Kategorie: GamerGate (Seite 2 von 4)

Zuckerbrot und Peitsche

Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache auf deepfreeze.it und wird hier mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

Spielepublikationen waren schon immer  werbefinanzierte Unternehmen – eine Finanzierungsform, die seit dem Übergang zum Onlinejournalismus zur einzigen nennenswerten Quelle für Einnahmen geworden ist. Durch die geringen Profitmargen und die Tatsache, dass der Großteil der Anzeigen von den Spiele-Publishern kommt, findet sich der Spielejournalismus in einer schwierigen Position wieder, in der die Interessen ihrer Werbekunden oft gegen die Interessen ihrer Leser stehen.

Das Werbebudget ist ein Druckmittel, das schon viele Publisher eingesetzt haben, um Spielejournalisten unter Druck zu setzen. Schon 1995 hat das Magazin Amiga Power das Problem angesprochen und festgestellt, das Spielkritiker durch PR-Mitarbeiter, die sie mit Geschenken beeinflussten, freundlich gestimmt würden und versuchten, Konflikte mit den Publishern zu vermeiden.

2005 stellte Dan Hsu, damals Chefredakteur von EGM, fest, dass ein nicht namentlich genanntes Konkurrenzunternehmen seine Titelseite im Tausch für Anzeigen regelrecht verkaufte. Er fügte hinzu, dass auch Veröffentlichungen seines Unternehmen von Publishern unter Druck gesetzt worden seien, das Spiel mitzuspielen – oder ihre Anzeigen zu verlieren.

Im Verlauf der Jahre kamen viele Versuche der Publisher ans Tageslicht, Journalisten milde zu stimmen, einzuschüchtern oder unter Druck zu setzen. Es entsteht der Eindruck, es gebe ein andauerndes Ringen hinter den Kulissen, bei dem Journalisten entweder von Publishern beeinflusst werden oder sich mit aller Kraft dagegen wehren müssen, um unabhängig zu bleiben.

Meine Industrie geht mir auf den Sack.

Die Auswahl der Cover-Motive bei einem unserer Mitbewerber kam mir irgendwie verdächtig vor, also habe ich einen Kontakt bei einem großen Spiele-Publisher danach gefragt. „Ja,“ sagte er, „wir kriegen vom betreffenden Magazin jedes Titelmotiv, das wir haben wollen. Wir müssen nur ein Gespräch mit dem Herausgeber führen, ein paar Anzeigen versprechen und anschließend klären wir noch die Details“. Also… kann man bei diesem Magazin eine Titelstory kaufen. Großartig.

Kürzlich hat sich ein PR-Mitarbeiter einer anderen Spielefirma darüber beschwert, dass über seine Firma auf einer gewissen, sehr wichtigen Website nicht berichtet wird, weil sie keine Anzeigen auf dieser Seite schalten. Damit ihre Spiele besprochen würden, müssten sie anfangen Geld auf der Seite auszugeben. Mehr Berichterstattung gegen Geld. Wundervoll.

Leider muss ich mir sowas nicht ausdenken.

Dan Hsu, 1UP.com

 

Die Wertung

Die Diskussion über den Druck, den Publisher auf Journalisten ausüben, beginnt im Normalfall bei den Wertungen – und die stehen seit den Anfängen der Nischenpresse unter Verdacht, nicht zuletzt wegen zahlreicher Skandale. Seit das Internet ihr Publikum vergrößert hat, wird den Redakteuren noch genauer auf die Finger geschaut.

Um die Wertungen geht es auch in den ältesten großen Skandalen der Spielegeschichte – wie den Vorgängen rund um Driver 3, ein Spiel das von den meisten ziemlich schlecht bewertet wurde, von einigen Veröffentlichungen von Future Publishing aber fast perfekte 9.0 Wertungen bekam. Sie verzichteten darauf, die vielen Bugs des Spiels anzusprechen und mussten hinterher zugeben, von Atari bevorzugt behandelt worden zu sein. Oder Donkey Konga von 2005, bei dem die Redaktion von Gamespy den Testbericht ohne Zustimmung des Autors änderte und eine schlechte 1.5/5 Wertung in eine deutlich bessere 3/5 änderten. Der wahrscheinlich bekannteste Skandal in der Spielebranche begann auch mit einem Testbericht: 2007 feuerte Gamespot seinen Chefredakteur Jeff Gerstmann,  nachdem dieser dem Spiel Kane & Lynch: Dead Men von Eidos in seinem Test eine niedrige Wertung gegeben hatte. Zur gleichen Zeit wurde das Spiel auf der Seite massiv beworben, was zu wilden Spekulationen über Druck durch den Publisher führte, die Gerstmann und Gamespot schließlich bestätigten, nachdem ihre vertraglich vereinbarte Schweigepflicht ausgelaufen war.

Mit regelmäßigen Skandalen wie diesen und manchmal unfreiwillig lächerlichen, auffälligen Unterschieden zwischen den Wertungen der journalistischen Kritiker und den Bewertungen der Fans ist die Presse jedesmal im Verdacht, bestechlich zu sein, wenn ein positiver Testbericht von einer massiven Anzeigenkampagne begleitet wird oder die Bewertung des Kritikers für ein Spiel eines Anzeigenkunden von der vorherrschenden Meinung abweicht und allzu freundlich ausfällt – oder ganz einfach Teile des Publikums beleidigt werden. Auch wenn die reine Masse solcher Vorfälle es wahrscheinlich macht, das einige dieser Vorkommnisse durchaus von den Werbekunden initiiert wurden, ist es ohne klare Beweise nicht möglich, berechtigte Anschuldigungen von Fehlalarmen zu unterscheiden.

Die Möhre

Mit den Testmustern der Publisher kommen regelmäßig zusätzliche Materialien, vom Werbegeschenk bis zu etwas extravaganteren Gegenständen. Im Presse-Kit von Halo 3 (2007) gab es zum Besipiel (unter anderem)  eine neue XBox 360 mit zwei Controllern und den Helm des Protagonisten als Dekorationsgegenstand. Auch 2001 bewies Microsoft erneut Großzügigkeit, als jeder teilnehmende Journalist auf der E3 Presse-Show des Konzerns eine kostenlose XBox 360 bekam.

Ich bin ein AAA-Producer […] es besteht also die Chance, das ich deinen Flug buche, und dein Zimmer, deine Getränke an der Bar, deine Besuche im Spa zahle und dein Zimmer vollstopfe mit HD-TVs, Alienware Rechnern und Razr-Keyboards mit Scheiß Neon-Unterboden-Beleuchtung. Nichts davon hat mit dem Spiel zu tun. Wir zahlen euch Schmiergeld und dafür erwarten wir nicht nur, das ihr Partei ergreift, wir setzen alles darauf. Und dann nehmen wir uns heraus, eure Unabhängigkeit einzufordern, wenn ihr schlecht über uns schreibt.

Alex Lifschitz, AAA-Producer Praktikant in der Produktionskoordination bei Activision 2009

Solche Geschenke scheinen eine weit verbreitete Gewohnheit zu sein. Ars Technica hat einige dieser Zuwendungen dokumentiert, unter den Highlights waren die Replik eines Schwertes aus einem Spiel oder eine Holzkiste voller Stofftiere, ein Scheck über 200 Dollar oder ein Schwerelosigkeits-Flug in einem Spezialflugzeug im Wert von etwa 5000 Dollar. Stepen Totilo von Kotaku kam 2012 auf das Thema zurück und merkte an, er müsse regelmäßig Geschenke von Publishern ablehnen oder weiter verschenken, unter anderem ein Mini-Surround-System, ein Schach-Set und eine Reise nach Disneyland. Totilo führte weiter aus, es sei schwierig, diese Geschenke auf ethisch korrekte Art und Weise los zu werden. Trotz der Bemühungen vieler Websites und Magazine finden Presse-Geschenke manchmal den Weg zu ebay, wo sie von ehemaligen Spielejournalisten angeboten werden. Gerne werden den Journalisten auch Reisen angeboten – 2010 gab es für die Tester von Call of Duty: Black Ops eine durchaus luxuriöse Unterbringung, und schon 2008 hatte Konami anlässlich der Veröffentlichung von Metal Gear Solid 4 Journalisten zu einem „Boot Camp“ nach Japan eingeladen.

 Zwei Wochen vor der Veröffentlichung des Spiels wurde ich von San Francisco nach LAX (Los Angeles) geflogen, von dort ging es mit dem Auto zum Flughafen von Santa Monica, wo ich einen Fliegerhelm mit meinem Gamertag überreicht bekam.

Dann setzte man mich in einen Helikopter um mich nach Ojai, Kalifornien zu fliegen, ein kleines Städtchen, etwa zwei Stunden von LA entfernt. Nach der Landung auf einem Feld wurde ich ins Ojai Valley Inn and Spa gefahren, wo ich drei Tage lang in einer schicken Suite wohnte. In der Suite gab es eine 360, eine Kopie des Spiels und einen schönen 3D-Fernseher, der an einem Surround-System hing. Es gab auch einen Bereich mit 30 Stationen, an denen die Tester sich den Multiplayer-Teil des Spiels ansehen konnten.

Ich bekam außerdem ein Headset von Madcatz im Call of Duty: Black Ops Design. Am Ende der Reise durfte ich den Pilotenhelm und das Headset behalten, alle Ausgaben für Flug, Unterbringung und Verpflegung hat Activision gezahlt.

Tae Kim, GamePro

Die Diskussionen über den Druck, dem Journalisten ausgesetzt sind kommen oft zu dem Schluss, es gebe zumindest keine offene Bestechung – wobei es korrekter wäre zu sagen, dass es diese nicht regelmäßig zu geben scheint. 2012 wurde das Indie Game Magazin dabei erwischt, dass die Redaktion 50 Dollar für einen Test verlangte – eine Praxis die möglicherweise eine Menge Inhalte beeinflusst hat und die nach der Aufdeckung zügig fallen gelassen wurde. Der für diese Entscheidung verantwortliche Mitarbeiter, Chris Newton schireb, er habe diese getroffen, weil bezahlte Testberichte innerhalb der Branche ein weit verbreitete Vorgehensweise seien, und offensichtlich meinte er das ernst, da mehrere kleinere Seiten sich offiziell dieser Praktiken bedienen. 2013 eröffnete die Crowdfunding-Plattform Patreon und wurde bald zu einer weiteren Quelle für finanzielle Interessenkonflikte.

Die Sporen

Zur gleichen Zeit, als Konami das „Boot Camp“ anbot, bat die Firma darum, die lange Installationsdauer und die vielen Cutscenes in den Tests zu Metal Gear Solid 4 nicht zu erwähnen – dazu muss man wissen, das die Gesamtlänge der Zwischensequenzen über acht Stunden beträgt, dass MGS 4 anscheinend zeitweise den Guiness-Weltrekord für die längste Cutscene gehalten hat und das die Installationszeiten sehr lang waren und zwischen den einzelnen Kapiteln immer wieder neu installiert werden musste. Stephen Totilo von Kotaku hat dieses Embargo Jahre später bestätigt, als er behauptete, seine Weigerung, dieser Vorgabe zu entsprechen, habe ihn ein Interview mit dem Erfinder der Reihe gekostet.

Im gleichen Jahr kam es zu einer ähnlichen Situation, die das Eidos-Spiel Tomb Raider Underworld betraf. Eine PR-Firma, die Eidos repräsentierte, bat Webseiten und Magazine die schlechten Tests erst ein paar Tage nach dem Erscheinen des Spiels zu veröffentlichen – und das, nachdem Eidos erst im Jahr davor in den oben erwähnten Gamespot-Skandal verwickelt gewesen war, den eine mittelmäßige Bewertung von Kane and Lynch: Dead Men  ins Rollen gebracht hatte.

Unbeeindruckt davon, das die Journalisten Eidos öffentlich gerügt hatten, wurde EA Norway 2011 dabei erwischt, wie sie Fragebögen an potentielle Tester von Battlefield 3 verschickten, deren Fragen so gestellt waren, dass man anhand der Antworten beurteilen konnte, ob der Betreffende dem Spiel eher eine hohe oder eine niedrige Wertung geben würde. Es folgte eine heftige Reaktion und EA gab an, die Versendung der Fragebögen sein ein Fall von „menschlichem Versagen“ gewesen.


 

Den zweiten und letzten Teil dieses Artikels, „Für eine Handvoll Doritos“, können Sie hier lesen.

Das Zitat von Alex Lifschitz hat gamergateblog.de zusätzlich eingefügt, da es die Industrie-Seite der Diskussion beleuchtet.

Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache auf deepfreeze.it, einer Seite, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die ethischen Verfehlungen im Spielejournalismus zu katalogisieren.

gamergateblog.de dankt @bonegolem und dem Team von deepfreeze.it für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung dieser Übersetzung.

Grafik: deepfreeze.it

 

 

#NichtEureMunition

Gastbeitrag

Der folgende Beitrag stammt von einer Bloggerin, die unter dem Pseudonym Transye West schreibt und wird hier mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

Liebe Gegner von GamerGate, ich bin #NichtEureMunition

Ich bin Mann-zu-Frau Transgender und wie viele von uns unterstütze ich GamerGate. Ich glaube daran, dass Meinungsfreiheit wichtiger als alles andere ist und würde das Recht auf Genderübergang und rechtliche Anerkennung meines neuen Geschlechts aufgeben, um dieses universelle Menschenrecht zu schützen. Ich glaube dran, das andere mich beleidigen dürfen und das ich sie beleidigen darf ohne Angst vor einer Einmischung der Behörden haben zu müssen und das „Cybergewalt“, wie sie von Anti-GamerGate beschrieben wird, nicht existiert. Ich glaube fest daran das Meinungen, unabhängig vom Medium, in dem sie ausgedrückt werden, nie unter Strafe gestellt werden sollten – solange sie keinen physischen Schaden für Andere verursachen.

