Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache auf deepfreeze.it und wird hier mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

Den ersten Teil, „Monster“, können Sie hier lesen.

Fehlende Recherche

Trotz der schwerwiegenden Anschuldigungen die sie oft enthalten, zeigen die journalistischen Erzeugnisse zum Thema #GamerGate oft einen erschreckenden Mangel an Fakten. Newsweek war die einzige größere Publikation, die sich die Mühe gemacht hat zu recherchieren. Sie analysierten  eine große Anzahl von Tweets und entschieden, das Spieler Frauen belästigten, weil der Hashtag öfter an beteiligte Frauen als an beteiligte Männer getweetet wurde.

Die Studie gibt keine Auskunft über ihre Methoden und macht so das Nachvollziehen unmöglich und lässt die Tatsache außer acht, dass alle als betroffen genannten Frauen #GamerGate regelmäßig angegriffen haben, während sich die  genannten Männer eher ruhig verhalten haben. Selbst wenn man diese Umstände ignoriert und nur mit den von Newsweek handverlesenen Daten arbeitet, können die Ergebnisse komplett entkräftet werden: Die Daten zeigen, dass die an die untersuchten Personen gerichteten Tweets nur einen verschwindend geringen Anteil am Hashtag bildeten und das 95% der untersuchten Tweets neutral oder positiv waren, wobei Frauen relativ gesehen mehr positive und weniger negative Tweets als der Durchschnitt erhielten.

Eine ernsthaftere Inhaltsanalyse von 5000 Twetes innerhalb von 50 Tagen  zeigten das Nachrichten mit Bedrohungen oder Beleidigungen von Gamern nur einen sehr kleinen Prozentsatz ausmachten und das die Opposition mit einem Verhältnis von eins zu drei deutlich mehr solche Tweets versandte, eine Tatsache die um so verwunderlicher ist, wenn man die Vermutung bedenkt, das die lautstarken Vertreter der #GamerGate-Gegner eine zahlenmäßig deutlich kleinere Gruppe darstellen und den Hashtag nur sehr vorsichtig verwenden.

Der Statistiker Chris von Csefalvay führte eine Netzwerk-Analyse der #GamerGate-Community durch und kam zu dem Ergebnis, dass es sich um eine „relativ egalitäre“ Gruppe handele,in der auffällig viele Sub-Communities vorhanden seien. In von Csefalvays Worten sei dies „ein klarer Widerspruch zu dem oft wiederholten Meme, #GamerGate sei weitgehend homogen was ethnische Herkunft, sozialen Stand und Hautfarbe angehe“. Seine Ergebnisse sind außerdem „nicht kompatibel mit der Beschreibung von #GamerGate als Hassgruppe“ und „der Behauptung, #GamerGate belästige regelmäßig bestimmte Personen“, da die Aktivisten nicht über eine zentrale Führung verfügten und sich eher auf externe Ziele konzentrierten. Er fügte jedoch hinzu, das eine definitive Beurteilung der Situation mit einer solchen Analyse nicht möglich sei.

Von Csefalvay löschte zeitweise seinen Twitter-Account, als er von der bekannten Anti-#GamerGate Aktivistin Randi Harper, der Autorin des GG-Autoblockers, zum Ziel von Drohungen und Beleidigungen gemacht wurde – ein Schicksal, das auch cainejw teilt, der den Newsweek Artikel widerlegt hatte. Sein Twitter ist bis heute deaktiviert.

Wo wir gerade vom Autoblocker sprachen: Eine Studie von Women Action Media! aus dem Mai 2015 zeigte, dass nur 0,66% der von dem Programm geblockten Accounts an Drohungen und Beleidigungen beteiligt waren – trotz der genauen Beobachtung des Hashtags und seiner Unterstützer.

Mainstream Media Blitz

Der Fokus der Medien auf das Narrativ von den belästigten Frauen hat dafür gesorgt, das diverse opportunistische Parteien zahlreiche „False Flag“ Aktionen durchführten, was einen Dialog weiter erschwerte.  Als die Gamer ihren Protest nach zwei – so noch nicht dagewesenen – Monaten noch immer fortsetzten, mischten sich die Mainstream-Medien ein. Sowohl Presse als auch Fernsehen erweiterten das Harassment-Narrativ, wobei sie sich auf Brianna Wu konzentrierten, eine umstrittene Entwicklerin von Nischenspielen für iOS.

