die Schlussrunde. Ashe Schow macht den Anfang, sie ist froh, das die Vertreter der SPJ die Interessenkonflikte als ethische Verfehlungen bestätigt haben und hofft das die Diskussion jetzt in einer breiteren Öffentlichkeit stattfinden wird. Allum Bokhari hofft, das mehr Menschen nach Airplay begriffen haben, dass der Mythos von der Hassgruppe #GamerGate Nonsens ist. Mark Ceb ermutigt junge Menschen, die Spaß am Schreiben und an Videospielen haben, sich für eine Karriere in der Spielepresse zu engagieren: ‚Es gibt Bedarf an guten Spielejournalisten!‘

Ren LaForme ist weiter skeptisch was #GamerGate angeht, aber froh, dass er die ethischen Probleme im Spielejournalismus bestätigen konnte – die gäbe es dort wie in jedem anderen Bereich. Lynn Walsh weist noch einmal auf die Angebote der SPJ hin und empfiehlt im Zweifelsfall ein Gespräch mit der ‚Ethik-Hotline‘ der Gesellschaft. Außerdem sollten die Gamer im Gespräch mit der Presse vielleicht lieber den freundlichen, respektvollen Ansatz wählen statt voll auf Angriff zu schalten, um ihren Worten mehr Gewicht zu verleihen. Derek Smart setzt einen deutlichen Schlusspunkt:’Das hier hört nicht auf, bis die Spielejournalisten aufhören die Spieler – und vor allem #GamerGate – als Hassgruppe zu bezeichnen. Das habe ich von Tag eins an gesagt!‘.

 

Link zur Aufzeichnung des Morgen-Streams

(Audio ist am Anfang unterirdisch, wird aber besser!)


 

Soweit meine Zusammenfassung des Morgenpanels. Das Nachmittagspanel sowie alles zum explosiven Ende und eigene Gedanken zu dem, was da alles passiert ist, folgen im Laufe des Tages (wenn’s ein wenig dauert: Das hier ist eine One-Man-Show und ich bin jetzt seit über 24 Stunden wach… erstmal ist Schlaf angesagt).

 

 

 

 

Ein GamerGate-Blog? Wieso das denn?

Disclaimer

Ich hasse Gewalt. Ich verabscheue Drohungen gegen die körperliche Unversehrtheit anderer Menschen, Drohungen sexueller Natur und psychische Angriffe um Menschen zum Schweigen zu bringen. Was Anita Sarkeesian und Zoe Quinn lesen und hören mussten, sollte kein Mensch lesen oder hören müssen. Was Lizzy Finnegan, Kolumnistin beim Escapist, ertragen musste, als ihre Kinder bedroht wurden, weil sie sich pro-#GamerGate engagierte, sollte niemand durchmachen müssen.  Wer anderen Menschen so etwas antut oder sie auf Grund von Merkmalen, die sie sich nicht aussuchen konnten beschimpft oder belästigt hat weder in der Konsumentenrevolte noch auf der Gegenseite etwas zu suchen. Ich und viele Unterstützer des Hashtags wollen mit diesen Leuten nichts zu tun haben.  Ich hoffe auf der Gegenseite sieht es genauso aus, aber ich hab da so meine Zweifel. Noch einmal: Ich verurteile jegliche Form von psychischer Gewalt und jede Drohung in diesem Konflikt, egal wer sie ausspricht oder ausgesprochen hat. 


 

Wieso?

Eine berechtigte Frage. Jetzt, nach einem Jahr fällt es mir ein, meine Gedanken zur Konsumentenrevolte in eine lesbare Form zu gießen. Wieso? Wieso jetzt? Wieso gerade ich?

Lasst mich zuerst die letzte Frage beantworten: Weil ich es kann. Das klingt zuerst großkotzig, aber ich bitte darum, meine Erklärung abzuwarten: In der Vergangenheit gab es diverse Fälle, in denen sichtbare Befürworter des Hashtags Drohungen ausgesetzt waren. Schmierereien an Bürotüren, Doxxing (das Verbreiten von persönlichen Daten wie Adresse oder Telefonnummer der Person zum Zweck der Belästigung), Messer in der Post mit der Aufforderung, diese an sich selbst zu verwenden, Anrufe beim Arbeitgeber mit dem Ziel den Betreffenden um seinen Job zu bringen, you name it. In Deutschland herrscht Impressumspflicht, das heißt, um nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten muss ich mich praktisch selber doxxen, bevor ich ein Wort geschrieben habe. Ich nehme dieses Risiko in Kauf weil ich unabhängig bin. Ich bin mein eigener Arbeitgeber, ich lebe allein und wer mir die Scheibe einwerfen will, soll das ruhig tun, ich werde es verkraften. Und ihn anzeigen.Was mich endlich zum ‚Wieso?‘ bringt.