Ich bin jetzt seit sechs oder sieben Monaten an GamerGate beteiligt und habe sowohl unter den Gegnern als auch den Befürwortern von GamerGate unglaubliche Freunde gefunden und würde keinen von ihnen verändern wollen. Obwohl ich heftige Meinungsverschiedenheiten mit Vertretern beider Gruppen hatte, habe ich doch mit den meisten von ihnen eine Verbindung gespürt. Wie auch immer, echte Negativität habe ich nur von einer Gruppe von gleich denkenden Menschen gespürt.

Jene, die mich transphob genannt haben obwohl ich selber Transgender bin, jene die mich als „diejenige, die hilft, Transleute weiter klein zu halten“ bezeichnet haben, sind die Gleichen, die kritisch zu abweichenden Gedanken und freier Meinungsäußerung stehen. Sie sind diejenigen, die einer nicht diskutierbaren Doktrin der sozialen Gerechtigkeit folgen und andere, die offen ihre Meinung sagen mit Doxxing und Swatting bedrohen. Eigentlich hat diese Gruppe großen Respekt vor Transgender-Personen, zwei ihrer lautstärksten Mitglieder sind selbst Transgender, doch dieser Respekt wird nur gezollt, solange man dem Narrativ folgt.

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Durchbrechen Transgender-Personen, z.B. durch die Unterstützung von GamerGate, das Narrativ, ist es auch für sie vorbei mit der Position auf dem Podest. Sie scheuen keine Mühen um uns lächerlich zu machen und uns abzuwerten indem sie unsere Twitterkonnten sperren lassen, weil wir keine unterwürfige Tranny sind oder sie ordnen uns absichtlich dem falschen Geschlecht zu, weil wir nicht die „genehmigte“ Liste an Pronomen benutzen. Dieser Lebensstil, der erscheint als käme er direkt aus „Animal Farm“, lockt Transgender-Personen unter dem Vorwand von Feminismus und Gleichheit an, aber nichts davon ist echt: Wenn eine Transperson auch nur ein kleines bisschen vom Gruppendenken abweicht, ändert sich ihr Kriegsruf auf einmal in: „Nur eine tote TransgenderPerson ist eine gute Transgender-Person“.

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Die meisten Angriffe auf mich beziehen sich auf meinen laxen Umgang mit dem Wort Tranny, das ich regelmäßig benutze, um mich selbst zu beschreiben. Ich habe mich immer auf die gleiche Art und Weise als „Tranny“ bezeichnet, wie Lesben sich selbst „Dykes“ nennen  oder Schwule sich selbst als „queer“ bezeichnen, eine humorvolle und verspielte Art mit einem Begriff umzugehen, der negative Untertöne hat und der von manchem als Schimpfwort gesehen wird. Ich benutze das Wort „Tranny“ nicht aus einem sinnlosen Gefühl der Rückeroberung heraus, sondern weil es mir gut tut und weil es Anderen die Möglichkeit gibt, über den Humor eine Verbindung zu mir herzustellen.  Ich glaube, dass Worte vollkommen abhängig vom Zusammenhang des Satzes sind, in dem sie stehen, vom Sprechenden selbst und das diejenigen, die glauben, man könne Worte zurückerobern einfach nur postulieren, dass ein weißer, heterosexueller, cis-gender Teufel ihr Wörterbuch beherrscht, was eine ziemlich lächerliche Theorie ist.

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Die Website feministing.com hat Tweets von mir in ihrem Artikel zur „Samus Atrans“-Kontroverse als Beweis für Transphobie zitiert. Diese Kontroverse wurde durch Brianna Wu und Ellen McGrody, zwei Transgender-Frauen, ausgelöst, die einen Artikel für die berüchtigte Website themarysue.com geschrieben haben. Der Artikel bezeichnete GamerGate-Unterstützer als „weiße dudebros“ und nannte meine Twitter-Gespräche mit @remmarssa, in denen ich mich erkundigte, warum es an christlichen Rollenvorbildern für Transgender mangelt, „zutiefest transphob“. Ich habe sowohl feministing.com als auch den Autor auf Twitter kritisiert und kurz darauf wurde der Artikel zurückgezogen. Darauf angesprochen informierte mich der Executive Director Jos Truitt, dass der fragliche Artikel zurückgezogen worden sei, weil er eine Transperson, in diesem Fall Brianna Wu, geoutet habe. Wu hat nie öffentlich bestätigt, dass sie eine Transgender-Frau ist.

Mir ist zwar klar, das Tanya Cohen (die Autorin des Artikels) eine Deckidentität des kürzlich verhafteten Internet-Trolls Joshua Goldberg und der Feministing-Artikel damit praktisch gegenstandslos ist, aber trotzdem habe ich ein Problem damit, dass feministing.com den Artikel in dem Glauben publiziert hat, es handele sich um die Warheit, denn auf diese Weise haben sie mich als transphob abgestempelt.

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Die Gegner von GamerGate haben ebenfalls versucht, meine Identität als Transperson in Frage zu stellen, indem sie mich mit dem falschen Geschlecht ansprachen oder mich als „Er, Sie, was auch immer“ bezeichnteten. Als Antwort darauf habe ich die Kopien von Briefen auf Twitter veröffentlicht, welche meinen Status als Kandidatin auf der Warteliste für eine Hormonersatztherapie bestätigen, die ich ab April 2016 in einer NHS-Gender-Klinik erhalten soll. Diese Briefe sind aus dem Januar 2015, zwei bis drei Monate bevor ich überhaupt mit GamerGate-Befürwortern oder Gegnern zu tun hatte. Ich möchte nachdrücklich darauf hinweisen, das mein gewähltes Geschlecht und die dazugehörigen Pronomen in den sechs bis sieben Monaten, in denen ich mit GamerGate zu tun hatte, nie von einem Unterstützer des Hashtags in Frage gestellt oder nicht respektiert worden sind.

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Ich glaube, dass das Recht auf Meinungs- und Redefreiheit alles andere überragt und dass meine eigenen Rechte als Transgender-Person zweitrangig sind. Ich würde das Recht zum Genderübergang, zur rechtsgültigen Änderung meines Namens oder Geschlechts und das Recht auf Heirat aufgeben, um diese Rechte für jede einzelne Person und jedes zur Verfügung stehende Medium zu schützen. Ich akzeptiere zum Beispiel, das nicht jeder mit meinen gewählten Pronomen oder der Art, in der ich über meine Identität spreche, einverstanden sein wird. Diese Leute haben das Recht auf ihre eigene Meinung, genau wie ich das Recht habe, ihre Meinung nicht zu teilen, ohne dafür Verfolgung befürchten zu müssen.

 

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In der Gründerzeit von #GamerGate war der Hashtag #NotYourShield populär, er entstand aus einer Diskussion auf dem /v/ Board auf 4Chan und war eine Antwort auf die Behauptung von Anti-GamerGate, sie würden die Rechte von Frauen und Minderheiten verteidigen – solange diese sich dem Narrativ unterordneten. Ich schlage vor, der Welt den abstoßenden Hass zu zeigen, dem GamerGate-Unterstützer regelmäßig durch ihre Gegner ausgesetzt sind. Diese Gegner benutzen Minderheiten nicht nur als Schild, um unsere Kritik abzuwehren, sondern auch als Waffe zum Angriff auf unsere Freiheit. Sexualität, Gender, Religion und Hautfarbe spielen keine Rolle, denn wir sind #NichtEureMunition, Anti-GamerGate!


 

Dieser Blogpost erschien zuerst in englischer Sprache hier.

gamergateblog.de dankt Transye West (@senpaidesune) für die freundliche Genehmigung zur Übersetzung und Veröffentlichung.

 

Google, Böcke, Gärtner

Google Ideas will eine Taskforce zur Bekämpfung von Drohungen und Beleidigungen im Netz gründen, für sich allein  genommen keine schlechte Idee, wenn man aufpasst, die freie Meinungsäußerung im Verlauf der Aktion nicht zu beschädigen. Voraussetzung für Letzteres wäre als erstes eine ausgewogene Zusammenstellung des zuständigen Gremiums. Schon der flüchtige Blick auf das Titelbild kann im geneigten Leser den Verdacht erwecken, das Google bei dieser Aufgabe wohl kein glückliches Händchen hatte. Es sei denn, Google wirbt auch Wölfe an, um Schafe zu beschützen, denn mindestens fünf der Damen auf dem Bild (ich zähle ganze zwei Männer, obwohl Studien keinen nennenswerten quantitativen Unterschied der Beleidigungen bei Männern und Frauen finden konnten) haben nicht nur passive Erfahrungen mit Drohungen, Beleidigungen und öffentlicher Bloßstellung.

Feuer mit Feuer bekämpfen?

Zuerst wäre da Zoe Quinn, ein Dauergast (der sich immer wieder selbst einlädt) in den Diskussionen rund um #GamerGate. Neben ihrer Vergangenheit als jemand mit „Helldump-Sucht“ (ein Forum, dass auf Doxxing und Trolling spezialisiert war), zeigt vor allem ihr Umgang mit ideologisch inkompatiblen Menschen ihre mangelnde Eignung für die Bekämpfung von Online-Belästigung. Sie hat versucht, die Kampagne von The Fine Young Capitalists zu torpedieren, die ein Spiel von Frauen entwickeln lassen wollten um den Profit an wohltätige Organisationen zu spenden. Später darauf angesprochen behauptete sie, lediglich vier Tweets zum Thema TFYC geschrieben und in keiner Weise Sabotage betrieben zu haben. Die 43 Tweets, die es tatsächlich waren enthielten Perlen wie „Oh, da haben wir wohl aus Versehen jemandes Website gecrasht“.

Dann wäre von Brad Wardell, dem Entwickler von Galactic Civilizations zu sprechen, den sie auf Twitter „ein pedantisches Stück Scheiße“ genannt hat. Oder von den vielen tausend anonymen Gamern, die sie in ihrem Wahn, sie sei ein „Cutie killing video games“ beleidigt und verhöhnt hat. Oder von der Fotografin, der sie erzählt hat, sie habe schon einmal einen Mann in Notwehr umgebracht und deren Karriere Quinn nach bekanntem Muster (laut „Belästigung“ schreien, bis jemand zuhört) zu torpedieren versuchte? Miss Quinn scheint genug Leichen im Keller zu haben, um ganze Friedhöfe zu füllen – wie zum Teufel kommt Google Ideas darauf, in ihr eine Kandidatin für ein Programm gegen Online-Belästigung zu sehen?“

„Ich liebe Games mehr als ihr Arschlöcher es jemals tun werdet“

Zoe Quinn, Botschafterin des guten Willens

Als nächstes wäre da Anita Sarkeesian: Nach außen die Maid in Nöten, die von der ganzen Männerwelt angegriffen wird, auf Twitter aber auch nicht gerade zimperlich. Über den Blogger Glenn Beck zu Beispiel kann man sicher streiten, ihn ein sexistisches Arschloch zu nennen, wie es Sarkeesian getan hat, bleibt aber weiterhin eine Beleidigung. Abgesehen davon denke ich, dass sie männlichen Internet-Nutzern gegenüber zu voreingenommen ist, nach ihren Worten sind sie für Amokläufe und überhaupt alles Schlechte in der Welt verantwortlich, wie soll ich als Mann denn da an Neutralität und gleiche Behandlung glauben? Außerdem gehört sie zu der Sorte Mensch, für die schon vorsichtige Kritik eine unerträgliche Art der Belästigung darstellt, ich weiß nicht ob Google Ideas die Verhältnismäßigkeit wahren kann, wenn Frau Sarkeesian mitarbeitet.

„Glenn Beck ist ein sexistisches Arschloch“

Anita Sarkeesian, Retterin der Beleidigten

Auch auf dem Bild ist Rose Eveleth, eine Journalistin, die maßgeblich daran beteiligt war, Matt Taylor, den Wissenschaftler, der ein Raumfahrzeug auf einem Kometen gelandet hat, für sein Hemd online an den Pranger zu stellen. Taylor gab dem Druck schließlich nach und entschuldigte sich unter Tränen für den Fauxpas, ein Hemd getragen zu haben, das ihm eine Freundin geschenkt hatte und auf dem Pin-up-Girls zu sehen waren. Ein klassisches Beispiel für eine Internet-Hetzkampagne, und doch scheint Google Ideas diese Frau für geeignet zu halten, genau solche Vorgänge in Zukunft zu verhindern. Warum auch immer.

„Schaut euch das Hemd von dem Typen an!“

Rose Eveleth, Shitstorm-Jägerin

Als viertes ist eine Dame zu nennen, die unter dem Pseudonym Feminista Jones die aus der RadFem-Ecke bekannten Vorurteile bedient, zum Beispiel beschwert sie sich darüber, das Frauen online neben Drohungen und Beleidigungen auch „intellektuelle Kritik“ ertragen müssten. Außerdem scheint sie Vorurteile zum Thema „sexuelle Potenz weißer Männer“ zu haben, die so gar nicht in das Bild einer Streiterin für Gleichberechtigung passen wollen. Was für ein Glück, das umgekehrter Rassismus nicht existiert, sonst hätte ich hier welchen vermutet.

„Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so viele impotente weiße Männer in meinen Mentions hatte.“

Feminista Jones, Expertin für Friedensverhandlungen

Und als letze aus der Runde habe ich mir den offensichtlichsten Fehlgriff aufgehoben, den sich Google Ideas geleistet hat: Randi Harper. Die selbsternannte „Gründerin und CEO“ der „Online Abuse Prevention Initiative“, das hört sich doch endlich nach einer vernünftigen Kandidatin an, könnte der uninformierte Leser jetzt denken. Aber abseits von dieser öffentliche Person sprechen ihre Tweets eine andere Sprache: Da sollen Leute „Schwänze fressen“ oder „brennen“, da werden Gerichtsvollzieher gedoxxt, die bei ihr Geld eintreiben wollen. Sie ist die „Entwicklerin“ eines Twitter-Blockbots, der die Blockierten in Kategorien wie „worst harassers“ einteilt und hält es nicht für Tierquälerei, ihren Hund blau zu färben. Außerdem droht die aufrechte Kämpferin gegen Ungleichheit ihrem Sohn schon mal an, ihn an „die Mexikaner“ zu verfüttern, sehr symphatisch und kein bisschen rassistisch.

Unter den Opfern ihrer Hasskampagnen sind die Aktivistin Claire Schuhmann, der Autor Videk Wadhwa oder der ehemalige IDGA-Vorsitzende für Puerto Rico, Roberto Rosario – die Liste ließe sich quasi endlos fortsetzen. Hätte Google Ideas mal das Produkt des Mutterkonzerns genutzt, um sich über Harper zu informieren, statt dieser Serientäterin auch noch eine Plattform zu geben.

„Friß einen ganzen Haufen Schwänze. Am besten welche von plattgemachten Männerrechtsaktivisten“

Randi Harper, Freundin in der Not

Google Bad Ideas

Tja Google Ideas, um ehrlich zu sein, ich kann gar nicht so viel essen, wie ich angesichts eures Opportunismus und eurer Kurzsichtigkeit kotzen möchte. Die Erwartung, Extremisten könnten etwas für die Entschärfung eines Konflikts tun erinnert mich an die Entscheidung der damaligen Veranstalter, für das Konzert der Rolling Stones auf dem Altamont Speedway die Hell’s Angels als Ordner zu verpflichten. Zwar wird Googles Entscheidung (hoffentlich) keine Todesopfer fordern, aber die Meinungsfreiheit der Gegner radikalfeministischer Ideen im Netz  könnte durchaus noch mehr Schaden nehmen als ohnehin schon angerichtet ist. Denn bei dieser Taskforce geht es nicht um „Cybergewalt“ (mein Kandidat für das Unwort des Jahres), sondern um Ideologie. Die Beteiligung von ganzen zwei Männern spricht für sich allein genommen schon Bände, aber die Tatsache, dass die beteiligten Frauen allesamt feministische Aktivistinnen sind, zeigt worum es wirklich geht – um einen Online-Maulkorb für die Kritiker dieser Ideologie.

Falls der ein oder andere geneigte Leser angesichts diese Vorgänge ein leichtes Unwohlsein verspürt, sollte er nicht versäumen, dies der deutschen Niederlassung von Google mitzuteilen.

 

 

 

 

 

 

 

In Devin Wilsons Kopf – Teil 5

In dieser Artikelreihe beschäftige ich mich mit dem Artikel ‚A Guide to ending Gamers‘ (‚Eine Anleitung wie man das Ende der Gamer herbeiführt‘) von Devin Wilson. Wilsons Artikel, am 28. August 2014 auf Gamasutra erschienen, war Teil des Medienblitzkriegs mit dem Tenor ‚Gamer sollten nicht mehr die primäre Kundschaft der Spieleindustrie sein‘. 16 Artikel innerhalb von wenigen Tagen sollten das Ende der ‚hyperkapitalistischen‘ Gamerkultur besiegeln und Wilson (er arbeitet an seinem Doktor in Medienwissenschaften) wollte offensichtlich das Manifest für diesen Putsch schreiben.

Er arbeitet sich in achtzehn Punkten durch die ideologische Basis dieser feindlichen Übernahme und ich werde mich Punkt für Punkt (wenn auch nicht in Wilsons Reihenfolge) mit den Vorschlägen beschäftigen, die er seinen Kollegen in der Spieleindustrie macht. Weiter geht es heute mit Punkt 10: Kapitalismus. Hier Wilsons Text:

10. Wir denken immer daran, das wir keine neuen Dinge kaufen müssen, damit wir Spiele rechtmäßig zu schätzen wissen. Wir spielen die alten Spiele, bis sie all ihre Geheimnisse preisgegeben haben und dann spielen wir sie noch etwas länger. Wir erteilen der impliziten Idee, Spiele seien Wegwerfprodukte, eine Absage. Wir sezieren die nahe und die ferne Vergangenheit der Spielekultur (und alles dazwischen) anstatt ständig in der kakophonischen, glitschigen und überwältigenden Gegenwart (und Zukunft) herumzuhampeln.

Bei diesem Punkt fehlen mir einmal mehr die Worte. Aus irgendeinem Grund hat Devin Wilson in seinem Hirn eine Verbindung zwischen Konsum und Verderben geschaffen, die ihn offensichtlich blind für jeden rationalen Vergleich macht. Welche Kunstform hat sich im Verlauf der Geschichte weiterentwickelt, indem sie stehengeblieben ist? Sicher haben die Künstler den Renaissance den Rückgriff auf die Antike in den Mittelpunkt ihres Schaffens gestellt, aber Michelangelos David ist keine pure Kopie einer antiken Statue, sondern eine subtile Weiterentwicklung. Und hätte die Florentiner Wollwebergilde nicht dafür gezahlt, wäre sie wohl nicht entstanden. Was Wilson in seinem Manifest ausblendet ist die einfache Tatsache, dass Künstler genauso ein Dach über dem Kopf, Nahrung, Werkzeuge und Rohstoffe für ihre Kunst brauchen wie jeder andere arbeitende Mensch. Ich bin mir sicher, dass seine Lösung für dieses Problem entweder Patreon-Unterstützung oder eine Art staatlicher Kulturfonds wären. Abgesehen davon, dass es sich bei diesen Lösungen nur um andere Zahlungsarten handeln würde (das Geld müssten ja immer noch Konsumenten oder Steuerzahler aufbringen), missfällt mir die Idee einer zentralen Kulturförderung – ich kann mir nur schlecht vorstellen das Pink Floyd oder Andy Warhol zu ihrer Zeit behördliche Unterstützung bekommen (oder angenommen) hätten.

Wilson schlägt also vor, sich nur noch mit alten Spielen zu beschäftigen. Das kommt mir vor als würde ich heute den Kids erklären wollen, das sie lieber Tom Petty statt Kanye West hören sollen, früher war ja bekanntlich alles besser. Glücklicherweise wissen ich und die meisten anderen Menschen, wie sinnlos es ist, sich über Geschmack zu streiten oder jemand anderem die eigenen Vorlieben aufdrängen zu wollen. Wenn Mr. Wilson gerne alte Spiele spielt, nur zu, ich habe auch über hundert Spiele in meinem GoG-Account und jede Menge Spaß damit. Allerdings kann ich keine moralische Überlegenheit in Spielen wie Wing Commander II oder Dungeon Keeper erkennen und auch noch ältere Vertreter wie Night Driver oder Joust haben mir bisher nicht dazu verholfen, ein besserer Mensch zu werden – wahrscheinlich, weil ich Pong noch immer nicht alle Geheimnisse entlockt habe. Woher Wilson die Grundlage für seine Behauptung nimmt, Spiele seien für die meisten Menschen „Wegwerfprodukte“, erschließt sich mir genauso wenig. Vielleicht reflektiert er mit dieser Aussage auch nur über seine eigene Geringschätzung für Kulturformen, die er nicht versteht. Ich kenne auf jeden Fall niemanden, der seine Spiele wegwirft, wenn er sie durchgespielt hat.

Kulturlandschaft nach D. Wilson / Foto: gamergateblog.de

Kulturlandschaft nach D. Wilson / Foto: gamergateblog.de

Um die ganze Sinnlosigkeit von Wilsons Punkt 10 zu erkennen muss man eigentlich nur die entsprechenden Vergleiche zu anderen kulturellen Gebieten ziehen. Nach Wilsons Idee würden wir in einer Welt leben, die sich im 21. Jahrhundert immer noch ausschließlich mit Homer befasst, Stummfilme sieht, klassische Musik hört (natürlich nicht so neumodischen Kram wie Beethoven) und in der Malerei und Plastik immer noch exklusiv religiösen Zwecken dienen. Eine krude Mischung aus moralinsaurem Traditionalismus und kultureller Engstirnigkeit. Für mich hört sich das an wie jemand, der die Kunstfreiheit aufheben will, indem er den freien Markt durch ein Förderungsmodell ersetzt, in dem selbsternannte „geistige Eliten“ (sprich: Wilson und seine Freunde) als Torwächter und Zensoren fungieren können, eine Möglichkeit, die ihnen im aktuellen kulturellen „Markt“ verwehrt bleibt.

Was Wilson mit dem „Sezieren der nahen und fernen Vergangenheit der Spielekultur“ meint, kann ich nur mutmaßen. Nach der Lektüre der bisherigen Artikel wird es mir der geneigte Leser sicher nicht übel nehmen, wenn ich das Schlimmste annehme: Das es Wilson nicht um eine Sektion geht, sondern in Wahrheit um viele kleine Amputationen, oder um es mit den (leicht abgewandelten) Worten von Anita Sarkeesian zu sagen: „Alles ist sexistisch, alles ist homophob, alles ist rassistisch und du musste es alles rausschneiden“.

 

Das abschließende Urteil spricht heute Giovanni Guareschi, Autor von „Don Camillo und Peppone“:

„Das Endziel jeder Zensur ist es, nur solche Bücher zu erlauben, die ohnedies niemand liest.“

Im nächsten Teil befasse ich mich mit Punkt 14: „Wir fangen an, Spiele nicht religiös, sondern als Freizeitbeschäftigung zu betrachten“.

Mainstream Media Blitz

Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache auf deepfreeze.it und wird hier mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

Den ersten Teil, „Monster“, können Sie hier lesen.

Fehlende Recherche

Trotz der schwerwiegenden Anschuldigungen die sie oft enthalten, zeigen die journalistischen Erzeugnisse zum Thema #GamerGate oft einen erschreckenden Mangel an Fakten. Newsweek war die einzige größere Publikation, die sich die Mühe gemacht hat zu recherchieren. Sie analysierten  eine große Anzahl von Tweets und entschieden, das Spieler Frauen belästigten, weil der Hashtag öfter an beteiligte Frauen als an beteiligte Männer getweetet wurde.

Die Studie gibt keine Auskunft über ihre Methoden und macht so das Nachvollziehen unmöglich und lässt die Tatsache außer acht, dass alle als betroffen genannten Frauen #GamerGate regelmäßig angegriffen haben, während sich die  genannten Männer eher ruhig verhalten haben. Selbst wenn man diese Umstände ignoriert und nur mit den von Newsweek handverlesenen Daten arbeitet, können die Ergebnisse komplett entkräftet werden: Die Daten zeigen, dass die an die untersuchten Personen gerichteten Tweets nur einen verschwindend geringen Anteil am Hashtag bildeten und das 95% der untersuchten Tweets neutral oder positiv waren, wobei Frauen relativ gesehen mehr positive und weniger negative Tweets als der Durchschnitt erhielten.

Eine ernsthaftere Inhaltsanalyse von 5000 Twetes innerhalb von 50 Tagen  zeigten das Nachrichten mit Bedrohungen oder Beleidigungen von Gamern nur einen sehr kleinen Prozentsatz ausmachten und das die Opposition mit einem Verhältnis von eins zu drei deutlich mehr solche Tweets versandte, eine Tatsache die um so verwunderlicher ist, wenn man die Vermutung bedenkt, das die lautstarken Vertreter der #GamerGate-Gegner eine zahlenmäßig deutlich kleinere Gruppe darstellen und den Hashtag nur sehr vorsichtig verwenden.

Der Statistiker Chris von Csefalvay führte eine Netzwerk-Analyse der #GamerGate-Community durch und kam zu dem Ergebnis, dass es sich um eine „relativ egalitäre“ Gruppe handele,in der auffällig viele Sub-Communities vorhanden seien. In von Csefalvays Worten sei dies „ein klarer Widerspruch zu dem oft wiederholten Meme, #GamerGate sei weitgehend homogen was ethnische Herkunft, sozialen Stand und Hautfarbe angehe“. Seine Ergebnisse sind außerdem „nicht kompatibel mit der Beschreibung von #GamerGate als Hassgruppe“ und „der Behauptung, #GamerGate belästige regelmäßig bestimmte Personen“, da die Aktivisten nicht über eine zentrale Führung verfügten und sich eher auf externe Ziele konzentrierten. Er fügte jedoch hinzu, das eine definitive Beurteilung der Situation mit einer solchen Analyse nicht möglich sei.

Von Csefalvay löschte zeitweise seinen Twitter-Account, als er von der bekannten Anti-#GamerGate Aktivistin Randi Harper, der Autorin des GG-Autoblockers, zum Ziel von Drohungen und Beleidigungen gemacht wurde – ein Schicksal, das auch cainejw teilt, der den Newsweek Artikel widerlegt hatte. Sein Twitter ist bis heute deaktiviert.

Wo wir gerade vom Autoblocker sprachen: Eine Studie von Women Action Media! aus dem Mai 2015 zeigte, dass nur 0,66% der von dem Programm geblockten Accounts an Drohungen und Beleidigungen beteiligt waren – trotz der genauen Beobachtung des Hashtags und seiner Unterstützer.

Mainstream Media Blitz

Der Fokus der Medien auf das Narrativ von den belästigten Frauen hat dafür gesorgt, das diverse opportunistische Parteien zahlreiche „False Flag“ Aktionen durchführten, was einen Dialog weiter erschwerte.  Als die Gamer ihren Protest nach zwei – so noch nicht dagewesenen – Monaten noch immer fortsetzten, mischten sich die Mainstream-Medien ein. Sowohl Presse als auch Fernsehen erweiterten das Harassment-Narrativ, wobei sie sich auf Brianna Wu konzentrierten, eine umstrittene Entwicklerin von Nischenspielen für iOS.