Die nicht an #GamerGate beteiligte Wu brachte sich selbst ins Spiel, indem sie #GamerGate-Aktivisten übel beschimpfte, zum Teil mit Hilfe eines Sockenpuppen-Accounts, dessen Benutzung sie später einräumte. Als ihre persönlichen Daten (die anscheinend aus dem öffentlich sichtbaren Whois ihrer Website kamen) von einem anonymen Poster auf einem #GamerGate-Board veröffentlicht wurden, wurde der Poster sofort einer „False Flag“ verdächtigt und der Post wurde von anderen Usern so schnell wie möglich gelöscht. Außerdem wurde die Polizei über das Doxxing informiert. Nur Minuten danach erhielt Wu eine Serie fieser Tweets von einem kurz vorher angelegten Account und beschuldigte sofort die Aktivisten, obwohl es für eine Verbindung zu #GamerGate keinerlei Indizien gab. Durch diesen Vorfall bekam Brianna Wu als „Opfer von #GamerGate“ jede Menge Medienöffentlichkeit und finanzielle Unterstützung.

Anstatt sich auf die sieben Tweets, die sie erhalten hatte, zu konzentrieren, stellte die Presse Wu’s angebliche Flucht aus ihrem Haus auf Grund der Drohungen in den Mittelpunkt. Eine Analyse der Videointerviews, die sie in den Tagen nach dem Vorfall gab, zeigte, dass Wu alle Videointerviews von ihrem Zuhause aus führte, aus dem sie angeblich geflohen war. Andere Behauptungen, sie sei belästigt worden, wurden auch verdächtigt „False Flags“ zu sein, da der zeitliche Ablauf und andere merkwürdige Umstände sie fragwürdig erscheinen ließen. Der erfolgreichen Greenlight-Kampagne für ihr Spiel auf Steam scheint durch Bots nachgeholfen worden zu sein und sie gab Wu allem Anschein nach die Gelegenheit, Köder für noch mehr Hass-Kommentare auszulegen.

Bis heute wurde kein #GamerGate-Unterstützer einer Beteiligung an ernsthaften Drohungen oder Beleidigungen  überführt, ganz im Gegensatz zu Personen, die sich als Teil der Opposition sehen. Die Presse weiß, wie wir aus Leaks erfuhren, sehr genau, wie bösartig ihre Berichterstattung ist – ein Beispiel war der Entwickler Christian Allen, dem ein Interview zu #GamerGate verwehrt wurde, weil der Reporter, nach eigenen Angaben, Personen suchte, welche „Beleidigungen und Drohungen gutheißen und unterstützen“. Er gab außerdem an, er wisse, dass es „ziemlich schwierig“ sei, solche Leute zu finden. Zumindest auf kurze Sicht scheint sich solche Skandalberichterstattung auszuzahlen: Das im Januar veröffentlichte #GamerGate-Video von ABC brachte es auf YouTube zu über 400.000 Aufrufen, allerdings bekam es auch umwerfende 97% negative Bewertungen und hatte eine große Menge an gelöschten Kommentaren zu verzeichnen.

Die Verdienste von #GamerGate

Durch die entmenschlichte Darstellung in den Medien zu akzeptablen Zielen gemacht, durch die Verwehrung von Anonymität zu einfachen Opfern geworden und mit der schier unmöglichen Aufgabe ausgestattet, die Nicht-Beteiligung an anonymer Belästigung zu beweisen, haben die Aktivisten in #GamerGate über 150.000 Dollar für wohltätige Zwecke gespendet, um ihre guten Absichten zu unterstreichen.  Die Spenden an die Fine Young Capitalists – eine feministische Initiative zut Förderung von Frauen in der Spieleentwicklung, deren Gewinne an die Krebsforschung gehen – führte zur Schaffung der heute ikonenhaften Figur Vivian James, die zum Symbol der Aktivisten wurde.