Wieso nehme ich diese Unwägbarkeiten in Kauf? Ich habe schon längere Zeit mit dem Gedanken an diesen Blog gespielt, aber den letzten Impuls, die Sache wirklich anzugehen hat mir der Artikel ‚Unhappy Birthday, GamerGate‘  gegeben, den die ZDF-Journalistin Valentina Hirsch auf ihrem persönlichen Blog veröffentlicht hat. Ich werde mich in einem ausführlichen Artikel näher mit ihren Einlassungen beschäftigen, an dieser Stelle sei nur gesagt, dass ihr Artikel alles repräsentiert, was in Deutschland mit der Berichterstattung über GamerGate schief läuft: Es wird einfach irgendetwas aus Artikeln nachgeplappert, die Journalisten geschrieben haben deren Motto ‚Fuck Ethics, Make Money‚ (‚Scheiß auf Ethik, mach Kohle‘) lautet. Die gleichen Journalisten, denen von GamerGate unethisches Verhalten vorgeworfen wird erteilen sich selbst die Absolution und die deutsche Presse übt sich in ‚Listen and Believe‘ (etwa:’Zuhören und Vertrauen‘, ein von Anita Sarkeesian vorgeschlagenes Konzept nachdem man vorbehaltlos jeder Frau glauben sollte, wenn sie von ihren Erfahrungen berichtet, einfach nur auf Grund ihres Geschlechts. Nachfragen unerwünscht). Offensichtlich beschränkt sich die Recherche in Deutschland auf das Heraussuchen möglichst dämlicher pro-#GamerGate Artikel und das Blog von Leigh Alexander.

SocJus

Und deshalb möchte ich ein kleines Gegengewicht sein, ein juckende Laus im Pelz der ewig Betroffenen. Im Laufe der Zeit soll hier eine deutschsprachige Ressource entstehen mit der eine Perspektive abseits des von den Mainstreammedien in Deutschland gefahrenen Kurses sichtbar und auch für Außenstehende nachvollziehbar wird. Ich mache aus meiner Parteilichkeit keinen Hehl und habe mir doch vorgenommen so objektiv wie möglich mit den Argumenten der Opposition umzugehen.

Wünscht mir Glück!

 

 

Fotomontage: Anonymous auf reddit.com

Mythologie – ‚#GG ist rechts‘

Alles Nazis, außer Mutti

Der Vorwurf, Unterstützer des Hashtags seien ‚klar‘ dem rechten Spektrum zuzuordnen findet sich zuhauf im Netz. Im Guardian schreibt Jon Stone:

Was GamerGater und Männerrechtsaktivisten gemeinsam haben ist der verzweifelte, egoistische Wunsch, sowohl das Problem mit passivem als auch mit aggressivem Sexismus in der Spieleindustrie zur Nebensache zu erklären anstatt die Verantwortung zu übernehmen. Sie wollen eine Debatte in der sie die missverstandenen Helden und unschuldigen Opfer spielen können.

Dies ist der wahre Grund, warum sie die Sache als apolitische Konsumentenrevolte darstellen wollen und nicht als eine Flut bösartiger Stimmungsmache vom rechten Flügel. Und dazu gibt es keine neutrale Haltung – wir sind entweder für sie oder gegen sie.

Nicht nur der pathetische Schlusssatz ist zum Fremdschämen. Der PC Blog PCAuthority macht es sich noch einfacher:

Außerdem [ist GamerGate] eine exzellente Tarnung für rechte, rassistische und zutiefst frauenfeindliche Gruppen.

Den Höhepunkt setzt schließlich Ex-Gawker-Autor Max Read, er titelt:

Wie uns die verlogenen Faschisten von GamerGate abgezockt haben.

Die Presse scheint sich also einig zu sein. Ein Haufen rechter Idioten, die Sorte mit der man nicht reden muss. Man kann sie einfach so verachten.

Wie ist dieser Eindruck entstanden?

Einen der Gründe für diese Wahrnehmung stellen sicher exponierte Personen wie der Schauspieler Adam Baldwin (Jayne in ‚Firefly‘) oder der Journalist Milo Yiannoupoulos (breitbart.com)  dar, die aus ihrer konservativen Haltung keinen Hehl machen. So hat sich Baldwin ablehnend zur Schwulenehe geäußert, Yiannopoulos legt sich regelmäßig im britischen Fernsehen mit Vertretern des linken Spektrums an und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Beides gesellschaftliche Todesurteile in der schönen neuen Welt der Progressiven.