Die nicht an #GamerGate beteiligte Wu brachte sich selbst ins Spiel, indem sie #GamerGate-Aktivisten übel beschimpfte, zum Teil mit Hilfe eines Sockenpuppen-Accounts, dessen Benutzung sie später einräumte. Als ihre persönlichen Daten (die anscheinend aus dem öffentlich sichtbaren Whois ihrer Website kamen) von einem anonymen Poster auf einem #GamerGate-Board veröffentlicht wurden, wurde der Poster sofort einer „False Flag“ verdächtigt und der Post wurde von anderen Usern so schnell wie möglich gelöscht. Außerdem wurde die Polizei über das Doxxing informiert. Nur Minuten danach erhielt Wu eine Serie fieser Tweets von einem kurz vorher angelegten Account und beschuldigte sofort die Aktivisten, obwohl es für eine Verbindung zu #GamerGate keinerlei Indizien gab. Durch diesen Vorfall bekam Brianna Wu als „Opfer von #GamerGate“ jede Menge Medienöffentlichkeit und finanzielle Unterstützung.

Anstatt sich auf die sieben Tweets, die sie erhalten hatte, zu konzentrieren, stellte die Presse Wu’s angebliche Flucht aus ihrem Haus auf Grund der Drohungen in den Mittelpunkt. Eine Analyse der Videointerviews, die sie in den Tagen nach dem Vorfall gab, zeigte, dass Wu alle Videointerviews von ihrem Zuhause aus führte, aus dem sie angeblich geflohen war. Andere Behauptungen, sie sei belästigt worden, wurden auch verdächtigt „False Flags“ zu sein, da der zeitliche Ablauf und andere merkwürdige Umstände sie fragwürdig erscheinen ließen. Der erfolgreichen Greenlight-Kampagne für ihr Spiel auf Steam scheint durch Bots nachgeholfen worden zu sein und sie gab Wu allem Anschein nach die Gelegenheit, Köder für noch mehr Hass-Kommentare auszulegen.

Bis heute wurde kein #GamerGate-Unterstützer einer Beteiligung an ernsthaften Drohungen oder Beleidigungen  überführt, ganz im Gegensatz zu Personen, die sich als Teil der Opposition sehen. Die Presse weiß, wie wir aus Leaks erfuhren, sehr genau, wie bösartig ihre Berichterstattung ist – ein Beispiel war der Entwickler Christian Allen, dem ein Interview zu #GamerGate verwehrt wurde, weil der Reporter, nach eigenen Angaben, Personen suchte, welche „Beleidigungen und Drohungen gutheißen und unterstützen“. Er gab außerdem an, er wisse, dass es „ziemlich schwierig“ sei, solche Leute zu finden. Zumindest auf kurze Sicht scheint sich solche Skandalberichterstattung auszuzahlen: Das im Januar veröffentlichte #GamerGate-Video von ABC brachte es auf YouTube zu über 400.000 Aufrufen, allerdings bekam es auch umwerfende 97% negative Bewertungen und hatte eine große Menge an gelöschten Kommentaren zu verzeichnen.

Die Verdienste von #GamerGate

Durch die entmenschlichte Darstellung in den Medien zu akzeptablen Zielen gemacht, durch die Verwehrung von Anonymität zu einfachen Opfern geworden und mit der schier unmöglichen Aufgabe ausgestattet, die Nicht-Beteiligung an anonymer Belästigung zu beweisen, haben die Aktivisten in #GamerGate über 150.000 Dollar für wohltätige Zwecke gespendet, um ihre guten Absichten zu unterstreichen.  Die Spenden an die Fine Young Capitalists – eine feministische Initiative zut Förderung von Frauen in der Spieleentwicklung, deren Gewinne an die Krebsforschung gehen – führte zur Schaffung der heute ikonenhaften Figur Vivian James, die zum Symbol der Aktivisten wurde.

Die „#GamerGate Harassment Patrol“ war eine weitere positive Initiative der Aktivisten. Von dort wurden gemeldete Accounts massenhaft an den Twitter-Support weiter geleitet und die Effizienz der Initiative wurde sogar von den erbittertesten Gegnern des Hashtags anerkannt.

Die überwältigende Mehrheit der Medien hat nie über diese Spendenaktionen oder die Arbeit der „Harassment Patrol“ berichtet. Aktivistin Margaret Gel dazu: „Wenn man mich monatelang als Terrorist bezeichnet, während ich die Zeit damit verbracht habe, Leute online zu beschützen, muss ich mich schon wundern was da los ist. Es ist mir ein Rätsel“.

Der Mangel an Berichterstattung über dokumentierte Fälle von Belästigung gegen Frauen, Minderheiten, LGBT und jeden anderen, Einzelperson oder Konsument, der unter dem Hashtag #GamerGate auf die Korruption in den Medien aufmerksam machen will, macht die Spiele- und die Mainstream-Presse entweder zu Dilletanten oder zu Komplizen der Korruption.

William Usher, Journalist, #GamerGate-Unterstützer

 

Heute, im September 2015, ist die #GamerGate-Kontroverse über ein Jahr alt. In dieser Zeit wurde eine unglaubliche Menge an Interessenkonflikten und anderen Verfehlungen wie die GameJournoPros entdeckt. Die Amerikanische Handelsbehörde FTC hat ihre Richtlinien für Werbelinks überarbeitet und #GamerGate explizit als Grund für diese Änderungen genannt. Außerdem haben Aktivisten eine große Menge an Berichterstattung mit verdeckter Werbung aufgedeckt. Eine große Anzahl Spielewebsites haben ihre Ehtik-Richtlinien im Verlauf der Konsumentenrevolte überarbeitet, ein Indiz dafür das die Email-Kampagne „Disrespectful Nod“ (etwa: „verächtliches Zunicken“) extrem erfolgreich war. Alle direkten Werbepartner der Websites scheinen ihr Engagenment bei Seiten, die von #GamerGate-Aktivisten kritisiert wurden, eingestellt zu haben.

Seit dem Beginn der Kontroverse gab es auch unter den Journalisten und Personen des öffentlichen Lebens einige, die ihre Stellung verloren haben. Wenn man bedenkt wie viel Mühe sich die Spiele- Medien und ihre Freunde von der Mainstream-Presse bei der Darstellung von #GamerGate als Unmenschen gegeben haben, sind diese Ergebnisse umso eindrucksvoller.

„Wenn #GamerGate verliert, könnten Schmierenkampagnen wie in den letzten zwei Monaten der Normalzustand werden“, schlußfolgert Margaret Gel, „Stell dir eine Welt vor, in der Journalisten jeden einen Terroristen nennen können, ohne das man etwas dagegen tun könnte: Alle würden einfach blind den Journalisten folgen und glauben, was sie sagen. Das ist eine furcheinflößende Zukunftsvision“.

Eine Zukunft, die vielleicht nicht Wirklichkeit wird. In den Monaten seit dem Interview mit Gel hat #GamerGate  zahlreich und mit starkem Willen weitergemacht. Mit jedem Ergebnis, das die Konsumentenrevolte einfährt, entlarvt sie die Fehler ihrer Kritiker. Selbst die härtesten Gegner beginnen ihre Haltung zu verändern, weil das Narrativ vom Frauen hassenden Mob, der jeden beleidigt und bedroht, immer unhaltbarer wird.  #GamerGate hat schon jetzt große Veränderungen bewirkt und seine Auswirkungen werden vielleicht weit über die Spieleszene hinaus zu spüren sein – aber auf jeden Fall haben die Aktivisten dem Ruf der Jorunalisten, die verächtlich über die Revolte geschrieben haben, empfindlich beschädigt.

 


 

Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache auf deepfreeze.it, einer Seite, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die ethischen Verfehlungen im Spielejournalismus zu katalogisieren.

gamergateblog.de dankt @bonegolem und dem Team von deepfreeze.it für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung dieser Übersetzung.

Grafik: deepfreeze.it

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Monster

Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache auf deepfreeze.it und wird hier mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

Der Spielejournalismus hat schon lange einen schlechten Ruf, schon vor zehn Jahren war die Korruption in diesem Bereich sprichwörtlich, obwohl einige der bekanntesten Skandale der Branche noch gar nicht stattgefunden hatten.

Im August 2014 hatten die Gamer genug und ihre angestaute Wut über eine korrupte, von Vetternwirtschaft und Agenda-Journalismus befeuerte Presse entlud sich explosionsartig. Der Zündfunke war ein Sex-Skandal, in den ein Journalist von Kotaku verwickelt war, als Brandbeschleuniger diente die Zensur der Diskussion über den Skandal und die Explosion verursachte die Presse, indem sie sich gegen ihre eigene Leserschaft wandte, anstatt sich der Diskussion über ihre Verfehlungen zu stellen.

Anstatt die Rufe nach Reformen ernst zu nehmen, starteten die Spielejournalisten eine koordinierte Offensive in welcher die Gamer übereinstimmend als frauenfeindliche Hetzer dargestellt wurden, deren wahre Motive in den Angriffen auf Frauen in der Spieleindustrie erkennbar seien – eine Behauptung, die später von den Mainstream-Medien aufgenommen und verbreitet wurde.

Die einseitige Darstellung der Drohungen und Beleidigungen im – im September 2015 – ein Jahr alten und weiterhin brodelnden #GamerGate-Skandal zeigen, dass diese Behauptung nichts weiter als eine schamlose Lüge ist.

 

Es gibt bei den großen Spiele-Websites nicht einen Autor mit auch nur soviel Glaubwürdigkeit wie der kleinste Filmkritiker bei einer Zeitung […]

Wenn Roger Ebert sagt, dass ein Film gut sei, dann denkt keiner – keiner – auch nur für eine Sekunde, seine Meinung könnte von dem Krabbencocktail, den es auf dem Empfang nach der Premiere gab, beeinflusst sein. Zeig mir nur einen Spielekritiker bei einer Mainstream-Publikation, der eine solche Glaubwürdigkeit besitzt.

Tealeaves Blog 2005 (zum Gamespy Skandal)

Vertretbare Ziele

Als Unterstützer von #GamerGate einen für Drohungen und Beleidigungen gegen Anita Sarkeesian berüchtigten Hetzer aufspürten, schrieb Jason Schreier von Kotaku dazu einen Artikel. Obwohl er darin die Bemühungen der Unterstützer anerkennend erwähnte, warf er ihnen gleichzeitig vor eine „Kultur der Angst“ zu erschaffen und spekulierte, die „Atmosphäre“ von #GamerGate sei für das Verhalten des Übeltäters verantwortlich.

„Ich „glaube“ (eigentlich) nicht, dass es so etwas wie eine falsche Vorgehensweise gibt – nur falsche ZIELE.“

„Moviebob“ Chipman, #GamerGate-Gegner

Nach Schreiers Logik sollten er und die Spielepresse für die krasse, gut dokumentierte und zahlreiche Hetze gegen eben diese Gamer verantwortlich gemacht werden – waren es doch ihre Artikel, welche die“ Atmosphäre“ für die Angriffe schufen.

In den Darstellungen der Medien findet sich keine Debatte, oft nicht einmal ein Erwähnung der Anliegen der Protestierenden, statt dessen liegt der Fokus ausschließlich auf den Beispielen für Beleidigungen und Drohungen. Da es keinen Versuch einer objektiven, unparteiischen Analyse gibt und die Beleidigungen und Drohungen gegen #GamerGate-Aktivisten ignoriert werden ist die momentane Berichterstattung der Medien über #GamerGate nicht viel mehr als eine Schmierenkampagne von Journalisten gegen Menschen, die es gewagt haben, sich über die Verlogenheit der Presse zu beschweren. „Jeden Tag erscheint ein Artikel, in dem steht, das #GamerGate voller unmenschlicher Monster ist“, fasst Gamer-Aktivistin Margaret Gel in einem Interview mit Breitbart zusammen, „Es gibt so viele Leute, die Morddrohungen erhalten und trotzdem behauptet die Presse weiter, sie seien die Terroristen“.

Mit ihrer Entmenschlichung der Gamer als frauenhassende, weiße Männer, deren innigster Wunsch es ist, Frauen aus der Spieleindustrie zu vertreiben, haben die Journalisten außerdem eine Atmosphäre geschaffen, in der die Hetze gegen #GamerGate-Aktivisten nicht nur aktiv gerechtfertigt, sondern auch noch vereinfacht wird. Weibliche Aktivisten und Angehörige von Minderheiten, die mit den Zerrbildern und der Entmenschlichung ihrer Persönlichkeiten durch die Medien nicht einverstanden waren, widerlegten dieses Bild, indem sie den Schutz der Anonymität verließen und ihre Identität unter dem Hashtag #NotYourShield offenlegten. Als Ergebnis kam es zu deutlich mehr Drohungen und Beleidigungen gegen die populärsten Frauen in #NotYourShield – darunter Julie M., Organisatorin der Matt-Taylor-Charity, die 23.000 Dollar für das Bildungsprogramm der UNAWE sammelte. Sie wurde drei Mal zu verschiedenen Zeitpunkten gedoxxt. Oder Liz Finnegan – die jetzt für den Escapist schreibt – die den Tag #SockPuppetConfessions (Bekenntnisse einer Sockenpuppe) ins Leben rief und wahrscheinlich eine der exponiertesten Beteiligten an #NotYourShield war: Nach einer sehr detaillierten und offenbar professionellen Offenlegung ihrer persönlichen Daten im Netz deaktivierte sie zeitweise ihre Präsenzen in den sozialen Medien und beteiligte sich fortan nicht mehr an der Diskussion zu #GamerGate.