Die „#GamerGate Harassment Patrol“ war eine weitere positive Initiative der Aktivisten. Von dort wurden gemeldete Accounts massenhaft an den Twitter-Support weiter geleitet und die Effizienz der Initiative wurde sogar von den erbittertesten Gegnern des Hashtags anerkannt.

Die überwältigende Mehrheit der Medien hat nie über diese Spendenaktionen oder die Arbeit der „Harassment Patrol“ berichtet. Aktivistin Margaret Gel dazu: „Wenn man mich monatelang als Terrorist bezeichnet, während ich die Zeit damit verbracht habe, Leute online zu beschützen, muss ich mich schon wundern was da los ist. Es ist mir ein Rätsel“.

Der Mangel an Berichterstattung über dokumentierte Fälle von Belästigung gegen Frauen, Minderheiten, LGBT und jeden anderen, Einzelperson oder Konsument, der unter dem Hashtag #GamerGate auf die Korruption in den Medien aufmerksam machen will, macht die Spiele- und die Mainstream-Presse entweder zu Dilletanten oder zu Komplizen der Korruption.

William Usher, Journalist, #GamerGate-Unterstützer

 

Heute, im September 2015, ist die #GamerGate-Kontroverse über ein Jahr alt. In dieser Zeit wurde eine unglaubliche Menge an Interessenkonflikten und anderen Verfehlungen wie die GameJournoPros entdeckt. Die Amerikanische Handelsbehörde FTC hat ihre Richtlinien für Werbelinks überarbeitet und #GamerGate explizit als Grund für diese Änderungen genannt. Außerdem haben Aktivisten eine große Menge an Berichterstattung mit verdeckter Werbung aufgedeckt. Eine große Anzahl Spielewebsites haben ihre Ehtik-Richtlinien im Verlauf der Konsumentenrevolte überarbeitet, ein Indiz dafür das die Email-Kampagne „Disrespectful Nod“ (etwa: „verächtliches Zunicken“) extrem erfolgreich war. Alle direkten Werbepartner der Websites scheinen ihr Engagenment bei Seiten, die von #GamerGate-Aktivisten kritisiert wurden, eingestellt zu haben.

Seit dem Beginn der Kontroverse gab es auch unter den Journalisten und Personen des öffentlichen Lebens einige, die ihre Stellung verloren haben. Wenn man bedenkt wie viel Mühe sich die Spiele- Medien und ihre Freunde von der Mainstream-Presse bei der Darstellung von #GamerGate als Unmenschen gegeben haben, sind diese Ergebnisse umso eindrucksvoller.

„Wenn #GamerGate verliert, könnten Schmierenkampagnen wie in den letzten zwei Monaten der Normalzustand werden“, schlußfolgert Margaret Gel, „Stell dir eine Welt vor, in der Journalisten jeden einen Terroristen nennen können, ohne das man etwas dagegen tun könnte: Alle würden einfach blind den Journalisten folgen und glauben, was sie sagen. Das ist eine furcheinflößende Zukunftsvision“.

Eine Zukunft, die vielleicht nicht Wirklichkeit wird. In den Monaten seit dem Interview mit Gel hat #GamerGate  zahlreich und mit starkem Willen weitergemacht. Mit jedem Ergebnis, das die Konsumentenrevolte einfährt, entlarvt sie die Fehler ihrer Kritiker. Selbst die härtesten Gegner beginnen ihre Haltung zu verändern, weil das Narrativ vom Frauen hassenden Mob, der jeden beleidigt und bedroht, immer unhaltbarer wird.  #GamerGate hat schon jetzt große Veränderungen bewirkt und seine Auswirkungen werden vielleicht weit über die Spieleszene hinaus zu spüren sein – aber auf jeden Fall haben die Aktivisten dem Ruf der Jorunalisten, die verächtlich über die Revolte geschrieben haben, empfindlich beschädigt.

 


 

Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache auf deepfreeze.it, einer Seite, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die ethischen Verfehlungen im Spielejournalismus zu katalogisieren.

gamergateblog.de dankt @bonegolem und dem Team von deepfreeze.it für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung dieser Übersetzung.

Grafik: deepfreeze.it