Warum gibt sich GamerGate überhaupt mit Menschen ab, die solch rückständige Ideen vertreten? Weil diese Menschen bereit waren, in den Anfangstagen des Hashtags hinter die Kulissen der Zensur zu schauen. Yiannopoulos hat kurz vor dem Beginn der Revolte in seinen Artikeln noch die gleichen Klischees über Gamer benutzt, die auch der Rest der Medien all zu gern verbreitet.

Rechte 'Kunst' / Foto: gamergateblog.de

Rechte ‚Kunst‘ / Foto: gamergateblog.de

Als er gesehen hat, dass die Gamer bereit waren, sich gegen die Invasion der Bedenkenträger zu wehren, hat er einfach mal genauer hingeschaut. Und eine Gemeinschaft von Menschen gefunden, die von ihrer Liebe zu ihrem Hobby angetrieben, bereit waren, die gleiche gesellschaftliche Ächtung in Kauf zu nehmen, welche er als homosexueller konservativer Journalist in einem eher links-liberalen Medienumfeld schon kannte. Adam Baldwin war so freundlich, die Reichweite der Debatte in den Anfangstagen durch seinen Bekanntheitsgrad und sein Netzwerk erheblich zu erhöhen und beteiligt sich auch nach einem Jahr noch immer wieder an Diskussionen auf Twitter.

Aus der Tatsache, das viele Unterstützer des Hashtags diesen beiden Personen dankbar sind, leiten Journalisten und Aktivisten ab, dass es sich bei GamerGate um einen monolithischen, rechtskonservativen Block handelt. Das ist nicht nur faul, sondern verlogen. Vor allem von den deutschen Medien, die Vorwürfe einfach übernehmen, statt nachzufragen. Das die Menschen Yiannopoulos Artikel auf breitbart.com, einer deutlich rechts der Mitte stehenden Plattform, lesen, bedeutet nicht, dass sie seine politische Einstellung teilen. Das ich Adam Baldwin für seine ‚Öffentlichkeitsarbeit‘ dankbar bin, ändert nichts daran, dass ich einige seiner Positionen für falsch halte. Die Gegner des Hashtags sind oft nicht in der Lage, Personen und Inhalte zu trennen. Ein Fehltritt und man ist in diesen Kreisen für alle Zeiten als Quelle oder Gesprächspartner erledigt.

Entspricht er der Wahrheit?

Ich streite nicht ab, das unter den Unterstützern des Hashtags auch Personen sind, die sich selbst als ‚rechts‘ bezeichnen würden. Die finden sich dort genauso wie in jedem Turnverein. Diese Tatsache zu verleugnen wäre fatal, zumal es Beweise gibt. Als Antwort auf die Vorwürfe, eine ‚rechte Hassgruppe‘ zu sein, haben findige Leute aus dem GamerGate-Umfeld eine Umfrage organisiert. Sie entspricht natürlich keinen wissenschaftlichen Kriterien, beschreibt die Verhältnisse aber nach meiner persönlichen Erfahrung und der vieler anderer #GG-Unterstützer recht treffend:

 

Im Uhrzeigersinn: Autoritär, Rechts, Libertär, Links.

Im Uhrzeigersinn: Autoritär, Rechts, Libertär, Links.

Die Frontlinie verläuft nicht an der Grenze zwischen rechts und links. Aus dem Schaubild ist klar zu entnehmen, dass es vor allem um den Gegensatz ‚freiheitlich‘ und ‚autoritär‘ geht. Die Gamer sehen sich als Wächter ihres Hobbys, bereit es gegen Reglementierung und Missbrauch zu Propagandazwecken zu verteidigen. Auf der anderen Seite haben wir Menschen, deren proklamiertes Ziel es ist, die Gamer und ihre Spiele ‚loszuwerden‘, wahrscheinlich um danach eine ’neue‘, ‚bessere‘, ‚erwachsenere‘ Spieleindustrie gleich einer Inquisitionsbehörde zu kontrollieren. Sie benutzen den ‚#GamerGate ist rechts‘ Mythos, um von ihren eigenen Verfehlungen abzulenken. Wer darüber bestimmt, welche Inhalte oder sogar Menschen ‚problematisch‘ oder ‚toxisch‘ sind, hat Macht in einer Multi-Milliarden-Dollar-Industrie. Und Macht bedeutet Geld. Wer einen Vorgeschmack möchte, sehe sich die Verflechtungen zwischen Spielepresse und Entwicklern auf deepfreeze.it an (englisch).

Rechte Propaganda ? / Bild: Twitter

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