Nichts von dem, was Anti-GamerGate macht sind Beleidigungen oder Drohungen. Wenn du GamerGate beleidigst, beleidigst du nur den Tag. Wenn du in einem Thread mit „die GamerGate Leute werden auch belästigt“ anfängst, lachen sie dich aus, veralbern dich oder grenzen dich aus, weil die Antis das nicht so sehen. Wenn ein Mitglied von GamerGate bedroht oder beleidigt wird, ist GamerGate selbst direkt verantwortlich. Derjenige bekommt nur die Konsequenzen für die Unterstützung einer Hassgruppe zu spüren. Er ist der Böse hier, das ist Gerechtigkeit. Ich habe Freunde, die das wirklich glauben und es widert immer noch an.

Früherer Anti-GamerGate Aktivist

Interview mit deepfreeze.it

QuinnGate

Nicht nur, dass die Medien die von #GamerGate aufgedeckten zahlreichen Fälle unangebrachten Verhaltens im Spielejournalismus ignorierten, in ihrem Fokus auf die koordinierte Darstellung eines einseitigen Hassgruppen-Narrativs offenbarten sowohl Spiele- als auch Mainstreammedien einen eklatanten Mangel an Recherche. Nicht einmal die von ihnen selbst konstruierte, einseitige Darstellung der Geschehnisse wurde einer Prüfung der Fakten unterzogen. Die überwältigende Masse der Berichte besteht einzig aus unredigierten, anekdotischen und oft ungeprüft wiedergegebenen Erlebnisberichten von umstrittenen Personen, die direkt davon profitieren, für Opfer von Drohungen und Belästigungen gehalten zu werden – Zoe Quinn ist hier ein gutes Beispiel.

Die oft als Indie-Entwicklerin bezeichnete Quinn hat außer einem mit wenig Aufwand produzierten Text Adventure namens „Depression Quest“, dem es an Feinschliff fehlte, nicht viel vorzuweisen. Ihre Bekanntheit verdankt sie eher der unverhältnismäßigen Aufmerksamkeit der Spielepresse, die sie trotz ihrer bescheidenen Leistungen von Journalisten wie ihrem finanziellen Unterstützer Ben Kuchera (Polygon) oder ihrer Freundin Patricia Hernandez (Kotaku) bekam.

Quinns Relevanz im Bezug auf #GamerGate folgt dem gleichen Muster – während ihre Rolle in der Auseinandersetzung minimal ist, wirkt das Ausmaß der Berichte über sie nach dem Ausbruch der Konsumentenrevolte im Vergleich dazu völlig unverhältnismäßig.

„Kann mir wirklich jemand eine Person nennen, die Frauen aus der Videospielkultur raus haben will? Ernsthaft, ich hab noch keinen mit dieser Meinung getroffen.“

Sargon of Akkad, YouTuber, Pro-#GamerGate

Schon bevor #GamerGate sie berühmt machte, war Quinn eine umstrittene Figur, schon damals behauptete sie, regelmäßig Beleidigungen und Drohungen zu erhalten – der Hauptgrund für Berichterstattung über sie. Der bekannteste Zwischenfall war die angebliche Belästigung, die sie aus einer anonymen Community von männlichen Jungfrauen, die unter schweren Depressionen leiden, erfahren haben wollte. Diese Behauptungen verschafften ihr Mitleid und die mediale Aufmerksamkeit, die ihr half den Veröffentlichungsprozess ihres Spiels auf Steam anzuschieben. Aber es gab auch Fragen nach dem Wahrheitsgehalt ihres Berichts, weil einige ihrer Ausführungen nicht zu vorliegenden Beweisen passen wollten. Ein ehemaliger Admin der Seite gab Monate später an, dass die Forenbeiträge, die Quinn als Quelle der Beleidigungen und Bedrohungen angab, von Quinn selbst oder forum-fremden Trollen stammten. Quinn-freundliche Beiträge waren von einem User mit der gleichen einzigartigen IP-Adresse gepostet worden, die auch für die Einträge verantwortlich war, die Quinn als Beweis für erlittenes Unrecht anführte.

Im August 2014 veröffentlichte Quinns Ex-Freund einen Blog über seine Beziehung zu ihr und beschrieb darin, wie er unter ihren ständigen Lügen, ihrem Mißbrauchsverhalten und ihren zahlreichen sexuellen Eskapaden gelitten hatte. Für alle Behauptungen hatte er zahlreiche und unwiderlegbare Beweise. Weil einige der Leute, mit denen Quinn fremd gegangen war Personen aus den Spielemedien waren, die ihrer Karriere behilflich gewesen waren, erregte der Blog viel Aufsehen. Im Mittelpunkt stand Nathan Grayson, ein Journalist bei Kotaku, der extrem positiv über sie berichtet hatte.

GamerGate und die Presse

Während Grayson und die anderen in den Skandal verwickelten Personen sich relativ ruhig verhielten, behauptete Quinn sofort, wegen der Verbreitung des Blogs Belästigungen ausgesetzt zu sein – sie gab an, ihre Daten seien veröffentlicht und ihr Tumblr gehackt worden. Die in dem Doxx veröffentlichten Daten erschienen wenig glaubwürdig, deuteten sie doch auf einen Festnetzanschluss auf Hawaii und einen Motorradhändler hin. Spätere Überprüfungen ergaben jedoch Anhaltspunkte für die eventuelle Echtheit der Daten. Die feindliche Übernahme von Quinns Tumblr scheint jedoch nie stattgefunden zu haben. Zwar wurden ihre persönlichen Informationen und die Update-per-Mail-Adresse ihres Blogs in einem Post veröffentlicht, es gibt aber keine Anhaltspunkte, dass Quinn zu irgendeinem Zeitpunkt nicht die Kontrolle über ihren Tumblr hatte.

In den Berichten der Presse waren die Protestierenden ein ungezogener Mob, der Quinn belästigte, jede ihrer Behauptungen wurde gebetsmühlenartig als Tatsache wiederholt. Und wieder kamen diese Berichte unter anderem von Journalisten mit freundschaftlichen oder finanziellen Verbindungen zu Quinn. Diskussionen über den Skandal wurden in den meisten GamingForen verboten, nach Aussage der Betreiber zum Schutz Quinns vor Belästigungen. Webseiten und Videos, die sich mit dem wirklichen Skandal beschäftigten wurden  mit allen Mitteln zum Schweigen gebracht, darunter haltlose Urheberrechtsbeschwerden, Denial-of-Service Angriffe und sogar Versuche die Hoster der Seiten unter Druck zu setzen. Personen, die sich öffentlich dazu äußerten wurden persönlich angegriffen, belästigt oder gedoxxt.

Der Skandal selbst wurde in der Mainstream-Presse so gut wie nicht behandelt, statt dessen wurden nicht im Zusammenhang mit der Revolte stehende und oft angezweifelte Drohungen und Beleidigungen präsentiert, es wurde behauptet, Quinns Ex-Freund habe gelogen oder angegeben, die Vorwürfe hätten sich als unwahr herausgestellt. Als Beweis dafür wurde eine Erklärung vom Kotaku-Chefredakteur, Stephen Totilo angeführt, der die Vorwürfe allerdings nie hatte entkräften können. Er hatte schlicht zu Protokoll gegeben, er sehe in der Affäre zwischen Grayson und Quinn keine Verfehlung, denn diese habe erst eine Woche nach dem Artikel über sie begonnen, außerdem habe Grayson ja eher einen Bericht geschrieben und kein Review. Totilo vergass auch, über die zu dieser Zeit bereits sehr deutlichen Hinweise darauf, das Quinn und Grayson schon länger Freunde waren, zu sprechen. Während die Proteste weiter gingen, gruben die Gamer immer neue Verfehlungen aus – zur Verdeutlichung: Im September 2015 sind auf Graysons deepfreeze.it-Seite zehn Interessenkonflikte gelistet, auf der Seite zur Vetternwirtschaft gibt es inzwischen 95 davon. Die Presse blieb bei ihrem ausschließlichen Fokus auf diese Episode und beendete Diskussionen mit der Begründung, diese ständen in direkter Beziehung zu Quinn und den angeblichen Drohungen und Beleidigungen gegen ihre Person.

Diese, als Zensur wahrgenommenen Vorgänge führten zu einer Eskalation der Proteste. Die Aktivisten begannen zu vermuten, das es geheime Absprachen geben musste, um eine berechtigte Diskussion über die Korruption in der Spielepresse zu zensieren. Wenige Wochen später erwies sich diese Theorie durch die Entdeckung der geheimen Mailingliste GameJournoPros als richtig. In dieser Gruppe war ein Großteil der Elite des Spielejournalismus organisiert, auch Grayson war Mitglied. Die Journalisten hatten auf Anregung des Gründers der Gruppe beschlossen, die Diskussion über den Skandal zu verbieten oder zu zensieren. Mitglieder, die zögerten, sich dieser Meinung anzuschließen wurden unter Druck gesetzt und bedroht.

In meinen anderthalb Jahren in der Gruppe war ich bei bestimmten Themen oft der einzige mit abweichenden Meinungen innerhalb der Gruppe, meist wurde ich einfach komplett ignoriert. Manchmal wurde ich kritisiert oder mir wurde gesagt, meine Beiträge gingen am Thema vorbei. Manchmal wurde ich auch gewarnt, das mein Verhalten, speziell das unnachgiebige Beharren auf meinem Standpunkt, ein „feindliches Umfeld“ für spezielle Leute schaffe. Ein paar mal haben sie gedroht, mich aus der Gruppe zu werfen. Der unterschwellige Druck, im Gleichschritt des Gruppendenkens zu marschieren, war sehr stark.

Ryan Smith, ehemaliges GJP-Mitglied

 

Quinn gibt an, immer noch täglich belästigt zu werden. Sie behauptet auch, zahlreiche Aufzeichnungen dieser Belästigungen zu besitzen, hat bisher aber nichts davon publiziert und lehnt Anfragen zu diesen Aufzeichnungen ab. Das ist zwar kein Beweis dafür, das die Belästigungen, die Quinn beschreibt nicht stattgefunden haben, aber die Tatsache, dass es bis heute keine stichhaltigen Beweise für eine Beteiligung von #GamerGate-Unterstützern an Drohungen oder Beschimpfungen gibt, spricht Bände – während Quinn selbst an mehreren Fällen von Doxxing beteiligt war.

Bis heute ist niemand für die Beleidigungen und Drohungen gegen Quinn angeklagt oder festgenommen worden. Auch wenn sie gegen ihren Ex-Freund eine einstweilige Verfügung erwirkt hat, musste sie dafür gegenüber den Behörden behaupten, ihr Ex und verschiedene Aktivisten hätten sich am Doxxing beteiligt, eine falsche Behauptung, die Quinn nach der Veröffentlichung der Dokumente als „fehlerhafte Formulierung der Polizei“ bezeichnete.


Den zweiten und letzten Teil dieses Artikels, „Mainstream Media Blitz“, können Sie hier lesen.

Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache auf deepfreeze.it, einer Seite, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die ethischen Verfehlungen im Spielejournalismus zu katalogisieren.

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Grafik: deepfreeze.it

 

Was haben diese Leute gegen Brüste?

Metal Gear Ernest

Obwohl es an Metal Gear Solid V einiges zu kritisieren gibt, darunter offenbar ein dem Schere zum Opfer gefallenes „echtes“ Ende, das nur für die Käufer einer Spezialedition verfügbar sein sollte (ist inzwischen natürlich im Netz gelandet, VORSICHT: Spoiler) , scheint sich die Kritik auf einen ungewöhnlichen Bereich zu konzentrieren: Den Oberkörper der Scharfschützin Quiet. Nachdem uns Polygon letzte Woche schon belehrt hat, dass Mad Max nicht mehr als fünf von zehn Punkten verdient, weil es nicht Imperator Furiosa heißt, wird jetzt die nächste Sexismus-Sau, pardon, das nächste genderneutrale Sexismus-Schweinx, durchs Dorf getrieben.

Neben einer Flut von Artikeln, in denen die weichen Brüste der Quiet-Action-Figur gefühlt dreimal so viel Raum einnehmen (kicher) wie Inhalt, der sich mit dem Spiel befasst, erreichen uns auch immer mehr persönliche Stellungnahmen zum Thema „Brüste“ von Leuten, die – nach eigener Aussage – nicht vorhaben, „irgendwem seine Spiele wegzunehmen“.

Den Anfang macht Ernest W. Adams, Grüder des Entwicklerverbands IGDA, der schon vor ein paar Tagen mit seinem Benehmen gegenüber der Entwicklerin Maya Posch unangenehm aufgefalllen  war. In einer Facebook-Konversation zur Ethik in der Spieleindustrie auf der Seite von Spieleentwickler und SPJ Airplay-Teilnehmer Derek Smart schlug ein Teilnehmer vor, jeden Menschen selbst entscheiden zu lassen, welche Darstellungen in den Medien für ihn angemessen sind und die anderen zu ignorieren – das konnte Adams, der niemandem seine Spiele wegnehmen will, so nicht stehen lassen:

 

Wisst ihr, ich erinnere mich an die 1970er, als schwarze Aktivisten dafür kämpften, das Image vom hüpfenden, springenden und grinsenden, Step tanzenden, „Ja, Massa“ sagenden Schwarzen in Film und Fernsehen loszuwerden. Sie haben drauf geschissen was die Zuschauer wollten, ihnen war die „Kreative Freiheit“ der Fernsehindustrie scheißegal. Das schwarze Menschen zur Unterhaltung von Weißen als Diener und Entertainer dargestellt wurden, machte sie krank, und sie hatten recht. Heute würde Hollywood nicht einmal zu träumen wagen, solchen Müll rauszubringen, obwohl es – wie ihr sehr genau wisst – da draußen immer noch Leute gibt, die es gerne so hätten.

Also, ja! Wir werden weiter rumschreien bis die letzte dumme Blondine mit Riesenbrüsten aus Spielen verschwunden ist, genau wie das einst so beliebte „Blackfacing“ und die „Tanzneger“ von Amerikas Bühnen verschwunden sind.

Versucht erst gar nicht, mir zu erklären, das diese Dinge verschieden sind. Wenn die Unterhaltungsbranche schwarze Menschen nicht mehr wie Scheiße behandeln darf, kann sie auch aufhören, Frauen wie Scheiße zu behandeln.

Quelle: Facebook

Quelle: Facebook

Wir sind von Ernest ja einiges gewohnt, aber so ein hinkender Vergleich macht ja selbst Quasimodo eifersüchtig. Netterweise hat er gleich den Hinweis eingebaut, dass die Tauglichkeit des Vergleichs für ihn kein zu diskutierendes Thema ist, eine beliebte Taktik der „Progressiven“: Sie erklären Teilaspekte ihrer Argumentation zum Sperrgebiet für Diskussionsteilnehmer, da sie genau wissen, wie fragil ihr Gedankengebäude an dieser Stelle ist – ein ähnliches Konzept namens „Glauben“ nutzen auch diverse Religionen, eine Verwandtschaft, die auch Maya Posch aufgefallen ist.

Und wie hält es Ernest W. Adams mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frau? Wenn eine Frau mit überdurchschnittlich entwickelten sekundären Geschlechtsmerkmalen sich dafür entscheidet, mit ihrem Aussehen Karriere im Showgeschäft zu machen, darf ihr dann jemand Vorschriften machen? Würde sich diese Frau freuen, wenn Ernest W. Adams „so lange rumschreit“ bis sie, wie die „Tanzneger“ von den „Bühnen Amerikas“ oder wo auch immer „verbannt“ ist? Während australischen Behörden offenbar seit 2010 Vorschriften nutzen um Frauen mit zu kleinen Brüsten aus der Pornographie zu entfernen, nähert sich Adams dem „Problem“ von oben. Ich sehe eine düstere Zukunft vor mir, in der in den Unterhaltungsmedien nur noch ein bestimmter, genormter Brustgrößentoleranzbereich erlaubt ist, der von Vertretern der  australischen „E.W. Adams Stiftung“ (Motto: „Wir sehen uns den ganzen Tag Brüste an, damit ihr die zu großen oder kleinen nicht sehen müsst“) kontrolliert wird.

Richtig Sorgen macht mir, Spaß beiseite, die indirekte Verbindung zwischen der „kreativen Freiheit des Fernsehens“ und der Frage des Brustumfangs. Hier fängt nämlich dann doch das Territorium der Dinge an, die man anderen gerne wegnehmen würde, weil man sie für schädlich für die Betreffenden hält. Ich nutze Keulen wie diese nur ungern, aber wir hatten in den letzten hundert Jahren hier schon mehrmals den Versuch, den Leuten von oben herab zu erklären, was Kunst ist und was nicht. Hat nicht einmal funktioniert. Hatte immer betäubende Wirkung auf die Kultur. Aber was erwarte ich von einem Mann, der MMORPG-Entwicklern empfiehlt, Strafzahlungen für Spieler einzuführen, die gegen die Verhaltensregeln im Sprach-Chat verstoßen.

„Zahlen Sie eine Strafe von fünf Dollar wegen Verstoßes gegen das verbale Moralitätsstatut.“

mögliche Zukunft nach E.W. Adams

#FullMcIntosh

Nach soviel moralinsauren Vergleichen von Ernest haben sich meine geneigten Leser etwas Unterhaltung verdient. Dafür sorgt Jonathan McIntosh, der Mann der nicht hinter Feminist Frequency steht und nur ihr „Produzent“ ist und nach dem eine Form der extremen Verwirrung („FullMcIntosh“)benannt wurde.

Quelle: Twitter

Quelle: Twitter

Es handelt sich hier nicht nur um den Witz eines unreifen Jungen, so stellt sich Kojima auch die Charakterentwicklung für viele Frauen in seinen Spielen vor.

Jonathan „Josh“ McIntosh, „Produzent“

 

Eier à la Benedict. Sehen wie Brüste aus, wenn man am Teller wackelt. 

Hideo Kojima, Mastermind der Metal Gear -Reihe

Abgesehen davon, dass seine Schlussfolgerung Kojimas Inspirationsquellen betreffend offensichtlich an den Haaren herbeigezogen ist, möchte ich Jonathan folgendes (laut und mehrmals) sagen: Es ist NUR ein Witz Jonathan, auch wenn du das nicht glauben oder verstehen kannst. Auch wenn es hier in erster Linie um Jonathans Humorlosigkeit geht, sollte man nicht vergessen, dass ein solcher Witz und die Verbreitung desselben in den richtigen Kreisen durch Menschen wie McIntosh dafür sorgen kann, das ein Entwickler auf einer schwarzen Liste landet oder seinen Job verliert. Nicht das Hideo Kojima in Gefahr wäre, der genießt momentan wahrscheinlich zum ersten Mal seit Jahren seine Ruhe, aber für einen kleinen Entwickler ohne große Titel in der Vita kann ein Retweet von Josh (oder Megaphon-Chan, Leigh Alexander) das Ende bedeuten – keine Previews, keine Reviews und jede Menge rechtschaffen entrüstete intersektionale Feministinnen und Feministen in den Twitter-Mentions. Über welche Körperteile darf man denn noch Witze machen? Sollten Demagogen wie McIntosh Einfluss auf so viele Medienleute haben, nur weil sie eine, ebenso demagogische, Freundin mit einer Videoserie auf YouTube haben?

Es lohnt sich in Diesem Zusammenhang, mal einen Blick in die älteren Tweets von Josh zu werfen, genau so schlimm und stilbildend wie Frühstücksei-Sexismus sind nämlich auch die Darstellungen von Gewalt und Gore. Und auch hier soll man die Meinung konsumieren und nicht „defensiv“ werden, also nicht diskutieren, nicht argumentieren und schon gar nicht nach Beweisen für Theorien fragen.

joshdoom4

Quelle: Twitter

Quelle: Twitter

„Gamer freuen sich lauthals über die Darstellung von Verstümmelungen. Zur Hölle, das ist deprimierend. Willkommen in der Spieleindustrie“

„Wir haben gerade ein Auditorium voller Erwachsener gesehen, wie es gejubelt hat als Körper mit einer Kettensäge zerteilt wurden. Denkt da mal wirklich einen Moment drüber nach.“

„Denk darüber nach, ohne defensiv zu reagieren. Niemand will DOOM verbieten. Aber welche Nachricht über die Gaming-Community sendet das an die Welt?“

Ein schönes Spielebusiness haben Sie da, wir wollen Ihnen das auch nicht wegnehmen, aber wär‘ doch schade, wenn dem Sexismus- oder Gewaltvorwürfe zustoßen würden, oder? Wenn Sie versprechen, den ganzen Schmutz, der mich und meine Geschäftspartner so anekelt, zu entfernen, könnte ich ihnen einen Deal vorschlagen, den Sie nicht ablehnen können! Kennen Sie meine Freundin? Für ganz kleines Geld arbeitet die für Sie als Consultant und sorgt dafür, das Ihnen solche Fehler nicht mehr passieren. Machen Sie sich keine Sorgen über die uneinsichtige Konkurrenz, deren Läden werden halt den ein oder anderen „Unfall“ in den sozialen Medien haben. Sie müssen nur den Unfug mit der kreativen Freiheit sein lassen.

 

 

 

Unser Feind, der Gamer

Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache auf deepfreeze.it und wird hier mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

Auf eine Weise unterscheiden sich Spielejournalisten von anderen Fachleuten: Obwohl die Gamer ihr Publikum und die Quelle ihres Einkommens sind, haben sie in Krisenzeiten oft auf der gegnerischen Seite gestanden, sei es um einem Publisher zu helfen oder aus weniger offensichtlichen Gründen.

Die Anspruchshaltung der Gamer

Mass Effect 3 von Bioware wurde Anfang März 2012 veröffentlicht

Es wurde von der Presse positiv aufgenommen, während die Spieler sich über einen auffälligen Mangel an Feintuning beschwerten, vor allem beim Ende der Geschichte. Viele fanden, es habe die Geschichte des populären Science-Fiction-Epos mit einem hastigen, nicht beeinflussbaren Schluss ruiniert. Und das, nachdem der Autor genau das Gegenteil versprochen hatte.

Die Spieler reagierten mit Anfragen, das Ende zu verändern , riefen eine zahlenmäßig erfolgreiche Petition und eine Spendenaktion ins Leben, bei der 80.000 Dollar zusammenkamen, bevor die Organisation Child’s Play entschied, kein Geld mehr von ihnen anzunehmen.

Der Publisher des Spiels, Electronic Arts, gab schließlich nach: Für Ende März kündigte man die Veröffentlichung eines kostenlosen DLC an, der ein erweitertes Ende enthalten sollte. Trotzdem gab es weiterhin Gegenwind, sogar in Form einer bot-gestützten Petition, die Mass Effect vor angeblich homophoben Protesten schützen sollte.

Der Branchenriese unter den Spielewebsites, IGN fuhr in den Wochen vor und nach der Veröffentlichung von Mass Effect 3 eine riesige Anzeigenkampagne und veröffentlichte einen regelmäßigen Strom von Artikeln über das Spiel – welches eine Figur enthielt, die der IGN-Mitarbeiterin Jessica Chobot nachempfunden war und die sie selbst synchronisiert hatte.

IGN bezog in der Kontroverse mit einem Videokommentar Stellung, welcher die „Anspruchshaltung“ der Spieler kritisierte und ihrer „dummen“ Petition vorwarf, die kreative Freiheit des Entwicklers einschränken zu wollen. Außerdem setzte das Video die Proteste gegen „on-disk DLC“ (kostenpflichtige Zusatzinhalte, die sich bereits auf dem Datenträger des Grundspiels befinden) mit dem Versuch, die Entwickler ihres Einkommens zu berauben gleich.

Während manche Medien eher moderat reagierten – oder die Sicht der Gamer teilten – begannen die Beschwerden über die „Anspruchshaltung“ der Gamer fast überall aufzutauchen.

Als nun das erweiterte Ende angekündigt wurde, protestierten einige Journalisten aggressiv in den sozialen Medien – nicht nur, indem sie sich über die Spieler lustig machten sondern auch indem sie Bioware „fehlendes Rückgrat“ vorwarfen. Sie könnten keinen Respekt vor einem Entwickler haben, der den Wünschen seiner Fans entspreche.

Alex Navarro von Giant Bomb sagte sogar, die einzige Änderung am Ende von Mass Effect 3 hätte eine Sequenz mit der Hauptfigur Shepard sein sollen, in welcher dieser den Spielern den Mittelfinger zeigt.

Nach Mass Effect 3 hat die Spielebranche jede Kontroverse genutzt, um sich über die „Anspruchshaltung“ der Gamer zu beschweren. Schon die lauwarme Aufnahme des Spiels Devil May Cry von Ninja Theory brachte VG247 dazu, die enttäuschten Fans als eine „Schande zum Heulen“ zu bezeichnen.

Obwohl die Spieler solche Dinge rundheraus ablehnten, sahen sich Journalisten genötigt, fragwürdige Praktiken der Spieleindustrie, wie zum Beispiel den Onlinezwang zwecks Kopierschutz, zu verteidigen. Ein Spiel, das für seinen Onlinezwang heftige Kritik bekam, war Diablo 3, vor allem kurz nach dem Release war es wegen Serverfehlern eine Zeit lang sogar im Einzelspielermodus unspielbar. Die Beschwerden darüber wurden von der Presse abgelehnt und trivialisiert, statt dessen wurden die Gamer aufgefordert „das Maul zu halten“, als „peinlich“ bezeichnet und sogar „weinerliche Rotznasen“ genannt. Kirk Hamilton von Kotaku schrieb, dass der Onlinezwang aus Diablo 3 ein „besseres Spiel“ mache, während seine Seite eine massive Anzeigenkampagne für Diablo 3 fuhr.

Dragon Age 2, ein weiteres Bioware Spiel, wurde für seine wiederverwendeten Bestandteile und eine schlecht geschriebene Geschichte kritisiert, während die Presse es überwiegend positiv beurteilte. Die legitime Kritik am Spiel wurde jedoch in Artikeln auf Polygon, Gamespot, Kotaku und in anderen Medien als frauenfeindliche Attacke auf Jennifer Hepler, eine Autorin bei Bioware, dargestellt. Kotaku veröffentlichten später eine Ergänzung zu ihrem Artikel, in der klargestellt wurde, das Hepler den Fans selbst mit jeder Menge Beleidigungen geantwortet hatte.

Journalisten sollten die Entrüstung der Konsumenten anerkennen, anstatt einen industriefreundlichen Kuschelkurs zu fahren. Der Gedanke daran macht mich krank, nicht als Autor, nicht als Gamer, sondern als Konsument

William Usher, GameBlend

Einige Journalisten, wie Erik Kain von Forbes, grenzten sich vom Angriff der Presse auf das eigene Publikum ab, er kritisierte den „schädlichen Mythos von der Anspruchshaltung der Gamer“ und nannte den Gedanken „zutiefst fehlgeleitet“ und vermutete sogar ein „einzigartiges Merkmal der Spieleindustrie“. Außerdem stellte er fest, die Attacken seien zu einem „faulen Ersatz für eine echte Diskussion“ geworden.

William Usher von CinemaBlend verteidigte die Spieler ebenfalls gegen die Anklage, sie hätten ein unverhältnismäßige  Anspruchshaltung. Er sagte, es sei ihm peinlich „das Gewerbe Spielejournalismus mit Leuten zu teilen, die sich selbst als Journalisten bezeichneten aber offensichtlich nicht verständen, was es bedeute, Fakten zusammenzutragen“. Auch YouTuber TotalBiscuit nannte die Diskussion über die Anspruchshaltung der Spieler „verdreht und verbogen, um daraus eine Waffe gegen Leute zu machen, die versuchen, sich wie verantwortungsvolle Konsumenten zu verhalten.“

Bis zum Sommer 2014 gaben sich die Journalisten damit zufrieden, über die „Anspruchshaltung“ der Gamer zu schwadronieren. Dann entschieden einige von ihnen, das es Zeit für eine Eskalation war.

 

Die Leser von Slate sind vorbei, sie sind auf dem absteigenden Ast – eine tote Zielgruppe.

Warum zum Teufel sollte ich mit diesen Worten eine Kolumne anfangen? Es gibt keinen schnelleren Weg, mein Publikum loszuwerden – also die Leute, die meine Rechnungen zahlen. Und doch haben Autoren bei nicht nur einer, sondern bei einem halben Dutzend Spielepublikationen letzte Woche genau das mit ihrem Publikum gemacht  […].

David Auerbach, Slate

Die toten Gamer

Die provokative Eröffnung im Zitat von David Auerbach (Slate) über diesem Absatz bezieht sich auf die sogenannten „Gamers are Dead“ Artikel – ein Dutzend Kommentare mit ähnlichem Thema, die in mehreren führenden Publikationen zum Thema Videospiele erschienen, darunter Polygon, Rock, Paper, Shotgun, Destructoid, Kotaku und Gamasutra. Die meisten wurden am 28. August 2014 veröffentlicht, die ersten fünf sogar mit nur jeweils einer guten Stunde Abstand.

Zwei Wochen zuvor war ein Sex-Skandal ans Licht der Öffentlichkeit gekommen, an dem neben einer unbedeutenden Indie-Enwicklerin auch der Journalist Nathan Grayson von Kotaku beteiligt war. Grayson wurde vorgeworfen, die Entwicklerin im Hinblick auf Pressepräsenz bevorzugt behandelt zu haben, während er eine Beziehung mit ihr hatte. Daraus erwuchsen ziemlich laute Anklagen, die einigen Vertretern der Spielepresse – die diesbezüglich schon länger nicht den besten Ruf hatte –Vetternwirtschaft vorwarfen. Die Kritik eskalierte, als die Diskussionen über den Skandal bei fast allen Publikationen und in fast allen Foren verboten wurde, was wiederum die Protestierenden dazu brachte, Zensurabsichten hinter diesem Vorgehen zu vermuten.

Die Presse reagierte mit den erwähnten Artikeln, vorneweg die umstrittene Leigh Alexander, damals noch Korrespondentin bei Gamasutra. In ihrem  aufwieglerischen Text nannte sie die Gamer „stumpfsinnige Kackschleudern“, „jammernde Hyper-Konsumenten“ ,“kindische Internet-Streithähne“ und warf ihnen vor, sie wüssten nicht „wie man sich kleide und benehme“. Auf diese Weise versuchte sie, die Industrie zu ermutigen, Gamer als Kunden hinter sich zu lassen.

Andere Artikel, wie die von Chris Plante, einem Korrespondenten für Polygon oder Casey Johnston, einer Kulturredakteurin bei ArsTechnica, unterstellten den Protestierenden eine Mitschuld an diversen Akten der Belästigung und Beschimpfung, von denen manche im Zusammenhang mit dem Sex-Skandal standen. Einen Beweis für den Zusammenhang zwischen den Protesten und der Belästigung lieferten sie nicht. Keiner der Artikel befasste sich mit den Argumenten der Protestierenden oder nahm Stellung zu den Vorwürfen der Vetternwirtschaft, manche behaupteten sogar, die gute Dokumentation der Vorwürfe sei gefälscht. Die meisten beinhalteten die Idee, die Gamer seien tot oder reif für den Müllhaufen der Geschichte – es sei ein veraltetes Konzept, an dem nur bigotte Menschen mit Angst vor Veränderung festhielten. Und diese Menschen dürften die Welt der Videospiele nicht repräsentieren.

„Die „Gamer-Kultur“, wie wir sie kennen, ist irgendwie peinlich […]. Es sind junge Männer mit Plüsch-Pilzhüten und Rucksäcken, in denen Promo-Poster-Rollen stecken […] Sie wissen nicht, wie man sich anzieht oder benimmt.

„Spielekultur“ ist eine Petrischale voller Menschen, die so wenig darüber wissen, wie soziale Interaktion und Berufsleben funktionieren, dass sie ohne lachen zu müssen „Online-Kriege“ über soziale Gerechtigkeit oder „Ethik im Spielejournalismus“ vom Zaun brechen können.

„Gamer“ ist nicht nur ein veraltetes demographisches Label, bei dem die meisten Leute vorziehen, es nicht zu benutzen. Gamer sind vorbei. Deshalb sind sie so wahnsinnig wütend.

Diese stumpfsinnigen Kackschleudern, diese jammernden Hyper-Konsumenten, diese kindische Internet-Streithähne – sie sind nicht mein Publikum. Und sie müssen auch nicht eures sein. Es gibt keine „Seite“ zu wählen, es gibt keine „Debatte“ zu führen.

Dort liegt die Vergangenheit, hier ist das Jetzt.

Leigh Alexander, Gamasutra

Obwohl sich einige der Artikel sogar untereinander zitieren, hat die zeitliche Nähe und die Ähnlichkeit viele Menschen dazu gebracht, eine geheime Absprache zu vermuten. Johnston und Plante waren Mitglieder (Alexander war ein ehemaliges Mitglied) der GameJournoPros Mailing-Liste, deren Entdeckung, kurz nach Veröffentlichung der Kommentare, für einen massiven Skandal sorgte. Die meisten in die „Gamers are Dead“-Artikel verwickelten Veröffentlichungen verfügten über bedeutenden Einfluss bei den GameJournoPros. Während keine direkten Verbindungen zwischen den „Gamers are Dead“-Artikeln und der Mailingliste gefunden werden konnten (es ist weiterhin unbekannt ob sie inneralb der Liste oder in anderer Form koordiniert wurden), gibt es – je nach Sichtweise – erheblichen Verdacht bzw. Bestätigungen dafür, dass die erste Welle der Zensur, die zu den Protesten geführt hatte, aus dem Hintergrund dirigiert worden ist. Die Zensur bei verschiedenen Veröffentlichungen stammte direkt aus den Reihen der GameJournoPros.

Laut David Auerbach brachten die „Gamers are Dead“-Artikel der Presse „über Nacht eine Verzehnfachung der Feindseligkeit“, die Proteste dauern im August 2015 immer noch an.

Gamastura, die einzige Seite, die gleich zwei der Artikel veröffentlichte, verlor nach der Veröffentlichung eine großen Teil ihrer Zugriffe. In den letzten Monaten des Jahres 2014 fiel sie um 5000 Plätze im Alexa-Ranking und die Böresenkurse der Mutterfirma UBM erlitten einen Kurssturz. Benjamin Quintero, ein Mitglied der Gamasutra-Community veröffentlichte Anfang September einen moderateren Kommentar in dem er Fragen wie „Wann ist das hier zu einem Kampf Medien gegen Konsumenten geworden?“ und „Was ist so schlecht daran, ein Gamer zu sein“ stellte und sich dafür aussprach, die Kritik der Konsumenten wenigstens anzusprechen. Fast sofort nach Veröffentlichung des Artikels wurde Quintero von Gamasutra „degradiert“ – wurde aber kurz darauf wieder mit seinen ursprünglichen Nutzerrechten ausgestattet. Leigh Alexander verließ Gamasutra Anfang 2015 um eine Stelle bei einer sehr viel kleineren Website anzutreten.

Auerbach sieht in den „Gamers are Dead“-Artikeln das Produkt einer Presse, die Probleme damit hat, ihr Monopol auf die Berichterstattung zu Spielen zu verlieren – ein Verlust, der durch den Aufstieg der YouTuber und anderer enthusiastischer Quasi-Amateure verursacht werde, die sich die Aufmerksamkeit und das Vertrauen von Spielern und Industrie erarbeitet hätten.

Journalisten, so Auerbach, könnten ihre Probleme nicht lösen, indem sie den Tod ihres Publikums predigten. Der Tod des Publikums sei in Wahrheit ein Rückzug von den etablierten Spielemedien, und die Journalisten hätten offensichtlich beschlossen, diesen Prozess zu beschleunigen. „Die Spielejournalisten haben vor Wut ihren Gehaltsscheck zerrissen“.

 

 


 

Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache auf deepfreeze.it, einer Seite, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die ethischen Verfehlungen im Spielejournalismus zu katalogisieren.

gamergateblog.de dankt @bonegolem und dem Team von deepfreeze.it für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung dieser Übersetzung.

Grafik: deepfreeze.it

In Devin Wilsons Kopf – Teil 4

In dieser Artikelreihe beschäftige ich mich mit dem Artikel ‚A Guide to ending Gamers‘ (‚Eine Anleitung wie man das Ende der Gamer herbeiführt‘) von Devin Wilson. Wilsons Artikel, am 28. August 2014 auf Gamasutra erschienen, war Teil des Medienblitzkriegs mit dem Tenor ‚Gamer sollten nicht mehr die primäre Kundschaft der Spieleindustrie sein‘. 16 Artikel innerhalb von wenigen Tagen sollten das Ende der ‚hyperkapitalistischen‘ Gamerkultur besiegeln und Wilson (er arbeitet an seinem Doktor in Medienwissenschaften) wollte offensichtlich das Manifest für diesen Putsch schreiben.

Er arbeitet sich in achtzehn Punkten durch die ideologische Basis dieser feindlichen Übernahme und ich werde mich Punkt für Punkt (wenn auch nicht in Wilsons Reihenfolge) mit den Vorschlägen beschäftigen, die er seinen Kollegen in der Spieleindustrie macht. Weiter geht es heute mit Punkt 5: Der kritische Blick. Hier Wilsons Text:

5. Wir beobachten Spiele, die wir machen oder spielen, sehr viel aufmerksamer. Der Sexismus in Spielen ist weit verbreitet und toxisch. Der Rassismus in Spielen ist weit verbreitet und toxisch. Die Gewalt in Spielen ist weit verbreitet und toxisch. Auch wenn die Spielepresse ständig versucht, diese Tatsache zu leugnen, sieht es *in Wirklichkeit* so aus, dass gewalttätige Spiele uns gewalttätiger und weniger mitfühlend *machen*. Wenn dieser Zusammenhang immer wieder von Forschern vermutet wird und wir uns gleichzeitig beschweren, dass die übelsten Typen in unseren Communities zu aggressiv und zu wenig empathisch sind, sind wir dann nicht zum Teil selbst Schuld? Wir sind nur allzu bereit, Spiele zu machen und zu spielen, die diese Auswirkung auf Menschen haben. Sollten Sie glauben, davon nicht betroffen zu sein, machen sie leider einen Fehler und klingen damit nicht weniger lächerlich als Menschen, die von sich behaupten, Werbung habe keine Wirkung auf sie. (Übrigens: Auch Kinder spielen regelmäßig gewalttätige Spiele, denn unsere Kultur erwartet das von „echten Gamern“. Die Altersfreigaben der ESRB sind ziemlich nutzlos).

Sexismus, Rassismus, Gewalt – die Grundpfeiler der Videospiele-Industrie? Über den Gewaltanteil ließe sich sicher diskutieren, aber die meisten Konsumenten werden sich schwer tun, in der Mehrzahl der Videospielen Rassismus und Sexismus zu finden, den man ohne dabei zu lachen, als „toxisch“ bezeichnen  könnte.  Das Wort bedeutete ursprünglich „giftig“, sonst nichts – heute wird es von den Anhängern der „Neuen sozialen Gerechtigkeit“ für all das verwendet, was ihnen nicht gefällt. „Das ist toxisch“ klingt einfach auch viel wichtiger als „Das gefällt mir nicht“.

Und jetzt setzt Wilson zur großen Augenwischerei an: In einem Satz wischt er die Wissenschaftler beiseite, die in Studie um Studie keinen Zusammenhang zwischen Spielen und gesteigerter Aggression gefunden haben, gibt der Spielepresse die Mitschuld und hat im Kopf eines leicht beeinflussbaren Lesers bereits eine Verbindung zwischen Gewalt, Sexismus und Rassismus in Spielen geschaffen. Ohne es explizit auszusprechen sagt dieser Abschnitt: „Und was für Gewalt gilt, gilt selbstverständlich auch für Rassismus und Sexismus“ – ohne  eine „weite Verbreitung“ dieser Dinge zu belegen.

Wer die Definitionen von Rassismus und Sexismus benutzt, die in den Wörterbüchern zu finden sind, dürfte verwundert den Kopf schütteln: Offen rassistische und sexistische Spiele existieren zwar, sind aber in den wenigsten Fällen dem Mainstream zuzuordnen.  So wie es Pornographie und gedruckte Ausgaben von „Mein Kampf“ gibt, gibt es auch sexistische oder rassistische Spiele. In Film- und Literaturkritik würde allerdings niemand darauf kommen zu behaupten, diese extremen Beispiele wären entscheidend für die Bewertung des gesamten Mediums. Allerdings können wir davon ausgehen, das Wilson andere Definitionen für Rassismus und Sexismus nutzt als der durchschnittliche Leser: Rassismus ist für ihn bereits ein weißer Hauptcharakter, für den Sexismus-Vorwurf reicht ihm eine zu knapp bekleidete weibliche Spielfigur.

Quelle: Kotaku

Quelle: Kotaku

Aber werden Männer in Spielen nicht auch idealisiert dargestellt? Gibt es keine extra knapp bekleideten Muskelprotze, in denen heterosexuelle Spielerinnen oder homosexuelle Spieler Attribute wiederfinden, die sie als anziehend bezeichnen würden? Nein, sagen Devin Wilson und seine Freunde, es gibt keinen umgekehrten Sexismus, Sexismus hat eine Unterdrückungskomponente und Männer per se werden nicht unterdrückt. Deswegen seien Artikel wie „Der Ryu aus Streetfighter V ist der heißeste Ryu“ auch kein Beweis für die These, der ständig angeprangerte Sexismus existiere, weil alle Geschlechter für die aufreizende  Darstellung schöner Körper in den Medien empfänglich sind. Patricia Hernandez schreibt in dem genannten Artikel:

Normalerweise sind wir ja bei Berichten über Vorbesteller-Prämien sehr vorsichtig, aber dieser neue Ryu ist einfach zu heiß um ihn nicht mit euch zu teilen. Ich schwöre, mein Twitterfeed ist im Moment voll mit Tonnen von Leuten, die beim Anblick des bärtigen Ryu das Sabbern kriegen.

Ach ja, es gibt noch andere Prämien. Allerdings sind sie nicht so gut aussehend wie der „waldarbeitersexuelle“ Ryu.

Verstehen Sie mich nicht falsch, lieber Leser, ich habe kein Problem mit weiblichen oder homosexuellen Spielern, die sich an der Darstellung eines attraktiven Charakters aus ihrem Beuteschema ergötzen. Ich habe ein Problem mit der Doppelmoral von Personen, die einerseits über einen völlig überzeichneten Charakter vergessen ihren Speichelfluss zu kontrollieren, während sie kein Problem haben, einen heterosexuellen männlichen Spieler für das gleiche Verhalten im Zusammenhang mit Lara Croft oder Bayonetta hasserfüllt als „creep“ zu bezeichnen. Manche Vertreter dieser Personengruppe, wie Anita Sarkeesian, behaupten sogar dieses Verhalten stehe stellvertretend für eine Anspruchshaltung gegenüber realen Frauen. Natürlich ohne handfeste Beweise oder Studien. Man stelle sich die Reaktionen der Berufsbetroffenen vor, wenn ein Mann die oben zitierten Zeilen über eine weibliche Figur geschrieben hätte.

Die meisten Menschen sind sich im Klaren darüber, dass die Idealbilder aus den Medien nicht real sind. Das ein Charakter in einem Buch oder Film zwar als Identifikationsfigur für eine bestimmte Anzahl Seiten oder Minuten dienen, Rückschlüsse auf die eigene Existenz aber nur indirekt zu ziehen sind, weil zwischen der künstlerischen Darstellung und der Realität noch klar erkennbare Schichten aus Erzähltechnik, Schminke, Kameraeinstellungen oder Abstraktion liegen. Wer solche Figuren ungefiltert als Vorbilder für das eigene Leben verwendet, hat kein Sexismusproblem, es fehlt eher an der Medienkompetenz. Und hier sehe ich das größere Problem: In einer Welt, in der die Grenzen zwischen Meinung und Berichterstattung immer weiter verschwimmen, können Demagogen wie Wilson ihre Meinung als Wahrheit verkünden und über ein Dutzend Websites wiederholen die kruden Theorien – nur das sie als Tatsachen präsentiert werden. Und der wenig medienkompetente Leser oder Journalist nimmt an, die als Meinung gestartete und als Berichterstattung gelandete Meldung  entspreche der Wahrheit und verbreitet sie weiter: Alle Spiele sind sexistisch. Alles Spiele sind rassistisch. Alle Spiele sind gewalttätig. Und du musst auf all das hinweisen!

Ach ja, Wilsons Nachsatz über Kinder und Altersfreigaben: Wieder eine Frage der Medienkompetenz, in diesem Fall die der Erziehungsberechtigten. Wenn Devin Wilson einem Kind eine Flasche Schnaps gibt, wird die Gesellschaft ihm oder dem Schnaps die Schuld geben? Ein lausiger Fall von „Denkt denn niemand an die armen Kinder?“, einer gern genutzten Taktik, um Fragen zu welchem Thema auch immer negativ aufzuladen. Wilson nutzt offenbar gerne Taktiken aus dem kleinen Handbuch für Populisten und Demagogen. Das macht ihn in den Augen des aufmerksamen Lesers nicht gerade glaubhafter.

Das abschließende Urteil spricht heute Frank Zappa:

Schlechte Fakten ergeben schlechte Gesetze und Leute, die schlechte Gesetze machen, sind meiner Auffassung nach gefährlicher als Songschreiber, die in ihren Songs die Sexualität feiern.

Im nächsten Teil befasse ich mich mit Punkt 10: Wir denken immer daran, dass wir keine neuen Sachen kaufen müssen.

 

 

 

Bei Sexismus ist die Diskussion zu Ende

Ein Gespräch mit der Spielentwicklerin Maya Posch

Maya Posch war am 30. August 2015 Gast im deutschen #GamerGate-Livestream, das folgende Gespräch ist ein Ausschnitt daraus. Neben ihrem Job als Programmiererin führt sie mit einem Freund zusammen das Enwicklungsstudio Nyanko, beherrscht Unmengen von Programmiersprachen und hat ein unübersehbares Faible für asiatische Kultur. Da Maya zwar Niederländisch, Englisch und Japanisch spricht (und außerdem Mandarin und Koreanisch lernt), Deutsch aber nicht ihre Muttersprache ist, habe ich ihre Antworten zugunsten der Lesbarkeit bearbeitet, dieses Video enthält das vollständige, unbearbeitete Gespräch.

gamergateblog.de dankt Maya Posch und den Organisatoren des Streams für die Zusammenarbeit.

 

Hallo Maya, stell dich doch einfach mal kurz vor.

Ich arbeite als Softwareentwicklerin, aber ich habe auch mein eigenes Games-Studio, und entwickle dort zusammen mit einem Freund Spiele.

Für mich hat GamerGate im letzten Jahr angefangen, ich habe gesehen, das es da um eine Frau geht und das gesagt wird: „Ha, du hast da etwas falsch gemacht“. Aber eigentlich hat das mit Anita Sarkeesian und ihrer Video-Serie angefangen, in der behauptet wird, alle Spiele seien 100% Sexismus und alle Frauen seien Opfer. Und auch ich als „female gamer“ sollte mich am besten als Opfer darstellen. Das hat mich sehr genervt und so habe ich im letzten Jahr zum ersten Mal den Hashtag #NotYourShield benutzt. Das musste sein.

Da ist dir der Kragen geplatzt.

Es ist einfach so: Ich bin kein Opfer. Auch nicht, wenn Sarkeesian das sagt. Dann bin ich immer noch kein Opfer. Ich will auch kein Opfer von Sarkeesian sein. Ganz einfach: Nein, das klappt nicht, so ist das alles nicht. Ich bin jetzt schon seit den neunziger Jahren ein Gamer und ich habe immer viel Spaß damit gehabt. Welcher Sexismus? Ich sehe keinen, das ist verrückt, ich bin #NotYourShield.

Kannst du mir drei Spiele nennen, die dir besonders gut gefallen?

Natürlich die meisten der Zelda-Games, Ocarina of Time, Majora’s Mask, Twilight Princess.

Damit hast du schon mehr genannt als Anita Sarkeesian bei Colbert. Ich habe auf deinem Blog gelesen, das du schon viel durchgemacht hast, trotzdem hat dich das nicht davon abgehalten, zum Beispiel C++-Entwicklerin zu sein und zig Programmiersprachen zu lernen, du programmierst Android-Apps mit denen man japanisch lernen kann, du schreibst auf mehreren Blogs zu Themen wie Programmieren, aber auch Wissenschaft, zum Beispiel über künstliche Intelligenz. Du bist jemand, der sein Wissen auch nach außen trägt – bist du auch jemand, der immer Beschäftigung braucht, etwas das den Geist anregt?

Ja, Langeweile, das geht nicht, das darf nicht sein.

Quelle: Twitter

Quelle: Twitter

Und wie denkst du über Leute, die dann sagen: “ Du bist doch Teil einer Minderheit, warum fühlst du dich nicht als Opfer, wir wollen dir doch nur helfen“?

Ich finde das komisch. Ich habe mir eigentlich immer selbst geholfen. Wenn ich etwas interessant finde, dann ist das Motto: „Einfach lernen“, ich habe mir Vieles selbst beigebracht. Wenn ich denke, ich könnte etwas besser machen, mache ich es einfach besser. Ich glaube nicht an die Opferrolle, ich glaube nicht, das es sinnvoll ist, das Opfer zu spielen. Aber das ist, was die Leute von mir erwarten, auch die Social-Justice-Warriors auf Twitter, es ist einfach unglaublich.

Was glaubst du ist das größte Problem bei diesen SJWs?

Ich glaube sie sind- wie sagt man – Kontrollfreaks. Sie haben ein festes Bild von der Realität und wenn jemand etwas sagt oder etwas macht, das nicht damit übereinstimmt, dann ist das als ob man gegen ein Dogma verstößt. Eigentlich ist es wie eine Religion. Diese Leute müssen einfach an ihre Version der Realität glauben, das sieht man auch bei Sarkeesian. Es gibt dann Männer, die glauben, Anita Sarkeesian habe recht, alle Frauen seien Opfer und in der Gaming-Community gebe es „toxische Maskulinität“. Und auch alle Frauen, die sich für Spiele interessieren sind Opfer, denn die Community ist natürlich rein männlich. Was mich auch nervt, ist die Tatsache, dass die Medien so tun als wäre die Ethikfrage etwas neues. Schon in den Neunziger Jahren gab es auf Seiten wie IGN Korruption, Korruption, Korruption.  Das war schon immer so.

We are not Jack Thompson

Das denke ich auch, nur das dieses Problem mit #GamerGate auf einmal  gleichzeitig von viele Leuten wahrgenommen wurde.

Es gab immer Kontroversen um Games. In den Achtzigern war es der „Satanismus“ in Dungeons & Dragons, in den Neunzigern war es die These, Spiele verursachten Gewalt, vertreten von Leuten wie Jack Thompson, und heute haben wir Anita Sarkeesian, die eigentlich der neue Jack Thompson ist.

Ja, aber die ist unantastbar, weil sie eine Frau ist.

Ja, das ist auch der Unterschied zu den vorhergehenden Diskussionen: Feminismus. Wenn man sich zum Beispiel Zoe Quinn ansieht, wenn man über jemanden schreibt, zu dem man eine Beziehung hat sollte man das offenlegen, klar machen, dass man nicht unhabhängig ist. Wenn man dann nach der Ethik fragt heißt es: Sexismus. Weil sie eine Frau ist. Man kann nichts dagegen sagen. Auch wenn man als Frau, als „female gamer“,  Sarkeesian kritisiert dann kommen gleich Social-Justice-Warriors – immer Männer – und sagen: „Das kannst du nicht sagen, das kannst du nicht machen, es ist einfach so. Sarkeesian hat recht“.

Ich habe auch ganz stark den Eindruck das Feminismus und gerade auch Sexismus in der #GamerGate-Debatte genutzt werden, um Kritik zu vermeiden.

Ich habe diesen Eindruck auch. Wenn jemand „Sexismus“ sagt, erwarten die Leute, das damit die Diskussion beendet ist. Wenn jemand sagt „Das ist Sexismus“, dann ist es vorbei, das glauben die wirklich. Es ist ein bisschen wie bei „Rassismus“. Wenn das jemand sagt…

Schublade zu, fertig!

Ja, genau, das glauben die. Daher kommt auch diese komische Idee von „Internalized Misogyny“: Frauen die nicht gegen #GamerGate sind, haben dann diesen „Internalisierten Frauenhass“, die hassen Frauen, die haben Probleme und darum stimmen deren Ideen nicht mit Sarkeesians Ideen überein. So etwas kann man gerne behaupten, aber ich glaube nicht, das es stimmt.

Eigentlich ist es wie eine Religion

Ja, es ist schon interessant, wie schnell die angeblich wahnsinnig „Progressiven“ dabei sind, eine Frau mundtot zu machen, nur weil sie die „falsche“Meinung vertritt.

Ja, das habe ich auch viele Male auf Twitter gesagt: Ich finde es komisch, die Gamergater, die Leute die #GamerGate unterstützen, sind immer so nett. Mit denen kann man diskutieren, die sagen einem nicht: „So ist es und nicht anders“, man kann auch eine andere Meinung haben, das ist auch OK. Mit den Anti-GamerGate-Leuten geht das einfach nicht. Man muss als Frau einfach ein komplettes Opfer sein, das geht nicht anders, wie gesagt, eigentlich ist es wie eine Religion. Ich hatte letzte Woche auch Kontakt mit Ernest W. Adams, dem Gründer der IGDA [International Game Developers Association], der hat mich auf Twitter geblockt und gesagt, ich wäre eine „Sockenpuppe“. Damit wollte er sagen, das hinter meinem Twitter-Account keine echte Person steht, das meine Aussagen eigentlich nicht „echt“ sind, das sie nicht meine Meinung wiedergeben. Das ist schon komisch. Das ist wirklich meine Meinung und ich bin wirklich eine Frau – glaube ich, steht auch so in meinem Reisepass. Solche Menschen wollein einfach nicht glauben, das ich als Frau kein Opfer sein muss. Wenn ich dann sage: „Ich bin kein Opfer und ich will auch kein Opfer sein“, dann sind sie sehr genervt und blocken mich auf Twitter.

Quelle: Twitter

Quelle: Twitter

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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